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2 Literaturübersicht

2.1 Kryosensitivität von Zellen

2.1.2 Zellschäden durch Kryokonservierung

2.1.2.1 Kälteschock

Kälteschock ist definiert als ein permanenter Schaden, der durch das Herabkühlen auf niedrige, nicht aber Gefrier-Temperaturen entsteht (GHETLER et al. 2005).

Werden Spermien von +20° C auf +1° C gekühlt, so vo llziehen sich an ihnen ab einer Temperatur von +15° C zum Teil irreversible V eränderungen (WATSON 2000).

Studien ergaben, dass kälteschockbedingte Veränderungen bei equinen Spezies insbesondere in einem Temperaturbereich von 19° C b is 8° C auftreten (MORAN et al. 1992).

Hinweisgebend dafür, dass eine derartige Schädigung der Spermien stattgefunden hat, sind der Verlust der Membranintegrität und der Zellfunktion (BWANGA et al.

1991), eine Motilitätsabnahme und abnorme Bewegungsmuster der Spermatozoen, sowie der Verlust der Akrosomintegrität (WATSON 2000). Der Zellmetabolismus sinkt und es kommt zu einem Verlust von Lipiden (DARIN-BENNETT et al. 1973).

Durch den Kälteschock werden die Membransysteme der Spermatozoen wesentlich in Mitleidenschaft gezogen. Es treten Veränderungen an der Membranstruktur und somit auch der Membranintegrität auf (ARAV et al. 1996, ZERON et al. 1999).

Üblicherweise zeichnen sich Membranen durch eine von Zelltyp zu Zelltyp unterschiedliche hohe Fluidität aus. Dabei beeinflussen zwei Faktoren im Wesentlichen die Membranfluidität. Zum einen wird sie durch den relativen Gehalt an Phospholipiden und Cholesterol beeinflusst. Ein hoher Anteil an Phospholipiden bedeutet auch eine größere Membranfluidität, während ein hoher Cholesterol-Anteil zur Stabilisierung der Membran beiträgt. Zum anderen wird die Membranfluidität

durch die Temperatur beeinflusst. Die Abkühlung der Membran hat eine Formveränderung der Phospholipide zur Folge, welche den Phasenübergang vom flüssigen zum kristallinen Zustand bedingt. Die Streckung der Fettsäuren verursacht eine Zusammenballung der Phospholipide. Die Temperatur, bei der der Phasenübergang einer Membran eintritt, ist abhängig von der Struktur ihrer Lipide.

Je länger die Fettsäureketten sind, desto höher ist die für den Phasenübergang nötige Temperatur. Da die Lipidklassen einer Membran unterschiedliche Phasenübergangstemperaturen besitzen, erreichen während des Prozesses der Kühlung einige Membranregionen bereits einen kristallinen Zustand, während sich andere Regionen noch in einem flüssigen Stadium befinden. In dem kristallinen Zustand der Membran ist es den Molekülen nicht möglich, sich in der Membran frei zu bewegen. In den noch flüssigen Membranregionen kommt es zu einer Aggregation integraler Proteine, was eine erhöhte Membranpermeabilität zur Folge hat, ein Umstand, der den Verlust metabolischer Funktionen nach sich zieht (AMANN und PICKETT 1987).

Die an die Phospholipide gelagerten Fettsäurereste bilden eine hydrophobe Barriere, durch die Wasser und gelöste Stoffe nur mit Schwierigkeiten diffundieren können.

Üblicherweise ist die Passage hydrophiler Moleküle also nur über Kanäle in der Zellmembran möglich und wird dementsprechend in Membranregionen, die keine derartigen Kanäle oder Poren aufweisen, nicht beobachtet. Wird die Membran geschädigt, so kommt es zu einer Umstrukturierung der Phospholipide. Dadurch wird eine Passage von Molekülen ermöglicht, die physiologischerweise nicht, oder nur in einem geringen Maße möglich wäre (AMANN und PICKETT 1987).

Die unter physiologischen Bedingungen relativ gleichmäßig in der Membran verteilten Phospholipide garantieren ein gewisses Maß an Stabilität. Diese Verteilung entspricht jedoch nicht ihrer eigentlichen Affinität. So haben Phosphatidylcholin und Sphingomylin eine Affinität zur äußeren Schicht der Lipiddoppelschicht, während Phosphoethanolamin eine Affinität zur inneren Schicht besitzt. Während des Kühlprozesses kann es zu einer Manifestation dieser Affinitäten kommen, so dass

die Phospholipide eine hexagonale Anordnung annehmen können (Hexagonal-II-Phasen). Diese Veränderungen führen zu einer Störung der Funktion und der Permeabilität der Membran (HAMMERSTEDT et al. 1990).

A planare Konfiguration

B Hexagonale Konfiguration

Abb. 2.2: Schematische Darstellung polymorpher Phasen von Lipiden in biologischen Membranen (nach HAMMERSTEDT et al. 1990)

A planare Konfiguration: hydrophile Kopfgruppen nach außen gerichtet, hydrophobe Kohlenwasserstoffketten nach innen gerichtet; die Membran wirkt dadurch als Barriere für polare Moleküle B Hexagonal-II-Phase: zylindrische Anordnung, bei der die hydrophilen Kopfgruppen nach innen und die hydrophoben Kohlenwasserstoffketten nach außen gerichtet sind; die Membran bildet so nur eine schwache Barriere für polare Moleküle. Einige Phospholipidklassen in Spermienmembranen bilden die Hexagonal-II-Phasen nach Kälteschock

Phospholipide und Cholesterol

Fettsäureketten

Fettsäureketten

Phospholipide und Cholesterol

In den kristallinen Domänen der gekühlten Membran ist es zur Aggregation von Lipiden mit ähnlicher Struktur gekommen, die zuvor zufällig in der Membran verteilt waren. Dadurch wird ihr Vermögen zur Interaktion mit assoziierten Proteinen und anderen Lipiden beeinflusst. Die Verbindungsstellen der bereits kristallinen und der noch flüssigen Regionen der Membran stellen Schwachpunkte dar, die anfällig für Fusion und Ruptur sind und permeabel für Ionen werden können (HAMMERSTEDT et al. 1990).

Am Spermienkopf sind zunächst eine Schädigung der Plasmamembran und dann eine Schädigung der Akrosommembran zu bemerken. WATSON et al. (1987) konnten eine messbare akrosomale Expansion oder Schwellung darstellen, die hinweisgebend dafür ist, dass es in diesem Bereich zu einer Läsion der Membran gekommen ist, da Zellmembranen unter physiologischen Bedingungen nicht dehnungsfähig sind. Die akrosomale Membran wird während der Kühlung Prozessen unterworfen, die denen der Akrosomreaktion ähneln. Ursächlich dafür ist die intrazelluläre Akkumulation von Kalzium. Diese ist auf eine bei herabgesetzter Temperatur verminderte Aktivität ATP-abhängiger Pumpen zurückzuführen. So arbeitet die Natrium-Kalium-Pumpe nicht so effektiv, wie dies bei Körpertemperatur der Fall ist, was in der Konsequenz zu einer intrazellulären Anhäufung von Natrium führt, während die Konzentration an Kalium sinkt. Durch diese Vorgänge kommt es wahrscheinlich zu einer partiellen Depolarisation der Zelle, in der Folge zum Öffnen spannungsabhängiger Kalzium-Kanäle und damit zu einem Kalzium-Einstrom in die Zelle (WATSON 2000). Möglicherweise führt die intrazelluläre Ansammlung von Kalzium zur Aktivierung der Phospholipase und damit zu einer vermehrten Hydrolyse von Phospholipiden, was wiederum zusammen mit der damit einhergehenden Ansammlung freier Fettsäuren zu einer erhöhten Permeabilität der Membranen von Mitochondrien und Zellen führen kann. Die Membranpermeabilität wurde bereits durch die Veränderung der Lipidstruktur erhöht. Die Verschiebung der Ionenverhältnisse verstärkt diesen Einfluss noch. Die Folge dieser Prozesse ist der Zelltod (AMANN und PICKETT 1987). Die intrazelluläre Kalziumakkumulation hat

Kapazitationszeit kryokonservierter Spermien verkürzt sich, einhergehend mit Veränderungen in der Architektur der Membranlipide, der Permeabilität der Membran und einer reduzierten Effektivität homöostatischer Enzyme. Diese kapazitationsähnlichen Veränderungen können einen Einfluss auf die Interaktion der Spermien mit den epithelialen sowie den Immunzellen des weiblichen Genitaltraktes nehmen und so nachfolgend ihre Fertilität beeinflussen (WATSON 2000).

Auch die mitochondrialen Membranen werden durch den Abkühlungsprozess in Mitleidenschaft gezogen. Die Schädigung der Mitochondrien bedeutet eine Beeinträchtigung des Energiestoffwechsels der Spermatozoen. Auf den entstehenden Energiemangel kann der Abfall der Motilität zurückgeführt werden (WATSON 2000).

Zu den genannten Veränderungen kommen peroxidative Schädigungen (AITKEN 1995), für die die Spermienmembranen aufgrund ihres hohen Gehaltes an ungesättigten Fettsäuren (PARKS und LYNCH 1992) besonders empfänglich sind.

ALVAREZ und STOREY (1992) wiesen einen mit dem Prozess der Kryokonservierung zusammenhängenden Rückgang der Aktivität des Enzyms Superoxid Dismutase nach, welches für den Schutz vor Lipid-Peroxidation notwendig ist.