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Gebot der Stunde?

Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 34-38)

Rekommunalisierung

Der Begriff der Rekommunalisierung werde oftmals etwas pauschal gebraucht, sagt Sebastian Kunze.

Der Moderator der Gesprächsrunde fragt, welche konkreten Zielstellungen die Anwesenden damit verbinden. Karl-Ludwig Böttcher, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg, erinnert an die Wurzeln der energiewirtschaftlichen Versorgungsstrukturen in den Neuen Bundesländern.

DAS OB, WARUM, WANN UND WIE VON REKOMMUNALISIERUNGEN

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ausliefen, habe man versucht, die kommunale Familie zusammenzuhalten und den Wert der Beteiligungen an den Regionalversorgern zu betonen, so Böttcher.

Nun würde eine ganze Generation der unmittel-bar Nach-Wende-geprägten Verantwortungsträger in den ostdeutschen Kommunen zunehmend ihre Ämter abgeben. Daher sei es gerade aktuell angeraten, für eine gemeinsame Verantwortung und für das Solidaritätsprinzip in der Versorgungs-wirtschaft zu sensibilisieren, so der Geschäftsführer der Städte- und Gemeindebundes Branden-burg. Tim Hartmann ist Vorstandsvorsitzender der EnviaM, einem der größten Regionalver-sorger in den Neuen Bundesländern. Er soll beantworten, worin die gängigsten Argumente für eine Rekommunalisierung liegen und wie sich enviaM dazu positioniert. „Ich weiß nicht, ob der Begriff der Rekommunalisierung geeignet ist, die aktuelle Entwicklung treffend zu beschreiben.

Was wir derzeit erleben, hat im Kern nichts mit Rekommunalisierung zu tun“, so Hartmann.

Die zu hundert Prozent kommunale Thüringer Energie AG hätte die gleichen Probleme wie die enviaM. Stadtwerke aus dichter besiedelten Gebieten würden ihre Kostenvorteile nutzen und zunehmend in neue Konzessionen drängen. Dabei picke man sich die Rosinen heraus und so würde auch die enviaM ihre Konzessionen fast ausschließ-lich in dichter besiedelten Gebieten verlieren. Die aktuellen Entwicklungen zeigen eher eine Ent-solidarisierung zwischen Stadt und Land als eine Stärkung kommunaler Verantwortung.

Bernd Dubberstein knüpft an diese Aus-führungen an. Als Vorstandsvorsitzender der E.DIS

AG vertritt auch er einen großen ostdeutschen Regionalversorger. Unmittelbar nach der Wende sei es darum gegangen, die Infrastruktur auf ein angemessenes Level zu heben. Dies sei in der gemeinsamen Anstrengung aus Kommunen und Ver-sorgern gut gelungen. Nunmehr herrsche seit Ende der 1990er Jahre ein funktionierender Wettbewerb, innerhalb dessen die ökologische Komponente durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz besondere Betonung findet. Die Gesetzgebung sei sicher-lich verbesserungsfähig, hätte in den vergangenen Jahren jedoch für eine klare Zielorientierung

gesorgt. Wettbewerbliche und ökologische Argu-mente würden damit ausscheiden, wenn es darum ginge, die Rekommunalisierung von Netzen, Unternehmen oder Leistungen zu begründen. Im Regelfall seien es ökonomische Eigeninteressen, die Kommunen dazu bewegen, ihren wirtschaftlichen Handlungskreis zu erweitern. Dies sei angesichts der Haushaltssituation

vieler Kommunen durchaus verständlich, sollte aber nicht hinter vorgeschobenen Schein-argumenten verbrämt werden. Zudem dürfe gefragt werden, ob tat-sächlich neue Ertrags-quellen erschlossen werden, wenn Fremd-kapital aufgenommen werde, um Leistungen einzukaufen. „Wir wollen uns einem fairen Wettbewerb stellen“, so Dubberstein. Dieser

dürfe aber nicht zu einer Entsolidarisierung mit den Kunden und Bürgern auf dem Land führen.

„Es spielt aus meiner Sicht keine Rolle, ob ein Unternehmen mehrheitlich von kommunalen oder privaten Eigentümern geführt wird. Keine Eigentümerstruktur ist per se besser als die andere. Das reicht als Begründung für eine Rekommunalisierung folglich nicht aus. Die Motivation ist hier vielmehr, neue Einnahme-quellen zu erschließen“, stimmt Tim Hartmann seinem Kollegen zu. Aus Sicht der Kommunen sei dies durchaus nachvollziehbar, allerdings müssten auch die damit verbundenen Kosten für die Ver-braucher und die Wettbewerbsfähigkeit des Stand-orts Deutschland diskutiert werden. Hartmann bedauert, dass es für die Energiewirtschaft keine geeinte Interessenvertretung gebe. Zudem seien die Energiemärkte sehr stark reguliert.

Aus der Not geboren?

Helmut Preuße bezeichnet den Stromstreit von 1992 als „echte Rekommunalisierung“. Hier sei es tatsäch-lich um kommunale Verantwortung und Handlungs-freiheit gegangen. „Ich gestehe gerne ein, dass sich die Motivlage bis heute etwas geändert hat“, sagt der Vorsitzende der Landesgruppe Berlin-Brandenburg im Verband kommunaler Unternehmen (VKU)

und Geschäftsführer der Stadtwerke Schwedt. Nun stehe die Suche nach neuen Einnahmequellen mit im Vordergrund. Mögliche Netzübernahmen würden ins-besondere unter dem Stichwort „Wachstumskonzepte“

diskutiert. Die strukturelle Unterfinanzierung vieler Kommunen würde insbesondere in entlegenen Regionen dazu zwingen, die eigenen Finanzquellen

möglichst vollständig zu optimieren. Jede Kommune sollte im Vorlauf aber genauestens rechnen, ob sich die Risiken einer Fremdfinanzierung oder eines Betriebes in Eigenregie tatsächlich lohnen. Grundsätzlich seien die Kommunen aber die geborenen Player, um die drei D’s „digital“, „dezentral“ und „dekarbonisiert“ mög-lichst optimal in Einklang zu bringen, so Preuße. Auch die Stadtwerke Schwedt müssten sich fragen, wie in einer schrumpfenden Stadt nachhaltige Wachstums-konzepte realisiert werden können. „Wenn wir in den Kernstädten Kunden und Geschäfte verlieren, müssen wir dies über ein Wachstum in der Fläche wieder ausgleichen.“

Bernd Dubberstein folgert, dass sich die Notwendigkeit einer Solidarisierung im Markt notwendigerweise aus den energierechtlichen Rahmensetzungen ergibt. „Es war stets ein Element der Energieversorgung, dass an einem Ort mehr produziert und an einem anderen mehr verbraucht wird.“ Die Eigeninteressen der Kommunen seien sicherlich subjektiv nachvollziehbar, doch „wir brauchen auch die Solidargemeinschaft.“ Kommunale Wertschöpfung müsse nicht unbedingt über den eigenen Betrieb von Anlagen und Netzen organisiert werden. Es seien auch andere Modelle vorstellbar.

Tim Hartmann konstatiert, dass grundsätzlich alle Unternehmen der Energiebranche wirtschaft-lich arbeiten müssten. Die Regulierungsbehörden in Bund und Ländern behandelten diese allerdings auf unterschiedliche Weise. So gelte für Unternehmen mit weniger als 100.000 Kunden eine vereinfachte Regulierung. „Große Verteilnetzbetreiber, zu denen auch wir gehören, fallen nicht unter diese Regelung.

Dabei findet in ihren Netzgebieten die Energie-wende statt. 90 Prozent der Erneuerbaren Energien sind hier angeschlossen“, so Hartmann. „Durch die Rekommunalisierung

Prof. Dr. Michael Schäfer, Helmut Preuße und Bernd Dubberstein (v.l.n.r.)

Der aktuelle Kommunalisierungs-boom wird von den derzeit extrem

niedrigen Zinsen angeheizt. Doch betriebswirtschaftlich, regulatorisch

und technologisch haben sich die Anforderungen und damit auch die

Risiken deutlich erhöht.

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Karl-Ludwig Böttcher

Was wir derzeit erleben, hat im Kern nichts mit Rekommunalisierung zu tun.

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Tim Hartmann

hohe dezentrale Einspeisung entstehen für die Ver-teilnetzbetreiber umfangreiche zusätzliche Aufgaben und Kosten. Diese werden von den Regulierungs-behörden jedoch nicht ausreichend anerkannt.“

Zurückkommend auf das Solidarprinzip merkt Hart-mann an, dass dieses durch das Herauslösen attraktiver Netzgebiete mit hohen Einwohnerzahlen außer Kraft gesetzt werde. In der Folge stiegen in ländlichen Räumen mit geringer Bevölkerungsdichte die Netz-entgelte weiter an. In den NetzNetz-entgelten der enviaM sei das Solidarprinzip zwischen dem urbanen und dem ländlichen Raum bereits eingepreist. Je mehr Konzessionen aus dichter besiedelten Regionen ver-lorengingen, desto weniger ließe sich dieser Umlage-mechanismus anwenden, so Hartmann.

Prof. Dr. Michael Schäfer stimmt zu, dass die energiepolitische Regulierung teilweise widersprüchlich und inkonsistent ist. Über die Rekommunalisierung ließe sich auch deshalb trefflich streiten, weil bisher

noch keine eindeutige Begriffsdefinition vorläge. Den stärksten Treiber für eine Stärkung der kommunalen Komponente in der Daseinsvorsorge identifiziert der Professor für Kommunalwirtschaft in der strukturellen kommunalen Unterfinanzierung. Es sei mehr als ver-ständlich, wenn sich ein Bürgermeister in erster Linie für die Einwohner seiner Kommune zuständig fühle und Wege ersinnt, wie sich die Defizite zumindest partiell kompensieren lassen. Grundsätzlich hätte sich in den vergangenen Jahren eine erstaunliche

Kehrtwende auch in der Regulierung vollzogen.

Noch vor einigen Jahren seien die Ertragsabsichten von kommunalen Unternehmen noch als

„Teufelszeug“ abgetan worden, nunmehr würden die Kommunal-aufsichten aktiv zu einer Steigerung der Erträge aufrufen. „Ich würde viel lieber darüber diskutieren, wie die Kommunen das für die Erbringung ihrer Auf-gaben notwendige Geld auch erhalten, anstatt den zu weiten Teilen aus der Not geborenen Trend der Rekommunalisierung bewerten zu müssen.“ Mit den Regionalversorgern und den kommunalen Stadt-werken würden die aktuell vorhandenen Strukturen den Vorgaben von Energiewende und dezentraler Erzeugung bereits entsprechen. Grundsätzlich dürfe die Debatte aber nicht auf den Energiebereich ver-kürzt werden, sondern müsste die verschiedenen kommunalen Verantwortlichkeiten in einer Gesamt-schau würdigen, so der Professor für Kommunalwirt-schaft an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde.

Das gute Recht der Kommunen?

„Ist das Kaufen von Netzen mit geliehenem Geld tatsächlich ein Beitrag zur Ertragssicherung?“, fragt Bernd Dubberstein. „Ist es sinnvoll, wenn unter-finanzierte Kommunen ohne nennenswerte Rück-lagen Netze erwerben und dies bei einer gleichzeitigen Zersplitterung gewachsener Regionalstrukturen? Für den Erfolg der Energiewende brauchen wir auch in den ländlichen Regionen leistungsfähige Regionalnetz-betreiber.“ All die politischen Begründungen im Hin-blick auf unzureichenden Wettbewerb, unzureichende Zuverlässigkeit oder Behinderung des EEG-Ausbaus seien bei näherem Hinsehen nicht zutreffend und waren nie der Grund für eine Netzvergabe an neue bzw. kommunale Bewerber, so der Vorstandschef der E.DIS AG. Prof. Dr. Schäfer stimmt zu, dass das Gros der Zielorientierungen keine Rekommunalisierung erfordere. Zudem werde das Ausmaß der über eine

Rekommunalisierung möglich werdenden Ver-änderungen nicht selten maßlos überschätzt bzw.

überbetont. In Berlin hätte der Energietisch eine neue Energiewelt versprochen, doch tatsächlich sei es im Volksbegehren nur um die Eigentümerschaft an den Netzen und mitnichten um den Betrieb gegangen.

„Die Kommunen besitzen die Konzessionen und es ist ihr gutes Recht, diese möglichst gewinnbringend zu vermarkten“, so Tim Hartmann. „Allerdings sollten wir darauf achten, dass die Schere zwischen Stadt und Land nicht immer weiter auseinander geht und die Bewohner ländlicher Räume immer stärker belastet werden. Dies widerspricht dem Grund-satz gleichwertiger Lebensbedingungen.“ Helmut Preuße äußert die Ansicht, dass das Solidarprinzip schon lange nicht mehr gilt. Letztlich entscheide ein mittelfristiger Businessplan über eine Übernahme von Leistungen. Wenn sich mögliche Erträge abzeichnen,

ist eine Kommune fast schon gezwungen, sich dies-bezüglich zu engagieren. Tim Hartmann bewertet die Motivationslage in den Kommunen ganz ähnlich.

Allerdings sei dies zum großen Teil die Folge gesetz-licher Regelungen.

Sebastian Kunze fragt in die Runde, ob die aktuelle Debatte der Rekommunalisierung tatsächlich nur der finanziellen Notlage in den Kommunen geschuldet sei. „Das Generieren eigener Einnahmen ist ganz sicher einer der zentralen Treiber hinter der derzeitigen Entwicklung, doch diese eindeutige Zuordnung ist ihm zu pauschal“, antwortet Böttcher. Gegen die These würde sprechen, dass der Ausbau kommunaler Verantwortung vor allem in solchen Kommunen voll-zogen werde, denen es noch vergleichsweise gutgehe.

Als Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg beklagt Böttcher die fehlende Konsistenz in der Industriepolitik. Und auch aktuell werde kein Rechtsrahmen geschaffen, der mit dem Ziel der Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen die Wert-schöpfung im ländlichen Raum unterstützen hilft.

„Der unternehmerische Zweck lässt sich auch bei kommunalen Unternehmen in Euro beziffern. Da spielen Aspekte der Solidarität auch mal eine unter-geordnete Rolle“, sagt Helmut Preuße. Der Geschäfts-führer der Stadtwerke Schwedt erkennt aktuell eine wachsende Nüchternheit bei den kommunalen Rekommunalisierung

Ich würde viel lieber darüber dis-kutieren, wie die Kommunen das für die Erbringung ihrer Aufgaben

notwendige Geld auch erhalten, anstatt den zu weiten Teilen aus der Not geborenen Trend der Rekommunalisierung bewerten zu

müssen.

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Prof. Dr. Michael Schäfer

Ist das Kaufen von Netzen mit geliehenem Geld tatsächlich ein Beitrag zur Ertragssicherung? Ist es sinnvoll, wenn unterfinanzierte

Kommunen ohne nennenswerte Rücklagen Netze erwerben und dies bei einer gleichzeitigen Zersplitterung

leistungsfähiger Regionalstrukturen?

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Bernd Dubberstein

Der unternehmerische Zweck lässt sich auch bei kommunalen

Unter-nehmen in Euro beziffern. Da spielen Aspekte der Solidarität auch

mal eine untergeordnete Rolle.

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Helmut Preuße

Tim Hartmann, Karl-Ludwig Böttcher und Sebastian Kunze (v.l.n.r.)

FORUM NEUE LÄNDER

Unternehmen. Mittlerweile werde vorsichtiger gerechnet, als noch vor ein paar Jahren. Dazu würde nicht zuletzt die verstärkte Rechtsunsicherheit bei-tragen. „Die Bäume wachsen auch bei einer Netzüber-nahme regelmäßig nicht in den Himmel“, so Prof. Dr.

Schäfer. Kleineren Kommunen fehlten generell die personellen, finanziellen und sachlichen Kompetenzen für einen Netzbetrieb. Nicht-monetäre Ziele seien nur schwer zu umreißen und könnten hinsichtlich ihres Erreichungsgrades kaum eindeutig bewertet werden. Dies hätte sich nicht zuletzt bei der Debatte um die Rekommunalisierung der Berliner Energie-netze gezeigt. Helmut Preuße fordert mit Bezug auf Berlin eine sachliche Debatte. Wenn die Stadt Berlin die Energieversorgung wieder in die eigenen Hände nimmt, so ist es ihr gutes Recht. Aber es muss dennoch gerechnet werden. Termini wie Euphorie oder Traum hätten hier nichts zu suchen. „Komplexität und Regelungsdichte sind in den vergangenen Jahren deut-lich gestiegen“, so Preuße. Vor diesem Hintergrund müssten sich die Kommunen dreimal überlegen, ob sie ihr Portfolio erweitern wollen.

Solidarität gesetzlich normieren?

„Ich habe noch nie gehört, dass einem Unternehmen eine Konzession genommen wurde, weil es nicht imstande war, den Betrieb von Netzen angemessen zu leisten“, so Dubberstein. Wenn dann noch der unklare Terminus der gemeindlichen Ziele in den Kriterien-katalog des Konzessionsvergaberechts aufgenommen würde, sei die Folge nicht weniger, sondern mehr Rechtsunsicherheit. Karl-Ludwig Böttcher fügt hinzu, dass der aktuelle Kommunalisierungsboom auch von den derzeit extrem niedrigen Zinsen angeheizt werde. Doch nicht nur betriebswirtschaft-lich, sondern auch regulatorisch und technologisch hätten sich die Anforderungen und damit auch die Risiken deutlich erhöht. Helmut Preuße thematisiert die aktuellen Herausforderungen sowie die enorme Rechtsunsicherheit. Beim Erneuerbare Energien-Gesetz seien zentrale Parameter noch unklar. Bei der Digitalisierung müssten enorme Vorinvestitionen getätigt werden, ehe eine Refinanzierung gelingen Rekommunalisierung

könne. In einigen dünn besiedelten und struktur-schwachen Regionen werde man in einigen Jahren vielleicht eher über eine Konsolidierung und nicht über eine weitere Aufspaltung von Strukturen reden, so der Geschäftsführer der Stadtwerke Schwedt.

Sebastian Kunze stellt zwei Entwicklungen nebeneinander. Auf der einen Seite wären im Zuge der Verwaltungsreformen in den Neuen Bundes-ländern immer größere Einheiten entstanden, auf der anderen komme es im Zuge der Rekommunalisierung zu einer zunehmenden Zersplitterung gewachsener Strukturen in der Versorgungswirtschaft. Daran schließt er die Frage an, ob sich aus diesen gegen-läufigen Entwicklungen Widersprüche ergeben und wie zukunftsfähig die gewachsenen Versorgungs-strukturen im Land Brandenburg sind. Prof. Dr.

Schäfer bedauert, dass bei der Optimierung von Strukturen immer zuerst über Gebietsgrenzen und kaum über Funktionalitäten gesprochen werde. Alle Vorzeichen deuteten darauf hin, dass dieser Fehler bei der anstehenden Verwaltungsreform im Land Brandenburg wiederholt werde. Das schlichte Motto

„Aus Zwei mach Eins“ hätte in Mecklenburg-Vor-pommern schon nicht funktioniert. Grundsätzlich sei die gesellschaftliche Vernunft nicht der stärkste Impuls menschlichen Handelns. Schlichte Appelle an die Solidarität zwischen Menschen, Einheiten oder Unternehmen würden regelmäßig nicht fruchten.

Wenn ein bestimmtes Agieren im Markt als erwünscht erachtet werde, dann müsse dies eben ordnungs-politisch normiert werden. Zur Debatte um mögliche

Wenn aus verschiedenen Perspektiven heraus einhellige Kritik geäußert wird, dann sollte man das Gesagte umso ernster nehmen. Die fehlende Konsistenz in der Energiewirtschafts-politik ist ein solcher Punkt. Daneben erscheint es notwendig, den Begriff der Rekommunalisierung genauer zu umreißen.

Gefragt werden muss, welche Ziele erreicht werden sollen und

wie realistisch sie sind. Netzübernahmen sind nicht immer aus der Not geboren. In der Mehrzahl der Fälle passieren sie dort, wo die Siedlungsstruktur dichter und die Kommunen finanziell vergleichsweise gut ausgestattet sind. Bei sinkenden Margen und steigendem Wettbewerbsdruck wird sich der Energie-markt in Zukunft eher konsolidieren. Kommunen sollten sich daher genau überlegen, ob sie sich enga-gieren und wachsende Risiken in Kauf nehmen wollen. Falk Schäfer

Neustrukturierungen im Nordosten Brandenburgs heißt es: „Aktuell gibt es im Barnim und in der Ucker-mark vier Stadtwerke und einen Regionalversorger.“

Diese gewachsenen und erwiesenermaßen trag-fähigen Strukturen der Chimäre eines Kreiswerkes zu opfern, wäre notwendigerweise mit der Vernichtung kommunalen Eigentums verbunden.

Bernd Dubberstein entgegnet, dass es am Ende auf Überzeugungen ankäme. Wenn ausreichende Mehr-heiten hinter einer Forderung vereint werden könnten, würden die entsprechenden Entscheidungen folgen.

In Berlin und anderswo habe sich gezeigt, dass sich die Stimmung durchaus wandeln kann. „Die optimale Größe für einen Energieversorger gibt es nicht“, sagt Tim Hartmann. Die Wettbewerbsfähigkeit hänge davon ab, wie schnell und wie gut es möglich sei, bei den großen Themen der Energieversorgung der Zukunft miteinander zu kooperieren. Ich denke hier zum Beispiel an die Einführung intelligenter Zähler und Messsysteme oder die Entwicklung neuer Dienst-leistungen, die nichts mit dem Verkauf von Strom und Gas zu tun haben. enviaM biete schon heute 70 solcher Produkte an und habe damit 2015 15 Prozent des Vertriebsergebnisses erwirtschaftet. Der Druck hin zu einer weiteren Diversifizierung im Angebotsportfolio und hin zu einer stärkeren Kooperation werde weiter zunehmen. Helmut Preuße ist der Ansicht, dass der zunehmende Leidensdruck solche Integrations-prozesse im Markt automatisch befördern werde. Ihm seien Kooperationen grundsätzlich lieber als politisch motivierte Neugründungen mit zweifelhaften Erfolgs-aussichten. Schließlich könnten neue Strukturen auch aus intensivierten Kooperationen heraus erwachsen.

Prof. Dr. Schäfer stimmt zu, dass im Kernbereich der Kommunalwirtschaft der Kooperationsgrad deutlich ausbaufähig sei. Die Debatte dürfe sich nicht auf den Energiemarkt verengen, da gerade die Stadtwerke in vielen Fällen mehrere Sparten bedienen würden. Neue Gebietsstrukturen würden bei den Sparkassen nahe-zu automatisch eine Fusion der beteiligten Institute bedingen. Ähnliches sei auch bei Wasser, Abwasser und anderen kommunalen Kernaufgaben denkbar. n

Die Veranstaltung dokumentierte Falk Schäfer www.stgb-brandenburg.de DIE TEILNEHMER DER GESPRÄCHSRUNDE

(IN NAMENSAlpHABETIScHER REIHENfOlGE)

ˆ Böttcher, Karl-Ludwig, Geschäftsführer Städte- und Gemeindebund Brandenburg,

ˆ Dubberstein, Bernd, Vorstandsvorsitzender, E.dis AG, Fürstenwalde

ˆ Hartmann, Tim, Vorstandsvorsitzender envia Mitteldeutsche Energie AG (enviaM)

ˆ Preuße, Helmut, Vorsitzender Landesgruppe Berlin-Brandenburg des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU)

ˆ Schäfer, Prof. Dr., Michael, Professor für Kommunalwirtschaft, Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (FH), Herausgeber UNTERNEHMERIN KOMMUNE

Es moderierte Sebastian Kunze, Referatsleiter beim Städte- und Gemeindebund Brandenburg.

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Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 34-38)