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2 T HEORIE

2.1 Die Mitarbeiterbefragung

2.1.3 Konstruktion eines Mitarbeiterfragebogens

2.1.3.1 Welche Themen sollen angesprochen werden?

Ein Fragebogen sollte sich inhaltlich immer an der Business-Orientierung und den Zielen des jeweiligen Unternehmens ausrichten. Dennoch sprechen die meisten Mitarbeiterbefragungen einen Mix von „Standard“- und speziellen Themen an, selbst dann, wenn die Zielsetzung recht spezifisch ist. Das hat mehrere Gründe: Zum einen kann eine Fokussierung auf eine Thematik negative Stimmung oder sogar Reaktanz unter den Mitarbeitern auslösen, weil sie den Eindruck haben, dass für sie wichtige Themen im Fragebogen nicht angesprochen werden. Standardthemen können also gerade dadurch Aufmerksamkeit erzeugen, indem sie nicht angesprochen werden. Zum anderen ist vor einer Befragung selten ganz klar, dass bestimmte Themen nichts mit der Zielsetzung zu tun haben. Meist zeigt sich, dass die Probleme vernetzt sind und eine vorschnelle Auswahl von Themen sogar eine Fehldiagnose nach sich ziehen kann (Borg, 1995). Um dem entgegenzuwirken, schlagen Bögel und Rosenstiel (1997) vor, zur Bestimmung der Ziele und inhaltlichen Bereiche einer Befragung, einen oder mehrere Workshops mit heterogenen Gruppen von Mitarbeitern aus verschiedenen Fachabteilungen und hierarchischen Ebenen zu bilden. Dies ist auch dann sinnvoll, wenn ein fertiges Instrument eingesetzt werden soll, da auch ein fertiges Instrument die organisationseigene Ziel- und Zweckbestimmung nicht ersetzen kann.

zusammen mit einigen typischen Einzelinhalten – die folgenden:

Arbeits(platz)bedingungen: Platz, Lärm; Licht; Luft, Arbeitsmittel und Werkzeuge, Sicherheit, Sauberkeit, Schadstoffe, Arbeitsabläufe, Arbeitszeit usw.

Tätigkeit: Interessantheit, Menge, Herausforderung, Arbeitsbelastung, Klarheit der Aufgaben, Entscheidungsfreiraum, Selbständigkeit, Ganzheitlichkeit, Einsatzmöglichkeiten für Fähigkeiten und Fertigkeiten, Involvement usw.

Aufstieg und Entwicklung: Einarbeitung, Weiterbildungsangebot (Qualität, Quantität, Nutzungsmöglichkeit), Lernen im Job, Förderung, Aufstiegschancen, Chancengleichheit usw.

Bezahlung und Sozialleistungen: Höhe, Gerechtigkeit, Marktbezogenheit, Leistungsbezogenheit, Transparenz der Systeme usw.

Kollegen: Arbeitsklima, Teamgeist, gegenseitige Unterstützung, Kompetenz, Vertrauen, Konflikte usw.

Direkter Vorgesetzter: Motivierung, Feedback, Unterstützung; Förderung, Vertrauen, Klarheit der Ziele, Entscheidungsfindung; Gerechtigkeit, sachliche Härte, fachliche Qualifikation usw.

Höhere Führungskräfte: klare Zielsetzungen und Visionen, Visibilität, Entscheidungsfindung, Durchsetzungsfähigkeit usw.

Information und Kommuniaktion: Qualität der Information über Konzern/Firma/Bereich/Abteilung/Zentrale/Geschäftsstelle, Rechtzeitigkeit, Holen versus Bringen, Informationen über Veränderungen, Informationen über wichtige Themen, Informationsquellen und –systeme, Gerüchte usw.

Organisation und Firma: Klarheit der Organisation, Rollenkonflikte, Schnittstellen zwischen Bereichen und Arbeitsgruppen; Betriebsabläufe, Stolz auf die Firma;

Fluktuationsneigung, Firma als guter Arbeitgeber usw.

Allgemeine Arbeitszufriedenheit (Borg, 1995)

Zu diesen und anderen Themen lassen sich fast unendlich viele Items formulieren. Ein Fragebogen ist nach Ansicht von Domsch (1985) selbst bei Standard-Themen nur dann möglich, wenn die Items relativ allgemein formuliert werden. Church und Waclawski (1998) halten drei bis fünf Fragen pro Thema in einem Fragebogen für ausreichend, um

alle wichtigen Aspekte abzudecken. Werden mehr Fragen zu einem Thema formuliert, besteht die Gefahr der Redundanz, was den Fragebogen unnötig verlängert und die Antwortbereitschaft der Befragten mindern kann.

In einem Fragebogen sollten manche Themen nicht angesprochen werden. Dazu gehören Fragen, die keine Ansatzpunkte für Verbesserungsmaßnahmen liefern. Eine Frage zur Zufriedenheit mit den Parkmöglichkeiten in einer Firma ist irrelevant, wenn sich an der Situation aus finanziellen oder platztechnischen Gründen nichts verbessern lässt. Auch eine Frage zum sozialen Umfeld einer Person oder zu persönlichen Problemen ist nicht sinnvoll, da diese Dinge für Verbesserungsmaßnahmen innerhalb der Organisation nicht relevant sind und zudem die Privatsphäre der befragten Mitarbeiter verletzen (Borg, 1995).

2.1.3.2 Die Konstruktion von Items

Items in einem MAB-Fragebogen erfüllen verschiedene Funktionen. Da gibt es zum einen Messitems, die Meinungen und Einstellungen möglichst reliabel und valide messen sollen. Ein Beispiel wäre „Bei meiner Arbeit fühle ich mich oft überlastet“. Der Zweck dieses Items ist, ein präzises Bild der empfundenen Arbeitsbelastung der Mitarbeiter zu geben. Transportitems dienen dazu, bestimmte Themen im Unternehmen zu platzieren. „Ich würde es begrüßen, wenn unsere Abteilungen mehr als Profit-Center arbeiten würden“ ist ein Beispiel dafür. Vielleicht wird das Wort „Profit-Center“ nicht von allen Befragten verstanden, aber Zweck des Items ist, das Thema ins Gespräch zu bringen und zu verdeutlichen, dass über gewisse Neuausrichtungen der Abteilungen nachgedacht wird. Aktionsitems sollen eine spätere Einbindung der Befragten in Folgeprozesse vorbereiten. Das Item „Unter anderen Rahmenbedingungen könnte ich erheblich produktiver arbeiten“ eignet sich hervorragend dafür, die Befragten in einen Dialog einzubinden, aus dem heraus Maßnahmen zur Steigerung der Produktivität abgeleitet werden können (Borg, 2000).

Items sollten ...

• möglichst kurz und kompakt sein

• verständlich (für alle Befragten im selben Sinn) sein

• nicht allzu vage und allgemein sein

• nicht allzu konkret und eingeengt sein

• nur jeweils ein Thema ansprechen

• keine Negationen enthalten

• nicht allzu extrem sein

• keine fragwürdigen Prämissen enthalten

• modische Ausdrucksweisen vermeiden

• eindeutig interpretierbar sein

• gelegentlich ihre Polung wechseln

• die Befragungszeit effizient nutzen (z.B. nicht ständig die Antwortskala wechseln)

• nicht extrem hart formuliert sein, so dass keine Streuung mehr auftritt

Speziell im Rahmen einer MAB sollten Items ...

• von allen Mitarbeitern beantwortbar sein

⇒ Items, die nicht von den allermeisten MA beantwortet werden können, sollten in einer MAB nicht verwendet werden.

⇒ Dabei „weiß-nicht“-Antwortkategorien möglichst vermeiden: Einmal angeboten, werden sie gerne gewählt.

• für die MAB-Ziele relevant sein

⇒ Items müssen den Zielen der MAB dienen. Das muss unmittelbar einleuchten oder zumindest nachvollziehbar erklärbar sein

• nichts Persönliches oder Privates fragen

• die Sprache der Organisation verwenden

⇒ Was wird in der Organisation verwendet „Mein unmittelbarer Vorgesetzter...“

oder „Meine direkte Führungskraft...“

• keine „Ich-werde-nicht-bedient“-Haltung fördern

⇒ Die MAB ist kein Wunschzettel, auf dem der Mitarbeiter ankreuzt, was geliefert werden muss. Deshalb ist das Item „Ich kann mir die für mich wichtigen Informationen leicht beschaffen“ besser als „Ich werde hier gut informiert“.

• eher einen „Ich“- als einen „Man“-Bezug haben

⇒ „Wichtige Informationen sind für mich nur schwer zugänglich“ bringen eindeutigere Antworten als „In dieser Firma wird man schlecht informiert“.

• möglichst positive Formulierungen wählen

⇒ Nicht fragen „In unserem Team gibt es ständig Ärger“, sondern „Die Atmosphäre in meinem Team ist gut“. Das ständige Fragen nach dem, was alles schlecht ist, kann unnötig das Klima ruinieren.

• nicht manipulativ erscheinen

⇒ „Ich würde auch am Wochenende arbeiten, wenn es die wirtschaftliche Situation des Unternehmens erfordert“. Das riecht nach einer Falle. Wenn sich die Mitarbeiter reingelegt fühlen, wird das Klima beschädigt. Die Arbeitsbereitschaft lieber ohne Verweis auf die wirtschaftliche Situation abfragen.

• eher Handlungsabsichten (mit Zeitbezug) als Affekte ansprechen

⇒ Man sollte also kein Item wie „Mir stinkt mein Job gewaltig“ formulieren, sondern „Ich habe ernsthaft vor, die Firma in den kommenden 12 Monaten zu verlassen“. Handlungsabsichten sind konkreter. Sie sagen zudem das tatsächliche Verhalten am besten voraus.

(Borg, 2002)

2.1.3.3 Items in verschiedenen Sprachen

Im Rahmen der Globalisierung gewinnen internationale MABs immer mehr an Bedeutung. Vor allem durch den Einsatz von Inter- und Intranet werden sie allgemein möglich. Bei internationalen Befragungen sind deshalb sorgfältige und genaue Übersetzungen des Originalfragebogens notwendig, damit die Items in allen Sprachen

ins Deutsche. Das rückübersetzte Item sollte dann dem Originalitem entsprechen.

Allerdings orientiert sich die Methode der Rückübersetzung vorwiegend an Worten und nicht an Bedeutungen. Für die Praxis bedeutet dies, dass die Übergabe einer reinen Liste von Items für die Übersetzungsarbeit nicht optimal ist. Der Übersetzer sollte zusätzlich über die Hintergründe der Items informiert sein, so dass er Items nicht nur wortwörtlich übersetzt, sondern vor allem auf die inhaltliche Äquivalenz der Items achtet (Borg, 2000, S.101).

2.1.3.4 Länge und Aufbau des Fragebogens

Die Länge des Fragebogens richtet sich nach der Anzahl der Themen und Bereiche, die damit abgedeckt werden sollen. Er sollte gerade so lang sein, dass alle als wichtig erachteten Themen damit abgedeckt werden (Edwards et al., 1997). Töpfer & Funke (1985) sehen die obere Grenze bei etwa 100 Items. Bei einem zu langen Fragebogen besteht die Gefahr von Motivations- und Aufmerksamkeitsabbau, was unkontrollierbare Beantwortungsfehler zur Folge haben kann.

Hinzu kommen noch einige demographische Items (DI), die benötigt werden, um die Daten später nach wichtigen Merkmalen schichten zu können.

Allerdings sollte der Fragebogen nicht zu viele demographische Fragen enthalten, weil dadurch die Skepsis bezüglich der Anonymität zunimmt und die Befragten möglicherweise keine demographischen Angaben machen. Deshalb sollten nur die allerwichtigsten demographischen Daten abgefragt werden, die auch wirklich für die Auswertung benötigt werden (Bögel & Rosenstiel, 1997).

Wenn man nun alle Items zusammengestellt hat, bleibt die Frage, ob sie geordnet oder in zufälliger Reihenfolge präsentiert werden sollen. Für eine Zufallsordnung spricht, dass inhaltliche Zusammenhänge nicht nachvollziehbar sind und keine Gefälligkeitsantworten gegeben werden. Allerdings wirkt das „Durcheinander“ der Fragen eher demotivierend (Töpfer & Funke, 1985) und kann schlimmstenfalls dazu führen, dass der Befragte das Ausfüllen des Fragebogens ganz abbricht (Edwards et al., 1997). Wenn die Items nach sinnvollen Themenblöcken geordnet werden (z.B.

„Arbeitsplatzbedingungen“, „Kollegen“ usw.) ist der Fragebogen für den Anwender übersichtlicher. Die Reliabilität und Validität der Antworten wird durch den Aufbau

eines relevanten Kontextes verbessert (Bradburn & Sudman, 1991). Denn um eine Frage beantworten zu können, müssen erst relevante Informationen aus dem Gedächtnis abgerufen werden. Durch vorausgehende Fragen ähnlichen Inhalts wird die Zugänglichkeit zu diesen Informationen erleichtert (Borg, 2000).

2.1.3.5 Pretest

In der betrieblichen Praxis sind größere Probeläufe meist nicht möglich. Dennoch sollte ein Pretest mit einigen Mitarbeitern, die nicht dem Koordinationsteam angehören, durchgeführt werden. Verheyen (1988) hält eine Gruppe von 12 bis 15 Mitarbeitern für angemessen. Die Mitarbeiter sollen den Fragebogen unter simulierten Bedingungen, die denen während der tatsächlichen Befragung möglichst ähnlich sein sollen, ausfüllen.

Während des Ausfüllens können die Teilnehmer Instruktionen, Items oder einzelne Begriffe anstreichen, die unklar oder unvollständig sind. Anschließend sprechen die Teilnehmer des Pretests und das Koordinationsteam den Fragebogen gemeinsam durch.

Die Teilnehmer bringen die Probleme vor, die sie beim Ausfüllen hatten und berichten, was ihnen am Fragebogen eventuell negativ aufgefallen ist. Dies gibt wichtige Hinweise darauf, an welchen Stellen der Fragebogen nachgearbeitet werden muss.

Ein weiterer Vorteil des Pretests ist die Möglichkeit, die durchschnittliche Bearbeitungszeit für den Fragebogen festzustellen (Edwards et al., 1997). Denn oft sind die Macher eines Fragebogens erstaunt, wie viel Zeit andere brauchen, um ihren Fragebogen auszufüllen. Eine Einschätzung der Bearbeitungszeit dient nicht nur als Orientierungshilfe für die Befragungsteilnehmer, sondern ist auch wichtig, um die Gesamtkosten der Befragung bestimmen zu können.

2.1.3.6 Gütekriterien

In der empirischen Sozialforschung lässt sich die Qualität eines Tests oder Fragebogens an drei zentralen Kriterien der Testgüte festmachen: Objektivität, Reliabilität und Validität. Die Objektivität gibt an, in welchem Ausmaß die Testergebnisse vom Testanwender unabhängig sind. Die Reliabilität kennzeichnet den Grad der Genauigkeit,

MAB?

Müller-Böling (1991) fordert z.B. nicht nur für die Durchführung eines Tests, sondern auch für MABs, dass diese objektiv sind. Dieses Kriterium dürfte bei postalischen Befragungen oder Online-Befragungen hinsichtlich der Erfassung und Auswertung der Daten erfüllt sein. Bögel und Rosenstiel (1997) sowie auch Bungard (1997) stellen fest, dass die „klassischen“ Gütekriterien bei der Überprüfung des Befragungsinstruments einer MAB häufig zur Anwendung kommen.

Nach Bungard (1997) spielt die Validität von MABs allerdings nur eine eingeschränkte Rolle, da explizit spezifische Sachverhalte direkt bewertet werden, insofern also keine hypothetischen Konstrukte erfasst werden sollen. Aus den gleichen Überlegungen, hält er auch das Gütekriterium Reliabilität nur für begrenzt sinnvoll. Er fordert deshalb, dass weitere Gütekrierien herangezogen werden. Dazu zählt er die Relevanz der Fragen für den Zweck der MAB, das Veränderungspotential einer MAB durch die entsprechende Auswahl von Fragen und die Akzeptanz einer MAB, die sich u.a. an der Beteiligungsquote ablesen lässt.