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die kulturelle Vielfalt

 Der Grundsatz der besonderen und differenzierten Behandlung der Ent-wicklungsländer (10.a) trägt auch im Rahmen der Kulturkooperation zur Verringerung von Ungleichheiten in und zwischen Ländern (SDG 10) bei. Hier leistet insbesondere die UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förde-rung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen von 2005 einen wesentlichen Beitrag, indem sie die differenzierte Vorzugsbehandlung für Entwicklungs-länder völkerrechtlich verankert (Artikel 16, UNESCO-Konvention).

 Der deutlichste Bezug zur Kultur findet sich in SDG 11: Anstrengungen zum Schutz und zur Wahrung des Weltkultur- und -naturerbes (11.4) helfen, Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig zu gestalten.

 Um friedliche und inklusive Gesellschaften zu fördern und leistungsfähige, rechenschafts-pflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufzubauen (SDG 16), sollen unter anderem illegale Finanz- und Waffenströme deutlich verringert und die Wiedererlangung und Rückgabe gestohlener Vermögenswerte verstärkt werden (16.4). Die Eindämmung des Handels mit „Blutkunst“ und die Re-stitution illegal verbrachter Kulturgüter trägt auch zur Bekämpfung von Ter-rorismus und Kriminalität bei (16.a).

Fokus: Das Potential der SDGs für das Kulturerbe/

die kulturelle Vielfalt

Spiegelbildlich zum Narrativ der Kultur als Treiber für nachhaltige Entwick-lung (UNESCO 2018a) tragen die SDGs auch umgekehrt dazu bei, Kulturerbe und kulturelle Vielfalt zu schützen und zu fördern. Dies ist durchaus kein Selbstzweck: Materielles wie immaterielles Kulturerbe repräsentiert die Würde, die Einzigartigkeit und Identität von Individuen, Gruppen und Ge-meinschaften. Es dient der Selbstvergewisserung und befördert gesellschaftli-che Kohäsion. Für Minderheiten und indigene Völker wird das Kulturerbe konstitutiv für den Fortbestand als Gemeinschaft angesehen (von Schorlemer 2015). Der Erhalt des Kulturerbes entwickelt sich dabei zu einer Querschnitts-aufgabe der Staatengemeinschaft allgemein und des VN-Systems im Speziellen (von Schorlemer 2016: 103).

Unterziel 11.4 der SDGs ist ein Beispiel, welches das Potential der SDGs für das Kulturerbe/kulturelle Vielfalt verdeutlicht. Es fordert eine Verstärkung der Anstrengungen zum Schutz und zur Wahrung des Weltkultur- und -natur-erbes. Als Indikator dafür dienen die Ausgaben für Kultur- und Naturerbe (Indikator für 11.4). Bei den Bemühungen um eine Verbesserung des Schutzes und der Wahrung des Weltkultur- und -naturerbes steht die Umsetzung der UNESCO-Welterbekonvention von 1972 im Vordergrund. Ebenfalls von Be-deutung ist das UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen

Kulturerbes von 2003. Diese völkerrechtlichen Instrumente werden flankiert von neueren Initiativen der Staatengemeinschaft wie der „New Urban Agenda“ von 2016. Die auf der United Nations Conference on Housing and Sustainable Urban Development (Habitat III) beschlossene Erklärung erkennt Kultur und kulturelle Vielfalt als Bereicherung für die Menschheit und als wichtigen Beitrag für die nachhaltige Entwicklung von Städten an (Ziff. 10).

Kultur solle daher als priority component in Stadtplanung und Entwicklungsstra-tegien einfließen und so materielles wie immaterielles Kulturerbe sowie Kul-turlandschaften fördern und vor potentiell negativen Auswirkungen von Stadtentwicklung schützen (Ziff. 124).

Der strategische Einbezug von Kultur für die nachhaltige Entwicklung von Städten bedeutet darüber hinaus nicht nur Schutz und Förderung von materi-ellem und immaterimateri-ellem Erbe, sondern beinhaltet auch eine Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft sowie die Festigung bestehender Netzwerke, wie des UNESCO Creative Cities Network, in dem UNESCO-Städte der Mu-sik, der Literatur, des Designs und anderer kreativer Felder seit 2004 zusam-menarbeiten (UNESCO 2018b). Diese und weitere Instrumente erfahren durch die SDGs einen neuen Impetus und stärken so weltweit den Erhalt von materiellem und immateriellem Erbe sowie kultureller Vielfalt.

Kultur(-erbe) ist darüber hinaus eine der tragenden Säulen für die Wider-standsfähigkeit (resilience) von Städten, vor allem in Konflikt- oder anderen Ka-tastrophensituationen. „Without culture, people cannot recover from disas-ters”, so Lazare Eloundou Assomo vom UNESCO World Heritage Centre (UNESCO 2018c). Dies zeigen die Wiederaufbauaktivitäten nach der Zerstö-rung von wertvollen Kulturgütern in Timbuktu (Mali), aber auch die Rekon-struktion der „Alten Brücke“ in Mostar (Bosnien und Herzegowina) als Sym-bol der Wiedervereinigung der im Krieg geteilten Stadt (UNESCO 2016: 151).

Diese Prozesse tragen auch bei zu einer neuen Diskussion um das Verständnis von „Kultur“ als einen kontinuierlichen Prozess gesellschaftlicher Transfor-mation und Anpassung, auch in Krisensituationen, bei. Ein solches Verständ-nis gewinnt komplementär zum klassischen, eher statischen Erhaltungsansatz von Kultur(-erbe) an Bedeutung.

Fazit

Vorangetrieben nicht zuletzt durch die Bemühungen der UNESCO ist heute das Narrativ von der Kultur als Grundvoraussetzung für nachhaltige Entwick-lung fest im internationalen Diskurs verankert. „Culture as an enabler for sustainable development“ (Turner 2017: 19 ff) ist zugleich für die erfolgreiche

 

Umsetzung der SDGs nicht mehr wegzudenken.

Die umfassende Implementierung der Kulturübereinkommen der UNESCO und die Stärkung ihrer Programme können in diesem Kontext einen wesent-lichen Beitrag zum Erreichen der SDGs leisten. Umgekehrt liefern die SDGs wichtige Impulse, Instrumente im Bereich der Kultur universell zu fördern und zu stärken.

Nicht nur aus entwicklungspolitischer, sondern auch aus kulturpolitischer Sicht muss daher der Nexus von Kultur und Nachhaltigkeit als Wegweiser für die Zukunft gelten. Die UNESCO und ihre Netzwerke – wie die elf sich der Nachhaltigkeit verpflichtet sehenden UNESCO-Lehrstühle in Deutschland2 oder auch das weltweite Netzwerk der UNESCO-Lehrstühle im Bereich Kul-tur3 – tragen mit ihrer Forschung und sonstigen Aktivitäten zur Konkretisie-rung und Verfestigung dieses Grundsatzes bei.

Literatur

Deutsche UNESCO-Kommission 2014: Die Agenda für nachhaltige Entwicklung in-tegrativ gestalten. Memorandum zur Post-2015-Entwicklungsagenda, verabschie-det auf der 74. Hauptversammlung der Deutschen UNESCO-Kommission, Frank-furt am Main, 21. Oktober 2014.

Lepenies, Philipp/Sondermann, Elena (Hg.) 2017: Globale Politische Ziele. Bestands-aufnahme und Ausblick des Post-2015 Prozesses. Baden-Baden: Nomos.

Merkel, Christine M./Möller, Lutz 2017: Nachhaltigkeit und Kultur – Die Vielfalt kultureller Ressourcen für die Nachhaltigkeitsstrategie heben, in: Michelsen, Gerd (Hg.): Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. Wegweiser für eine Politik der Nach-haltigkeit, Wiesbaden: Hessische Landeszentrale für politische Bildung, 107-122.

Turner, Michael 2017: Culture as an Enabler for Sustainable Development: Chal-lenges for the World Heritage Convention in Adopting the UN Sustainable Devel-opment Goals, in: Albert, Marie-Theres; Bandarin, Francesco; Pereira Roders, Ana (Hg.), Going Beyond. Perceptions of Sustainability in Heritage Studies No. 2 (Springer International Publishing AG 2017), 19-31UNESCO 2002: Allgemeine Erklärung zur kulturellen Vielfalt, in: UNESCO heute, Ausgabe 1-2, 1-6.

http://www.unesco.de/fileadmin/medien/Dokumente/Kultur/kkv/deklara-tion_kulturelle_vielfalt.pdf (abgerufen 13.03.2018).

      

2 Vgl. das Heidelberger Commitment vom Oktober 2017, http://www.une- sco.de/fileadmin/medien/Dokumente/Bildung/17_12_11_HeidelbergerCommit-ment.pdf (abgerufen 8. März 2018).

3 Siehe dazu UNESCO 2018d.

UNESCO 2013: The Hangzhou Declaration. Placing Culture at the Heart of Sustain-able Development Policies, http://unesdoc.unesco.org/im-ages/0022/002212/221238m.pdf. (abgerufen 13.03.2018).

UNESCO 2016: Culture: Urban Future. Global Report on Culture for Sustainable Urban Development, Paris: UNESCO. http://www.unesco.org/culture/culture-for-sustainable-urban-development/pdf-open/global-Report_en.pdf (abgerufen 13.03.2018).

UNESCO 2017: UNESCO Moving Forward the 2030 Agenda for Sustainable De-velopment, Paris: UNESCO. http://unesdoc.unesco.org/im-ages/0024/002477/247785e.pdf (abgerufen 13.03.2018).

UNESCO 2018a: Culture for Sustainable Development, https://en.unesco.org/themes/culture-sustainable-development. (abgerufen 13.03.2018).

UNECSO 2018b: Creative Cities Network, https://en.unesco.org/creative-ci-ties/home (abgerufen 13.03.2018).

UNESCO 2018c: UNESCO and UN-Habitat build the case for culture and sustaina-ble cities at the World Urban Forum, 13. Februar 2018, https://en.une- sco.org/news/unesco-and-habitat-build-case-culture-and-sustainable-cities-world-urban-forum (abgerufen 13.03.2018).

UNESCO 2018d: Network of UNITWIN/UNESCO Chairs and C2Cs related to Culture, http://unescochairs-c2c.net (abgerufen 27.03.2018).

von Schorlemer, Sabine 2015: Weltkulturerbe, in: Woyke, Wichard/Varwick, Johan-nes (Hg.): Handwörterbuch Internationale Politik, 13. Auflage, Opladen: Verlag Barbara Budrich, 518-526.

von Schorlemer, Sabine 2016: Kulturgutzerstörung. Die Auslöschung von Kulturerbe in Krisenländern als Herausforderung für die Vereinten Nationen. The United Na-tions and Global Change Band 11, Baden-Baden: Nomos.

Sabine Freifrau von Schorlemer, Prof. Dr. Dr., ist Inhaberin des Lehrstuhls für Völkerrecht, Recht der EU und Internationale Beziehungen sowie des UNESCO-Lehrstuhls für Inter-nationale Beziehungen an der Technischen Universität Dresden. Außerdem ist sie Mitglied im Stiftungsrat der Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF) und im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN). Sie ist Aufsichtsratsvorsit-zende des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und war mehrere Jahre Vorstandsvorsitzende der Stiftung Entwicklung und Frieden (sef:), Bonn.

Sylvia Maus, LL.M. ist Wissenschaftliche Koordinatorin am UNESCO-Lehrstuhl für In-ternationale Beziehungen und Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Völkerrecht, Recht der EU und Internationale Beziehungen an der Technischen Universität Dresden.

Die Bekämpfung von globaler Ungleichheit,