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4.2 W EITER E INFLUSSFAKTOREN BEI DER U MSETZUNG DES NTA

4.2.1 Kommunikation

Definition der Kategorie:

Die Beteiligten kommunizieren miteinander rund um den Nachteilsausgleich und dessen Umsetzung:

Es findet Austausch statt, bei dem sich alle Beteiligten äussern können. Alle involvierten Personen sind informiert über die Massnahmen und deren Geltungsbereich. Gefässe für den Austausch zur Umsetzung der Massnahmen bestehen, Kommunikationswege sind definiert. Die vom Kanton vorgegebenen Vorgaben betreffend Kommunikation rund um den Nachteilsausgleich wie auch die Vorgaben zum SSG werden eingehalten.

Analyse der Kommunikation rund um die Festlegung der Massnahmen

Die Kommunikation zwischen Schule und Eltern rund um die Auffälligkeiten im Bereich Lernen und Verhalten beginnt zeitlich bevor Nachteilsausgleichsmassnahmen vereinbart werden. So äussern beide befragten Elternteile, dass spätestens in der 1. Klasse über Auffälligkeiten im Verhalten bzw.

Schwierigkeiten beim Lernen festgestellt und mit der Schule besprochen wurden. (M1, 2-2; M2, 13-13).

Oft sind die Eltern ein wenig hilflos, so erlebe ich sie. Sie suchen Hilfe für ihr Kind in der Schule. Und die Lehrperson (…) sucht eigentlich auch Hilfe, um mit diesem Problem umzugehen. (…) Also ist auch ein wenig die Frage, ob die Eltern dann fordernd sind, und die Lehrpersonen müssen dann auf das eingehen? (SP2 19-19).

Oft initiieren Lehrpersonen eine ADHS-Abklärung, da das Verhalten im Rahmen der ADHS in der Schule als problematisch empfunden wird. (M2, 13-13). Auch Unaufmerksamkeit und Impulsivität werden als Gründe genannt, weshalb es aus Sicht der Schule Massnahmen braucht. (M1, 7-7). Weiter sind

Schwierigkeiten bei den Hausaufgaben ein Grund, weshalb Eltern das Gespräch mit der Lehrperson, dem Kinder- und Jugendpsychiater oder der SAB suchen. (M1, 6-6; SP1, 7-7)

Gemäss der Fachperson SAB wird zuerst gemeinsam nach Alternativen zum Nachteilsausgleich gesucht:

Also solange wir noch nicht in einem Bereich von einem Nachteilsausgleich sind, sondern noch im Bereich von Fördermöglichkeiten, versucht man nicht von Anfang an Medikamente zu geben. Wir versuchen auch zuerst, hauptsächlich weil die Eltern noch kritisch sind, versuchen wir es zuerst mit Alternativen. Und dann gehe ich auch diesen Weg. Also ich erzähle von dem, dass es eine Möglichkeit gibt, aber dass man auch schon vorher zum Beispiel zur Ergotherapie kann. Dass diese Fördermassnahmen über die Eltern in den Kurs kommen. Einfach, dass man zuerst diese Sachen machen. Es geht dann wahrscheinlich relativ lang, bis dann diese Diagnose wirklich da ist für einen Nachteilsausgleich bei AHDS. (SP1, 37-37).

In der Praxis werden die Massnahmen zur Umsetzung des Nachteilsausgleichs gemeinsam festgelegt.

Die Fallführung beim Festlegen der Massnahmen liegt bei der Fachperson SAB. Sie lädt zum SSG ein.

«Einen Nachteilsausgleich kannst du nicht verordnen, das muss man mit den Leuten und idealerweise auch mit dem Kind zusammen besprechen.» (SP1, 49-49).

Die Autorinnen haben den Eindruck, dass die befragten Eltern über eine erhebliche Fachkompetenz zur ADHS verfügen. So besuchte eine Mutter einen Kurs zum Thema Lernen und ADHS, welcher von einer Schulpsychologin angeboten wird. (M1, 88-88). Die zweite Mutter setzt sich intensiv mit dem Störungsbild auseinander: «Ich weiss einfach extrem viel über ADHS, und ich weiss wahnsinnig viel über mein Kind und allgemein Schule.» (M2, 51-51).

Auf die Frage, ob Eltern ihr Wissen einbringen konnten, haben die Eltern eher verneinend geantwortet.

(M1, 39-40). Es wurde jedoch von Seiten der Eltern auch erwähnt, dass sie sich zwar einbringen können, dies bei der Umsetzung jedoch nicht berücksichtigt oder vergessen wird. (M2, 28-29, 31).

Es finden sich keine Hinweise, dass sich neben der hauptverantwortlichen Klassenlehrperson Fachlehrpersonen oder weitere an der Klasse unterrichtende Lehrpersonen in die Festlegung der Massnahmen einbringen konnten. So äussert eine Fachperson der Schulpsychologie:

Ich versuche es hier im Setting zu besprechen. Aber manchmal schicke ich die Leute auch zurück und sage: «Besprechen Sie es als Eltern mit dem Kind, oder in der Schule zusammen mit dem Lehrer. Überlegen Sie es sich als Lehrergruppe, wenn mehrere involviert sind, was überhaupt für Sie möglich ist. (SP1, 49- 49).

In den Interviews werden unterschiedliche Angaben dazu gemacht, wie die Massnahmen überprüft werden. So stellt eine Mutter fest, dass die Überprüfung mittels SSG erst auf ihren Wunsch hin stattfand.

(M1, 58-58, 87-88, 90-92). Gemäss SAB fehlen Rückmeldungen zur Wirksamkeit. (SP1, 775; SP2, 5-5).

Auch mangle es an Ressourcen, jährlich ein SSG zur Überprüfung der Massnahmen durchzuführen:

Wir sagen schon, dass es jährlich überprüft werden muss, aber wir haben mittlerweile so viele Nachteilsausgleiche, also auch Lese-/Rechtschreibeausgleiche, wir können das unmöglich leisten, dass jedes Jahr ein Standortgespräch stattfindet. Ich schreibe in den Bericht, dass es jährlich überprüft werden muss, aber dass dies in schulischem Kontext passiert. Und wenn sie dann das Gefühl haben, dass es nicht funktioniert oder man eine Anpassung machen müsste, dass man dann ein Standortgespräch macht. Oder wenn sie sich klar einigen können und sie sagen: „Ja das braucht es jetzt nicht mehr“, dann können sie mir das einfach mitteilen. (SP1, 63).

Dass keine Überprüfung stattfinde, wenn es «gut» laufe, bestätigt auch die zweite Fachperson der SAB. (SP2, 23-23).

Analyse der Kommunikation mit den Lernenden bei der Festlegung der Massnahmen

Ob die betroffenen Lernenden am SSG teilnehmen, wird individuell geklärt. So äusserte ein Kind, dass es nicht am Gespräch mit Erwachsenen dabei sein möchte. (K2, 67-67). Es wurde die Befürchtung vorgebracht, dass Kinder das Gefühl bekommen, es stimme etwas nicht mit ihnen. (M2, 35-35). Die Angst vor Stigmatisierung wird genannt. (M1, 74-74). Eine Fachperson SAB weist auch darauf hin, dass Betroffene generell mit dem Nachteilsausgleich einverstanden sein müssen. (SP1, 49-49). Gemäss der Fachperson Schulpsychologie gibt es auch von Seiten der Kinder Vorbehalte gegenüber dem Nachteilsausgleich: «Manche möchten es wirklich nicht mehr nach einer gewissen Zeit, weil sie nicht speziell sein möchten.» (SP1, 101-101).

Analyse der Kommunikation gegenüber der Klasse

Zur Information über den Nachteilsausgleich der Mitschülerinnen und Mitschüler in der Klasse der Betroffenen wurden unterschiedliche Angaben gemacht. Die Aussagen sind widersprüchlich. Die Lehrperson äussert, den Nachteilsausgleich in Absprache mit dem betroffenen Kind mit der Klasse thematisiert zu haben. (LP2, 34-35). Dieses Kind hingegen äussert, dass niemand Bescheid wisse. (K2, 61-64, 105-106). Eine Mutter ist unsicher, ob der Nachteilsausgleich in der Klasse kommuniziert wurde.

(M1, 75-76).

Analyse der Kommunikation innerhalb der Schule rund um den NTA

Gemäss der befragten Lehrperson stellt der Nachteilsausgleich im Schulteam kein Thema dar, über welches offiziell gesprochen wird. (LP2, 54-55). Die Kommunikation zwischen den involvierten Lehrpersonen über die Umsetzung der Massnahmen wird häufig angesprochen, die Absprachen werden von den meisten Befragten als mangelhaft bewertet: Es wird befürchtet, dass nicht alle unterrichtenden Lehrpersonen über die Massnahmen informiert sind, was dazu führt, dass diese nicht konsequent umgesetzt werden. (K1, 46-48, 63-66; LP2, 21-21, 23-25; M1, 34-34, 36-37, 60- 60, 79-80, 81-82; M2, 11; SP1, 65-65).

In einem Fall ist die Klassenlehrperson krankheitsbedingt kurzfristig ausgefallen, was dazu führte, dass die Massnahmen über längere Zeit gar nicht umgesetzt wurden. Die Informationen dazu sind nicht weitergegeben worden an die stellvertretenden Lehrpersonen, obwohl die Schuleinheit über eine

Schulleitung verfügt. Für das betroffene Kind, welches im Sommer in die Oberstufe übertritt, hat dies mutmasslich eine grosse Tragweite. Dies löst bei den Betroffenen und ihren Eltern grosse Sorgen aus.

Also, er hat mir dann schon gesagt, dass die Lehrperson, also die, die eingesprungen ist, die pensioniert ist, die habe gesagt, sie habe ein Blatt bekommen, aber was auf dem Blatt gestanden habe, das hat er auch nicht gewusst oder mitbekommen. Und ich auch nicht. Ich habe es dann einfach so mitgekriegt, wenn er Prüfungen heimgebracht hat oder wenn er dann sonst etwas. einen Text oder etwas heimgebracht hat, der dann wirklich voller Fehler war zum Teil. (...) Ja, da habe ich einfach gemerkt, irgendwie ist diese Kommunikation nicht so da, ja. (...). (M1, 80).

Die Fachperson SAB berichtet von einem Fall, in dem Informationen über den Nachteilsausgleich nicht in die Oberstufe weitergegeben wurden. (SP1, 65-65). Die Lehrperson gibt an, dass der Nachteilsausgleich in der 3. Klasse für die Mittelstufe festgelegt wurde, in welcher sie unterrichtet. Die abnehmende Lehrperson war am SSG nicht anwesend, als die Massnahmen ausgearbeitet wurden.

(LP2, 21, 23-25).

Ein befragtes Kind wünscht sich, dass in Zukunft alle Lehrpersonen über den Nachteilsausgleich Bescheid wissen: So solle die Klassenlehrperson ihnen erklären, was ein Nachteilsausgleich ist und was sie zu tun haben. (K1, 64-66).

Analyse der Kommunikation mit den Fachpersonen

Gemäss den Befragten sind verschiedene Fachpersonen involviert, wenn es um den Nachteilsausgleich geht: Fachperson Kinder- und Jugendpsychiatrie der Abklärungsstelle (z.B. KJPD), Fachpersonen der Ergotherapie, Logopädie bzw. Heilpädagogik (M1, 26-26; M2, 13; SP1, 86-87; SP2, 14-15).

Fachpersonen sind bei den Gesprächen nicht immer anwesend, ihre Berichte werden einbezogen: «Da ist meistens ein Bericht vorhanden. Die sind dann nicht unbedingt beim Gespräch dabei. Und (…) sonst niemand eigentlich. Oder die Schulische Heilpädagogin noch, wenn es eine gibt.» (SP2, 15-15).

In einem Fall wurde gemäss der Mutter in der 1. Klasse durch den Kinderpsychiater eine ADHS-Diagnose gestellt. Sie wurde aber erst später durch die Schule über die Möglichkeiten des den Nachteilsausgleich informiert. (M1, 6-6).

Analyse der weiteren Kommunikationsgefässe rund um den Nachteilsausgleich

Es wird von Seiten der Eltern das Bedürfnis nach Kommunikationsgefässen ausserhalb des SSG geäussert. (M1, 83-84, 86-86).

Ich weiss, dass ein Gespräch mit Eltern immer sehr aufwändig ist. Dann können die nicht, dann haben sie sehr viel zu tun und so weiter. Aber einfach auch vielleicht nur ein Telefonat. Einfach nur anrufen. Da wäre schon sehr viel geholfen. Und das würde ich mir wünschen, dass viel mehr darüber geredet wird. ... Ja, das würde ich mir wünschen und nicht einfach einmal im Jahr sitzt man dort und dann heisst es, wissen Sie. Und dann Ah! Ja, wieso sagen Sie mir das nicht. (M2, 35-35).

Eine Mutter äussert, dass die LP ihr per SMS ein Foto schickt mit dem Plan der Hausaufgaben an der Wandtafel. (M2, 7-7).

Die Fachpersonen der SAB haben sich im Team über den Nachteilsausgleich ausgetauscht. (SP2, 5-5). Dabei wurde festgestellt, dass die SAB wenig Rückmeldungen zur Umsetzung und den Erfahrungen der Involvierten bekommt und entsprechend keine Aussagen machen kann, wie Massnahmen sich im Schulalltag bewähren. (ebd.). Eltern äussern sich verunsichert, ob und wie die Massnahmen im Schulalltag umgesetzt werden. Dies lässt darauf schliessen, dass über die laufende Umsetzung nicht regelmässig kommuniziert wird. «Ich stelle jetzt nichts fest, dass er etwas anderes bekommt oder es anders lösen könnte, einen Aufsatz oder sonst etwas. (...).» (M1, 78-78).