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königlichen Beschützer in der Frühen Neuzeit

Im Dokument (16. bis frühes 20. Jahrhundert) (Seite 90-108)

Von Matthias Schnettger

Die Staatsräson der Republik Genua lässt sich mit einem Schlagwort zusammen-fassen: libertas/libertà. Dies schloss die Freiheit nach innen, von der Herrschaft eines Einzelnen, ebenso ein wie die Freiheit nach außen, von der Unterwerfung durch einen auswärtigen Fürsten. Diese Freiheit war im späten Mittelalter, als Ge-nua zeitweise unter der Herrschaft des französischen Königs oder eines italieni-schen Fürsten gestanden hatte, massiv eingeschränkt oder doch gefährdet gewesen und konnte auch in der Frühen Neuzeit nicht als völlig gesichert gelten. Vielmehr war die Geschichte Genuas durch in unregelmäßigen Abständen auftretende in-nere Erschütterungen und äußere Gefährdungen geprägt. Diesen Herausforde-rungen konnte die Republik mehrfach nur dank der Unterstützung eines könig-lichen Beschützers begegnen, vom 16. bis ins 17. Jahrhundert des Katholischen Königs, im 18. Jahrhundert dann des Allerchristlichsten Königs. In beiden Fällen galt jedoch: Ein derartiges Schutzverhältnis implizierte eine Unterordnung Ge-nuas unter den betreffenden Monarchen und konnte seinerseits als Gefährdung oder Einschränkung der Freiheit erscheinen.

Der folgende Beitrag skizziert das Verhältnis der Republik zum Katholischen König im 16. und 17. Jahrhundert, umreißt die Grundlagen dieses Verhältnis-ses und identifiziert Spannungslinien sowie Bruchstellen. Dabei geht es nicht um Vollständigkeit, sondern darum, einige Charakteristika dieses asymmetrischen Verhältnisses zu erfassen. Ein zweiter Teil wirft sodann einen Blick auf das Ver-hältnis der Republik zu Frankreich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Im Hintergrund steht die Frage, ob und inwieweit die Beziehungen zwischen der Republik und den beiden Monarchen angemessen als Protektionsverhältnis zu charakterisieren sind. Unter Protektion werden dabei »verschiedene Formen des Schutzes und der Interessenwahrung eines Stärkeren für einen Schwächeren und daraus folgend gewisser Rechte des Protektors über seinen Schützling« verstan-den, denen, im Unterschied zur Patronage, »[h]äufig […] eine vertragliche Bin-dung zugrunde« lag1. Die Ergebnisse der Analyse werden in einem kurzen Fazit thesenartig zusammengefasst.

1 Anuschka Tischer, Art. »Protektion«, in: Enzyklopädie der Neuzeit, im Auftrag des Kul-turwissenschaftlichen Instituts (Essen) hrsg. v. Friedrich Jäger, 16 Bde., Stuttgart/Wei-mar 2005–2012, Bd. 10, Sp. 471–474, 471.

I. Die Republik Genua und der Katholische König im 16. und 17. Jahrhundert

Eine Zäsur von erstrangiger Bedeutung in der Geschichte Genuas war die Ver-fassungsrevision von 1528, mit der nicht nur die Zeit der dogi biennali begann, also derjenigen Dogen, die statt auf Lebenszeit nur noch für zwei Jahre amtierten, sondern mit der auch die Verfassung der Republik auf eine rein aristokratische Grundlage gestellt und der popolo von jeder politischen Partizipation ausgeschlos-sen wurde. Zugleich wurde ein Ausgleich zwischen dem alten Adel, den vecchi, und den neuen Geschlechtern, den nuovi, angestrebt, wobei allerdings den vecchi ein gewisses Übergewicht zukam2. Der spiritus rector der Reform von 1528 war der pater Patriae Andrea Doria, dessen Überlaufen in das habsburgische Lager zugleich die französische Herrschaft über Genua endgültig beendet hatte. Hinter Doria aber stand sein neuer Herr: Kaiser Karl V. beziehungsweise König Karl I.

von Spanien, der in der Folge als Beschützer der genuesischen Freiheit auftrat, wobei sein Schutz an die Bedingungen der inneren Stabilität, vor allem aber der konsequenten Absage an das Bündnis mit Frankreich geknüpft war3. Abgestützt wurde die Bindung der Republik an Karl in zunehmendem Maße durch wirt-schaftliche Verflechtungen zwischen der spanischen Monarchie und dem genuesi-schen Patriziat, vor allem den Familien aus dem alten Adel, die als Finanziers der spanischen Krone in den kommenden Jahrzehnten eine zentrale Rolle spielten, Güter in den spanischen Besitzungen erwarben und familiäre Verbindungen zu den dortigen Eliten knüpften. Nicht so eng dagegen gestalteten sich die Bezie-hungen Karls und seiner Nachfolger zu den Aufsteigern aus dem Kreis der nuovi, vor allem nicht zu denjenigen, die sich im Seidengewerbe engagierten und daher aus wirtschaftlichen Interessen auch außenpolitisch eine Affinität zu Frankreich zeigten4. Angesichts der in der ersten Zeit nach 1528 von Frankreich angestreb-ten Wiederaufrichtung seiner signoria über Genua war eine Verbindung mit dem Allerchristlichsten König vorläufig aber keine mehrheitsfähige Option unter den genuesischen nobili.

Für die sich entwickelnden Verflechtungen zwischen den genuesischen Fami-lien und den Besitzungen des spanischen Königs Karl I. war es von eher nachran-2 Zur Verfassungsrevision von 15nachran-28 vgl. Adriana Petracchi, Norma »costituzionale« e prassi nella Serenissima Repubblica di Genova, Milano 1989, 3–58; allgemein zur genuesi-schen Verfassung siehe: Giovanni Forcheri, Doge, Governatori, Procuratori, Consigli e Magistrati della Repubblica di Genova, Genova 1968, zusammenfassend auch Matthias Schnettger, »Principe sovrano« oder »civitas imperialis«? Die Republik Genua und das Alte Reich in der Frühen Neuzeit, Mainz 2006, 42–51.

3 Ausführlich zum Verhältnis Genuas zu Karl V. Arturo Pacini, La Genova di Andrea Doria nell’Impero di Carlo V, Firenze 1999.

4 Vgl. hierzu den wichtigen Sammelband Manuel Herrero Sánchez u. a. (Hrsg.), Génova y la Monarquía Hispánica (1528–1713), 2 Bde., Genova 2011.

giger Bedeutung, dass dieser zugleich Kaiser Karl V. war5. Für das Verhältnis der Republik Genua zu Karl war dessen Status als Römischer Kaiser hingegen von erheblicher Relevanz. Denn die Oberhoheit und die daraus resultierende Schutz-herrschaft der mittelalterlichen Kaiser über Genua stellten eine Traditionslinie bereit, an die man anknüpfen konnte, um die neue Verbindung zwischen Karl und der Republik zu gestalten. Freilich gab es hier einen erheblichen Interpre-tationsspielraum, um je nach Interessenlage stärker die Schutzfunktion oder die Herrschaftsrechte des Kaisers zu akzentuieren.

Von Anfang an war das Verhältnis Karls V. zur Republik Genua eng mit seinen Beziehungen zu den genuesischen nobili verknüpft, vor allem zu der dominieren-den Persönlichkeit des Andrea Doria, dem Arturo Pacini eine informelle signoria über seine Vaterstadt in den Jahrzehnten nach 1528 und zugleich eine Vermittler-rolle zwischen der Republik und dem Kaiser zugesprochen hat. Man könnte sogar sagen, dass am Beginn des Schutzverhältnisses des Kaiser-Königs über die Repub-lik ein privater Vertrag Karls und Dorias stand. Dieser am 11. August 1528 unter-zeichnete asiento begann mit einem Artikel zur Zukunft Genuas: Doria ersuchte Karl um die Wiederherstellung der Freiheit und des Territoriums der Republik und bat für diese um »Schutz« (protetione) sowie um Befehle an die kaiserlichen Befehlshaber in Italien, sie vor allen Gewalttaten zu schützen6.

Einen vergleichbaren Vertrag zwischen dem Habsburger und der neuen Regie-rung der Republik, auf dem Karls Schutz basierte, gab es nicht. Stattdessen mani-festierte sich dieser, wie zu zeigen sein wird, durch das traditionelle Mittel kaiser-licher Privilegien. Zudem war Karl seit 1528 kontinuierlich durch einen eigenen Gesandten (orator) in Genua vertreten, ein Posten, den von April 1529 an für etwa vierzig Jahre Gómez Suárez de Figueroa bekleidete, dessen außerordentlich lange Amtszeit ein Element der Kontinuität nicht nur während der Regierung Karls, sondern bis in die Zeit Philipps II. darstellte. Zugleich wird in diesem Kontext deutlich, dass die genuesischen Regierungskreise die Freiheit der Republik zwar durch Karl V. sichern, keineswegs aber durch ihn beeinträchtigen lassen wollten:

Der ursprünglich für diesen Gesandtenposten vorgesehene Lope de Soria, der den Kaiser schon einmal in Genua vertreten hatte, wurde nämlich von der genuesi-schen Regierung deswegen abgelehnt, weil er 1525 eine Verfassungsreform

hinter-5 Allerdings ist nicht zu vernachlässigen, dass einige Familien des alten Adels wie die Do-ria, Spinola und Fieschi Karl V. als Reichsvasallen für ihre ligurischen Lehen besonders verpflichtet waren.

6 Primo domanda [Andrea Doria] a sua cesarea maestà che sempre che gli sia concesso gratia da Dio de levare Genova da lo soggieto de soi inimici, sia posta in libertà soa, et remessa in forma de republica et reintegrata de tutto il suo dominio […], della quale conservatione […] ne per-metta la protetione, et ordini et comandi a tutti li suoi capitanei in Italia che la conserveno et deffendano da ogni sforzo et violentia de chi la volesse turbare. Zit. nach: A. Pacini, Genova (Anm. 3), 49.

trieben und eine striktere Kontrolle Karls über die Republik favorisiert hatte7. Ihr Schreiben vom 15. September 1528 an Karl V. weist in dieselbe Richtung. Wenn hier der Kaiser zum geborenen Beschützer aller freien Städte stilisiert wurde, klang bei diesem Lob zugleich die Mahnung mit, dieser freiheitswahrenden Rolle auch zu entsprechen8.

Wie weit sich die genuesische Freiheit erstrecken sollte, bedurfte der Aus-handlung. War es eine weitgehend unbegrenzte, von keiner irdischen Instanz eingeschränkte oder eine nur limitierte Freiheit, wie sie etwa auch die deutschen Reichsstädte besaßen? Die Republik nutzte einerseits zwar die Möglichkeit, ihre Freiheit, ihre territorialen und sonstigen Ansprüche durch kaiserliche Privilegien bestätigen zu lassen9, und erwies Karl V., wenn er wie 1529 in Genua weilte, die höchsten Ehren. Als die Genuesen aber als Untertanen (sudditi) des Kaisers in den Frieden von Cambrai einbezogen werden sollten, leisteten die Regierung der Republik und ihre Gesandten am Kaiserhof hartnäckigen Widerstand. Alle Lo-ckungen und Versprechungen, als kaiserliche Untertanen würden sie den effektivs-ten Schutz genießen, verfingen nicht. Zu weiteren Irritationen kam es, als Karl V.

aus eigener Machtvollkommenheit Anfang 1533 den Einschluss Genuas in seine italienische Liga verfügte, wenn auch unter Vorbehalt der Ratifikation durch die Republik. Diese wurde erst vollzogen, nachdem der Kaiser durch ein neues Privi-leg die völlige Exemtion Genuas von seiner Jurisdiktionsgewalt bekräftigt hatte10. Das daraufhin folgende genuesische Engagement im neuen Krieg mit Frankreich wurde der Republik 1536 mit weiteren Privilegien Karls V. vergolten, von denen eines (datiert auf den 1. November 1536) ihr in umfassender Form alle Freiheiten und Rechte und das andere (datiert auf den 10. November 1536) alle Besitzungen im nördlichen Ligurien bestätigte11.

Deutlich wurden der Republik die Grenzen ihrer Freiheit nach dem Fieschi-Aufstand von 1547 aufgezeigt, der aus der Sicht Karls V. und seiner Minister die Grundlagen des Arrangements von 1528 massiv infrage stellte, da Fieschi und seine Parteigänger nicht nur auf einen Umsturz der innergenuesischen Verhält-nisse abzielten, sondern auch einen außenpolitischen Kurswechsel in Richtung auf 7 Diese Kontrolle sollte durch eine kaiserliche Garnison und einen governatore

gewährleis-tet werden, eine Funktion, die Soria wohl für sich selbst vorgesehen hatte. Ebd., 50–54.

8 Dieses Schreiben wird zitiert bzw. paraphrasiert ebd., 293.

9 Ein Privileg vom 15.6.1529 erneuerte das der Republik von Maximilian verliehene Mo-nopol auf den Salzhandel in Ligurien, ein anderes vom 29.6.1529 bestätigte in allge-meiner Form alle ihre Privilegien, Rechte und Besitzungen. Gedruckt u. a. bei [Heinrich Christian von Senckenberg], Imperii Germanici Ius ac Possessio in Genua Ligustica eius-que ditionibus […], Hannover 1751, 293–297.

10 Vgl. A. Pacini, Genova (Anm. 3), 298–304; M. Schnettger, »Principe sovrano« (Anm. 2), 66–68.

11 Druck u. a. bei [H. C. v. Senckenberg], Imperii Germanici Ius (Anm. 9), 297–303. Vgl. A.

Pacini, Genova (Anm. 3), 312 f.; M. Schnettger, »Principe sovrano« (Anm. 2), 69.

ein Bündnis mit Frankreich anstrebten. Nicht zuletzt der Mailänder Gouverneur Ferrante Gonzaga sprach sich für eine stärkere Kontrolle Genuas aus, sei es durch die Errichtung einer fürstlichen signoria, sei es durch den Bau einer spanischen Festung. In dieser Situation bewährte sich erneut Andrea Doria als Fürsprecher beim Kaiser, der erfolgreich dafür eintrat, dass derartige Pläne nicht umgesetzt wurden. Was hingegen entsprechend den Wünschen Karls V. und Dorias statt-fand, war eine moderate Verfassungsreform, die legge del garibetto, die darauf ab-zielte, das Gewicht der vecchi im Großen wie im Kleinen Rat zu verstärken. Dies kam den habsburgischen Sicherheitsinteressen entgegen, denn es waren vor allem Familien des alten Adels, die enge Beziehungen zu Spanien unterhielten und de-ren Angehörige dementsprechend in den Gremien der Republik die Interessen Madrids vertraten12. Die drohende Umwandlung des Schutzverhältnisses in eine direkte oder indirekte signoria Karls über Genua wurde so abgewendet, als be-drohliche Option im Falle eines politischen Fehlverhaltens der Republik wurde sie aber erkennbar.

Die Abdankung Karls und der Regierungsantritt Philipps  II. 1556 stellen keine tiefe Zäsur für die Beziehungen der Republik zur spanischen Krone dar. In einer Hinsicht gab es aber schon eine wesentliche Änderung: Philipp war (entge-gen den Intentionen seines Vaters) weder Träger noch Erbe der Kaiserkrone, und er erlangte auch nicht das ersehnte Reichsvikariat über Italien. Vielmehr schützte er die Republik in dem nach 1558 rasch eskalierenden Konflikt um die ligurische Markgrafschaft Finale vor einer – so jedenfalls die genuesische Wahrnehmung – Beeinträchtigung ihrer Freiheit durch seinen Onkel Ferdinand I., als dieser seine kaiserliche Jurisdiktionsgewalt über die civitas imperialis Genua zur Geltung brin-gen wollte13. Zwar konnte das Verhältnis des Katholischen Königs zu Genua also nicht mehr unter Zuhilfenahme traditioneller Konzeptionen einer kaiserlichen Schutzherrschaft ausgestaltet werden; zugleich aber intensivierten sich die Ver-flechtungen zwischen der spanischen Monarchie und der ligurischen Finanzme-tropole weiter.

Die engen Verbindungen zu einer der Adelsfaktionen stützten einerseits den Einfluss Spaniens auf die Republik, andererseits konnten sie seinen Interessen aber auch entgegenlaufen und bewirken, dass der Katholische König bei innergenuesi-schen Konflikten als parteiisch wahrgenommen wurde. Dies zeigte sich besonders bei der Verfassungskrise von 1575/1576, die sich vor allem an dem Anspruch der nuovi auf gleichberechtigte Partizipation an der politischen Macht entzündete14. 12 Vgl. A. Pacini, Genova (Anm. 3), 593–671; Antoine-Marie Graziani, Andrea Doria. Un

prince de la Renaissance, Paris 2008, 198–209.

13 Vgl. ausführlich M. Schnettger, »Principe sovrano« (Anm. 2), 239–255.

14 Zur Rolle Spaniens in der Krise von 1575/1576 vgl. Enrica Neri, »Quietud, conformidad y libertad«. La Spagna e la crisi politico-istituzionale genovese del 1575, Milano 1990;

Arturo Pacini, El »padre« y la »républica perfecta«. Génova y la Monarquia española en 1575, in: Espacios de Poder: Cortes, Ciudades y Villas (s. XVI–XVIII), hrsg. v. Jesús

Die Mediationsversuche des spanischen Gesandten in Genua Juan Idiáquez liefen ins Leere, und die nuovi weigerten sich im Gegensatz zu den vecchi auch, König Philipp II. als Vermittler anzuerkennen, da sie seine Neutralität anzweifelten. Der Konflikt eskalierte weiter. Die meisten vecchi verließen die Stadt und zogen sich auf ihre Lehen zurück, wo sie gegen die von den nuovi beherrschte Regierung rüs-teten. Insbesondere der in spanischen Diensten stehende Fürst Gian Andrea Do-ria engagierte sich dabei, was dem Misstrauen gegen Madrid neue Nahrung gab.

Am Ende waren es daher nicht allein spanische Gesandte, die in Casale 1576 den neuen Verfassungskompromiss vermittelten, der den Wünschen der nuovi entgegenkam, sondern es waren auch ein päpstlicher Legat und Beauftragte Kai-ser Maximilians II. beteiligt. Französische Vermittler wurden hingegen abgewie-sen. Dies weist darauf hin, dass die spanische Schutzherrschaft über Genua nicht mit einem Dominat verwechselt werden sollte. Die Beratungen von Casale sind vielmehr als Aushandlungsprozess zu verstehen, der auch die Reichweite des spa-nischen Einflusses in Genua betraf. Der Katholische König war aufgrund der von ihm mitgetragenen Zugeständnisse an die nuovi auf Kosten seiner Klienten aus den Reihen der vecchi nun auch wieder als Protektor der gesamten Republik trag-bar. Dazu trug bei, dass es zu seiner Schutzherrschaft damals keine Alternative gab: Weder das von den Religionskriegen geschwächte Frankreich noch der Hei-lige Stuhl noch der Kaiser waren in der Lage, diese Funktion auszufüllen.

Vieles spricht dafür, in den Jahren nach 1576 einen Höhepunkt des spa-nisch-genuesischen Protektionsverhältnisses zu sehen. Dieser deutet sich auch in der Sprache der Quellen an, wie ein Vergleich der Instruktionen für die genuesi-schen Gesandten in Spanien zeigt. So wurde 1559 in der Instruktion für Marc- antonio Sauli das Verhältnis der Republik zu Philipp als Bündnis (confederatione) bezeichnet, die auf einer weitgehenden Interessenidentität (una fortuna istessa) und einer natürlichen Geneigtheit (natural inclinatione) zum König beruhe. Das Ad-jektiv »ergeben« (devota) markierte zugleich den Rangunterschied und die Erge-benheit Genuas gegenüber dem Habsburger15. In einer Reihe von Instruktionen wird demgegenüber von den 1570er bis in die 1590er Jahre für das Verhältnis zwischen Spanien und der Republik ausdrücklich der Begriff protettion(e)

verwen-Bravo Lozano, Madrid 2002, Bd. 2, 119–132; vgl. ferner M. Schnettger, »Principe so-vrano« (Anm. 2), 264–278.

15 Instruktion für Marcantonio Sauli, [Genova], 14.2.1559, in: Istruzioni e relazioni de-gli ambasciatori genovesi, 7 Bde., hrsg. v. Raffaele Ciasca Rom 1951–1968, hier Bd. 1:

1494–1617, Rom 1951, 156–165, Zitate 158. Devozione und ossequio waren allerdings Eigenschaften, zu denen sich die Republik auch gegenüber anderen Monarchen wie etwa dem Kaiser regelmäßig bekannte. Zudem ist zu beachten, dass die geschilderte Zustandsbeschreibung dem Gesandten die Argumentationsbasis liefern sollte, um von Philipp II. effektivere Unterstützung resp. eine Wiedergutmachung derjenigen Schäden zu fordern, die Genua und die Genuesen aufgrund ihrer Treue zu Spanien erlitten hät-ten.

det. Besonders diejenige für Giambattista Lercari von 1576 stellt schon ganz zu Beginn die Bedeutung der »ewigen Protektion« Philipps für die Bewältigung der inneren Krise und die daraus resultierende Verpflichtung Genuas und der Genu-esen nachdrücklich heraus16. Die Dauerhaftigkeit des Protektionsverhältnisses, dessen Beginn in der Zeit Karls V. verortet wird, wird auch in der Instruktion für Filippo Passano von 1579 betont. Allerdings könne die spanische Finale-Politik (die in der Tat auf den Erwerb der Markgrafschaft abzielte) den Eindruck erwe-cken, als bestünde diese »gute und vollkommene Protektion« nicht mehr17. Indem der Gesandte Philipp II. diese Zweifel vor Augen stellen sollte, sollte er den König auf die genuesische Erwartungshaltung aufmerksam machen, gemäß der sich die Protektion Spaniens auch in einer Rücksichtnahme auf vitale genuesische Interes-sen niederzuschlagen hatte.

In der Tat war es nicht zuletzt der Konflikt um Finale, der neben anderen Problemen wie den Folgen der diversen spanischen Staatsbankrotte für die genu-esischen Banken zu einer Abkühlung des Verhältnisses zwischen der Republik und dem Katholischen König und insbesondere dazu führte, dass dieser in Genua immer weniger als verlässlicher Beschützer wahrgenommen wurde. Auch dies lässt sich anhand von Gesandteninstruktionen nachvollziehen. So werden noch am Be-ginn der Instruktion für Giambattista Doria von 1586 das Bündnis mit Philipp II.

und dessen Protektion als grundlegend für die Freiheit der Republik dargestellt18. Vier Jahre später ist bei der im Übrigen ganz ähnlichen Eingangsformel der In-struktion für Pier Battista Cattaneo protettione durch »Gunst« (favore) ersetzt, wenngleich im weiteren Textverlauf auch das Verb proteggere für die Handlungen des Königs zugunsten der Republik verwendet wird19.

16 [L]a Mtà del Re Cattolico […] con la solita e perpetua protettion sua, ha, si può dire, cavato la Repubblica e noi stessi da quelle disgrazie nelle quali per i nostri peccati si ritrovavamo immersi e ridottala nel pristino stato e nella solita quiete, si siamo parsi debitori di destinare alla Mtà Sua persona di prudenza, valore et esperienza. Die Verpflichtung wird hier zwar nur auf die Abordnung des Gesandten bezogen, dennoch ist die Formulierung bemerkenswert.

Instruktion für Giov. Battista Lercari, [Genova], 6.6.1576, in: ebd., 206–212, 207.

17 […] noi non possiamo che risentirsi che dalla Maestà Sua, tanto protettore di questa Repub-blica, venghi fatta cosa alcuna dalla quale si possa far giudicio che la non ci habbi più in quella buona e perfetta protettione, nella quale Sua Maestà et l’Imperatore suo Padre, di gloriosissima memoria, hanno preservati, mantenuti et diffesi così longo corso di tempo. Instruktion für Filippo Passano, [Genova], 27.2.1579, in: ebd., 214–220, 217. Vgl. zur Finale-Politik Philipps II. Friedrich Edelmayer, Maximilian II., Philipp II. und Reichsitalien. Die Aus-einandersetzungen um das Reichslehen Finale in Ligurien, Stuttgart 1988.

18 Non è dubio alcuno che la nostra libertà viene in gran parte a conservarsi et a consolidarsi ogn’hora più per la confederatione c’habbiamo col Re Filippo, et per la protettione che egli si è sempre contentato havere di questa Repubblica. Instruktion für Giambattista Doria, [Ge-nova], 7.11.1586, in: R. Ciasca (Hrsg.), Istruzioni (Anm. 15), Bd. 1, 243–256, 244.

19 Instruktion für Pier Battista Cattaneo, [Genova], 10.11.1590, in: ebd., 257–271, 258 f.

Anlässlich des Todes Philipps II. sowie des Regierungsantritts Philipps III.

(1598–1621) hatte die Beileids- und Gratulationsgesandtschaft dem neuen Kö-nig dieselbe Hochachtung und Ergebenheit zu versichern, welche die Republik seinem Vater entgegengebracht habe, und zugleich um seine Protektion nach dem Vorbild seiner Vorfahren zu ersuchen20. Doch schon sehr bald enttäuschte

(1598–1621) hatte die Beileids- und Gratulationsgesandtschaft dem neuen Kö-nig dieselbe Hochachtung und Ergebenheit zu versichern, welche die Republik seinem Vater entgegengebracht habe, und zugleich um seine Protektion nach dem Vorbild seiner Vorfahren zu ersuchen20. Doch schon sehr bald enttäuschte

Im Dokument (16. bis frühes 20. Jahrhundert) (Seite 90-108)