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kommunale Unternehmen

Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 38-42)

AUS FORSCHUNG UND LEHRE

Die sachlich-kritische, manchmal aber auch bewusst süffisante Auseinandersetzung mit all den Vor-urteilen und Unterstellungen zur Kommunalwirt-schaft gab den Impuls zur Weimarer Erklärung, einem offensiven Bekenntnis zur Wirtschaftsform an sich und zu ihren Akteuren. Und so hielt sich auch die Choreographie des Nachmittags an diese Reihenfolge.

Zunächst ging Prof. Dr. Michael Schäfer als einer der beiden Autoren auf die Beweggründe ein, die ihn und Dr. Sven-Joachim Otto zu diesem Buch veranlassten. Prof. Dr. Schäfer verweist auf das Demoskopie-Institut Forsa, welches seit Jahren

regelmäßig nach der Beliebtheit verschiedener Institutionen und der Wertschätzung für öffentliche Unternehmen fragen würde. Stadtwerke und Spar-kassen kämen hier regelmäßig auf den ersten beiden Plätzen ein. Und auch insgesamt hätte sich die Ein-stellung zu kommunaler Verantwortung in der Ver-sorgungswirtschaft deutlich gewandelt. 2007 seien die Präferenzen für Kommunalisierungen und für Privatisierungen noch ausgeglichen gewesen.

Nach der weltweiten Wirtschafts- und Finanz-krise sowie der Kehrtwende in der Energiepolitik würde nun eine klare Mehrheit von 80 Prozent eine

stärkere kommunale Verantwortung befürworten.

Dennoch würden sich in einigen, mitunter durch-aus einflussreichen, Teilöffentlichkeiten noch immer unsachgemäße Anwürfe, stupide Klischees und dreiste Unterstellungen gegenüber der Kommunal-wirtschaft halten. Diese seien nicht selten interessen-geleitet und fußten zu einem nennenswerten Anteil in bewussten Falschbehauptungen und Halbwahrheiten, die gestreut würden, um jegliches wirtschaftliches Agieren außerhalb privatwirtschaftlicher Eigentums-formen gezielt zu diskreditieren. Daher sei es ihm um mehr als nur um Aufklärung gegangen, als er dieses Daseinsvorsorge

DIE WEIMARER ERKLÄRUNG zUR DASEINSVORSORGE – DENKANSTÖSSE FüR EINE NOTWENDIGE DEBATTE BODO RAMELOW, MINISTERPRÄSIDENT DES FREISTAATES THüRINGEN UND

STEFAN WOLF, OBERBüRGERMEISTER DER STADT WEIMAR 1) Warum es diese Erklärung jetzt, hier und heute gibt.

In Deutschland wächst seit der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkri-se 2007/2008 ein neues BewusstFinanzkri-sein für die Bedeutung der Kommu-nen, der Daseinsvorsorge und mithin auch der Kommunalwirtschaft.

Dafür gibt es viele Belege.

Stellvertretend dafür stehen nach unserer Einschätzung folgende:

(1) Von 2007 bis 2015 haben weit über 200 deutsche Kommunen die Energienetze aus privater Hand wieder in eigene Verantwor-tung übernommen. Im gleichen Zeitraum wurden rund 100 neue Stadtwerke gegründet.

(2) In Thüringen gab es mit der Thüringer Energie AG (TEAG) eine der größten Rekommunalisierungen deutschlandweit. Im Zusam-menhang mit den Stadtwerkebeteiligungen der TEAG verzeichnet die Thüringer Energiewirtschaft den höchsten Kommunalisie-rungsgrad in ganz Deutschland.

(3) Vertrauen und Zufriedenheit in und mit kommunalen Unterneh-men waren noch nie so groß wie heute. 75 Prozent der Bundes-bürger haben zur Kommunalwirtschaft „großes Vertrauen“. 93 Prozent sind mit kommunalen Unternehmen zufrieden und sehr zufrieden (Forsa 2016).

Die Entwicklung ist sehr deutlich. Zugleich aber gibt es zu den Themen Daseinsvorsorge und Kommunalwirtschaft noch immer Vorurteile, ja sogar Stigmatisierungen, die nur im Rahmen eines gesellschaftspoliti-schen Diskurses aufgearbeitet werden können.

2) Wie wir diese Entwicklung interpretieren.

Im Bewusstsein der meisten Menschen ist fest verankert, dass die existenziellen Leistungen der Daseinsvorsorge – in erster Linie Trink-wasser, Energie, Entsorgung, Gesundheit, Bildung, Kultur und die dazugehörigen Infrastrukturen – hohen Effizienzanforderungen ge-nügen und auch im Wettbewerb bestehen müssen. Zugleich will die übergroße Mehrheit, dass diese Leistungen in öffentlicher Verantwor-tung erbracht werden. 2007 waren 50 Prozent der Deutschen gegen Privatisierungen. 2015 wuchs dieser Anteil auf 81 Prozent. Das ist in demoskopischen Dimensionen ein gewaltiger Zuwachs von 31 Pro-zent (Forsa).

Aus unserer Sicht ein eindeutiges Plädoyer für:

(1) Daseinsvorsorge vor Ort mit Zuständigen, die ein Gesicht haben und nicht „Hotline“ heißen

(2) nachhaltige kommunale Wertschöpfung, bei der Gewinne und soziales Engagement den Bürgern direkt zu Gute kommen (3) demokratische Mitwirkung und Kontrolle in einem Bereich, der die

Lebensbedingungen der Menschen unmittelbar betrifft

3) Welche Schlussfolgerungen wir ziehen

Die Stärkung der kommunalen Daseinsvorsorge sollte wieder Gegen-stand des politischen Diskurses werden und zwar unter folgenden Aspekten:

(1) Es bedarf einer Diskussion, welchen Rang die Daseinsvorsorge unter tausenden von staatlichen und kommunalen Aufgaben hat.

(2) Daseinsvorsorge muss deutlicher von einem allgemeinen Dienst-leistungsbegriff abgegrenzt werden.

(3) Dieser so abgegrenzte Bereich der kommunalen Daseinsvorsor-ge sollte weDaseinsvorsor-gen seiner existentiellen Dimension nicht den Kräften eines ungezügelten Marktes überlassen werden.

(4) Eine einseitige Konzentration auf Monetarisierung und Verbe-triebswirtschaftlichung der Daseinsvorsorge ist für ihre Entwicklung hinderlich.

(5) Daseinsvorsorge wird zwar in erster Linie kommunal erbracht, sie muss aber gesamtstaatlich gewährleistet werden.

4) Welche praktischen Dimensionen hat dieser Diskurs?

Die öffentliche Verantwortung für die Daseinsvorsorge ist mit der in-dustriellen Revolution im 19. Jahrhundert entstanden. Am Prinzip hat sich bis heute nichts geändert. Dynamisch aber ist der Kanon der zu erbringenden Leistungen. Zu dessen Elementen ist ein permanenter Austausch zwingend geboten.

Wir zeigen dies an folgenden Beispielen:

(1) Die flächendeckende Breitbandversorgung gilt heute unstrittig als Teil der Daseinsvorsorge, also als staatliche Aufgabe. Wer dies vor 20 Jahren gefordert hätte, wäre mitleidig belächelt worden.

Breitbandversorgung heißt aber nicht nur technische Infrastruktur.

Im Kern geht es um Partizipation für alle. Das ist der Lebensnerv unseres demokratischen Gesellschaftsmodells.

(2) Mit diesem Ansatz muss auch das Thema ÖPNV diskutiert wer-den. Gerade in strukturschwachen Regionen und in einer älter werdenden Gesellschaft ist der Individualverkehr nicht in der Lage, die lebenswichtige Mobilität zu gewährleisten.

5) Fazit

Unser christlich-abendländisch geprägtes Menschen- und Gesell-schaftsverständnis nimmt die materiellen Grundbedürfnisse des menschlichen Lebens ernst, isoliert sie aber nicht. „Der Mensch lebt nicht von Brot allein“ (Matthäus 4,4; vgl. Mose 8,3). Wir müssen des-halb auch unser Verständnis von freiwilligen und pflichtigen Leistun-gen auf den Prüfstand stellen und deshalb noch konsequenter fraLeistun-gen, was wir unter den Stichworten Daseinsvorsorge und Partizipation für alle finanzieren wollen?

Daseinsvorsorge

Buch verfasste. Sondern auch um ein Bekenntnis zu einer Wirtschaftsform, die grundlegenden ethischen Prinzipien verbunden ist. Die kommunale Familie ruft er auf: „Wir müssen in die Offensive gehen. Wir vertreten die Interessen und das Eigentum der Bürger.

Es gibt überhaupt keinen Anlass, sich für den ver-antwortungsvollen und nachhaltigen Umgang mit diesen Werten rechtfertigen zu müssen.“

Klares Bekenntnis

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow verweist auf die vielen Volksentscheide der ver-gangenen Jahre, die nahezu sämtlich die kommunale

Kommunale Unternehmen leisten Erstaunliches. Ihnen ge-lingt fast immer der schwierige Balanceakt zwischen öko-nomischer Vernunft und gesellschaftlicher Verantwortung.

Der einzige Fehler mag darin liegen, dass kommunale Ver-antwortungsträger oftmals viel zu verdruckst mit dem Er-reichten umgehen. Dass sie mit dem gerade erschienenen

Sachbuch fundierte Argumentationslinien gegen pauschale Unterstellungen an die Hand bekom-men, soll helfen, noch offensiver für die eigenen Interessen werben zu können. Denn diese Interes-sen sind die InteresInteres-sen der Bürger und der gewachInteres-senen Gemeinschaften vor Ort. Die „Weimarer Erklärung“ ist direkt aus diesen Impulsen gewachsen. Sie streitet für eine Wirtschaftsform, die sich seit Jahrzehnten erfolgreich an den Märkten behauptet und angesichts der drängenden demo-grafischen, ökologischen und sozialen Herausforderungen am ehesten geeignet ist, jedem Bürger einen angemessenen Zugang zu den essentiellen Leistungen des täglichen Lebens zu ermöglichen und damit die gesellschaftliche Stabilität zu erhöhen. Falk Schäfer

Verantwortung gestärkt hatten. Auch er bewertet die Rolle der kommunalen Wirtschaft ausgesprochen hoch. Aktuell würde sich der Freistaat Thüringen in einem Umbauprozess befinden. „Wir wollen auch mittelfristig leistungsfähige Strukturen erhalten und brauchen dazu eine gewisse kommunale Schlag-kraft.“ Kommunale Unternehmen seien nicht nur ein Nischenprodukt, sondern stellten einen Wert an sich dar. Zu den Vorurteilen gegenüber der Kommunalwirtschaft erinnert sich der Minister-präsident, dass sie durchaus mal eine Basis hatten.

In den 1980er Jahren, zu Zeiten der co op- und Neue Heimat-Skandale hätten öffentliche Unter-nehmen deutlich anders funktioniert als dies heute

Das altehrwürdige Weimar – Hort vieler historischer Ereignisse und nun auch Namensgeber für ein kräftiges Plädoyer pro kommunale Daseinsvorsorge.

der Fall sei. In den mehr als 30 Jahren seitdem sei eine enorme Professionalisierung gelungen, die nicht zuletzt dazu geführt hatte, dass sich kommunale Unternehmen nunmehr im Wettbewerb bestens behaupten. „Wir müssen dafür sorgen, dass das so bleibt.“ Dazu gehöre auch, dass Kommunen und ihre Unternehmen die eigenen Möglichkeiten realistisch einschätzen. Selbstverständlich müssten kommunale Unternehmen auch Geld verdienen dürfen. Ein-zige Prämisse sei, dass sie dieses anschließend wieder zum Wohle der Bürger verantwortlich in die örtliche Infrastruktur investieren. Stefan Wolf, Oberbürgermeister von Weimar, thematisiert die Entwicklung seiner Stadt. Dass sich Weimar seit der Wende derart gut entwickeln konnte, sei nicht zuletzt den kommunalen Unternehmen zu ver-danken. Glücklicherweise hätte der Verkauf der kommunalen Wohnungsgesellschaft verhindert werden können, sodass die Stadt auch heute noch proaktiv ihren Gebäude- und Wohnungsbestand zum Wohle der Gemeinschaft gestalten könne. Bei der Breitbandversorgung hätte sich gezeigt, dass sich die großen Konzerne nur für hohe Renditen interessieren. Vor einigen Jahren habe sich kein privater Anbieter für die Breitbandversorgung in der Stadt gefunden. Nun hätte sich Weimar auch dank des kommunalen Engagements zu einem prosperierenden Wachstumskern gemausert. „Und nun interessieren sich auch die Konzerne…“ n

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