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Konsequenzen und Perspektiven für die zukünftige Entwicklung von Kayamandi

Im Dokument Rosa-Luxemburg-Stiftung Manuskripte 59 (Seite 150-156)

Entwicklungen von 1939 bis zur Gegenwart

5. Konsequenzen und Perspektiven für die zukünftige Entwicklung von Kayamandi

In einer kurzen Befragung von Kindern im Alter von 9-12 Jahren über deren Befindlichkeiten gegenüber ihrem Wohn- und Lebensort „Kayamandi“

wurden folgende Aussagen gemacht (Lindner, 2004). Mehr als die Hälfte (52,7%) konnte auf die Frage: „Ist Kayamandi schön oder hässlich?“

keinerlei Meinung abgeben. 28% finden Kayamandi schön und hässlich und nur 17% bewerten ihren Wohnort als schön. Die Mehrheit der Kinder hat demzufolge ein eher ambivalentes oder gar kein Verhältnis zu ihrem Lebensort. Die zweite Frage bezog sich auf Veränderungswünsche der Kinder in ihrem Wohnort („Was findest Du hässlich in Kayamandi?“) und wurde per Brainstorming ermittelt; dabei konnte jedes Kind zwei Vorschläge machen. Die Mehrheit der Vorschläge der Kinder bezog sich auf die herrschenden Wohnformen (Hostels (20), Hütten (13) und Hallen (1)) in Kayamandi und fünf Antworten benannten die herrschenden hygienischen Zustände (Dreck (4), Verkaufsstand für Fleisch (1)). Das heisst, die Wohnformen und die Sauberkeit/Hygiene in ihrem Lebensumfeld sind entscheidende Faktoren, die die Kinder als veränderungswürdig erkennen.

Besonders die eng beieinander stehenden Hostels und Hütten, gekenn-zeichnet durch Lautstärke, Gerüche, Dreck/Müll und Unsicherheit, bieten in den informellen Wohngebieten keine Rückzugs- oder Sicherheitsräume für Kinder.

Nach den am Anfang genannten Kriterien eines gesunden Wohnortes müssten in Kayamandi folgende Punkte verändert werden.

1. Verfolgung stadtplanerischer und gesundheitsförderlicher Prinzipien (Steigerung von Lebensqualität, Gesundheit und Sicherheit): Die Fläche von Kayamandi muss expandieren von 7,5 ha zu einer weitaus größeren Fläche. Die alte wie neue Struktur des Viertels sollte nach stadtstrukturellen Prinzipien geplant werden; das schließt den Aufbau einer umfassenden Wasser- und Abwasserkanalisation, Straßensystem und Energieversorgung ein. Die zu planenden Wohnformen müssen kulturell definiert werden und familiengerechte Hausstrukturen vorsehen. Außerdem sind öffentliche Plätze, wie z.B. Sport- und Spielplätze und ein Marktplatz zu errichten, um in Kayamandi Erholungs- und Gemeinderäume für ein stärkeres gemeinschaftliches Miteinander zu schaffen.

2. Förderung der kommunalen Selbstverwaltung und Aufbau von Netz-werken zwischen unterschiedlichsten nationalen und lokalen Entschei-dungsträgern und Institutionen bzw. Organisationen: Eine stabile Infrastruktur im Bereich Soziales, Gesundheit und Sicherheit ist in dem Zentrum und der Stadt Stellenbosch errichtet, an welches Kayamandi nur im geringen Maße angebunden ist. Beispielsweise gibt es in Stellenbosch eine Beratungsstelle für Sucht (ABBA) und eine für Opfer von Gewalt (Dept. Of Psychology, University of Stellenbosch).

In Kayamandi gibt es keine Organisation, die in diesen Bereichen tätig ist. Lokale Entscheidungsträger von Stellenbosch (Child Welfare, Department of Health) machten in Interviews deutlich, dass sie entweder nicht wissen, welcher Bedarf in Kayamandi vorherrscht oder dass sie sich darüber im Klaren sind, dass die Angebote bei weitem nicht bedarfsgerecht sind. Es ist daher dringend notwendig, dass die Stadtverwaltung, staatliche und nicht-staatliche Institutionen und Organisationen beginnen, gemeinsam an einer Strategie für die Verbesserung der Lebensbedingungen in Kayamandi zu arbeiten.

3. Abbau von Verteilungsungerechtigkeiten und Bekämpfung von Armut sowie Förderung der Integration von allen Individuen: Die Armuts-bekämpfung muss vorerst daran orientiert sein, Grundbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung und Wohnstätte zu befriedigen. Dies kann erreicht werden durch die stärkere Anwendung von staatlichen Beihilfen für arme Menschen bzw. durch den Aufbau von staatlichen und

nicht-staatlichen Sozialstellen. Im Augenblick sind zwei Sozialarbeiterinnen für 28 000 zumeist arme Menschen verantwortlich. Familien könnten unterstützt werden, indem Familienberatungsinstitutionen soziale und psychologische Beratung anbieten oder hilfsbedürftige Personen an andere Stellen verwiesen werden. Außerdem sind eine weitaus größere Anzahl an Kindergärten, Schulen, Fortbildungsinstitutionen und Freizeitangeboten unter professioneller Anleitung notwendig, um das Bildungsniveau der BewohnerInnen zu verbessern. Die Schaffung von Freizeitangeboten ist eine gute Basis, um nicht nur persönliches Wohlbefinden zu erzeugen, sondern auch außerschulische mentale und physische Entwicklung und Fähigkeiten bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu fördern. Im Zusammenhang mit diesen sozialen Interventionen ist eine Strategie zur Gewaltprävention zu entwickeln, die Stabilität und somit Sicherheit für die Implementierung der Interventionen durch Organisationen und die Menschen erzeugt.

Ein grundsätzlicher Gedanke in der Durchführung von staatlichen wie nicht-staatlichen Maßnahmen zur Armuts-, Krankheits- und Gewaltbekämpfung muss darin bestehen, die Erwachsenen durch die Verbesserung der Lebens- und Wohnbedingungen bzw. die Absicherung der Grundbedürfnisse in die Rolle von Vorbildern zu erheben, an denen sich die jungen bzw. nächsten Generationen von Kayamandi orientieren und ihre Lebens- und Handlungs-weisen ableiten können. Eine Konfliktreduzierung in Familien, zwischen den Geschlechtern und Generationen und den Einwohnergruppen würde eine neue Gemeinschaft kreieren, die mit positiveren Werte- und Moralsystemen für den Schutz der schwächsten Mitglieder wie die Kinder Sorge tragen.

6. Schlussbemerkungen

Seit der Entstehung von Kayamandi ist eine geographische Entwicklung zu verfolgen, die zu allererst die Trennung einer „farbigen“ Menschengruppe von der führenden „weißen“ Apartheidschicht vorsah, und danach bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Gettoisierung der untersten sozialen Schichten von Stellenbosch in diesem Ort entwickelte. Die heutige Größe von Kayamandi entspricht mit 7,5 ha der Fläche, die mit der Planung des

„Township“ 1939 festgelegt wurde. Die Bevölkerung hat sich hingegen von knapp 9600 Personen im Jahre 1991 auf 28 000 Personen im Jahre 2004 erhöht. Der gegenwärtige Aufbau von Kayamandi ist unstrukturiert und chaotisch, und unterteilt sich in formelle und informelle Wohngebiete, die im

Wesentlichen durch die Trennung von sozialen Schichten innerhalb der Kayamandi Bevölkerung gekennzeichnet sind. Die formalen Wohngebiete mit Wasser-, Abwasser-, Telefon- und Energieversorgungsnetz werden größtenteils von „LangzeitbewohnerInnen“ von Kayamandi bewohnt, die eine soziale Absicherung durch den Besitz von Eigentum und Land erreichen. Die Hausformen sind meist Backsteingebäude mit Küche, Bad und Wohnraum/räumen und/oder Garten. Die informalen Wohngebiete werden durch solche Personen bevölkert, die seit 1991 mit der Abschaffung des Group Areas Act nach Kayamandi gezogen sind. Die Strukturierung dieser Gebiete unterliegt keinen Stadtplanungskonzepten und ist als willkür-lich zu bezeichnen. Die Wohnformen sind einfachste Hüttenbauten mit einem oder mehr Räumen. Wasser erhalten die Personen durch öffentliche Wasserhähne, die sich an den Straßenrändern befinden. Toiletten sind öffentlich und werden von mehreren Personen mehrmals täglich benutzt (acht Familien pro Toilette); alternativ dazu nutzen Familien einfach Behälter, um Fäkalien aufzufangen. Mehrere Stromzugänge sind an einen Strommast gekoppelt, so dass es immer wieder zu Bränden in den infor-mellen Wohngebieten kommt. Der Müll wird nur unregelmäßig abgeholt, so dass die Wohngebiete als dreckig zu bezeichnen sind, obwohl die Bewohner-Innen immer wieder versuchen, ihre Umgebung sauber zu halten.

Zum Abschluss soll nochmals die Frage gestellt werden, was genau die Gesundheit bzw. die Lebensqualität einer Gemeinschaft bestimmt. Die WHO definiert Lebensqualität als die subjektive Wahrnehmung einer Person über ihre Stellung im Leben in Relation zur Kultur und den Wertsystemen, in denen sie lebt, sowie in Bezug auf ihre Ziele, Erwartungen, Maßstäbe und Anliegen. Es handelt sich um ein breites Konzept, das in komplexer Weise beeinflusst wird durch die körperliche Gesundheit einer Person, ihren psychischen Zustand, die gepflegten sozialen Beziehungen, die persönlichen Überzeugungen und ihre Stellung zu den hervorstehenden Eigenschaften der Umwelt (WHO, 1997; In: Schwarzer, 2002). Der Gesundheitszustand einzelner Personen in einem System ist demzufolge stark abhängig von poli-tischen, gesellschaftlich-kulturellen, sozialen, interpersonalen und indivi-duellen (psychischen und physischen) Faktoren. Grundbedürfnisse wie Wohnraum/-formen, Sauberkeit/Hygiene und Erholungs- und Sicherheits-räume sowie eine funktionierende Infrastruktur müssen in einem Lebens-raum so geplant sein, dass die einzelnen Individuen sich darin gesund, frei und ohne Risiko entwickeln und leben können. Für die Bevölkerung von Kayamandi und alle verantwortlichen sowie sich verantwortlich fühlenden Personen muss das Hauptziel sein, eine gemeinsame Strategie zu entwickeln,

die das Ziel verfolgt, Kayamandi von einem Elendsviertel in ein tatsächliches „Schönes Zuhause“ für alle zu verändern.

Literatur

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IV.

Demokratische Ansprüche an Architektur

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