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2.2 A KTUELLER F ORSCHUNGSSTAND ZUR ADHS

2.2.9 Interventionen im Unterricht

Viele Schülerinnen und Schüler mit einer ADHS melden sich im Unterricht selten von sich aus, wenn sie Schwierigkeiten haben. (Frölich et al., 2014, S.90). Daher ist es umso wichtiger, dass die Lehrperson reagiert, bevor sich die Kernsymptome einer ADHS hinderlich auf die Aufgabenbewältigung auswirken.

Diese antizipierende, auf anzunehmende Schwierigkeiten zugehende Herangehensweise der Lehrperson nennt man proaktives Handeln. (Frölich et al., 2014, S.90). Dazu werden in diesem Kapitel mehrere Interventionsmöglichkeiten im Unterricht angesprochen. Der Nachteilsausgleich gehört ebenfalls zu einer Intervention, wird allerdings erst im Kapitel 2.4 besprochen.

Grundprinzipien des Lernens

Born und Oehler (2015, S. 53 ff.) haben für den Unterricht Grundprinzipien notiert, die der Lehrperson eine proaktive Unterrichtsgestaltung ermöglichen:

- Weniger ist mehr

Bei Kindern mit ADHS ist es wichtig sich im Unterricht auf einige wenige, einfache Methoden zu beschränken. Mit der regelmässigen Wiederholung der gleichen Methoden verringert man die Gefahr, dass zusätzliche irrelevante Informationen abgespeichert werden.

- Möglichst nicht schriftlich

ADHS Kinder leiden oft unter fein- und graphomotorischen Schwierigkeiten. Daher wird das Kurzzeitgedächtnis beim Schreiben zusätzlich belastet. Es bleibt für den Verarbeitungs- und Abspeicherungsprozess nur noch geringe Aufmerksamkeitskapazität. Daher ist es wichtig, bei Übungs- und Lernformen auf das Schreiben zu verzichten.

- Regelmässig und in kleinen Portionen

ADHS-Kinder dürfen nicht mit zu vielen Informationen, die sie gleichzeitig präsent halten sollen, überschüttet werden. (vgl. Kapitel 2.2.8) Daher ist es wichtig, nicht mehr als fünf Informationen pro Zeiteinheit zu vermitteln. Grössere Lerninhalte sollten daher in kleine Portionen verteilt werden. Die Regelmässigkeit des Wiederholens ist notwendig, um effektives Einprägen zu ermöglichen. ADHS-Kinder brauchen in der Regel mehr Wiederholungen als gleichaltrige Vergleichsgruppen.

Förderliche Unterrichtsbedingungen

Gyseler und Seewald (2011) untersuchten förderliche Unterrichtsbedingungen für Schülerinnen und Schüler mit einer ADHS. Sie betrachteten dabei den Einfluss der Unterrichtsform auf die Konzentration der Kinder. Dabei fanden sie heraus, dass nicht die Unterrichtsform, sondern der Umgang mit den Aufgaben einen entscheidenden Einfluss über die Konzentration der Schülerinnen und Schüler mit einer ADHS hat. So konnten drei Grundvoraussetzung für den Unterricht herausgearbeitet werden: Die Aufgabe muss klar formuliert, in kleinere Sub-Aufgaben unterteilbar und so strukturiert sein, dass die Schülerinnen und Schüler ihren Erfolg selber einschätzen können.

Strukturierung während dem Unterricht

Gyseler und Seewald (2011) erwähnen die Strukturierung des Unterrichts. Das Kind soll dabei die Möglichkeit erhalten, seinen Erfolg selbst einzuschätzen. Frölich et al. (2014, S. 92-93) haben dafür verschiedene konkrete Strukturierungsmöglichkeiten festgehalten:

- Liste erstellen, welches Lernverhalten erwartet wird

Die Lehrperson sollte mit der Schülerin, dem Schüler zusammen festhalten, welches Verhalten während der Freiarbeit verlangt wird. (z. B. sitzen bleiben, nachfragen, wenn ein Problem auftritt, Arbeitsmaterialien im Vorfeld richten). Es ist auch möglich, Verhaltensregeln vor dem Unterricht mit der ganzen Klasse nochmals zu repetieren.

- Zeitraum festsetzen

Mit der Schülerin, dem Schüler kann ein Zeitraum festgesetzt werden, in dem der Auftrag erledigt werden soll. Auch sollte abgemacht werden, was zu tun ist, wenn der Arbeitsschritt erledigt ist.

- Unterteilung in Einzelschritte

Bei schwierigeren, komplexeren Arbeitsaufgaben empfiehlt sich die Unterteilung in Einzelschritte.

Die Schülerin, der Schüler sollte die Arbeit selbstständig lösen können.

- Klassenkameraden als Verhaltenshelfer

Ein Mitschüler, eine Mitschülerin kann allenfalls auch als Verhaltenshelfer zur Seite gestellt werden, wenn das Kind bei der Arbeit nicht weiterkommt.

- Arbeitsplatz mit möglichst geringem Ablenkungspotential

Der Arbeitsplatz des Kindes sollte möglichst wenig visuelle oder auditive Reize beinhalten. Er sollte sich in der Nähe der Lehrperson befinden. Allenfalls ist auch ein Einzelplatz zu erwägen.

Auf alle Fälle sollten Sitzplatzrotationen vermieden werden.

- Kurze, klare und multisensorische Anweisungen in ruhiger Atmosphäre

Bevor die Lehrperson Anweisung gibt, sollte darauf geachtet werden, dass es in der Klasse möglichst ruhig ist. Anweisungen sollten in klaren und einfachen Sätzen ausgesprochen werden.

Auch sollten sie so wenig Schritte wie möglich beinhalten, da die Merkfähigkeit von Kindern mit einer ADHS eingeschränkt ist. (vgl. Kapitel 2.2.8) Es hilft, die Schritte durch Bilder, Grafiken oder Schlüsselwörter, die an die Tafel geschrieben werden, zu visualisieren. Schliesslich sollte klargestellt werden, dass die Kinder die Anweisungen verstanden haben, sie also nochmals von der Klasse wiederholen lassen. Auch sollte besprochen werden, was man zu tun hat, wenn die Aufgabenstellung beendet ist. Grafiken, markierte Schlüsselwörter und Bilder können auch während der Arbeit als Hilfestellungen bereitgestellt werden.

- Auditive und visuelle Signale einsetzen

Nonverbale, visuelle oder auditive Signale können helfen, den Unterrichtsfluss zu erhalten. Diese Signale sollten vorher mit den Schülerinnen und Schüler besprochen werden.

Strukturierung der Unterrichtsübergänge

Frölich et al. (2014, S. 91-92) empfehlen für die Unterrichtsübergänge, die gerade für Kinder mit einer ADHS schwierig zu bewältigen sind, folgende Hilfestellung:

- Unterstützung anbieten, bei Wechsel von bestehenden Routinen

Wenn Situationen von der bestehenden Routine abweichen (z. B. Tagesausflüge, Besuch von Gästen), sollten sie vorher mit den Schülerinnen und Schülern abgesprochen werden. Auch sollte ihnen klar sein, dass sie dabei Unterstützung erhalten und keine Sanktionen zu erwarten haben, wenn Änderungen gewohnter Verhaltensroutinen zunächst nicht vollständig gelingen.

- Erarbeiten von Verhaltensroutinen

Lehrpersonen sollten mit den Schülerinnen und Schülern den genauen Ablauf der zu erwartenden Situation genau durchsprechen, und die erwarteten Verhaltensweisen sollten dabei geklärt werden. Dies hilft den Lernenden, kritische Situationen zu bewältigen.

- Unstrukturierte Situationen durch zuvor durchgesprochene Signale ankünden

Wenn eine Übergangszeit oder unstrukturierte Situationen unmittelbar bevorstehen, sollten mit den Lernenden Signale durchgesprochen werden, die ihn erinnern, welche Verhaltenserwartungen vorher besprochen wurden.

- Entspannungs- und Imaginationsübungen

Entspannungsübungen helfen den Kindern, schneller in eine neue Situation hineinzufinden.

- Körperliche Unterstützung bieten

Beim Einüben einer Routine fürs Verhalten sollte die Lehrperson in der Nähe des Kindes sein, um ihm zu helfen. Dies gelingt gut durch körperliche Unterstützung (z. B. an die Hand nehmen)

- Positive Verhaltensansätze hervorheben

Kinder sollten unbedingt gelobt werden, wenn sie sich bei Übungssituationen entsprechend den Absprachen Verhalten haben. Dies gibt ihnen die nötige Sicherheit, erhöht aber auch die Motivation, sich weiter anzustrengen.

- Übergangssituationen mit anderen Lehrpersonen absprechen

Bei Übergangssituationen, bei denen andere Lehrerkollegen beteiligt sind, ist es wichtig, Absprachen bezüglich Verhaltensroutinen zu besprechen.

- In der Pause ein Mindestmass an Handlungsstruktur geben

Während unterrichtsfreier Zeit sollte Kindern mit einer ADHS ein Mindestmass an Handlungsstruktur gegeben werden. Dies impliziert, dass dem Kind konkrete Aufträge gegeben werden, was es in dieser Zeit machen soll.