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Kinder als Sexualobjekte 1.) Verschiedene Schutzziele

Im Dokument Kinderwerbung und Lauterkeitsrecht (Seite 158-161)

C.: Kinderdarstellungen I.: Allgemeines

IV.: Kinder als Sexualobjekte 1.) Verschiedene Schutzziele

Die sexuell geprägte Diskriminierung von Kindern ist lauterkeitsrechtlich nicht ohne weiteres einzuordnen. Zunächst gilt es, zwei Schutzrichtungen voneinander zu trennen: nicht jede Werbemaßnahme, die kritisiert oder zurückgezogen wird, weil sie sexuelle Übergriffe auf Kinder fördern könnte, ist zugleich auch diskriminierend.

Bei der wettbewerblichen Fallgruppe „diskriminierende Werbung“ sollen die Dargestellten vor Entwürdigung und Herabsetzung, etwa durch Reduzierung zum Sexualobjekt, bewahrt werden. Wenn es dagegen um die Verhinderung von Kindesmißbrauch geht, sind nicht Werbebilder mit Minderjährigen an sich Stein des Anstoßes, sondern erst die befürchteten Reaktionen darauf von pädophilen Betrachtern. Wie schon ausgeführt1009, stützt sich letzterer Aspekt des Kinderschutzes auf Vermutungen; er kann daher nur begrenzt über § 1 UWG verwirklicht werden.

Die beschriebene Unterscheidung wird etwa bei Reklamebildern mit (beinahe) nackten Babies bedeutsam. Die spärlich bekleidete Darstellung von Kleinkindern enthält, für sich genommen, keine Diskriminierung. Solche Motive sollen in aller Regel nicht erotisch wirken; die Nacktheit dient lediglich zur Hervorhebung der Körperumrisse (biologisches Kindchen-schema !1010), und betont die Niedlichkeit der Babies. Das Publikum nimmt die Bilder dementsprechend als „süß, goldig“, usw., wahr. Aus Furcht vor wenigen, triebgestörten Betrachtern beanstandete der Deutsche Werberat dennoch einzelne Bilder von nackten Kleinkindern1011.

2.) Verschiedene Opfergruppen

Die Darstellung von Kindern als Sexualobjekten kann ihre Verfremdung zu kleinen Erwachsenen beinhalten – sie muß es aber nicht. Beide Dinge fallen nur zusammen, wenn Kinder einerseits als geschlechtsreife, vollwertige Sexualpartner präsentiert werden, und gleichzeitig eine Reduktion auf den sexuellen Aspekt stattfindet. Häufigstes Beispiel hierfür sind weibliche Teenager – Models in lasziven, deutlich sexbezogenen Posen1012.

In solchen Fällen kann es zu einer Art „Doppeldiskriminierung“ mit zwei verschiedenen Opfergruppen kommen. Zum einen können die Darstellerinnen wegen ihres Geschlechts diskriminiert werden, etwa wenn sie als bloßes Spielzeug oder Lustobjekt für (ältere) Männer erscheinen. Gleichzeitig sind solche Bilder geeignet, Kinder in einem negativen Sinne als

1008 Kap. 1, B. II. 1.) b) bb)

1009 Kap. 4, C. II. 2.) b) und c)

1010 Siehe Kap. 1, B. II. 1.) b)

1011 Jahrbuch ZAW 2000, 35; 1998, 31

1012 Jahrbuch ZAW 2000, 27: Das Werbeplakat eines Textilunternehmens zeigte ein asiatische Mädchen in lasziver Körperhaltung.

Der Gesichtsausdruck wirkte verstört und abwesend, die Schamgegend betont. Jahrbuch ZAW 1999, 33: Ein Autohersteller warb mit der Abbildung eines weiblichen Teenagers, der in kurzen Hosen und hochhackigen Schuhen breitbeinig auf dem Beifahrersitz saß. Der Text dazu lautete: „Meine Beziehung ist alles andere als unangemessen ...“

erwachsen zu verfremden. Ihre scheinbare sexuelle Reife wird oft einseitig und aggressiv dargestellt. Sie wirken dann wie berechnende, gefühlsarme Verführerinnen, oder ausgesprochen promiskuitiv. Frühe Reife in einem positiven Sinne, etwa als Verantwortlich-keit für das eigenen Sexualleben, wird dagegen kaum jemals vermittelt.

Beide Formen der Diskriminierung hängen eng zusammen; in den meisten Fällen werden sie einander wechselseitig verstärken. Die Darstellung von Kindern als kleinen Erwachsenen wirkt besonders negativ, wenn sie mit der Reduktion auf ein Objekt sexueller Begierden der Älteren einhergeht. Umgekehrt betont eine erwachsene Aufmachung häufig die körperliche Zartheit von Minderjährigen; in Verbindung mit sexbezogenen Posen oder Gesten kann das schnell wie ein Unterworfensein, als Objekt – oder Opferhaltung wirken. Auch haben erotische oder laszive Abbildungen von Kindern etwas unnatürliches; durch diese Künstlichkeit kann der sexuelle Aspekt anders und stärker hervortreten, als bei vergleichbaren Darstellungen Erwachsener.

3.) Rollenklischees

Wenn die Werbung Kinder in tradierten Geschlechterrollen zeigt1013, ist das keine unlautere Diskriminierung. Unabhängig vom Alter der Akteure gilt: ob man bestimmte Rollenklischees mag oder nicht, ist Ansichtssache. Derartige Fragen des persönlichen Geschmacks haben im Rahmen des § 1 UWG außen vor zu bleiben1014. Es ist nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts, im Kulturkampf um verschiedene Menschenbilder Partei zu ergreifen1015. Folglich kann die Darstellung eines Kindes in einer bestimmten Erwachsenenrolle – Mutter, Braut, Krieger, usw. – keine diskriminierende Verfremdung sein. Solche Bilder sind stets mehrdeutig; je nachdem, wie der einzelne Betrachter über das Geschlechtsstereotyp denkt, wird er auch die scheinbare Reife des Kindes entweder als Auf-, oder als Abwertung betrachten1016.

Rechtlich ist es daher nicht zu beanstanden, wenn ein kleines Mädchen in einem Fernsehspot Puppenmutter spielt1017. Auch die Abbildung eines Mädchens mit dem Text: „Zur Hochzeit hat er mir eine Küche von ... versprochen“ 1018 ist unbedenklich; ebenso ein weibliches Baby, das eine Stewardeß nachahmt1019.

D. Zusammenfassung

„Diskriminierende Werbung“ ist als gesonderte Fallgruppe des § 1 UWG erst im Entstehen begriffen. Man versteht darunter die herabsetzende, ausgrenzende, stigmatisierende oder entwürdigende Darstellung von Personen oder Gruppen zu Reklamezwecken. Haupt-schwierigkeit bei der praktischen Anwendung ist die Abgrenzung zu erlaubten Geschmack-losigkeiten. Außerdem ist zu beachten, daß dem Richter kein Deutungsmonopol für werbliche Äußerungen zusteht. Die Rechte der Werbenden aus Art. 5 I GG bewirken, daß jede mögliche, naheliegende Lesart berücksichtigt werden muß, und die Orientierung an einer davon nicht ohne Begründung erfolgen darf.

1013 Siehe Kap. 1, A. I. 1.) b) und B. II. 1.) a)

1014 Siehe B. I.

1015 K. – H. Fezer, JZ 1998, 265, 271

1016 Zu Rollenstereotypen und Erziehung siehe Kap. 4, B. II. 2.) am Ende.

1017 Fernsehspot für den Orangensaft „Hohes C“.

1018 Jahrbuch ZAW 2000, 24

1019 Fernsehspot für den Kleinbus „Citroën Berlingo“.

Kinderbilder in der Werbung wurden bisher kaum auf diskriminierende Inhalte hin überprüft.

Unnatürlich reife Darstellungen sind an sich ambivalent; sie können sowohl eine Auf-, wie eine Abwertung enthalten. Problematisch ist jedoch die verfremdete Darstellung als schuldfähig und absichtsvoll boshaft wie Erwachsene. Darin kann eine unlautere Herabsetzung liegen. Im Einzelfall ist zu prüfen, wo der Schwerpunkt der Aussage liegt, und wie eindeutig sie gestaltet ist. Zu einer Art „Doppeldiskriminierung“ kann es kommen, wenn Kinder als sexuell abgebrühte, promiskuitive kleine Erwachsene präsentiert, und gleichzeitig zum Lustobjekt des jeweils anderen Geschlechts abgestempelt werden.

Kapitel 11

NICHTKOMMERZIELLE WERBUNG

Im Dokument Kinderwerbung und Lauterkeitsrecht (Seite 158-161)