• Keine Ergebnisse gefunden

2 T HEORIE

2.1 Die Mitarbeiterbefragung

2.1.1 Geschichtliche Entwicklung der Mitarbeiterbefragung

Mitarbeiterbefragungen werden schon seit langem angewandt. Ihre Zielsetzung hat sich jedoch im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte stark verändert.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden in Frankreich bereits systematisch Fabrikarbeiter befragt, um etwas über deren soziale Lebenssituation zu erfahren. In Deutschland wurden ebenfalls gegen Ende des 19. Jahrhunderts ähnliche Studien vom Verein für Sozialpolitik initiiert (Bungard, 2000). Am Anfang dominierten also typisch sozialwissenschaftliche Fragestellungen. Die Erkenntnisse aus diesen Studien wurden im Rahmen allgemeiner sozialwissenschaftlicher Analysen oder in einem politischen Kontext interpretiert. Konsequenzen für die konkrete Gestaltung bzw. Verbesserung der Arbeitssituation wurden daraus nicht gezogen.

Erst im Zuge der Human-Relations-Bewegung in den 20er Jahren des 20.Jahrhunderts gewannen soziale Aspekte der Arbeit an Bedeutung. Zurückführen lässt sich diese Bewegung hauptsächlich auf die Hawthorne-Studien, die Ende der 20er Jahre bis Anfang der 30er Jahre durchgeführt wurden. Bei ihnen handelte es sich eigentlich um ergonomische Untersuchungen, die vor dem Hintergrund des „Scientific Management“

(Taylor, 1911) durchgeführt wurden. In einer Untersuchung wurde z.B. die Beleuchtungsstärke am Arbeitsplatz variiert. Seltsamerweise stieg die Arbeitsleistung bei sich verringernder Beleuchtung an. Auch bei Arbeitern in der Kontrollgruppe, für die die objektiven Arbeitsbedingungen gar nicht verändert wurden, zeigte sich ein Leistungsanstieg (vgl. z.B. Luthans, 1973). Dieser Effekt wurde durch das den Mitarbeitern entgegen gebrachte Interesse erklärt. Hinzu kam, dass die Mitarbeiter (z.B.

in der Kantine) untereinander über die Maßnahmen sprachen und damit auch indirekt die Kontrollgruppe in die Aktionen miteinbezogen. Die Erkenntnis aus diesen Studien

war, dass neben materiellen Werten auch emotionale und soziale Werte wie Betriebsklima, informelle Kontakte zwischen Mitarbeitern, Respekt und Anerkennung wichtig sind. Das Menschenbild in der Organisationspsychologie veränderte sich vom homo oeconomicus, einem verantwortungsscheuen Menschen, der nur durch monetäre Anreize motivierbar ist, zu einem Menschen, der sozial motiviert ist und in seinem Verhalten weitgehend von sozialen Normen seiner Gruppe bestimmt ist. Der Betrieb wird dabei als soziales System verstanden, in dem Informations- und Kommunikationsprozesse besondere Beachtung geschenkt werden muss. Aufgrund dieser neuen Sichtweise begannen Untersuchungen zum Betriebsklima.

Nach dem 2. Weltkrieg erlebte das Konzept des Betriebsklimas in den 50er und 60er Jahren eine Renaissance. MABs in Unternehmen hatten die Funktion, eben dieses zu messen (vgl. Bungard, 2000).

Parallel dazu gewann insbesondere durch den Einzug der Humanistischen Psychologie (Maslow, 1954; Herzberg et al.; 1959; McGregor, 1960) in die Arbeitswelt das Konstrukt der Arbeitszufriedenheit immer mehr an Bedeutung. Dieses Konstrukt basiert auf der Annahme, dass der Mensch nach Selbstverwirklichung, psychologischem Wachstum und Autonomie strebt. In den 50er Jahren wurde Arbeitszufriedenheit noch recht undifferenziert gemessen. Jeder befragte Mitarbeiter sollte hier nur eine einzige Frage beantworten. Diese Frage verlangte von ihm allerdings ein recht anspruchsvolles Urteil, nämlich eine Art mentale Durchschnittsbildung seiner Zufriedenheiten mit verschiedenen Aspekten seiner Arbeit wie z.B. Tätigkeit, Bezahlung, Kollegen usw.

(vgl. Borg, 2002).

In den 60er und 70er Jahren wurde Arbeitszufriedenheit intensiv erforscht.

Standardinstrumente wurden mit mathematisch-statistischen Methoden entwickelt, die verschiedene Aspekte der Arbeitszufriedenheit objektiv, reliabel und valide messen sollten. Beispiele dafür sind die Skala zur Messung der Arbeitszufriedenheit (SAZ) von

von Bruggemann, Grosskurth und Ulich. Sie machten auf den kognitiven Prozesscharakter der Arbeitszufriedenheitsdimension aufmerksam. In ihrem Modell differenzieren sie zwischen verschiedenen Arbeitszufriedenheitsarten. Diese ergeben sich aus einem Soll-Ist-Vergleich zwischen individuellen Bedürfnissen und Erwartungen bezogen auf die Arbeitssituation und konkreten Merkmalen der Arbeitssituation. Durch Senkung des individuellen Anspruchniveaus kann aus einer zunächst vorhandenen Unzufriedenheit eine resignative Arbeitszufriedenheit resultieren.

Die Standardskalen zur Messung der Arbeitszufriedenheit waren allerdings nicht in der Lage, zwischen diesen verschiedenen Formen der Arbeitszufriedenheit zu differenzieren. Bis heute ist es nicht gelungen, befriedigende Messverfahren für dieses komplexe Arbeitszufriedenheitskonstrukt zu entwickeln, was u.a. dazu beitrug, dass es in den 80er Jahren etwas ruhiger um die Arbeitszufriedenheit wurde.

In den 80er Jahren kam das Konzept der Organisationskultur in Mode. In einem immer schärfer werdenden internationalen Wettbewerb wurde nach Erklärungen für den Erfolg japanischer Unternehmen gesucht. Dabei wurde eine Kulturdiskussion angestoßen.

Organisationskultur erfasst typische Einstellungen, Werthaltungen und Verhaltensweisen der Organisationsmitglieder, sowie die materiellen Manifestationen, wie z.B. Kleidung (vgl. Conrad & Sydow, 1984). Durch gezielte Befragungen der Mitarbeiter sollten für den Kulturansatz zentrale kognitive Einstellungssysteme bzw.

Werte identifiziert werden, um daraus eine gemeinsame identitätsstiftende Kultur zu entwickeln. Auch Befragungen zum Organisationsklima (vgl. Conrad & Sydow, 1984) wurden in Unternehmen verstärkt durchgeführt, mit dem Ziel, Stärken und Schwächen der Organisation aus Sicht der Mitarbeiter zu identifizieren. Zwar lassen sich Parallelen zwischen den Konstrukten Organisations- und Betriebsklima feststellen, jedoch ist der Ursprung des Organisationsklimas in den Feldtheorien Lewins (1951) zu suchen und unterscheidet sich vom Betriebsklima dadurch, dass es nicht von sozialen Strukturen und interpersonalen Beziehungen der Organisationsmitglieder bestimmt wird, sondern durch die Sicht der Organisation durch ihre Mitglieder.

Durch steigenden internationalen Wettbewerbsdruck, veränderte gesellschaftliche Werte und hohe Qualitätsansprüche seitens der Kunden wurden Unternehmen gezwungen, ihre

Organisationen effizienter zu gestalten. In den 90er Jahren hat sich deshalb ein neuer Befragungs-Typ durchgesetzt, der nicht – wie die oben beschriebenen Ansätze - statisch angelegt ist, sondern zum Ziel hat, laufende Veränderungsprozesse im Unternehmen kontinuierlich zu evaluieren. Dabei wird die aus der Organisationsentwicklung (OE) stammende Methoden des „Survey Feedback“ und der Aktionsforschung angewandt.

Der Kerngedanke dieser Methoden besteht darin, systematisch Daten in einer Organisation zu sammeln und diese an alle Betroffenen zurückzukoppeln. In einem weiteren Schritt werden die Ergebnisse in Workshops diskutiert und analysiert, um daraus schließlich Maßnahmen bzw. Aktionen abzuleiten. Dieser Survey-Feedback-Ansatz (Abb. 2.1) wurde erstmals Ende der 70er Jahre von Nadler (1977) in MABs integriert und gilt als wichtige Wurzel der Organisationsentwicklung (OE) (French &

Bell, 1990).

Abbildung 2.1: Das Prinzip des „Survey-Feedback“-Ansatzes

Quelle: Ganserer & Große-Peclum (1995)

2.1.2 Mitarbeiterbefragungen als Instrument der