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und ihre auswärtigen Protektoren in der Zeit der katholischen Liga (1589–1596)

Im Dokument (16. bis frühes 20. Jahrhundert) (Seite 188-200)

Von Fabrice Micallef

Das ungleiche Verhältnis, das sich in einer Protektionsbeziehung einstellt, bein-haltet fast immer eine Machtstrategie seitens des Protektors. Rainer Babel hat dies auf sehr überzeugende Weise aufgezeigt: Die Schutzleistungen erlaubten es dem König von Frankreich in der Frühen Neuzeit, sich einen antiimperialen An-strich zu geben und zugleich unter der Hand Hegemonieansprüche auf europä-ischer Ebene zu verfolgen1. Es handelt sich hierbei nicht um ein französisches Spezifikum. Die Protektion von auswärtigen Fürsten, Städten, Adligen oder Pro-vinzen war eine verbreitete Praxis im frühneuzeitlichen Europa2. Während der Religionskriege intervenierten zahlreiche protestantische und katholische Mächte in Frankreich, um ihre Glaubensverwandten zu unterstützen, und dies häufig im Rahmen eines solchen Protektionsverhältnisses. Auch hier diente diese Allianz meist politischen und strategischen Zielen3.

Die folgenden Ausführungen kehren die Perspektive um und rücken die Sicht-weise der Protegierten in den Blick, um zu verstehen, wie sie die Eigenart dieser Verbindung auffassten. Exemplarisch werden hierfür die Bitten der Katholiken der Provence in den 1590er Jahren um unterschiedliche auswärtige Schutzleistun-gen analysiert. In der letzten Phase der Religionskriege weigerten sich diese der Partei der Liga angehörigen Katholiken, Heinrich IV. als König anzuerkennen, weil dieser Protestant war. Es ging dabei darum, auswärtige Unterstützung gegen

1 Rainer Babel, »Garde et protection«. Der Königsschutz in der französischen Außenpoli-tik vom 15. bis 17. Jahrhundert, Ostfildern 2014.

2 Für einen Überblick über die große Diversität der Praktiken der Protektion siehe Albert Cremer, La protection dans le droit international public européen au XVIe siècle, in:

Théorie et pratique politique à la Renaissance. Actes du XVIIe colloque international de Tours, hrsg. v. André Stegmann, Paris 1997, 145–155.

3 Zu den Interventionen der protestantischen Mächte siehe Béatrice Nicollier, Hubert Languet, 1518–1581. Un réseau politique international de Melanchton à Guillaume d’Orange, Genève 1995; Hugues Daussy, Le parti huguenot. Chronique d’une désillusion (1557–1572), Genève 2014. Zu den Interventionen der katholischen Mächte, insbes.

jenen des spanischen Königs Philipp II., siehe José Javier Ruiz Ibáñez, Esperanzas y fra-casos de la política de Felipe II en Francia (1595–1598): la historia entre la fé y las armas jornaleras, Murcia 2004; Valentín Vázquez de Prada, Felipe II y Francia (1559–1598).

Política, religión y razón de Estado, Pamplona 2004.

die aus Protestanten und gemäßigten Katholiken zusammengesetzte Anhänger-schaft Heinrichs IV., die Royalisten, zu gewinnen4.

Blicken wir zunächst auf die allgemeine Chronologie dieser Bitten um aus-wärtige Schutzleistungen. Um 1589–1590 baten zunächst katholische Adlige, dann die Ständeversammlung der Provence um die Protektion des Herzogs Karl Emanuel I. von Savoyen. Dieser versprach mündlich seinen Schutz, ohne dass ein förmlicher Vertrag unterzeichnet worden wäre. Um seiner Pflicht nachzukom-men, intervenierte er vom Oktober 1590 bis zum März 1592 militärisch in der Provence. Im selben Zeitraum, im Februar 1590, ersuchten die Städte Arles und Marseille Papst Sixtus V. um Schutz. Dieser sprach ihnen seine Protektion zu und bot ihnen gar Verträge an, doch zogen die beiden Städte ihr Ersuchen im Mai 1590 zurück. Im März 1591 erbat und erhielt eine Gruppe von Adligen heimlich die Protektion Philipps II. von Spanien und schloss einen entsprechenden Vertrag.

Zwischen 1591 und 1594 kam Marseille in den Genuss der offiziellen Protektion des Großherzogs von Toskana: Ferdinand de’ Medici lieferte Korn an die Stadt, je-doch nicht im Rahmen einer vertraglichen Allianz. Die Konversion Heinrichs IV.

zum Katholizismus im Juli 1593 hatte in den darauffolgenden Monaten den An-schluss der meisten provenzalischen Ligisten an die Königstreuen und die Aner-kennung von Heinrich IV. zur Folge. Gegen Ende des Jahres 1595 verblieb allein Marseille bei seiner ultrakatholischen Haltung. Um ihren Kampf besser fortsetzen zu können, schloss die Stadt im Januar 1596 einen Schutzvertrag mit dem König von Spanien. Am 17. Februar 1596 nahmen dann allerdings die Truppen Hein-richs IV. die Stadt ein, womit die Herrschaft des Königs wiederhergestellt und die Kriege der katholischen Liga in der Provence beendet waren5.

Wie können nun all diese verschiedenen Erfahrungen analysiert werden? Es ist evident, dass sich die Bitte um Protektion an einer Logik konfessioneller So-4 Vgl. bereits, hier ergänzt um zusätzliche Aspekte, Fabrice Micallef, Sous ombre de protec-tion. Stratégies et projets politiques au temps des affaires de Provence (Espagne, France, Italie, 1589–1596), in: Revue historique  656 (2010), 763–792. Zu den Religionskriegen in der Provence siehe Wolfgang Kaiser, Marseille im Bürgerkrieg. Sozialgefüge, Religions-konflikt und Faktionskämpfe von 1559–1596, Göttingen 1991; Gustave Lambert, His-toire des guerres de religion en Provence, 1530–1598, 2 Bde., Nyon 1972 [1870], und zum gesamtfranzösischen Kontext Jean-Marie Constant, La Ligue, Paris 1996; Mark. P.

Holt, The French Wars of Religion, 1562–1629, Cambridge 2005.

5 Für eine detaillierte Zusammenfassung dieser Mobilisierungen siehe Fabrice Micallef, Un désordre européen. La compétition internationale autour des »affaires de Provence«

(1580–1598), Paris 2014. Es scheint hier nötig zu präzisieren, dass in allen erwähnten Fällen der Begriff »Protektion« (beziehungsweise »protection«) von den Zeitgenossen gebraucht wurde, um die Beziehungen zwischen den provenzalischen Katholiken und ihren auswärtigen Verbündeten zu beschreiben, unabhängig davon, ob diese Allianz mit einem Vertrag formalisiert wurde oder nicht. Mein Gebrauch dieses Begriffs resultiert entsprechend nicht aus einer Interpretation, sondern reflektiert die Begrifflichkeit in den Quellen.

lidarität orientierte; sie verkörperte die Bindungen, welche die Katholiken über die staatlichen Grenzen hinweg im Rahmen der Res publica Christiana verban-den6. Gleichwohl gilt es, über diese Lesart hinauszugehen, die für sich genommen noch nicht ausreicht, um das Interesse der provenzalischen Katholiken an einem solchen Protektionsverhältnis zu verstehen. Die nachfolgenden Überlegungen schließen zum Teil an eine Reihe von neueren Untersuchungen über politische und diplomatische Strategien an, die spezifisch auf die Situation der Schwäche ab-gestimmt waren7. Durch die Anfrage an einen auswärtigen Protektor waren diese mindermächtigen Akteure in manchen Fällen der eigentliche Initiator von solchen Allianzen und damit weit davon entfernt, nur passive Komplizen von Mächtestra-tegien zu sein. Der Aufsatz wird dabei zeigen, dass Protektion in dreierlei Hinsicht eine Ressource der Schwachen war: Sie war eine juristische (I), eine rhetorische (II) und eine politische Ressource (III). Schließlich wird nach der Wirksamkeit und den Grenzen solcher Strategien der Schwäche gefragt (IV).

I. Die Bitte um Protektion als juristische Ressource

Alle politischen Akteure des 16. Jahrhunderts wussten, dass Protektion im All-gemeinen einen Vertrag zwischen Protektor und Protegiertem implizierte. Die Protektionserfahrungen, die sie in Erinnerung hatten, enthielten oft diese juristi-sche Dimension, so zum Beispiel der Schutz, den Heinrich II. den Reichsfürsten 1551 gewährte und der im Vertrag von Lochau-Chambord festgehalten wurde8. Jean Bodin selbst sprach in seinen Six livres de la république von einem Vertrag, in dessen Rahmen die Protektionsbeziehung festgelegt werden könne9. Einen aus-wärtigen Fürsten um Protektion zu ersuchen, war entsprechend zunächst einmal ein Mittel, um die logistische Unterstützung dieses Fürsten vertragsmäßig fest-zuhalten. Eine solche rechtsverbindliche Vereinbarung hatte für die Protegierten mehrere Vorteile.

6 Heinz Schilling, Konfessionalisierung und Staatsinteressen. Internationale Beziehungen 1559–1660, Paderborn/München/Wien/Zürich 2007.

7 Jean-François Chanet/Christian Windler (Hrsg.), Les ressources des faibles. Neutralités, sauvegardes, accommodements en temps de guerre (XVIe–XVIIIe siècle), Rennes 2009;

Daniela Frigo, Small States and Diplomacy: Mantua and Modena, in: Politics and Di-plomacy in Early Modern Italy (1450–1800), hrsg. v. ders., Cambridge 2000, 49–94; Sara Veronelli, Strategie politiche d’un piccolo Stato a fine Cinquecento: il ducato di Mantova fra Impero e Monarchia cattolica, in: La Lombardia spagnola. Nuovi indirizzi di ricerca, hrsg. v. Elena Brambilla/Giovanni Muto, Milano 1997, 389–404.

8 Jean-Daniel Pariset, Les relations entre la France et l’Allemagne au milieu du XVIe siècle, d’après des documents inédits, Strasbourg 1981, 113.

9 Jean Bodin, Les six livres de la république, Paris 1986 [1593, und 1576 für die erste Aus-gabe], Bd. 1, 151: en tous les traittés, le mot de protection est spécial.

Der erste dieser Vorteile bestand in der schriftlichen Verpflichtung des Pro-tektors, die versprochene Unterstützung effektiv zu leisten. Diese Logik lässt sich beispielsweise in den Beziehungen der provenzalischen Katholiken zum savoyi-schen Herzog Karl Emanuel um 1589–1590 beobachten. Im September 1589 hatte Karl Emanuel den Provenzalen beträchtliche militärische Unterstützung versprochen, doch drei Monate später war nur die Hälfte der angekündigten Hilfe in der Provence angekommen. Die provenzalischen Obrigkeiten hatten die Savoyer wiederholt vergeblich bedrängt, etwa in einem Brief, der vom Parlement von Aix an den Anführer der savoyischen Armee gerichtet wurde: »Wir bitten Sie, gemäß Ihrem Angebot, endlich die noch verbleibenden dreihundert Pferde zu schicken, welche von Ihrer Hoheit [Karl Emanuel] versprochen worden sind, unter der Versicherung des guten Willens Ihrer Hoheit, die Sie uns geben.«10 Die Initiative zur Bitte um förmliche Protektion, welche eine Adelsversammlung am 11. Dezember 1589 ergriff, kam nach mehreren Wochen solcher erfolglosen Vorstöße zustande. Die Anfrage hatte damit klar zum Ziel, die logistische Hilfe des Herzogs von Savoyen für die Katholiken der Provence durch einen Vertrag herbeizuführen.

Zweitens erlaubte es Protektion, die auf einem vertraglich festgehaltenen Bündnis fußte, sich eine zunächst nur punktuelle Unterstützung auf Dauer zu sichern. So hielt der Vertrag zwischen Philipp II. und Marseille von 1596 bei-spielsweise fest, dass sich der König von Spanien verpflichtet, Marseille jedes Mal mit seinen genuesischen Galeeren zu unterstützen, wenn dies die Konsuln der Stadt erbitten würden: »[…] dass Seine Majestät die Stadt von Marseille unter seine Protektion stellt und zu ihrer Verteidigung beiträgt gegen jene, die sie an-greifen wollten. Sie wird entsprechend dem Fürsten Doria, ihrem Generalkapitän des Meeres, den Befehl erteilen, dass er ihnen mit den Galeeren und Mannschaf-ten Unterstützung und Hilfe leistet, soweit es die Umstände erlauben.«11 Für die Marseiller war dies ein Mittel, sich der Dauerhaftigkeit der spanischen Hilfe zu versichern und sie zu verstetigen.

Die vertragliche Formalisierung des Bündnisses hatte schließlich einen dritten Vorteil, nämlich jenen, sich vor der potentiellen Gewaltanwendung des mächtigen

10 Aix, Archives départementales des Bouches-du-Rhône, B3658 (nicht foliiert), Parle-ment an Andrea de Leini, 7.10.1589: Vous prions, suyvant votre offre, fère approcher le demeurant de trois cent chevaulx accordés par Son Altesse […], soubz l’asseurance que vous nous donnez de la bonne volonté de Sadite Altesse.

11 Que su Magestad […] tomara la ville de Marsella a su protection, acudira a su defensa, contra los que la quisieren ofender. Que embiara orden al Principe Doria, su Capitan General de la mar, paraque los socorra y ayuda con las galeras y gente que segun las ocasiones le pidieren.

Vertrag zwischen Philipp II. und der Stadt Marseille, 20.1.1596, zit. n. Jean-François de Gaufridi, Histoire de la Provence, Aix 1694, 828.

Gegenübers zu schützen12. Alle Akteure dieser Zeit wussten, dass es ein Risiko bedeutete, einen auswärtigen Fürsten zur Hilfe zu rufen: Der Retter konnte sich in einen Eroberer verwandeln. Die Bitte um eine vertragliche Schutzzusage war darauf angelegt, diesem Risiko zu begegnen. Denn der Vertrag konnte auch dazu dienen, Klauseln festzulegen, welche die gegebenen politischen und strategischen Vorteile des Protektors begrenzten und damit auch seine Ansprüche13. So ließ beispielsweise 1591 eine kleine Gruppe von provenzalischen Machthabern Phi-lipp II. im Geheimen einen Protektionsvertrag für die Provence unterschreiben.

Der König verpflichtete sich dazu, dass seine Protegierten »frei von jeder Unter-tänigkeit« (»indépendants de toute domination«) lebten. Derselbe Vertrag enthielt eine Auflistung von provenzalischen Häfen, unter denen der spanische Protektor einen auswählen konnte, um dort die Oberherrschaft zu übernehmen14. Philipp II.

zur Annahme dieses Vertrags zu bewegen, bedeutete ihn zu zwingen, seine politi-schen Ambitionen vertraglich einzugrenzen. So regulierte die Bitte um Protektion über die Verwendung eines Vertrags das Kräfteverhältnis, das in informeller Form zu gefährlich gewesen wäre.

Unter diesen Gesichtspunkten erscheint die Bitte um Protektion als ein juristi-sches Mittel, das die Hoffnung erlaubte, dem Protektor eine doppelte Bürde aufer-legen zu können: die Verpflichtung zur Unterstützung und die Verpflichtung, seine Ansprüche zu begrenzen. Gleichwohl beschränkt sich die Idee der Verpflichtung, die der Schwache dem Mächtigen auferlegt, nicht nur auf die juristische Dimen-sion. Die Bitte um Protektion kann gleichermaßen als ein rhetorisches Verfahren gelesen werden, das vom Bittenden mobilisiert wurde, um den auswärtigen Fürs-ten in seinem Handeln zu beeinflussen.

II. Die Bitte um Protektion als rhetorische Ressource

Die Rhetorik eines Bittgesuchs konnte zunächst wie eine vertragliche Regelung darauf abzielen, die Ansprüche des angefragten Mächtigen zu beschränken. Denn 12 Zu den Strategien schwacher Akteure, sich vor der Gewalt der Stärkeren zu schützen, siehe Gadi Algazi, Herrengewalt und Gewalt der Herren im späten Mittelalter. Herr-schaft, Gegenseitigkeit und Sprachgebrauch, Frankfurt a. M./New York 1996.

13 Zu solchen Vorsichtsmaßnahmen rät auch J. Bodin, Les six livres (Anm. 9), Bd. 5, 167–

168: En tous les traictéz de protection, il y a clause expresse que ceux qui sont en protection retiendront leur estat souveraineté, und 172: A plus forte raison, l’advoué doit prendre toutes les seuretés qu’il pourra du protecteur [qui doit] testifier que les adhérans demeurent souverains.

14 Geheimer Vertrag zwischen Philipp II. und der Comtesse de Sault, zit. n. Louis de Fa-brègues, Mémoires du sieur de FaFa-brègues, in: Pierre Louvet, Additions et illustrations sur les deux tomes de l’Histoire de Provence, Aix-en-Provence 1680, Bd. 2, 130–319, insbesondere 202–204. Bei den fraglichen Häfen handelte es sich um Cassis, La Ciotat, Saint-Raphaël, Saint-Tropez, la Tour de Bouc, Antibes und Toulon.

in ihren positivsten Darstellungen war die Protektion ein Akt der Mildtätigkeit, der die Uneigennützigkeit des Protektors implizierte. Bodin schrieb, dass der Protektor sich »mit der Ehrerbietung und Achtung seines Schützlings« begnügt;

wenn er daraus einen anderen Nutzen ziehe, sei dies keine Protektion mehr.15 Den Schutz eines Fürsten zu erbitten bedeutete daher implizit, von ihm zu erwarten, gute Absichten zu hegen. Manchmal wurde diese Erwartung auch explizit zum Ausdruck gebracht. Dies war zum Beispiel in der Rede vor dem Herzog von Sa-voyen der Fall, mittels derer die nach Turin gereisten Gesandten der Stände der Provence im März 1590 um dessen Protektion baten. Der Redner beklagte darin die Begehrlichkeiten, welche der französische Bürgerkrieg »im ganzen Erdkreis hervorruft, der diesen großen Schiffbruch genau verfolgt, um sich ein Überbleibsel davon zu sichern«16. Demgegenüber pries er, um sie noch besser zu erzwingen,

»die heilige und großherzige Haltung« des Herzogs von Savoyen, »der es der Güte Gottes überlässt, so viele gute Taten zu vergelten«17. Der Redner ließ den Herzog damit wissen, dass seine Protektion keine irdische Entschädigung bräuchte – eine indirekte Art, von ihm einzufordern, ohne jedes Eigeninteresse zu handeln.

Eine mündlich oder schriftlich vorgetragene Bitte um Protektion wurde zu-dem allgemein als ein Mittel angesehen, das Gegenüber davon zu überzeugen, seine Unterstützung zuzusagen. Dieser Zweck wird etwa von einem französischen Botschafter in Venedig 1591 erwähnt. Er berichtete Heinrich IV., dass »die Mar-seiller […] Deputierte [zum Großherzog von Toskana] entsenden in der Hoff-nung […], Geldleistungen erwirken zu können unter dem Vorwand, sich unter seine Protektion begeben zu wollen«18. In dieser Vermutung ist die Idee enthal-ten, dass ein Fürst, den man um seine Protektion bittet, geneigter sei, seine Hilfe zuzusagen. Im Anschluss daran muss man sich fragen, worin dieser potentielle rhetorische Zwang einer Bitte um Protektion bestand. Einen Hinweis zum besse-ren Verständnis liefern jene Stellen bei Bodin, die der Protektion gewidmet sind.

Wenn die Protektion auf eine absichtslose Weise zugesprochen wurde, war sie demnach ein »schöneres, ehrenhafteres und glanzvolleres Recht als alle anderen«19. 15 […] le protecteur se contente de l’honneur et recongnoissance de son adhérant: et s’il en tire autre

proffit, ce n’est plus protection. J. Bodin, Les six livres (Anm. 9), Bd. 1, 152.

16 AGS, Estado, 1268, Nr. 150, fol. 5v, Remonstrance faicte à Son Altesse par les députéz des Estats du pays de Provence, 9.3.1590: […] tout le reste du monde, attentif à ce grand naufrage pour en escumer quelque fragmant.

17 Ebd., fol. 8r–9r: […] la saincte et libérale intention – remettant à la bonté de Dieu la rémuné-ration de tant de bien faictz.

18 BNF, Nouvelles acquisitions françaises 6983, fol.  210r, André Hurault de Maisse an Heinrich IV. Venedig, 25.1.1592: Ceux dudit Marseille […] envoient des députés [au grand-duc de Toscane], en espérant […] d’en tirer de l’argent, sous ombre de se vouloir mettre en sa protection.

19 […] plus beau, plus honnorable et plus magnifique que tous les autres. J. Bodin, Les six livres (Anm. 9), Bd. 1, 152.

Der »weise Fürst« sei »aus hohem und großzügigem Herzen« fähig, die Notwen-digkeit, auswärtigen Untertanen zu gewähren, einzusehen20. Demnach führte die Idee der Protektion einen ganzen Tross von Repräsentationen mit sich, die äußerst schmeichelhaft für den angefragten Fürsten waren: ein Bild von Macht, Barmher-zigkeit und Frömmigkeit. Entsprechend konnte dieser Fürst seinen Schutz gar nicht verweigern, wollte er nicht darauf verzichten, solche Eigenschaften für sich geltend machen zu können21.

Tatsächlich enthalten die Reden, welche die Provenzalen an ihre Gegenüber richteten, zahlreiche Beispiele solcher Schmeicheleien mit zwingender Absicht. So bestätigte der Redner in seiner Ansprache in Turin vom März 1590, dass der Her-zog von Savoyen von Gott mit »seltenen und herausragenden Tugenden, verbun-den mit so viel Großmütigkeit« bedacht worverbun-den sei22. Und etwas später erklärte er in Bezug auf die Übernahme des erbetenen Schutzes: »Durch welche schönere Handlung könnte Ihre Hoheit Ihr Gedenken der Unsterblichkeit anheim geben als durch diese, begleitet von so viel Entlohnung vor Gott, von Ruhm und Ehre vor aller Welt?«23 Diese schmeichelhaften Reden zeugen zugleich von der Fä-higkeit der Bittenden, sich dem imaginären Erwartungshorizont ihrer mächtigen Gegenüber anzupassen. So pries ein provenzalischer Deputierter 1591 beispiels-weise Philipp II., um ihn dazu zu bewegen, seine Unterstützung zuzusagen. Er er-klärte, dass Gott »das Haupt Ihrer Majestät mit so vielen Kronen gekrönt hat, Ihre Hände mit so vielen Szeptern und mit so vielen Siegeszweigen gefüllt und Ihre Majestät vor der gesamten Christenheit zum unantastbaren Asyl erhoben hat, um dessen Schutz alle Bedrängten ersuchen«24. Die Bitte um Protektion wurde dabei als eine Folge der göttlichen Erwählung des Königs von Spanien als politisches Haupt des katholischen Lagers dargestellt, eine Repräsentation, welche durch die spanische Propaganda selbst geprägt wurde25. Der provenzalische Gesandte lud 20 […] sage prince – d’un cœur haut et généreux. Ebd., Bd. 5, 214.

21 Zu den rhetorischen Praktiken von schwachen Akteuren, die darauf abzielen, ein mäch-tiges Gegenüber mit Schmeicheleien gewogen zu stimmen, siehe Louis Marin, Le récit est un piège, Paris 1978.

22 AGS, Estado, 1268, Nr. 150, fol. 8v, Remonstrance faicte à Son Altesse par les députéz des Estats du pays de Provence, 9.3.1590: […] rares et illustres vertus, accompagné de tant de magnanimité et grandeur de courage.

23 Ebd., fol. 10r: […] par quelle plus belle action pourra Votre Altesse consacrer sa mémoire à l’immortalité que par ceste–cy, accompagnée de tant de rétribution devant Dieu, de la gloire et de l’honneur à la veue de tout le monde?

24 ASTo, Corti straniere, Francia, mazzo 1, fasc. 47, Remontrances der Deputierten der Stände der Provence an den König von Spanien, April 1591: […] encouronné le front de Vostre Magesté de tant de couronnes, […] a remply vos mains de tant de septres et de palmes victorieuses, [et] a élevé Votre Majesté à la veue de toutte la Chrestienté, comme un azille sacros-seinct, à la protection duquel tous les affligés accourent.

25 Sylvène Edouard, L’empire imaginaire de Philippe II. Pouvoir des images et discours du

25 Sylvène Edouard, L’empire imaginaire de Philippe II. Pouvoir des images et discours du

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