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Erste Kartierungen des Internet

Im Dokument Antikerezeption im Internet (Seite 76-79)

Teil II: Forschungsüberblick

Kapitel 4: Forschungsüberblick

4.2. Erste Arbeiten bis 1999

4.2.2. Erste Kartierungen des Internet

lichkeiten ab, während sie die realen Gepflogenheiten der Publikationsformen, soweit die For­

schungsarbeit im engeren Sinne betroffen ist, nur marginal berührte: Nach wie vor veröffentlichen Philologen im Jahr 2012 ihre Arbeiten fast ausschließlich auf Papier. Neben anderen Gründen, v.a.

dem Misstrauen gegenüber der Flüchtigkeit des Mediums Internet, dürfte hier dasjenige Problem eine Rolle spielen, das Solomon in dem oben zitierten Satz nur in Parenthese bzw. in Klammern an­

führt, nämlich die Frage des Urheberrechts bzw. Copyrights, ein Problem, für das mitnichten zwischen 1993 und 2011 eine Lösung gefunden wurde. Zudem gehört es zu den Besonderheiten des wissen­

schaftlichen Publizierens, dass diese Texte in irgendeiner Weise peer-reviewed sind bzw. von der Re­

daktion eines entsprechend renommierten Verlags geprüft werden, so dass die Veröffentlichung in Sekundenschnelle niemals möglich sein wird.

Der Aufsatz, der sich mit den Möglichkeiten des Hypertext befasst, wird in Kapitel 7 referiert, wo es um das Medienformat des Hypertextkommentars geht.9

In den folgenden Jahren erschienen einige Artikel in Zeitschriften aus dem Umfeld der Klassischen Philologie, die die Leser in die Benutzung des Internet einführen sollten, indem sie dessen Funktions­

weise und die neuen Websites vorstellten. Dabei steht das Medium Gopher, ein Vorläufer des WWW, immer noch gleichberechtigt neben seinem Nachfolger.10 Gopher kennen bereits den Hyperlink, aber sie bestehen nur aus Verzeichnissen, die zu bestimmten Dateien führen, also aus einer reinen Menüstruktur. Erst mit der Markup-Sprache HTML konnten die Websites erstellt werden, die noch im Jahr 2012 das WWW bestimmen.

für die eigentliche Arbeit mit dem Internet ziehen sie12 v.a. Beispiele für die Online-Recherche in Bi­

bliothekskatalogen heran. In den ausführlicheren Arbeiten aus diesen Jahren ist immer wieder und so auch hier zu beobachten, dass die Aufmerksamkeit in höherem Maße als heute auf Fragen der Medientheorie gerichtet wird. So reflektieren die Autoren darüber, wie der Medienwandel das Ver­

hältnis zur Dauerhaftigkeit von Texten verändert: Der Übergang von der Mündlichkeit zur Schrift habe den Texten einen neuen Charakter des Festen und Dauerhaften verliehen, während das Internet sich zwar weiterhin der Schrift bediene, aber den Texten ihre Dauerhaftigkeit nehme, also eine dritte und historisch neue Lösung für das Verhältnis von Wort und Dauer konstituiere.13 Auch die Debatte über die Zukunft des Buches – der Abschnitt I.3 des Aufsatzes trägt den Titel „Morte del libro?“ – wird bis heute unablässig geführt. Die konkreten Beispiele für die Arbeit mit dem Internet beziehen sich, wie bereits gesagt, auf die Recherche in Bibliothekskatalogen.14 Am Ende gehen die Autoren noch kurz auf die Online-Zeitschriften ein, ein Thema, über das es im Jahr 1996 noch wenig zu sagen gab: Erwähnt wird die Zeitschrift Arachnion, die es nur auf vier Ausgaben brachte, welche in den Jahren 1995 und 1996 veröffentlicht wurden.15 Die zweite Zeitschrift, Traditio, ist unter dem in dem Artikel genannten Link nicht mehr zu erreichen. Heute wird sie von der Fordham University, New York betreut, bietet aber keine Artikel mehr online an.

Franz-Peter Waiblinger, der an der Ludwig-Maximilians-Universität München von 1993 bis 2005 als Akademischer Direktor die altsprachliche Fachdidaktik vertrat und der, nicht zuletzt mit seiner Website Forum Didacticum16, als einer der Pioniere der wissenschaftlichen und didaktischen Antikere­

zeption im deutschsprachigen Internet anzusehen ist, veröffentlichte im Jahr 1997 eine der ersten deutschsprachigen Arbeiten zur Rezeption der Antike im Internet. 17 Wie auch Jay David Bolter und andere nimmt Franz-Peter Waiblinger an, dass seine Gegenwart Zeuge einer „Medienrevolution“18 wird, welche die Kultur des gedruckten Buches abzulösen im Begriff ist. Waiblinger warnt aber davor, unkritisch der Begeisterung für die neuen Medien zu verfallen – auch der Wunsch, ein „sogenanntes

12 Die Autoren (vgl. vorangehende Fn.) teilen zu Beginn ihres Artikels (S. 231, Fn) mit, dass jeder von ihnen für einen bestimmten Abschnitt des Textes verfasst hat. Ich behandle diese Arbeit dennoch als Gemeinschaftswerk und weise nicht bei jedem Zitat auf den einzelnen Autor hin.

13 Citti / Del Vecchio / Tabarroni 1996, S. 232 f., mit Verweis auf: W.J. Ong: Orality and Literacy. The Technologiz­

ing of the World, London / New York 1982.

14 Citti / Del Vecchio / Tabarroni 1996, S. 262-269.

15 Diese Zeitschrift, die als ein aufschlussreiches Dokument der Frühzeit der Klassischen Philologie im Internet anzusehen ist, wird weiterhin von einer Einrichtung der Universität Turin online gehalten. URL am 11.6.2010:

< http://www.cisi.unito.it/arachne/arachne.html >.

16 Unter der URL < http://www.lrz-muenchen.de/~ud311ah/www/ > sind (Stand 12.8.2009) noch viele der Tex­

te von Franz-Peter Waiblinger zugänglich gehalten.

17 Franz-Peter Waiblinger: Alte Sprachen und neue Medien, in: FC 40 (2.1997), S. 71-82.

18 Waiblinger 1997, S. 71.

Modernitätsdefizit“ auszugleichen, solle nicht als Motiv für ein solches Vorgehen herhalten.19 Viel­

mehr möchte Franz-Peter Waiblinger an den digitalen Quellen, die er vorgefunden hat, deren Nutzen für Forschung und Unterricht überprüfen. Sein Artikel ist ein Muster für viele Arbeiten zu dem The­

menkomplex neue Medien und Antike, die in den folgenden Jahren veröffentlicht wurden, und zwar ein Muster im Sinne einer Textsortenmusters: Auf Reflexionen über die Möglichkeiten und Probleme bei der Arbeit mit den neuen Medien folgt eine Sichtung und Beschreibung der einzelnen Angebote.

Die Faszination, die von den neuen Medien ausgeht, ist in Waiblingers Artikel zu spüren, wenn er schreibt, die „Neugier des Philologen“ werde „ungeheuer gereizt“, wenn er bei der Arbeit mit um­

fangreichen Textsammlungen der antiken Literaturen, die im Medium der CD-ROM verfügbar sind, auf Autoren stößt, denen er ohne diese Medien sonst nicht begegnet wäre.20 Hier ist ein Gespür für eine Eigenschaft der neuen Medien zu bemerken, die nicht übersehen werden sollte und die erheblich an ihrer Faszination mitwirkt: Sie öffnen – bei allen Problemen, die ihnen anhaften – weite Bereiche der Welt, die ohne diese Medien zwar möglicherweise und unter einigen Mühen angeschaut werden könnten, de facto aber nicht in den Blick kommen.

Aus den Besprechungen der im Medium CD-ROM vorliegenden Datenbanken und Textsammlungen, die hier wie auch sonst ausgeblendet werden, sei doch der Hinweis auf die CD-ROM des Perseus-Projekts erwähnt, weil diese Datensammlung in den Folgejahren ins Internet übertragen wurde, so dass sie in dieser Arbeit dargestellt wird.21

Der Aufsatz enthält auch, wie es dann für Texte zu diesem Themenbereich in den folgenden Jahren üblich wurde, eine Liste mit kommentierten Internetlinks, v.a. zu digitalen Textsammlungen. Manche dieser Adressen sind heute noch aktiv. In den abschließenden Reflexionen über die Chancen der neu ­ en Medien für den Unterricht der Alten Sprachen zeigt der Autor sich vom Nutzen des Hypertexts überzeugt: Lehrwerke auf CD-ROM, auf denen die Wörter der Lektionstexte mit Anmerkungen z.B. zu grammatischen Erläuterungen verlinkt sind, könnten sich als probates Mittel erweisen, den Schülern das Erlernen der Grammatik zu erleichtern.

Auch in anderen Aufsätzen aus dieser Zeit, die sich mit bestimmten Teilgebieten der Altertumswissen­

schaften befassen, dominiert eine gewisse Begeisterung über die neuen Möglichkeiten, die das Inter­

net den Altertumswissenschaften bietet. In einem Aufsatz, der ebenfalls noch im Jahr 1997 im FC er­

schien, beschreibe ich Möglichkeiten, die aus dem Internet heruntergeladenen Texte der lateinischen Literatur im Schulunterricht einzusetzen.22

19 Waiblinger 1997, S. 72.

20 Waiblinger 1997, S. 73.

21 Vgl. unten Kap. 5.2.3. (S. 139) und Kap. 6.3.2. (S. 257 f.).

22 Tilman Bechthold-Hengelhaupt: Computer im Lateinunterricht – Überlegungen und Erfahrungen, in: FC (4.1997), S. 180-186; auch online am 31.1.2011 unter der URL

Andere Aufsätze aus dieser Zeit widmen sich ganz der Erkundung des neuen Mediums. Diesem Ziel dienen lange Linklisten, von denen manche im Jahr 2011 kaum noch verwendet werden können.23 Hervorzuheben ist eine Artikelserie, die der Theologe Martin Wallraff im gleichen Jahr, 1997, begann und über mehrere Jahre weiterführte.24

Es gibt aber auch eine erste Einführung in die wissenschaftliche Arbeit mit dem Internet aus dem Jahr 1998, deren Verweise und Erläuterungen auch im Jahr 2010 noch verwendbar sind. Alexandra Kanke­

leit beschreibt in ihrer Darstellung der archäologischen Sammlungen im Internet, die in der ersten Ausgabe des GFA erschien,25 einen Internetauftritt des Archäologischen Instituts der Universität Erlan­

gen, der den Titel AERIA (Antikensammlung ERlangen Internet Archive) trägt und auch im Jahr 2011 noch online ist.26

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