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Geschichtliche Hintergrundinformationen und Geographische Entwicklung

Im Dokument Rosa-Luxemburg-Stiftung Manuskripte 59 (Seite 134-138)

Entwicklungen von 1939 bis zur Gegenwart

2. Geschichtliche Hintergrundinformationen und Geographische Entwicklung

Die Stadt Stellenbosch ist die zweitälteste Stadt in Südafrika nach Kapstadt und hat gegenwärtig circa 82 500 EinwohnerInnen. Stellenbosch unter-gliedert sich heute in drei große Stadtviertel, die während der Apartheid nach Rassenzugehörigkeit unterteilt waren. Das Stadtzentrum mit dem Campus der Universität von Stellenbosch war bis 1994 ausschließlich der „weißen“

Bevölkerung vorbehalten. Den Schutzring bzw. die Pufferzone um den Stadtkern bildeten die Wohngebiete „Cloetesville“ und „Idasvalley“, so genannte Townships der südafrikanischen „coloured“ Bevölkerung. Am Stadtrand befand sich das Wohnviertel „Kayamandi“, in welchem die

„schwarze“ bzw. afrikanisch stämmige Bevölkerung zu leben hatte. Diese Gliederung der Stadt diente vorrangig der räumlichen und visuellen Trennung bzw. der Legitimation des Rassentrennungsprinzips während des Apartheidregimes. Diese Stadtgliederung hat sich in zehn Jahren Demokratie nur unwesentlich verändert.

2.1 Geschichte und Geographische Entwicklung von Kayamandi seit der englischen Kolonialherrschaft bis zum Ende des Apartheidsystems (1939 bis 1994)

Die geographische Entwicklung von Kayamandi ist eng mit den geschicht-lichen Veränderungen in Südafrika verbunden und lässt sich an zwei Phasen veranschaulichen. Die erste Phase beginnt mit der Planung von Kayamandi 1939 und endet mit der Aufhebung der Apartheid im Jahre 1994. Die zweite Phase umfasst den Zeitraum der Demokratisierung von Südafrika im Jahre 1994 bis 2004.

1930-1940 wohnten circa 80 „schwarze“ Personen (definiert nach Hautfarbe und Stammeszugehörigkeit) in Stellenbosch. Mitte der 30er Jahre beschloss die Stadtverwaltung, ein Wohngebiet für die schwarze Bevölkerung zu erschließen, um sie aus dem Stadtkern auszusiedeln. Das Gebiet nahe einer Farm in Platte Clip war bis 1939 der erste Wohnort der afrikanischen Bevöl-kerung. Erst 1939 wurden die Menschen in das heutige 7,5 ha große Gebiet von Kayamandi, nord-westlich des Stadtzentrums, umgesiedelt. Die Stadt-verwaltung plante anfänglich das Wohngebiet und die Wohnformen für alleinstehende schwarze Farmarbeiter, die auf den umliegenden Weinfarmen arbeiteten. Für diese wurden „Hostels“ gebaut, in denen bis zu 10 Männer pro Raum lebten. Jedoch hatten einige der Männer bereits ihre Familien aus anderen Gebieten nach Kayamandi nachkommen lassen, so dass außerdem 96 Familienhäuser für 318 Menschen gebaut wurden. Die Häuser für die Familien hatten zwei Räume mit Innendusche und Toilette. Zu diesem Zeit-punkt war Kayamandi strukturell in Familienhäuser mit Gärten und Wohn-heime für Männer (Hostels) geteilt. Die Lebensbedingungen waren zu diesem Zeitpunkt als gut einzuschätzen mit teilweiser Einschränkung in Bezug auf die Hostels.

1948 wurde die Apartheid in Südafrika als Staatsform ausgerufen. Mit dem Erlass des „Segregation Laws“, das die Teilung des öffentlichen und privaten Lebens durch Hautfarbenzuordnung bedeutete, fand eine strikte formale Rassentrennung statt und die sich andeutende geteilte Stadtstruktur in Stellenbosch wurde manifestiert. Einer erneuten Diskussion über die Umsiedlung der BewohnerInnen von Kayamandi in ein weiter entferntes Gebiet von Stellenbosch im Jahre 1960 wurde abgelehnt. Ein CIVIC Mitar-beiter von Kayamandi erklärte das Ergebnis dieser Diskussion mit der Angst der Stadtverwaltung, dass die Arbeiter nach einer weiteren Umsiedlung so traumatisiert seien, dass sie nicht mehr fähig gewesen wären, in den Industrien und Farmen zu arbeiten.

“However, there was a fear in the municipality that workers (people) would be traumatised in the moving process and they wouldn’t be able to work properly in the wine industry. As a result of the discussion Kayamandi was left on the place where it is to find today (Mr. F., 2004).”

Mit der Aufhebung von zwei entscheidenden Gesetzen, der „Influx Control“

(1986) und dem „Group Areas Act“ (1991) konnten Familien aus den länd-lichen Gebieten in die städtischen Räume wandern. Das führte zu einer verstärkten Migration von Land zu Stadt, die wiederum eine unstrukturierte und unkontrollierte Bebauung von einfachsten Hausformen bzw. Hütten zwischen den Hostels in Kayamandi verursachte (Dennerlein und Adami, 2004). Viele Männer aus den Wohnheimen ließen ihre Familien nach Kayamandi kommen und lebten mit ihnen in den beengten Wohnformen der Hostels mit bis zu 16 Familien pro Haus, die sich eine Küche und eine Toilette teilten.

Die unkontrollierte Zuwanderung ohne eine gleichzeitige Vergrößerung der Fläche von Kayamandi verursachte eine starke Überbevölkerung, eine Teilung der Stadteilstruktur in formelle und informelle Wohngebiete und eine Verschlechterung der Lebens- bzw. Wohnqualität. Diese Probleme gingen einher mit einem Spannungsverhältnis zwischen „alteingesessenen“

formellen und neu „hinzugezogenen“ informellen Wohnviertelbewohner-Innen aus den Ost-Kap Gebieten der Transkei und Ciskei, die sich in gewalt-vollen Konflikten entlud.

2.2 Geschichte und Entwicklung von Kayamandi in der demokratischen Südafrikanischen Republik (1994 bis 2004)

Seit Beendigung der Apartheid im Jahre 1994 wurde keine stadtplanerische Neustrukturierung in dem Gebiet von Kayamandi vorgenommen, um beispielsweise die Migrationseffekte wie die Überbevölkerung kontrollieren und steuern1 zu können. Noch im Jahre 2000 gab die Stadtverwaltung von Stellenbosch an, dass 9 496 Personen in Kayamandi leben. Prof. J. Barnes, Epidemiologin der Universität Stellenbosch, ermittelte im Februar 2000 bei einer Bevölkerungszählung, dass 23 000 EinwohnerInnen, ohne die Hostels in diese Bevölkerungszählung einzubeziehen, in Kayamandi lebten (Barnes,

1 Das Regierungsprogramm zum Hausbau und Entwicklung („Reconstruction und Development Project“, RDP) verbesserte die Infrastruktur von Kayamandi seit 1994. Allerdings kann das Programm, angesichts der hohen Einwanderungsrate, den tatsächlichen Bedarf an formalen Wohnformen nur unbefriedigend decken.

2002). 2004 ergab eine erneute Zählung, dass etwa 28 000 Menschen in Kayamandi wohnen (Dennerlein und Adami, 2004). Das würde bedeuten, dass 35% der Gesamtbevölkerung von Stellenbosch auf 1/18 des gesamten Stadtgebietes wohnen. Die Populationsdichte in Kayamandi beträgt demzu-folge 2 980 Personen pro 1 km². Wobei die am dichtesten besiedelten Gebiete die informellen Hüttengebiete sind.

Die Teilung des Wohngebiets in formelle und informelle Gebiete manifes-tierte sich in den vergangenen 10 Jahren. Die informellen Wohngebiete nehmen heute mehr als die Hälfte der Fläche von Kayamandi ein. Hier konzentrieren sich die ärmsten Bevölkerungsteile, die unter widrigsten Bedingungen in einfachen Hüttenformen und ohne Zugang zu Wasser oder Sanitärsystemen leben. In den formalen Wohngebieten lebt die „Ober-schicht“ der armen Bevölkerungsteile von Stellenbosch in Gebieten mit Kanalisation, Wasserzugang, Straßensystem und Müllabfuhr. Die immer wieder aufflammenden Konflikte zwischen den Gruppen der „Alteinge-sessenen“ und „neu Zugezogenen“ teilen die Gemeinschaft von Kayamandi bis heute.

Vor 1994 war die Arbeitsmigration streng reglementiert und nur (schwarzen) Männern, die eine feste Anstellung in Aussicht hatten, vorbehalten. Mit der Aufhebung der Influx Control und des Group Areas Act konnten die Menschen ohne Reglementierung entscheiden, in welchen Gebieten bzw.

Regionen sie wohnen und leben möchten. Dies war der Beginn einer Migra-tionswelle, die heute den Charakter einer ständigen Wanderung in der Hoffnung auf Arbeit hat. Die Gründe für den Anstieg der EinwohnerInnen bzw. Zuwanderung von Personen nach Kayamandi ergeben sich aus einem Geflecht von politischen und demographischen Dimensionen. Die erste Dimension der Migration wurde durch politische Veränderungen und das sich ankündigende Ende des Apartheidregimes in Südafrika hervorgerufen.

Die zweite Dimension beinhaltet demographische Vorgänge, die bestimmt sind durch ein hohes internes Geburtenwachstum sowie einem externen Bevölkerungswachstum, hervorgerufen durch eine hohe Immigration (Urba-nisierung, Arbeitswanderung und Familienzusammenführungen nach Beendigung der Apartheid).

In einer Umfrage der Universität von Stellenbosch von 2001 zur Ermittlung der Zuwanderungswege von EinwohnerInnen in Kayamandi wurden folgende Ergebnisse ermittelt: 74,4% der Befragten zogen aus der Ost-Kap Provinz zu, 23% der Befragten kamen von anderen Teilen der West-Kap Provinz und 10% der befragten Personen gaben an, dass sie vom Cape Metropolitan Area, d.h. von Gebieten um Kapstadt, nach Kayamandi

gezogen seien (US, 2001). Das bedeutet, dass Kayamandi drei Formen von Migration erfährt. Die direkte Migration geschieht durch die Wanderung von der ärmeren Ost-Kap Provinz zu der reicheren West-Kap Provinz. Eine

„Stepp-wise“ Migration geschieht dann innerhalb der West-Kap Provinz von kleineren zu größeren Städten bzw. vollzieht sich eine Rückwanderung aus dem Kapstadt-Einzugsgebiet in suburbane Regionen wie in die Stadt Stellenbosch. Alle drei Formen von Migration repräsentieren instabile Lebens- und Wohnformen, die stark an Arbeitsangebote gekoppelt sind.

Es wird angenommen, dass jedes Jahr ca. 48 000 Menschen in die West-Kap Provinz zuwandern (PGWC, 2002). Die bisher höchste Einwanderungsrate mit 6,3% Zuwanderung fand in Kayamandi 1998 statt (US, 2001). Im Jahr 2004 zogen immer noch 145 Personen pro Monat nach Kayamandi (Dennerlein und Adami, 2004). Unter den angeführten Migrationsgründen ist eine Reduzierung der Zuwanderung nicht absehbar. Für Kayamandi bedeutet diese Situation, dass die Zunahme an EinwohnerInnen ohne die Vergrö-ßerung des Gebiets eine Überbevölkerung verursacht, die nicht nur die Lebens- und Wohnbedingungen verschlechtert, sondern auch die bereits bestehende Infrastruktur überlastet. Um diese entstandenen Problemlagen verdeutlichen zu können, werden im folgenden Kapitel soziodemo-graphischen Gegebenheiten im heutigen Kayamandi beschrieben.

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