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Beziehungen der eidgenössischen Orte zur französischen Krone im 18. Jahrhundert

Im Dokument (16. bis frühes 20. Jahrhundert) (Seite 126-140)

Von Andreas Affolter

Am 11. Mai 1777 meldete der Berner Gelehrte Albrecht von Haller seinem Kor-respondenzpartner Eberhard Friedrich von Gemmingen den bevorstehenden Ab-schluss eines neuen Bündnisses zwischen der französischen Krone und den eidge-nössischen Orten. »Sehr nüzlich« sei die neue Allianz, denn:

»Im ersten Zorne hatten unsre k[atholischen] Brüder a[nno] 1715 mit Ludwig XIV, der uns besonders hassete, einen Bund geschlossen, worinn Frankreich […] ein Recht erhielte in alle innerliche Streitigkeiten der Verbündeten sich zu mischen. Dieser be-denkliche Bund wird nun durch den neuen aufgehoben, in welchem beyde Theile bloß versprechen, einander zu vertheidigen«1.

Die neue Allianz zwischen den eidgenössischen Orten und der französischen Krone wurde am 28. Mai 1777 in Solothurn feierlich beschworen und ersetzte das bis dahin gültige Bündnis von 1715, das die katholischen Orte allein mit dem französischen König abgeschlossen hatten2. Für Haller war klar, dass sich die Be-ziehungen zwischen der Krone Frankreichs und den eidgenössischen Orten mit dem neuen Vertrag grundlegend änderten. Indem das 1715 zum Schutz der ge-schwächten katholischen Orte in den Vertrag aufgenommene Interventionsrecht des französischen Königs wegfiel, hörte dieser auf, Schiedsrichter über die inneren Zwistigkeiten der Schweizer zu sein3. An die Stelle des Protektionsverhältnisses trat eine Beziehung, in der sich »beyde Theile bloß versprechen, einander zu ver-theidigen«, in der also hinsichtlich der Hilfsverpflichtungen beide Parteien re-ziproke Pflichten eingingen.

1 Albrecht von Haller an Eberhard Friedrich von Gemmingen, Bern, 11.5.1777. Zit. nach:

Briefwechsel zwischen Albrecht von Haller und Eberhard Friedrich von Gemmingen, hrsg. v. Hermann Fischer, Tübingen 1899 (Reprint: 1979), 118.

2 Ein guter Überblick über die frühneuzeitlichen französisch-eidgenössischen Beziehun-gen in: Andreas Würgler, Symbiose ungleicher Partner. Die französisch-eidBeziehun-genössische Allianz 1516–1798/1815, in: Jahrbuch für Europäische Geschichte 12 (2011), 53–75.

3 Siehe zur Bezeichnung des französischen Königs als Schiedsrichter: Albrecht von Haller an Eberhard Friedrich von Gemmingen, Bern, 5.11.1776: »[…] den besondern Bund […], den die K[atholiken] a. 1715 […] mit Ludwig XIV. machten, und worin sie schwach genug waren, F[rankreich] zum Schiedrichter in den innern Zwistigkeiten der Eidgenossen zu machen.« Zit. nach: Briefwechsel (Anm. 1), 105.

Im Folgenden sollen die eidgenössisch-französischen Beziehungen anhand der beiden Bündnisse von 1715 und 1777 genauer betrachtet werden. Im Vordergrund steht die Frage, inwiefern die stark asymmetrischen Beziehungen als Protektions-beziehungen ausgestaltet und wahrgenommen wurden und wie das Phänomen der Protektion von den beteiligten Akteuren beurteilt wurde. In einem ersten Schritt wird gezeigt, wie sich die katholischen Orte unter dem Eindruck des Zweiten Villmergerkrieges auf die Suche nach einer fremden Schutzmacht begaben und wie die französische Krone diese Funktion übernahm. Zweitens wird das franzö-sische Separatbündnis mit den katholischen Orten genauer betrachtet und danach gefragt, welche konkreten Protektionsbestimmungen in den Vertragstext Eingang fanden. Sodann wird untersucht, ob und in welcher Form Protektionssemantiken auch in der Praxis, in der konkreten diplomatischen Interaktion, verwendet wur-den. In einem vierten Schritt wird auf die Kritik an den Protektionsbestimmungen von 1715 eingegangen und gezeigt, wie es den reformierten Orten gelang, ihre Konzeption der Außenbeziehungen im neuen Bündnis von 1777 durchzusetzen.

I. Der Zweite Villmergerkrieg und das Bedürfnis der katholischen Orte nach fremder Protektion

Im Sommer 1712 endete in der Eidgenossenschaft der Zweite Villmergerkrieg mit dem Sieg der reformierten Orte Zürich und Bern über die fünf katholischen Orte Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug4. Nach der entscheidenden Schlacht bei Villmergen sahen sich die katholischen Verlierer gezwungen, den Frieden von Aarau zu unterzeichnen. Dieser sogenannte Vierte Landfrieden griff radikal ins eidgenössische Verfassungsgefüge ein: Die fünf katholischen Orte wurden von der Mitherrschaft in der Grafschaft Baden und in den Unteren Freien Ämtern ausge-schlossen, während Bern die Mitregierung in der Landvogtei Thurgau, im Rhein-tal, in den Oberen Freien Ämtern und in Sargans zugestanden wurde5.

Angesichts der im Krieg klar hervorgetretenen Übermacht der reformierten Orte und der Furcht vor der Unterdrückung der »Katholizität« begannen die katholischen Orte, sich nach einem mächtigen katholischen Schutzherrn umzu-4 Auf Seiten der fünf katholischen Orte beteiligten sich zudem der Abt von St. Gallen

und die Republik Wallis, auf Seiten der reformierten Orte Neuchâtel, Biel, die refor-mierten Gebiete des Fürstbistums Basel und Genf. Glarus, Freiburg, Solothurn, Basel, Schaffhausen und die Stadt St. Gallen blieben neutral. Für den aktuellen Forschungs-stand zum Zweiten Villmergerkrieg und weiterführende Literaturhinweise siehe die Beiträge im Themenheft: Villmergen 1712 – ein machtpolitischer Bedeutungsverlust für die Zentralschweiz?, in: Der Geschichtsfreund 166 (2013), 9–176.

5 Siehe für die weiteren Bestimmungen des Vierten Landfriedens: Hans Ulrich Bächtold, Art. »Landfriedensbünde – Der 4. Landfrieden von 1712«, in: e-HLS, digital verfügbar:

http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D9807.php, letzter Zugriff: 30.6.2015.

schauen. Bereits im Mai 1712, nach den ersten Kriegserfolgen der Reformierten, wandten sich die katholischen Gesandten an den französischen Botschafter Du Luc und teilten ihm mit, dass sie lieber erneut in den Reichsverband eintreten wollten, als »Sklaven« der beiden protestantischen Orte zu werden6. Der St. Gal-lische Hofkanzler Josef Anton Püntener berichtete dem kaiserlichen Botschafter Trauttmansdorff, der eine und andere der katholischen Gesandten hätte ihm in Baden »per discursum« vermeldet, »man wolte ehenter wie eine freye republique unter frembder Protection leben, als der Zürch[er] und Berner praedominat länger ausstehen«7. Auch in den am Krieg unbeteiligten katholischen Orten Freiburg und Solothurn kamen Forderungen auf, sich »von den Ohrten« zu »separieren« und einen »größeren Herrn« um seinen Schutz zu bitten8.

Mit der Hilfe eines mächtigen katholischen Herrschers hofften die katholi-schen Orte nicht nur, sich zukünftig vor Angriffen der Reformierten zu schützen, sondern auch die Restitution der im Frieden von Aarau abgetretenen Gebiete zu erlangen. Die Verhandlungen, die diesbezüglich mit dem kaiserlichen Gesandten Franz Ehrenreich von Trauttmansdorff geführt wurden, blieben ergebnislos9, wo-mit die Wiederbelebung des »reichsrechtlichen Modells« gescheitert war10. Vom französischen Ambassador kamen hingegen aussichtsvollere Signale. Du Luc be-teuerte den katholischen Orten, dass der Friede von Aarau nicht der endgültige Verlust ihrer Gebiete bedeuten müsse. Der französische König werde nicht nur ihren Glauben und ihre Unabhängigkeit garantieren, sondern ihnen auch helfen, ihre früheren Besitzungen zurückzugewinnen11. An einer Konferenz der katholi-schen Orte im Dezember 1713 machte der Ambassador den Gesandten den Vor-schlag, ihre Allianz mit der Krone zu erneuern, um ihnen dadurch zur Restitution 6 […] il leur seroit plus avantageux de redevenir membres de l’Empire qu’esclaves des deux

Can-tons Protestants; qu’au moins ils se maintiendroient dans la Religion pour laquelle ils estoient touts résolus de périr. Charles-François de Vintimille, Comte Du Luc, an Ludwig XIV., 9.5.1712. Zit. nach: Fredy Gröbli, Ambassador Du Luc und der Trücklibund von 1715.

Französische Diplomatie und eidgenössisches Gleichgewicht in den letzten Jahren Lud-wigs XIV., 2 Bde., Basel/Stuttgart 1975, Bd. 2, 57.

7 BAR, Wien, Bd.  28, Fasz.  142, fol.  46r, Franz Ehrenreich von Trauttmansdorff an Karl VI., Waldshut, 27.7.1712.

8 Thomas Lau, »Stiefbrüder«. Nation und Konfession in der Schweiz und in Europa (1656–

1712), Köln 2008, 277–278. Kurz vor dem Abschluss der Friedensverhandlungen brach-ten die katholischen Gesandbrach-ten in ihrer Verzweiflung und Enttäuschung einen noch radikaleren Vorschlag ein. Sie boten dem französischen Ambassador an, sich dem König und mit dessen Einwilligung auch dem Kaiser zu unterwerfen. Die beiden Herrscher hätten die Eidgenossenschaft mit der Reuss als Grenze unter sich aufteilen sollen. Du Luc lehnte diesen Vorschlag jedoch ab, siehe F. Gröbli, Trücklibund, Bd. 1 (Anm. 6), 149–150.

9 F. Gröbli, Trücklibund, Bd. 1 (Anm. 6), 162 f.

10 T. Lau, Stiefbrüder (Anm. 8), 277 f.

11 F. Gröbli, Trücklibund, Bd. 1 (Anm. 6), 161.

zu verhelfen12. Die Proposition wurde gut aufgenommen und nach längeren Ver-handlungen konnten die katholischen Gesandten und Du Luc das neue Bündnis zwischen den katholischen Orten und der französischen Krone am 9. Mai 1715 in Solothurn beschwören13.

II. Das Separatbündnis von 1715 als Schutzbündnis

Mit dem Bündnis von 1715 traten die katholischen Orte in ein Schutzverhält-nis mit der französischen Krone. Nach Vorstellung der Katholiken sollte sie ihr Schutzherr vor weiteren Angriffen der Reformierten behüten und ihnen die Res-titution der verlorenen Gebiete verschaffen. Beide Forderungen versprach die Al-lianz von 1715 mit der französischen Krone zu erfüllen.

Die wichtigsten Schutz- und Hilfebestimmungen für die Katholiken finden sich im fünften Artikel des Vertrags14. Dieser regelte die Beistandspflichten des Kö-nigs sowohl bei einem Angriff auf die Eidgenossenschaft durch eine fremde Macht als auch bei inneren Unruhen zwischen den eidgenössischen Orten. Im ersten Fall verpflichtete sich der König, den Eidgenossen militärisch beizustehen, falls er von ihnen darum ersucht wird. Im zweiten Fall, also bei einem erneuten Bürgerkrieg zwischen den Orten, wollte der König auf Ersuchen des »bedrängten Theils« zuerst

»fründliche officien anwenden«, um die Parteien dazu zu bewegen, sich gegenseitig Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Sollte dies nicht zum Ziel führen,

»werden Ihro May[estät], wie auch die Könige derro Nachfahrere, […] die von Gott Ihro gegebene Macht in Ihren aigenen Costen anwenden umb dem belaidiger zu ver-pflichten sich widerumb denen Reglen, welche in den Pündtnussen, so die Orth, und verpündete under Ihnen haben, vorgeschriben seind, zu underwerffen«15.

Weiter wurde festgehalten, dass der König die Garantie der Verträge übernimmt, die nach einem Bürgerkrieg zwischen den Orten ausgehandelt würden.

Der französische König verpflichtete sich also nicht nur, seine Bündnispartner vor äußeren Feinden zu schützen, sondern auch, im Falle von Auseinanderset-zungen zwischen den Orten, die Rolle des Schiedsrichters zu übernehmen und dazu bei Bedarf mit Waffengewalt in der Eidgenossenschaft einzugreifen. Der 12 Ebd., 194 ff.

13 Zum genauen Ablauf der Verhandlungen siehe die ausführliche Darstellung in: ebd., 181–260.

14 Der Vertragstext ist abgedruckt in: Die Eidgenössischen Abschiede aus dem Zeitraume von 1712 bis 1743, bearbeitet von Daniel Albert Fechter (Amtliche Sammlung der äl-teren Eidgenössischen Abschiede, Bd. 7, Abt. 1), Basel 1860, 1361–1378, Art. 5: 1364–

1365.

15 Eidgenössische Abschiede 7/1 (Anm. 14), 1365.

unbestimmt gehaltene fünfte Artikel wurde durch einen geheimen Zusatzartikel ergänzt, in dem sich der König verpflichtete, auf die Restitution der katholischen Orte hinzuarbeiten. Insbesondere wurde festgehalten, dass Bern und Zürich erst dann in das neue Bündnis aufgenommen werden sollten, wenn sie den Katholiken die eroberten Gebiete zurückgegeben haben würden. Im Falle einer militärischen Intervention der Krone in der Eidgenossenschaft sollten zudem französische Ge-neräle die französischen und die katholischen Truppen kommandieren und die dabei gemachten Eroberungen den katholischen Orten zufallen16.

Für die Zusicherung der Protektion und die Aussicht auf Restitution waren die katholischen Orte bereit, der Krone weitgehende Zugeständnisse zu machen17. Sie verpflichteten sich unter anderem, dass ihre Soldtruppen auch zur Rückerobe-rung von ehemals französischem Gebiet eingesetzt werden konnten, und erklärten sich bereit, dem König, wenn er selbst den Oberbefehl über seine Truppen führte, ohne Einschränkungen zu folgen. Weiter verstärkt wurde die Abhängigkeit von Frankreich durch die unbegrenzte Dauer der Allianz und das Verbot, einen Son-derfrieden einzugehen18.

Mit dem Vertrag von 1715 stellten sich die katholischen Orte unter den Schutz der französischen Krone und setzten den König als Schiedsrichter in innereidge-nössischen Konflikten ein. Welche Bedeutung in der Folge die Kategorie »Protek-tion« für die beiden Vertragspartner in der Praxis aufwies, soll im nächsten Kapitel betrachtet werden.

III. Protektionssemantiken in der diplomatischen Interaktion Nachdem Du Luc nach der Erneuerung der Allianz im Sommer 1715 aus der Eidgenossenschaft abgereist war, entsandte die Krone mit Marquis d’Avaray einen neuen Ambassador nach Solothurn. Anlässlich seiner Legitimationstagsatzung begaben sich die katholischen Gesandten in corpore zu ihm, um ihre Anliegen vorzubringen:

»Sie sprachen mir von der im Monat Mai 1715 erneuerten Allianz, vom Reversbrief und den Verpflichtungen, die der verstorbene König [Ludwig XIV.] mit ihnen ein-gegangen ist, und sie ersuchten mich, Ihre Majestät demütig zu bitten, ihnen seine Protektion zuzugestehen, und ihnen die Früchte davon rasch zu spüren zu geben«19. 16 Der Vertragstext ist abgedruckt in: Eidgenössische Abschiede 7/1 (Anm. 14), 1379–

1381. Vgl. zudem Andreas Fankhauser, Art. »Trücklibund«, in: e-HLS, digital verfügbar:

http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D17200.php, letzter Zugriff: 30.6.2015.

17 F. Gröbli, Trücklibund, Bd. 1 (Anm. 6), 261.

18 Ebd., 291. Für die einzelnen Artikel des Vertrags: 291–301.

19 MAE, CP Suisse, Bd. 269, fol. 41v–42r, Claude-Théophile de Bésiade, Marquis d’Avaray, an Ludwig XV., Solothurn, 30.4.1717: Ils me parlèrent de l’alliance renouvelée au mois de

Auf der nächsten Tagsatzung in Baden im Juli 1717 kamen die katholischen Deputierten erneut zum Ambassador und erläuterten, dass sie bezüglich der Restitution allein auf die Protektion des Königs bauten20. Auch im Kontext von Komplimentierungsschreiben an den König empfahlen die Katholiken »ihre un-terdrückte Katholizität« der Protektion Seiner Majestät21.

Neben den Obrigkeiten richteten sich auch einzelne katholische Magistraten wiederholt mit der Bitte um Protektion ihrer Orte an den Ambassador. Johann Josef Dürler, der spätere Schultheiß von Luzern, bat d’Avaray um Schutz für die Katholiken, um sie vor einer »vollständigen Unterdrückung« zu bewahren22. Josef Ulrich Tschudi gab in einem Brief an den Ambassador seiner Hoffnung Ausdruck, der König werde aufgrund der Allianz von 1715 den katholischen Orten seine Protektion bewahren23.

Der Begriff »Protektion« gehörte somit im Kontext der ungünstigen Lage der Katholiken nach 1712 zum festen Bestandteil der schriftlichen und mündlichen Kommunikation zwischen dem Ambassador beziehungsweise dem König und den katholischen Obrigkeiten und Magistraten. Wenn dabei die Bitte um Protektion in den erwähnten Beispielen in einem klaren Zusammenhang mit den Bündnis-pflichten von 1715 und den Restitutionsbegehren der katholischen Orte steht, lässt sich die Verwendung von Protektionssemantiken bei den Katholiken jedoch auch in einem weiteren Sinn beobachten. So legte beispielsweise der Kleine Rat von Solothurn alljährlich dem Ambassador sein Neujahrskompliment ab und verlieh dabei dem Wunsch Ausdruck, sich durch seinen Eifer und Respekt die Gunst und die Protektion des Königs zu verdienen24. Die Bitte um die nicht weiter

konkreti-Mai 1715, de la Reversale, et des engagemens pris avec eux par le feu Roi, ils me prièrent, Sire, de supplier tres humblement V. M. de leur accorder sa protection, et de leur en faire ressentir de prompts effets.

20 BAR, Paris Archi, Bd. 168, 295.4, Claude-Théophile de Bésiade, Marquis d’Avaray, an Ludwig XV., Baden, 12.7.1717: […] qu’ils n’attendent rien que de la protection de Vostre Majesté lorsqu’ils sont venus chacun en particulier prendre congé de moi, suivant l’ancien usage.

21 BAR, Paris Archi, Bd. 174, 414.1–414.2, Schultheißen, Landammänner und Räte der katholischen Orte der Eidgenossenschaft an Ludwig XV., Luzern, 5.10.1725: Nous re-commandons notre Catholicité oppressée aux bonnes graces et à la puissante protection de votre Majesté.

22 MAE, PA-AP 460, Bd. 8, fol. 918r–v, Johann Josef Dürler an Claude-Théophile de Bé-siade, Marquis d’Avaray, Luzern, 27.3.1720: Je me contenterai de la [Son Excellence, den Ambassador] supplier tres humblement de vouloir bien continuer aux Catholiques sa haute Pro-tection, et leurs éviter une oppression entière.

23 MAE, PA-AP 460, Bd. 30, fol. 4989v, Josef Ulrich Tschudi an Claude-Théophile de Bésiade, Marquis d’Avaray, Glarus, 29.8.1726: […] j’espere que tout ira bien et […] qu’en vertu de l’alliance de 1715 [le Roy] conservera sa protection à nous et à touts les L. Cantons cath[oliques].

24 BAR, Paris Archi, Bd. 172, 144.1, Claude-Théophile de Bésiade, Marquis d’Avaray, an Ludwig XV., Solothurn, 2.1.1722: Je receus hier le Compliment de Mess[ieurs] de Soleure sur

sierte Protektion des Königs in Verbindung mit Eifer- und Respektsbekundungen erinnert hier stark an die Rhetorik eines Klienten gegenüber seinem Patron25. Im Falle der Beziehungen der katholischen Orte zur französischen Krone fließen ver-traglich geregelte Protektion und informelle Patronage somit ineinander und sind nicht immer klar zu unterscheiden26.

Auch auf Seiten der französischen Akteure lässt sich die Verwendung von Pro-tektionssemantiken nachweisen. So wird etwa in den Instruktionen der Ambas-sadoren der Protektionsbegriff wiederholt zur Beschreibung der Beziehungen der Krone zu den katholischen Orten gebraucht27. In der Interaktion mit katholischen Magistraten fand der Begriff ebenfalls Verwendung. Ludwig XV. beauftragte sei-nen Ambassador d’Avaray, die katholischen Tagsatzungsgesandten davon zu über-zeugen, dass sie sich auf seine Protektion verlassen könnten28. Dazu beteuerte d’Avaray seinen katholischen Vertrauenspersonen schriftlich29 und mündlich30, dass ihre Orte auf die Protektion des Königs zählen könnten.

la nouvelle année. Le petit Conseil vint en corps chez moi, suivant l’usage pour renouveller les assurances des vœux que cet Etat fait continuellement pour la précieuse conservation de votre Majesté, et du desir qu’il a de meriter par un zele et un respect inviolables la continuation de vos bontés, Sire, et de votre protection.

25 Ähnlich auch: BAR, Paris Archi, Bd.  171, 291.1–291.2, Landammann und Rat von Schwyz an Ludwig XV., Schwyz, 18.9.1721: Cependant nous recommandons à la protection de V. M. R. les interets de notre Etat en général et en particulier et demeurons avec un très profond et très humble dévouement de V. M. R. notre très bénin Seigneur et allié, tres humbles et tres fidèles serviteurs et alliez.

26 Vgl. zur Ähnlichkeit von Protektion und Patronage in Außenbeziehungen Anuschka Tischer, Art. »Protektion«, in: Enzyklopädie der Neuzeit, im Auftrag des Kulturwissen-schaftlichen Instituts (Essen) hrsg. v. Friedrich Jäger, 16 Bde., Stuttgart/Weimar 2005–

2012, Bd. 10, Sp. 471–474.

27 Siehe etwa die betreffenden Abschnitte in den Instruktionen für die Ambassadoren Claude-Théophile de Bésiade, Marquis d’Avaray; Jean-Louis d’Usson, Marquis de Bonnac; Anne-Théodore Chevignard, Chevalier de Chavigny in: Georges Livet (Hrsg.), Suisse, Bd. 1, Les XIII cantons, avec une introduction générale et des notes (Recueil des instructions données aux ambassadeurs et ministres de France, 30), Paris 1983, 210 f.;

252 f.; 316.

28 BAR, Paris Archi, Bd.  169 (MAE, CP Suisse, Bd.  273), 290.3, Ludwig  XV. an Claude-Théophile de Bésiade, Marquis d’Avaray, Paris, 16.4.1717.

29 MAE, PA-AP 460, Bd. 9, fol. 981r, Johann Joseph Dürler an Avaray, Luzern, 9.9.1717:

V. E. marque très bien dans sa gracieuse Lettre du 7e de ce mois que les Cantons Catholiques doivent compter sur la Protection du Roy et s’attacher de plus en plus à sa Majesté.

30 MAE, PA-AP 460, Bd. 41, fol. 144r, Johann Joseph Dürler an Claude-Théophile de Bésiade, Marquis d’Avaray, Luzern, 7.3.1725: Le fidel rapport [der Audienz bei Avaray, Anm. A. A.] que j’ai fait à mes Seig[neu]rs Sup[érieu]rs de la protection du Roy et des disposi-tions genereuses et avantageuses de V. E. pour le bien de la Patrie, les a penetrés de la plus vive reconnaissance et calmé entierement leurs esprits agités et impatiens.

Vor einem gesamteidgenössischen Publikum verzichtete die Krone hinge-gen bewusst darauf, als Schutzmacht der Katholiken aufzutreten. Da der König wünschte, die reformierten Orte ebenfalls in das Bündnis aufzunehmen31, musste vielmehr jeder Eindruck von Parteinahme für die Katholiken vermieden werden.

Der Ambassador wurde deshalb instruiert, in konfessioneller Hinsicht möglichst unparteiisch zu agieren und nicht den Eindruck zu erwecken, der König wolle sich zum Richter zwischen den Konfessionen aufschwingen32. Aus Rücksicht auf die reformierten Orte trat die Krone also nur sehr zurückhaltend als Protektions-macht auf. Dennoch musste sie bald erkennen, dass die Reformierten nicht gewillt waren, den Vertrag so zu übernehmen, wie ihn die Katholiken unterzeichnet hat-ten. Dabei standen weniger die Furcht vor einer französischen Bevorzugung der katholischen Orte als vielmehr grundsätzliche Bedenken gegenüber der Protek-tor- und Schiedsrichterrolle des französischen Königs im Vordergrund.

IV. »Freye Republiquen unter fremder Protection«? Kritik an den Protektionsbestimmungen und das Bündnis von 1777

Der fünfte Artikel des Vertrags von 1715 erhob den französischen König zum Schiedsrichter in innereidgenössischen Streitigkeiten und verlieh ihm das Recht, zugunsten der bedrängten Partei die Waffen zu ergreifen. Wären die reformierten Orte dem Bündnis von 1715 beigetreten, hätten auch sie im Falle eines Übergrif-fes äußerer und innerer Feinde den Schutz des Königs beanspruchen können, da

Der fünfte Artikel des Vertrags von 1715 erhob den französischen König zum Schiedsrichter in innereidgenössischen Streitigkeiten und verlieh ihm das Recht, zugunsten der bedrängten Partei die Waffen zu ergreifen. Wären die reformierten Orte dem Bündnis von 1715 beigetreten, hätten auch sie im Falle eines Übergrif-fes äußerer und innerer Feinde den Schutz des Königs beanspruchen können, da

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