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Aktueller Schutz 1.) Schutzbedürftigkeit

Im Dokument Kinderwerbung und Lauterkeitsrecht (Seite 70-75)

C.: Kinderschutz als Postulat der Verfassung

II.: Aktueller Schutz 1.) Schutzbedürftigkeit

In seiner zweiten Dimension bezieht sich der Kinderschutz nicht auf das Heranwachsen, das Groß – Werden, sondern auf die aktuelle Situation, das Klein – Sein464.

Einige Eigenschaften, die in der Natur des Kindseins liegen465, machen besonders anfällig gegenüber Zwängen, Manipulationen und Ausnutzung. Kinder sind körperlich schwach, von der Fürsorge Erwachsener abhängig, und deren Autorität unterworfen. Sie haben in den

458 Zum Begriff K. Schellhammer, Rdn. 342

459 Nirk / Kurtze, Rdn. 489 ff; K. Schellhammer, Rdn. 381

460 Bedenklich daher das obiter dictum in KG AfP 1992, 298, 300. Gegenstand des Verfahrens war ein Fernsehspot für eine Kredit-karte, in dem ein kleines Mädchen auftrat. Nachdem die Werbung wegen Verstoßes gegen die Verhaltensregeln des Werberates für unlauter erklärt worden war, führte das Gericht noch aus, „daß, wer schon als Kind „spielerisch“ die X als „Eintrittskarte für die Welt“ kennengelernt hat, als Erwachsener die Gefahr des Kontrollverlustes bei Ausgaben um so schwerer wird beherrschen lernen.“ Zum einen richtete sich der Spot jedoch nicht an Kinder, sondern es spielte nur eines mit. Zum anderen war der geschilderte Einfluß weder bewiesen, noch Teil der allgemeinen Lebenserfahrung

461 O. C. Brändel, FS für v. Gamm, 9, 15

462 Jahrbuch ZAW 2001, 16

463 Jahrbuch ZAW 2001, 36. Anderes Bsp.: Provozierung von Konflikten zwischen Eltern und Kindern durch Werbeslogan eines Radiosenders: „Deine Eltern werden kotzen“ (Jahrbuch ZAW 1998, 35 f).

464 Beide Aspekte lassen sich m. E. aus Art. 1 I i. V. m. 2 I GG ableiten, ohne noch Art. 6 II Satz 1 GG heranzuziehen. Kindern steht das allgemeine Persönlichkeitsrecht ebenso zu, wie Erwachsenen (BVerfGE 79, 51, 63; BGHZ 120, 29, 35; Jarass / Pieroth (Jarass) Art. 2 Rdn. 37.). Nicht nur der Schutz des Person – Werdens, sondern auch der aktuelle Kinderschutz läßt sich als eine besondere Ausprägung dieses nicht abschließend definierten Grundrechtes (BVerfGE 72, 155, 170; H. D. Jarass, NJW 1989, 857 f; v. Münch / Kunig (Kunig), Bd. I Art. 2, Rdn. 31) einordnen. Dem Wesen und der Würde des Menschen entspricht auch seine Unvollkommenheit (Benda (Benda), § 6 Rdn. 16). Wenn naturgegebene Umstände den Einzelnen daran hindern, aus eigener Kraft über seine Unzulänglichkeiten hinauszuwachsen, muß er vor der Ausnutzung seiner Schwächen geschützt werden. In diesem Sinne steht bei Kindern das „Recht auf menschliche Schwäche“, das „ Bedürfnis nach Aufgehobensein in der Fürsorge anderer“ (E.

Steindorff, 22 f), gegenüber einer aktiven Entfaltung im Vordergrund.

465 Im Gegensatz zu mehr oder weniger zufälligen Charakterzügen, die auch bei Erwachsenen „kindisches“ Verhalten auslösen können. Vgl. G. Felser, 22, Fn. 36; Maunz / Dürig (Dürig), Bd. I Art. 3 I, Rdn. 35: Kindheit als “Bedingung menschlicher Existenz”

meisten Lebensbereichen wenig, oder gar keine Erfahrung. Ihr Verhalten wird stark von Gefühlen gesteuert, wodurch sie leicht beeinflußbar sind466. Gehörtes und Gesehenes wird keiner rationalen Prüfung unterzogen; selbst wenn dies versucht wird, fehlen die nötigen Erfahrungs – und Vergleichswerte.

Kindliche Wertvorstellungen weichen erheblich von den Einschätzungen Erwachsener ab. So können Kinder z. B. nur den Gegenwert von kleineren Geldsummen abschätzen, wenn sie bislang mit größeren Beträgen noch nicht umgegangen sind. Die gefühlsmäßige Steuerung läßt sie auf den reinen Affektions – oder Sammlerwert einer Sache abstellen, wo Erwachsene nach materiellen Gesichtspunkten einstufen würden467. Schließlich weist die kindliche Wahrnehmung – gemessen an Erwachsenen – Defizite auf. Das gilt nicht nur für alle fünf Sinne, sondern ebenso für die Verarbeitung und Speicherung der aufgenommenen Reize468.

Insgesamt sind Kinder also eine besonders schützbedürftige Personengruppe. Dies muß bei der Auslegung und Anwendung der wettbewerbsrechtlichen Generalklauseln berücksichtigt werden469. Auch der hohe verfassungsmäßige Rang des Jugendschutzes470 darf nicht unbeachtet bleiben.

2.) Schutzrichtungen

Für den Bereich der Werbung lassen sich drei Richtungen ausmachen, in denen Rücksichtnahme auf kindliche Schwächen erforderlich ist. Alle drei sind in den Regeln der Landesmedienanstalten, bzw. des Deutschen Werberates, zur Rundfunkwerbung für und mit Kindern angesprochen.

a) Werbung für Kinder

Die ersten zwei Aspekte beziehen sich auf die Reklame vor Kinderpublikum. Zum einen dürfen hier alterstypische Schwächen nicht gezielt ausgebeutet werden; zum anderen müssen bei der gesamten Gestaltung kindliche Auffassungsweisen, und mögliche Einflüsse auf das kindliche Verhalten, berücksichtigt werden.

Als Ausbeutung altersspezifischer Schwächen ist es z. B. anzusehen, wenn Minderjährige mittels Gewinnversprechen oder Spielzeugzugaben zu wirtschaftlich sinnlosen Käufen verführt werden471. Nr. I. 5.) LMA – RL und Nr. 5 ZAW – Regeln fordern dementsprechend einen zurückhaltenden Einsatz von aleatorischen Werbemitteln gegenüber Kindern.

Bei der Reklamegestaltung insgesamt geht es um die oben unter B. II. 2.) a) erläuterten Nachmacheffekte. Da Kinder dazu neigen, insbesondere Fernsehspots zu imitieren, und sie die Verfremdung oder Übertreibung von Situationen oft nicht erkennen, gelten ihnen

466 Das wird z. B. in OLG Frankfurt, GRUR 1994, 522 f, und OLG Düsseldorf GRUR 1975, 267, 269, als allgemein anerkannte Tatsache vorausgesetzt.

467 Dieser Gegensatz wird bereits in BGHZ 11, 261, 269, erwähnt.

468 A. Zimmermann, 36 – 46. Siehe auch die Ausführungen zur Wahrnehmung und Verarbeitung von Fernsehwerbung durch Kinder bei Charlton u. a. (Barth), Bd. II, 18 ff, (Charlton / Neumann – Braun / Castello / Binder), Bd. I, 73 ff.

469 Entsprechendes gilt auch für andere, typischerweise labile Verbrauchergruppen. Vgl. etwa zur erhöhten Schutzbedürftigkeit von Senioren OLG Celle WRP 1984, 148 f; OLG Karlsruhe WRP 1973, 167, 169; OLG Frankfurt NJW 1971, 811 f. Derartige Differenzierungen lassen sich nicht nur auf Art. 1 I i. V. m. 2 I GG, sondern auch auf Art. 3 I GG stützen. n (altersbedingt) ungleiche Verbraucherkreise dürfen nicht die gleichen Maßstäbe angelegt werden (vgl. Maunz / Dürig (Dürig), Bd. I., Art. 3, Rdn.

35).

470 BVerfGE 83, 130, 140

471 Dazu näher in Kapitel 5

gegenüber engere Grenzen etwa für Kampf – und Stuntszenen, oder gefährliche Sportdarstellungen. Werberat und Landesmedienanstalten formulieren wie folgt472: Kinderwerbung ist unzulässig, wenn sie strafbare Handlungen oder sonstiges Fehlverhalten, durch das Personen gefährdet sind oder ihnen geschadet werden kann, als nachahmenswert oder billigenswert darstellt473.

b) Werbung mit Kindern

Der dritte Schutzaspekt betrifft den Einsatz von Kindern in der Werbung. Das Publikum, gleichgültig welchen Alters, darf nicht angestiftet werden, die Schwächen von Kindern zu deren Nachteil auszunutzen.

Hier ist zunächst an Darstellungen von körperlicher Gewalt gegenüber Minderjährigen zu denken474. Unter Umständen kann aber auch das Hereinlegen oder Überlisten von Kindern durch Ältere ein schlechtes Beispiel liefern.

Besondere öffentliche Aufmerksamkeit gilt dem Schutz vor sexuellen Übergriffen. Zwar wurden zu Reklamezwecken noch nie Mißbrauchsszenen gezeigt, oder auch nur angedeutet.

Viele Erwachsene befürchten aber, daß z. B. Fotos von nackten Babies für potentielle Kinderschänder einen Anreiz zur Tat bilden könnten. Für derartige Vermutungen gibt es indes keine wissenschaftlichen Belege; auch Erfahrungswerte, die für einen solchen Kausalzusam-menhang sprächen, existieren nicht475. Deshalb kann der Mißbrauchschutz im Rahmen des § 1 UWG nur insoweit eine Rolle spielen, wie er in Spezialvorschriften verankert wurde476. Bloße Befürchtungen dürfen bei der Auslegung der Generalklausel nicht berücksichtigt werden. Die oben unter I. 2.) zum Entwicklungsschutz gemachten Ausführungen gelten hier entsprechend477.

Die Selbstkontrollorgane der Wirtschaft betreiben jedoch auch diesem Bereich eine präventive Überwachung, wie sie den Wettbewerbsgerichten nicht möglich ist. Der Deutsche Werberat beanstandet z. B. Reklamedarstellungen von nackten Kindern, falls sich nach seiner Ansicht Pädophile zu Mißbräuchen motiviert fühlen könnten478. Auch die Verharmlosung von Kinderprostitution zu Werbezwecken ist ein Beanstandungsgrund479.

472 I. Nr. 4 LMA – Richtlinien, Nr. 6 ZAW - Regeln

473 Bsp.: Werbung mit einer Comic – Glühbirne, die mit zufriedenem Gesicht zwei Finger in eine Steckdose hält. Darstellung von Kindern, die einen Hund während des Fressens streicheln, da Hunde in dieser Situation zum Beißen neigen (Jahrbuch ZAW 2001, 32, 55).

474 Bsp.: TV – Spot, in dem ein Mädchen mit unsicherer Stimme singt, und dann von einer Männerhand brutal ein Etikett auf den Mund geklebt bekommt. (Jahrbuch ZAW 2001, 29)

475 Vgl. die Fallanalysen bei Gallwitz / Paulus, 14 ff. K. Rutschky, 113, spricht von einer „gegenwärtige(n) Obsession mit Gewalt und sexuellem Mißbrauch“.

476 Die LMA – RL bestimmen unter I. Nr. 6, daß Kinder oder Jugendliche in der Werbung nicht als Sexualobjekte dargestellt werden dürfen.

477 Unter dem Aspekt der Diskriminierung sind lediglich solche Bilder sittenwidrig, bei denen die Dargestellten erkennbar zu Sexualobjekten herabgewürdigt werden (näher dazu Kap. 10). Der Schaden, der hier verhindert werden soll, liegt in der entwürdigenden Präsentation selbst, und nicht erst in bestimmten Reaktionen aus dem Publikum.

478 Jahrbuch ZAW 2001, 30: Abbildung eines nackten Kleinkindes, das eine Metallstange umklammert, mit dem Text::

„Knusperstangen ab 1, 95“. Jahrbuch 1999, 33: Autowerbung mit einem weiblichen Teenager, in kurzer Hose und hochhackigen Schuhen breitbeinig auf dem Beifahrersitz. Verneinend Jahrbuch ZAW 2000, 35: Werbung eines Kreditinstituts, in der ein nacktes Baby, auf Händen und Füßen krabbelnd, den Po in die Höhe streckt.

479 Jahrbuch ZAW 2000, 27.

c) Bedeutung im Rahmen des UWG

Aus wettbewerblicher Sicht ist vor allem die erste der drei genannten Schutzrichtungen bedeutsam. Die anderen beiden Aspekte betreffen nicht direkt Ziel und Zweck der Werbung.

Es geht dabei lediglich um einzelne Reklamemotive, die der Werbende in der Regel austauschen kann, ohne seine Botschaft an das Publikum maßgeblich zu ändern. Die Gewerbetreibenden haben kein Interesse daran, Kinder zu riskantem Verhalten zu bewegen, oder sie sonst irgendwie in Gefahr zu bringen. Das würde ihnen nur ein brutales Image einbringen. Wenn Werbedarstellungen dennoch solche Effekte befürchten lassen, wurde dies von den Machern meist übersehen, oder sie hielten eine Gefährdung für unwahrscheinlich.

Sobald eine Beanstandung z. B. durch den Werberat erfolgt, werden entsprechende Motive in der Regel zurückgenommen480.

Nur bei der gezielten Ansprache altersbedingter Schwächen können die Interessen der Werbetreibenden in direkten Gegensatz zu den Belangen des Kinderschutzes treten. Hier gilt es im Rahmen der §§ 1, 3 UWG, zulässige kinderspezifische Werbeappelle von der unzulässigen Ausbeutung kindlicher Schwächen abzugrenzen. Im Einzelfall kann dies eine Frage von Nuancen sein; denn jede Zielgruppe wird mittels der Themen, Bilder oder Gefühle umworben, für die sie eine Schwäche hat. Die Werbetreibenden setzen am ehesten diejenigen Methoden oder Stilmittel ein, die das Publikum einnehmen und begeistern. Das ist bei Kindern nicht anders als bei Erwachsenen, und grundsätzlich ist dagegen auch nichts einzuwenden. Die Schwelle zum Spielball eigener Begehrlichkeiten, zum Hintenanstellen wirtschaftlicher Überlegungen, ist bei Kindern allerdings wesentlich niederer. Auch den jungen Kunden muß stets genügend Raum für eine freie, rational kontrollierbare Kaufentscheidung gelassen werden; eben dieser Raum ist anders zu bemessen, als bei Erwachsenen.

Die folgenden Kapitel 5 bis 8 behandeln die eben beschriebene Abgrenzungsproblematik detaillierter. Dazu werden aus den vielen Fallgruppen der §§ 1, 3 UWG diejenigen Bereiche herausgegriffen, welche bei Reklame gegenüber Kindern praktisch relevant sind. Dann wird versucht, auf jedem Gebiet möglichst konkrete Kriterien dafür zu finden, wann und wie Kinderwerbung erlaubt, bzw. unerlaubt ist.

D.: Zusammenfassung

Auf die lauterkeitsrechtliche Beurteilung von Werbung haben insbesondere folgende Verfassungswerte Einfluß: auf Seiten der Werbetreibenden die Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 GG; auf Seiten der Eltern das Erziehungsprimat aus Art. 6 II Satz 1 GG. Zugunsten der Kinder wird aus den Art. 6 II Satz 1 und 1 I i. V. m. 2 I GG der Jugendschutz als ein Gemeininteresse von Verfassungsrang abgeleitet.

Werbung stellt regelmäßig eine Meinungsäußerung i. S. v. Art. 5 I Satz 1 GG dar. Je nach Art der Verbreitung unterfällt sie auch den spezielleren Freiheitsrechten des Art. 5 I Satz 2 GG.

Reklame kann außerdem Kunst i. S. d. Art. 5 III Satz 1 darstellen. Das Vorliegen der Kunsteigenschaft ist allerdings im Einzelfall zu prüfen.

Das UWG ist ein allgemeines Gesetz i. S. v. Art. 5 II GG. Im Interesse eines lauteren Wirtschaftswettbewerbs können Meinungs -, Presse -, Film – und Rundfunkfreiheit beschnitten werden. Auch Jugendschutzbestimmungen können eingrenzend wirken; ihre

480 Jahrbuch ZAW 2001, 29 f, 32, 36; 2000, 37; 1999, 33 f. Anders Jahrbuch 1999, 27; 1998, 25 f: beanstandete Werbemaßnahmen weiterhin durchgeführt.

ausdrückliche Erwähnung in Abs. II impliziert allerdings keinen prinzipiellen Vorrang des Jugendschutzes vor der Meinungsfreiheit.

Die Kunstfreiheit ist vorbehaltlos gewährleistet. Sie kann lediglich durch widerstreitende verfassungsmäßige Werte beschränkt werden; dazu bedarf es einer Abwägung zwischen den gegensätzlichen Interessen. Der Minderjährigenschutz kann der Kunstfreiheit im Einzelfall vorgehen.

Art. 6 II Satz 1 GG gewährt den Eltern ein Vorrecht bezüglich der Wahl von Erziehungszielen und – methoden für ihre Kinder. Mittelbar gilt dies auch gegenüber privaten Dritten. Da ein langfristiger erzieherischer Einfluß der Wirtschaftswerbung bislang nicht empirisch festgestellt wurde, kann auch eine entsprechende Störung des Elternrechts nicht nachgewiesen werden. Die latente Erziehungswirkung der Werbung stellt deshalb kein tragfähiges Argument für deren Sittenwidrigkeit dar. Lediglich die unmittelbare Wirkung einer einzelnen Werbemaßnahme ist nachvollziehbar, und kann im Rahmen des UWG Bedeutung erlangen.

Das Verhältnis zwischen der Kommunikationsfreiheit der Werbenden einerseits, und dem Erziehungsvorrecht der Eltern andererseits, läßt sich wie folgt zusammenfassen: Reklame für Kinder darf bei der Ansprache eigene Zwecke verfolgen, auch wenn diese nicht mit den Zielen der Eltern harmonieren. Sie darf dies jedoch nicht auf jede Art, und mit allen Mitteln tun. Insbesondere dürfen Kinder und Eltern nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die Erziehungsberechtigten müssen Werbemaßnahmen, die sich an ihre Kinder richten, ohne unzumutbaren Aufwand als solche erkennen können.

Der Kinder – und Jugendschutz gilt als ein grundgesetzlich verankertes Gemeinschafts-interesse. Er hat zwei Dimensionen: erstens den Entwicklungsschutz, der sich auf das Groß – Werden bezieht, und zweitens den Schutz vor Mißbrauch aktueller Schwächen, der sich mit dem Klein – Sein befaßt. Da latente Einflüsse der Werbung auf die kindliche Entwicklung nicht sicher festgestellt sind, kann allein über das UWG nur der aktuelle Schutz verfolgt werden. Es lassen sich hierfür drei Postulate formulieren: 1.) Reklame für Kinder darf deren Schwächen nicht zu kommerziellen Zwecken ausbeuten. 2.) Die Gestaltung muß mit Rücksicht auf kindliche Verständnis – und Verhaltensweisen erfolgen. 3.) Durch den Einsatz von Kindern in der Werbung darf das Publikum nicht angestiftet werden, die Schwächen von Kindern zu deren Nachteil auszunutzen.

Kapitel 5 WERTREKLAME

A.: Allgemeines

Der Begriff Wertreklame umfaßt viele verschiedene Arten von Werbung. Gemeinsam ist ihnen, daß der Werbende nicht (nur) durch die Qualität und Preiswürdigkeit seiner Ware oder Leistung Kunden zu gewinnen versucht, sondern auch, oder vor allem, durch die Gewährung einer speziellen Vergünstigung481. Dem potentiellen Vertragspartner wird ein besonderer Vorteil in Aussicht gestellt, der geeignet ist, sachfremde Überlegungen und Entscheidungen auszulösen482. Ein solches Vorgehen ist mit den Prinzipien des Leistungswettbewerbs schwer zu vereinbaren. Wertreklame wird daher strenger beurteilt, als andere Werbeformen; generell unzulässig ist sie aber nicht483.

Kinder sind eine für unsachliche (Kauf-) Entscheidungen prädestinierte Klientel.

Dementsprechend häufig werden ihnen gegenüber Methoden der Wertreklame eingesetzt.

Typisch sind Beigaben zum Hauptprodukt, Verpackungen mit Zweitnutzen und Gewinnspiele484. Es liegt auf der Hand, daß mit solchen Lockmitteln die kindliche Beeinflußbarkeit und Spontanität auch über Gebühr ausgenutzt werden kann. Um das zu verhindern, muß sich die Lauterkeitskontrolle hier in verstärktem Maße485 an den speziellen Eigenschaften und Schwächen der angesprochenen Verkehrskreise orientieren486.

B.: Ausnutzung des Spiel – und Sammeltriebs

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