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2. DIE KRANKHEIT SCHIZOPHRENIE

2.8. Krankheitsfolgen

So vielfältig das Krankheitsbild der Schizophrenie ist, so vielfältig sind auch die Folgen der Schizophrenie für den Erkrankten selbst, die nahen Bezugspersonen und für das Versorgungssystem. Aus diesem Grund hat die Erkrankung eine hohe sozialmedizinische Bedeutung. Die Schizophrenie gehört zu jenen Krankheiten, die das Leben der Erkrankten und deren Bezugspersonen am meisten belastet. (vgl. Simm, 2008, S. 532). Durch die psychosoziale Behinderung besteht bei den Erkrankten in jungen Jahren bereits häufig eine Erwerbsunfähigkeit. Dadurch entstehen hohe volkswirtschaftliche Verluste und die medizinische und psychosoziale Versorgung der Patienten erhöht die Gesundheitskosten (vgl. Klosterkötter, 2008, S. 533). Ebenso verursacht die Non-Compliance der Patienten mehr Kosten im Gesundheitssystem, allem voran im stationären Bereich.

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2.8.1. Psychosoziale Folgen

Die psychosozialen Folgen der Schizophrenie zeigen sich vor allem in der familiären Situation, im Wohnmilieu, in der Beschäftigung, im sozialen Netzwerk und in der Lebensqualität der Erkrankten.

Die familiäre Situation kennzeichnet sich dadurch, dass die Erkrankten weniger oft verheiratet sind oder in einer Partnerschaft leben. Frauen leben häufiger in einer Partnerschaft als Männer (vgl. Rittmannsberger & Wancata, 2008, S. 65). Ebenso ist im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung eine reduzierte Fertilität gegeben. Eine mögliche Erklärung dafür wird in der reduzierten Fähigkeit zur Herstellung stabiler, intimer Beziehungen gesehen. Männer sind davon stärker betroffen als Frauen (vgl.

Rittmannsberger & Wancata, 2008, S. 66-67).

Die Frage nach dem Wohnmilieu der Patienten lässt sich nicht so leicht zu beantworten. Als Näherungswert gilt, dass zwischen 7 und 65 Prozent der Erkrankten alleine leben. 7 bis 28 Prozent leben mit einem Partner zusammen. Zwischen 4 bis 72 Prozent der Erkrankten leben bei ihren Eltern. 0 bis 14 Prozent leben in einem geschützten Milieu (Rittmannsberger

& Wancata, 2008, S. 67).

Das Problem der Obdachlosigkeit und der Kriminalität sind sehr häufig auftretende Phänomene bei der Schizophrenie (Rittmannsberger & Wancata, 2008, S. 67). Eine schwere psychische Krankheit und Arbeitslosigkeit sind das Hauptrisiko für Obdachlosigkeit. Durch die Endhospitalisierung wird über eine Zunahme von Menschen mit schweren psychischen Störungen in Einrichtungen der Wohnungslosenfürsorge berichtet (vgl. Rittmansberger, Sonnleitner, Kölbl, & Schöny, 2001, S. 8).

Es ist für Menschen mit schizophrenen Störungen sehr schwer, sich am Arbeitsmarkt zu behaupten und teilzunehmen. Die Beschäftigungsrate der Erkrankten liegt bei 10 bis 20 Prozent. 12 bis 98 Prozent der Patienten beziehen eine Invaliditätspension oder Sozialhilfe (vgl. Rittmannsberger & Wancata, 2008, S. 68-69). Als „Pensionsfalle“ wird immer wieder die bessere Absicherung der Erkrankten durch die Erwerbsunfähigkeitspension diskutiert.

Studien zeigten, dass sich in den letzten Jahren die Rate der erwerbstätigen Personen mit Schizophrenie, deutlich verringert hat (vgl. Rittmannsberger & Wancata, 2008, S. 69).

Es wird zwischen einer subjektiven und objektiven Lebensqualität unterschieden. Die subjektive Lebensqualität der Erkrankten stimmt jedoch häufig nicht mit der objektiven Lebensqualität (tatsächliche) überein (vgl. Rittmannsberger & Wancata, 2008, S. 69).

25 Erkrankte die einer Arbeit nachgehen haben eine deutlich verbesserte subjektive und objektive Lebensqualität, als Erkrankte ohne Arbeit (vgl. Rittmannsberger & Wancata, 2008, S. 69).

Das Konzept des „sozialen Netzwerks“ beschreibt die Anzahl der Menschen, zu der eine Person Kontakt hat, und die Qualität dieser Beziehungen. Die Größe und die Qualität des sozialen Netzwerks sind ein Prädikator eines positiven Krankheitsverlaufs (vgl.

Rittmannsberger & Wancata, 2008, S. 69)

2.8.2. Aggressives und gewalttätiges Verhalten

Im Vergleich zu Gesunden, neigen Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen häufiger zu Gewalttätigkeit und aggressiven Durchbrüchen. Am höchsten ist das Risiko für Gewalttaten und anderen kriminellen Handlungen für schizophrene Patienten, im Vergleich mit anderen psychiatrischen Erkrankungen (vgl. Weiss, Marksteiner, Hinterhuber, & Noan, 2006, S. 186).

Aggression und Gewalt ist ein komplexes Phänomen. Die Ursache für aggressives und gewalttätiges Verhalten bei psychiatrisch erkrankten Personen hat verschiedene Faktoren. In der Wissenschaft wird zwischen den neurobiologischen Faktoren (neurologische Dysfunktionen) und den nicht-neurobiologischen Faktoren (soziale Faktoren) unterschieden (vgl. Weiss, Marksteiner, Hinterhuber, & Noan, 2006, S. 187).

Als ein wichtiger Risikofaktor für Gewalt und Aggression bei schizophrenen Patienten gilt der komorbide Alkohol- und Drogenmissbrauch (vgl. Weiss, Marksteiner, Hinterhuber, & Noan, 2006, S. 187, 190).

Frauen neigen mehr dazu, ihre Aggressionen verbal auszudrücken. Männer neigen eher zu physischer Gewalttätigkeit. Diese Geschlechtsunterschiede finden sich ebenso bei gesunden Personen (vgl. Weiss, Marksteiner, Hinterhuber, & Noan, 2006, S. 186-187). Hiday (1998) stellte in seiner Untersuchung fest, dass psychiatrisch erkrankte Männer eine erhöhte Prävalenz für schwere gewalttätige Auseinandersetzungen mit und ohne Waffengebrauch haben (vgl. Weiss, Marksteiner, Hinterhuber, & Noan, 2006, S. 187).

In der Untersuchung „Geschlechtsunterschiede bezüglich aggressivem und gewalttätigem Verhalten bei schizophrenen und schizoaffektiven Patienten“ (Weiss, Marksteiner, Hinterhuber, & Noan, 2006) wurde aufgezeigt, dass es signifikante Geschlechtsunterschiede hinsichtlich verschiedener Ausprägungsformen von Aggression zwischen Männer und Frauen gibt. Männer hatten häufiger physische Auseinandersetzungen, disziplinäre Schulprobleme, ein antisoziales Verhalten mit und ohne Involvierung der Polizei und eine größere Anzahl an Inhaftierungen (vgl. Weiss, Marksteiner, Hinterhuber, & Noan, 2006, S.

190).

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2.8.3. Gesundheitsverhalten und Lebensstil

In mehreren Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass schizophrene Patienten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung einen ungünstigeren Lebensstil haben. Schizophren erkrankte Menschen essen ungesündere Lebensmittel, trinken mehr Kaffee und sie haben eine deutliche verringerte körperliche Aktivität. Ebenso ist die Anzahl der Raucher und der Zigarettenkonsum bei den Erkrankten deutlich höher, als in der Normalbevölkerung (vgl.

Roick, Schindler, Angermeyer, Fritz-Wieacker, Riedl-Heller, & Frühwald, 2008, S. 100-101).

Da ein sehr hoher Prozentsatz der Erkrankten ohne Beschäftigung ist, haben die Mehrzahl der Erkrankten nicht genügend finanzielle Mittel zur Verfügung um sich gesund zu ernähren (vgl. Roick, Schindler, Angermeyer, Fritz-Wieacker, Riedl-Heller, & Frühwald, 2008, S. 100).

Nikotin dient vielen Erkrankten als Selbstmedikation. An Schizophrenie erkrankte Menschen versuchen durch den Nikotinkonsum die Nebenwirkungen der Neuroleptika abzuschwächen, die Negativsymptome zu kompensieren und kognitive Defizite auszugleichen (vgl. Roick, Schindler, Angermeyer, Fritz-Wieacker, Riedl-Heller, & Frühwald, 2008, S. 101).

Neben dem Nikotin zählt Alkohol und Cannabis zu den am häufigsten konsumierten Substanzen bei schizophrenen Patienten (vgl. Wobrock, D´Amelio, & Falkai, 2008, S. 17).

Durch den Substanzmissbrauch kann es zu einem vermehrten Auftreten von Gewalttaten, Suizidversuchen und psychotischen Symptomen kommt (vgl. Soyka, 1997, S. 2421).

2.8.4. Mortalität

Bei der Schizophrenie ist die Mortalität (Sterblichkeit/Todesrate) um das 1.5fache erhöhter als in der Normalbevölkerung. Untersuchungen zeigten, dass die Sterblichkeit der Männer geringfügig höher ist, als die der Frauen (vgl. Rittmannsberger & Wancata, 2008, S. 84). Bei den Todesursachen wird unterschieden zwischen dem Suizid (Selbstmord), die natürliche Todesursache (Körperliche Erkrankung) und andere unnatürliche Todesursachen (vgl.

Baumgartner, 2003, S. 138).

Schizophrene Menschen haben ein 8 bis 9faches erhöhtes Risiko an einem Suizid zu versterben (vgl. Rittmannsberger & Wancata, 2008, S. 84). Im ersten Erkrankungsjahr ist das Risiko für einen Suizid ansteigend. 50 Prozent der erkrankten Männer und 35 Prozent der erkrankten Frauen machen einen Suizid (vgl. Baumgartner, 2003, S. 138). In verschiedenen Studien werden frühere Depressionen, frühere Suizidversuche, Drogenmissbrauch, Unruhezustände, geringe Behandlungscompliance und kürzlicher Verlust eines nahestehenden Angehörigen als mögliche Risikofaktoren für einen Suizid angegeben (vgl.

Rittmannsberger & Wancata, 2008, S. 86).

27 Die häufigste natürliche Todesursache ist die kardiovaskuläre Erkrankung. Mehr als zwei Drittel aller Erkrankten sterben daran (vgl. Birkhofer, Alger, Schmid, & Förstl, 2007, S. 261).

Die Mortalitätsrate ist auch ohne psychotische medikamentöse Behandlung, Aufgrund von internistischen Erkrankungen (Herz-Kreislauferkrankungen) erhöht (vgl. Rittmannsberger &

Wancata, 2008, S. 81). Ebenso zeigte sich in der Untersuchung von Harris und Barraclaugh (1998), dass das Risiko an einer Infektion zu versterben, um das 9fache erhöht ist. Kommt neben der schizophrenen Erkrankung eine zusätzliche psychische Erkrankung hinzu, ist das Sterblichkeitsrisiko um das 5fache erhöht (vgl. Rittmannsberger & Wancata, 2008, S. 84).

Brown berichtete in seiner Studie (2000), dass die Sterblichkeit aufgrund von körperlichen Erkrankungen (Diabetes, Schlaganfälle) erhöht war. Diese Erkrankungen werden hauptsächlich durch die ungünstige Lebensführung schizophrener Patienten verursacht (vgl.

Rittmannsberger & Wancata, 2008, S. 85). Die ungünstige Lebensführung kennzeichnet sich durch schlechte Ernährungsgewohnheiten, Übergewicht, fehlende körperliche Aktivität und den Nikotinkonsum der Erkrankten (vgl. Birkhofer, Alger, Schmid, & Förstl, 2007, S. 261).

Zu den unnatürlichen Todesursachen zählt das mehr als zweifache erhöhte Risiko der Erkrankten, als ein Opfer von Gewalttaten zu sterben (vgl. Rittmannsberger & Wancata, 2008, S. 84).

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