• Keine Ergebnisse gefunden

Die Grundprinzipien der Wikipedia

Im Dokument Antikerezeption im Internet (Seite 173-179)

Teil III: Medienformate

Kapitel 6: Online-Lexika

6.2. Die Wikipedia

6.2.1. Die Grundprinzipien der Wikipedia

Bekanntlich kann jedermann jederzeit zum WP-Autor werden, so er dies wünscht. Drei Formen der Autorschaft stehen zur Auswahl: Der Autor kann ein Nutzerkonto anlegen und sich dort mit seinem Klarnamen zu erkennen geben. Er kann dieses Nutzer-Konto aber auch unter einem Pseudonym füh­

ren. Die engagierteren Mitarbeiter der WP erkennen sich auf diesem Weg gegenseitig, so dass aus diesen Pseudonymen eine neuartige soziale Kommunikationsstruktur entsteht. Zudem ist zu beob­

achten, dass Nutzerkonten, die für unerwünschtes Verhalten, z.B. Vandalismus, genutzt werden, nach einiger Zeit gesperrt werden. Von einer völlig anonymen Autorschaft kann man nur dann sprechen, wenn ein Autor oder eine Autorin sich nicht über ein Benutzerkonto anmeldet, sondern sich nur mit der IP-Nummer seines bzw. ihres Rechners registriert. Da die IP- Nummern generell dynamisch gene­

riert werden, kann man aus ihnen nur den Internetprovider und möglicherweise die Region erschlie­

ßen, in der der Rechner sich ins Internet einwählt; da jeder Rechner bei jeder neuen Einwahl eine neue IP-Nummer erhält, kann man auf diese Weise nicht nachvollziehen, wenn eine Person sich mehrmals als Autor anmeldet.

Die WP-Artikel zum Themenfeld der Antike können auf mindestens fünf Wegen erschlossen werden:

1. Die Eingangsseite der WP, auf der die Suchfunktion zur Verfügung steht, hat eine einfache URL: < http://de.wikipedia.org > bzw. als Hilfsseite auch < http://www.wikipedia.de >.

2. Die meisten Artikel können direkt über diese URL angesteuert werden:

< http://de.wikipedia.org/wiki/[Name des Artikels, z.B. Cicero] >, also z.B.:

< http://de.wikipedia.org/wiki/Cicero >.

3. Mittlerweile führen die meisten Suchanfragen bei den Suchmaschinen unter den ersten Tref­

fern zu dem einschlägigen WP-Artikel.

4. Es gibt mehrere Typen von Portal- und Übersichtsseiten, in denen der Nutzer einen Überblick über die zur Verfügung stehenden Artikel oder Unterkategorien erhält. Für die Antikerezepti­

on lautet die einschlägige Adresse:

< http://de.wikipedia.org/wiki/Portal:Altertum >. Nicht immer sind alle relevanten Verknüp­

fungen angezeigt; so ist auf dem Portal 'Altertum' ein Link auf den Eintrag 'Latein', aber nicht auch auf das Portal 'Latein' zu finden.

6.2.2. Wesentliche Merkmale der WP-Einträge, dargestellt am Beispiel des Eintrags über Vergils Aeneis Betrachtet man das bereits erwähnte Portal 'Altertum', so zeigt sich, dass die WP zu jedem Thema, das in den Altertumswissenschaften untersucht wird, eigene Einträge anzubieten hat. Bei jedem ein­

zelnen Eintrag ist der Bildschirm so aufgebaut, dass der Zentraltext an drei Seiten von einem komple ­

xen Gefüge von Verweisen umgeben ist, die in ihrer Gesamtheit teils als Verweise auf andere Inhalte, teils als Peritexte des Zentraltexts verstanden werden können. Im Folgenden werden diese Verweise kurz beschrieben. Auch wenn jeder Internetnutzer die Struktur der WP-Seiten kennt, ist es dennoch wichtig, die Informationen genau zu registrieren, die aus dem Gefüge der Verweise abgelesen werden können. Als Beispiel dient hier der Artikel über Vergils Aeneis.18

Oberhalb des Zentraltexts finden sich Verweise auf die Hauptseite der WP, eine Suchmaske und ein Link zu einer Anmeldeseite, auf welcher der Nut­

zer sich in sein Benutzerkonto einloggen oder sich anmelden kann. Unmittelbar oberhalb der Artikelüberschrift sind Links angebracht, die von ihrer Struktur her an so genannte Dateireiter er­

innern. Die Links ARTIKEL und LESEN zeigen den Zen­

traltext an, während die Links DISKUSSION, BEARBEITEN und VERSIONSGESCHICHTE zu Seiten führen, an denen die Besonderheit der WP augenfällig wird. Unter dem Link VERSIONSGESCHICHTE kann jeder Leser die vollständige Entstehungsgeschichte des Zentral­

texts verfolgen. Angegeben sind die beteiligten Bearbeiter bzw. Autoren, das Datum der Ände­

rung und ggf. Kommentare zu den Änderungen und ihren Revisionen. Ferner kann man erkennen, wie umfangreich die jeweilige Änderung ausgefallen ist; geringfügige Änderungen sind mit der Sigle K ge­

kennzeichnet. Mit dieser automatisch erstellten Versionsgeschichte arbeitet die WP der Tendenz der Dehistorisierung entgegen, die oben im Kapitel über das Internet (Kap. 3) als einer der Grundzüge des Internet benannt wurde. Zugleich dienen diese Seiten als Beleg für die Wirklichkeit der Idee der Schwarmintelligenz: Bei dem hier als Beispiel genannten Artikel über Vergils Aeneis zählt man bei ca.

550 Versionen über 200 Autoren, wenn man die bot-Autoren weglässt, bei denen es sich meist um automatische Prüfmechanismen handelt, und jeden Benutzer, der sich mit einer IP-Nummer regis­

triert hat, einzeln zählt. Die auf diese Weise gewonnene Zahl von 200 Autoren lässt sich aber kaum verifizieren, da weder festgestellt werden kann, ob sich einzelne Personen verschiedene Benutzerkon­

ten zugelegt haben (im WP-Jargon nennt man diese doppelten Benutzer 'Sockenpuppen') oder ob sich hinter unterschiedlichen IP-Nummern die gleiche Person verbirgt. Im Übrigen bestätigt die Versi­

18 URL: < http://de.wikipedia.org/wiki/Aeneis > in der Version vom 13.4.2012 bzw. als Permalink:

< http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Aeneis&oldid=100377794 >.

Ikon/Link Links intern: Artikel / Diskussion / Bearbeiten / Versionsgeschichte

Suchmaske

Nav. 1 Zentraltext Abschnitt 1 + Bild Nav. 2 Zentraltext Abschnitt 2 Tools 1 Zentraltext Abschnitt 3 Tools 2 Zentraltext Abschnitt 4 Nav.:

Sprachen Links intern Literatur Links extern Audio

Normdaten, Kategorien, Klassifizierung des Artikels als lesenswert, Lizenz, Link zur mobilen Version

onsgeschichte des Eintrags zur Aeneis grosso modo den Befund, der sich aus einer von Royce Kimmons im Jahr 2011 vorgelegten, auf der Basis einer computergestützen Analyse erarbeiteten Un­

tersuchung der gesamten englischsprachigen WP ergibt.19 Kimmons bezweifelt die These, die WP sei insgesamt als Gemeinschaftswerk anzusehen. Er stellte nämlich fest, dass der Median für die Anzahl der Änderungen, die an einem WP-Artikel vorgenommen wurden, bei 21 liegt und sich weiter um ein Drittel vermindert, wenn man die Änderungen abzieht, die ein Nutzer in kurzer Folge am gleichen Ar­

tikel anbringt. Das bedeutet, dass nur wenige Artikel eine große Anzahl an Änderungen durchlaufen, während die Mehrzahl der Artikel sich kaum ändert. Den Median der an einem Artikel mitarbeiten­

den Autoren bestimmte Kimmons mit 12. Der Artikel über die Aeneis, zu dem 200 Autoren beitrugen, ist also eine Ausnahme. Diese Differenz ist damit zu erklären, dass in Joyce Kimmons computerge­

stützter Untersuchung alle, also auch die sehr kurzen Einträge gleichmäßig berücksichtigt wurden, d.h. als je ein Eintrag gewertet wurden, an denen aus nachvollziehbaren Gründen weniger Autoren mitschreiben. Ferner stellte Kimmons fest, dass viele Revisionen nur sehr wenige Zeichen umfassen:

"Thus, most revisions make very little change in the number of characters from the previous revision, with 31 percent of all revisions consisting of a character change less than 10 and 51 percent with a character change of less than 30. This suggests that most revisions are microstructural or typographical in nature..."20

Ähnliches gilt auch für den hier untersuchten Eintrag zu Vergils Aeneis: Ein hoher Prozentsatz der Än­

derungen (300 von 550 = 54 %21) besteht aus solchen minimalen Eingriffen. Die generelle Schlussfol­

gerung, dass die meisten Artikel das Werk relativ weniger Autoren sind, kann man an dem Eintrag zur Aeneis nicht bestätigen, wohl aber an anderen Einträgen; ich komme später auf diese Frage zurück.

Andererseits zeigt eine genaue Sichtung der Versionsgeschichte dieses Eintrags, dass bestimmte ein­

zelne Nutzer große Teile verfasst haben; so stammt praktisch die gesamte Inhaltsangabe, ca. ein Drit­

tel des Eintrags, von dem Nutzer mit dem Benutzernamen 'Vergilius', der im Übrigen anonym bleibt.22 Ferner kann man erkennen, dass mindestens zehn Änderungsvorgänge auf reinen Vandalismus und dessen Korrektur zurückzuführen sind. Auch die Annahme, dass die Artikel der WP von anonymen Autoren verfasst wurden, muss vor dem Hintergrund der hier gesichteten Versionsgeschichte zumin­

dest eingeschränkt werden: Immerhin 14 Autoren geben sich mit ihrem Klarnamen zu erkennen bzw.

geben diesen auf ihren Benutzerseiten bekannt.

19 Kimmons 2011.

20 Kimmons 2011 (wie vorangehende Fn.)

21 Diese Zahl kann man leicht auch ohne komplexe Analyseinstrumente errechnen, indem man die Seite VERSIONSGESCHICHTE aufruft und mit der Seitensuch-Funktion (Windows: Taste F3) die Kombination {k + Leertaste}

sucht.

22 Auf diesen Nutzer gehen 14.000 von gegenwärtig 42.000 Bytes zurück, also rund ein Drittel. Er erstellte diesen Text in ca. 30 Etappen an einem Tag; auch dies ist ein Beleg für die Berechnungen, die Kimmons anstellte.

Oberhalb des Artikels findet sich schließlich ein Link zu einer Seite mit dem Titel D . Dort sind einige der Debatten aufgeführt, die im Zuge der Erstellung des Eintrags geführt wurden.

Im linken Navigationsbalken sind zum einen Links zu WP-Seiten angebracht, über die man sich als Au­

tor an diesem Projekt beteiligen kann, zum anderen 'Werkzeuge', d.h. Seiten, die es erlauben, den Eintrag als PDF-Dokument zu formatieren oder die einen Permalink erzeugen, und schließlich Links zu den Versionen des Artikels in anderen Sprachen; der Eintrag über die Aeneis liegt in ca. 60 verschie­

dene Sprachen vor. Vergleicht man die Artikel, die zum gleichen Sujet in verschiedenen Sprachen ver­

fasst wurden, so fällt auf, dass ein im Sinne der Zeit- und Ressourcenökonomie eigentlich sinnvolles Vorgehen, nämlich die Lücken eines Artikels mithilfe einer Übersetzung des entsprechenden Artikels einer anderen Sprache aufzufüllen, offensichtlich verpönt ist. Jede Sprachgemeinschaft hat somit ihre eigene WP.

Am Fuß des Artikels sind schließlich Angaben zur Lizenz verlinkt; ferner wird angezeigt, in welchen Kategorien der Artikel aufgeführt ist.

Der Zentraltext folgt bei längeren Artikeln über literarische Werke immer einer ähnlichen Struktur:

Auf eine kurze Einleitung folgt ein Inhaltsverzeichnis; der Mittelteil enthält eine Inhaltsübersicht, teils auch genaue Inhaltsangaben, und einen Überblick über Probleme der Interpretation und über Debat­

ten der Forschung. Der Schlussteil des Zentraltextes widmet sich der Rezeption. Graphisch noch in den Eintrag eingeordnet sind mehrere Klassen von Paratexten:

1. Weiterführende Links zu verwandten Seiten in der WP selbst,

2. Literaturangaben, und zwar aufgeteilt in Editionen der Quellentexte, Übersetzungen und Sekundärliteratur,

3. eine Linkliste mit Internetadressen außerhalb der WP. Beim Eintrag zur Aeneis sind dies Links zum Originaltext in verschiedenen Online-Bibliotheken und zu Übersetzungen, ferner zu einer Bibliographie und zu einem Artikel im Goethezeitportal, einem der wichtigsten Web-Portale der Germanistik. Andere Einträge der WP verfahren mit den Hyperlinks in ähnlicher Weise.

4. Anmerkungen; der Eintrag über die Aeneis enthält keine Anmerkungen, aber z.B. die Einträge über Marcus Tullius Cicero oder über die Ilias.

5. bei Personen die Nummer der Personennamendatei (PND)

Schließlich findet man beim Eintrag über die Aeneis am Fuß der Seite auch Verweise auf zwei Audio-Dateien: Der Nutzer kann sich den (Zentral-)Text des Artikels vorlesen und von Wilfried Stroh den la­

teinischen Text des vierten Buches der Aeneis vortragen lassen. Weitere in den Artikel integrierte me­

diale Formate sind mehrere Abbildungen, und zwar illustrierte Handschriften und ein Gemälde von Jean-Joseph Taillasson, und Hyperlinks in einer fest vorgegebenen Struktur: Innerhalb des Zentral­

texts sind nur Links zu anderen WP-Artikeln zu finden, während die Links zu anderen Websites, wie in der Aufzählung oben unter Nr. 3, an das Ende des Zentraltexts gestellt sind.

Betrachtet man alle aufgeführten Elemente der WP-Seite in einer Gesamtschau, so erscheint diese als sehr komplex und ausgereift. Dem Nutzer werden für jede aktuell mögliche Verwendung vielfache Optionen angeboten, z.B. auch für den Ausdruck als PDF-Dokument, wie es in der schulischen und universitären Lehre benötigt wird, und er kann sich wie kaum an einem anderen Ort im Internet über die Entstehung des Zentraltexts informieren. Dies alles gibt einen infrastrukturellen und medialen Rahmen vor, der von den Autoren mit Inhalten gefüllt werden kann.

Der Zentraltext des Eintrags zur Aeneis widmet sich zu einem guten Teil einer Inhaltsangabe; diese ist ungewöhnlich proportioniert, wenn man sie mit den in gedruckter Form vorliegenden Einführungen in dieses Werk vergleicht.23 Der Inhalt des 5. Buches wird nämlich mit 660 Wörtern, derjenige des 6.

Buches hingegen mit 63 Wörtern wiedergegeben, der des 12. Buches mit 52 Wörtern. Der WP-Artikel verliert durch die sehr knappe Darstellung des wichtigen 6. Buches an Kohärenz. Wesentlich für das Verständnis des historisch-politischen Programms der Aeneis ist nämlich die Prophezeiung über die künftige Geschichte und Aufgabe Roms, die Anchises seinem Sohn Aeneas vorträgt. Diese Prophezei­

ung ist narrativ in die so genannte Heldenschau gefasst,24 in der, in komplexer Verschränkung einer ty­

pologischen mit einer chronologischen Anordnung, auch Augustus seinen Ort einerseits als einer der römischen Könige, andererseits als Vollender der römischen Geschichte zugewiesen bekommt.25 Die berühmten Verse:

"tu regere imperio populos, Romane, memento (hae tibi erunt artes), pacique imponere morem, parcere subiectis et debellare superbos."26

(Du, Römer, denke daran, die Völker mit deiner Herrschaft zu lenken [diese Kunstfertigkeiten werden dir eigen sein], und dem Frieden die sittliche Ordnung aufzuerlegen, die Unterworfenen zu schonen und die Hochmütigen im Krieg zu besiegen.)

die „geradezu das nationale Credo der Römer geworden sind“27, können daher von einem Leser des Artikels nicht in den Kontext des Werkes eingeordnet werden. Im Interpretationsteil des Eintrags wird dann auf die Heldenschau verwiesen, die in der Inhaltsangabe übergangen wurde. Zudem ist, wie be­

reits erwähnt, als Illustration an den Anfang des Eintrags ein Foto eines Gemäldes von Jean-Joseph

23 Vgl. v.a. Werner Suerbaum: Vergils ‘Aeneis’. Epos zwischen Geschichte und Gegenwart, Stuttgart 1999.

24 Verg. Aen. 6, 756-885.

25 Vergil Aen. 6, 777-818.

26 Vergil, Aen. 6, 851-853.

27 Suerbaum 1999, S. 322.

Taillasson (1745-1809) eingefügt, auf dem die bei Donat geschilderte Szene zu sehen ist, in der Oc­

tavia ohnmächtig wird, als Vergil ihr und Augustus die Verse aus dem 6. Buch (6, 855-886) vorliest, in denen der Tod ihres Sohnes Marcellus geschildert wird. Allerdings kann man einräumen, dass es an anderen Orten im Internet Inhaltsangaben zur Aeneis gibt,30 so dass ein versierter Nutzer die in der WP bestehende Lücke leicht füllen kann.

Zusammenfassend kann man mit Blick auf diesen, aber auch auf andere Einträge festhalten, dass gän­

gige Annahmen sowohl über den Stellenwert der Anonymität als auch der kollaborativen Entstehung der Einträge einer Revision unterzogen werden müssen. Es gibt ein kompliziert abgestuftes System der Anonymität, das auf der einen Seite der Skala sogar die Möglichkeit bietet, unter Klarnamen zu veröffentlichen. Selbst die zentrale Option, unter einem bestimmten Pseudonym beizutragen, ist nur bedingt anonym: Nicht nur die WP-Mitarbeiter erkennen sich gegenseitig, sondern auch viele Benut­

zer, die unter einem Pseudonym ihre Beiträge verfassen, geben auf ihrer Benutzerseite so viele Hin­

weise auf ihre Identität, dass es zumal in der kleinen Welt der Altphilologen bisweilen nicht schwer ist, die reale Identität des Autors zu erschließen bzw. zu erraten.31

In der Produktionsperspektive besteht ebenfalls an vielen Punkten ein gradueller, nicht unbedingt immer ein fundamentaler Unterschied zwischen der WP und anderen Medienprodukten. Schon der eher zufällig gewählte Eintrag über Vergils Aeneis zeigt in seiner Versionsgeschichte, dass erhebliche Teile von einem einzigen Benutzer verfasst wurden. Andere Einträge sind in noch geringerem Maße als Gemeinschaftswerk anzusprechen; v.a. bei dem Eintrag über Boethius fällt das auf, der in seiner

28 „Virgil reading the Aeneid to Augustus and Octavia“, 1787. Die Bilddatei ist, wie bei der WP üblich, in die auf Bilder spezialisierte Datenbank Wikimedia Commons eingebunden

(URL: < http://commons.wikimedia.org/ >). Genauere Informationen über Taillassons Gemälde finden sich auf der Website der National Gallery (London), auf die von Wikimedia Commons verlinkt wird. URL bei der National Gallery:

< http://www.nationalgallery.org.uk/paintings/jean-joseph-taillasson-virgil-reading-the-aeneid-to-augustus-and-octavia >. Auch kunstgeschichtlich leuchtet die Auswahl gerade dieses Bildes nicht ein, da das Gemälde von Jean-Auguste-Dominique Ingres aus dem Jahr 1812 offenbar als bedeutender eingeschätzt wird; vgl. zu diesem Gemälde: Susan L. Siegfried : Ingres’s Reading. The Undoing of Narrative, in: Susan L. Siegfried / Adrian Rifkin (Hgg.): Fingering Ingres, Oxford / Malden (MA) 2001, S. 4-30.

29 DON. Vita Verg. 32.

30 Eine Google-Suche führt schnell zu der umfassenden Website von Erich Gottwein, auf der u.a. auch eine gegliederte Inhaltsangabe zur Aeneis zu finden ist:

< http://www.gottwein.de/Lat/verg_komp/verg_aen01.php >.

Instruktiv ist ferner die Seite < http://www.romanum.de >. Zu einer weiteren Inhaltsangabe auf der Website des Landesbildungsservers Baden-Württemberg siehe unten Kap. 7, S. 197.

31 Dies gilt z.B. für den Benutzer Phi; Benutzerseite: < http://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer:Phi >. Aus diesem Text geht hervor, dass Phi folgende Merkmale besitzt: Er ist 1. männlich, 2. arbeitet als Beamter 3. in Hamburg und besitzt die nötigen Kenntnisse besitzen, um 4. über römische Literatur, 5. über Verschwörungstheorien und 6. über die deutsche Geschichte der 1930er- / 1940er-Jahre schreiben zu können. Es gibt nur wenige Personen auf der Welt, vermutlich nur eine einzige, auf die alle diese Merkmale zutreffen. Die restlichen Angaben zur Per ­ son räumen dann möglicherweise bestehende Zweifel aus, so dass jeder, der die hinter Phi stehende Person persönlich kennt, Phis Identität feststellen kann. Vergleichbares gilt für einen Großteil der Benutzerseiten.

2012 lesbaren Version wesentlich von einem Benutzer an einem Tag verfasst wurde. Auch ein Vergleich der WP mit anderen Medien oder mit anderen Internetseiten regt zu Zweifeln an der Annahme an, dass die WP die so genannte Schwarmintelligenz allein für sich reklamieren kann: Der Autor eines Sachbuches wird nicht nur vom Lektor unterstützt und beraten, sondern er muss sich auch mit den Wünschen der Verlagsredaktion auseinandersetzen, mit einem Gremium, das für den Leser mindestens ebenso anonym ist wie der Mitarbeiterkreis der WP, das aber durchaus Einfluss auf den Inhalt des Buches nehmen kann. Viele der in diesem Buch vorgestellten Internetprojekte sind Gemeinschaftswerke, so etwa grundsätzlich die Landesbildungsserver, bei denen die Artikel einer Kontrolle unterliegen.33

Im Dokument Antikerezeption im Internet (Seite 173-179)