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Auch für die Jüngsten Lernsituationen in der Kita schaffen

Im Dokument OPUS 4 | Was brauchen die Kleinen? (Seite 47-51)

Krippen-Team der Integrationskinderta-gesstätte „Am Schlosspark“ in Oranien-burg

Karin Knorr, Evelyn Banzhaf, Harried Reher, Andrea Hoffer, Jeanette Birkner und Sylvia Rabensdorf

Seit 1991 besteht unsere Kita „Am Schloss-park“ in Oranienburg. Sie ist eingebettet in eine Wohnsiedlung von vierstöckigen Häu-sern und grenzt außerdem an einen wunder-schönen großen Park, den wir leider zurzeit nicht betreten dürfen, da er für die Landes-gartenschau im Jahr 2009 umgestaltet wird.

Unsere Kita bietet Regel- wie Integrationskin-dern im Alter von drei Monaten bis zwölf Jah-ren einen Platz an. Die Gesamtkapazität liegt bei 250 Plätzen (Kinder von 1 bis 10 Jahren, darunter 27 Integrationskinder), 32 Erziehe-rinnen und ein Erzieher arbeiten hier. Wir haben das große Glück, dass bei uns noch gekocht wird in unserer eigenen Küche.

Im Krippen-Team der Integrationskinderta-gesstätte sind sechs Erzieherinnen. Sie ar-beiten jeweils 32 Stunden in der Woche in zwei Klein-Teams. In den beiden Gruppen werden von uns je 18 Kinder im Alter von drei Monaten bis zum dritten Lebensjahr betreut und gefördert. Der überwiegende Teil der Kinder bleibt bis zu zehn Stunden täglich bei uns, das heißt, wir sechs Erzieher decken pro Tag die Zeit von 6.30 bis 17.30 Uhr ab.

Die Krippenpädagogik ist in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt und wird endlich wieder als Bestandteil von Bildungseinrichtung wahrgenommen. Diese öffentlich geführte Diskussion hatte und hat für uns natürlich Konsequenzen. Wir nahmen und nehmen unser pädagogisches Konzept unter dem Gesichtspunkt der stetigen Qualitätsentwick-lung erneut unter die Lupe. Wir betrachteten und betrachten die verschiedenen Qualitäts-dimensionen, dazu gehören die Strukturqua-lität, die Rahmenbedingungen, die der Praxis vorgegeben und vorwiegend politisch regu-lierbar sind. Außerordentlich wichtig ist für uns Erzieherinnen die Betrachtung der Prozessqualität, das heißt die Dynamik des pä -dagogischen Geschehens in unserem Krip-penbereich. Genauso wichtig ist es für uns, sich immer wieder die Orientierungsqualität in unserem Krippenbereich zu betrachten, das heißt in den Austausch über Erziehungs-einstellungen und Bildungsziele zu gehen.

Wenn wir uns die Entwicklung der Krippen-pädagogik ansehen, stellt sich uns die Frage:

Was hat sich eigentlich verändert? Was ist heute „neu“? In der Öffentlichkeit und auch innerhalb unseres Teams im Hause kam in der Vergangenheit oft die Bemerkung „na, ihr da mit den Kleinen, was macht ihr schon“ und das, obwohl auch schon unser „altes“ Bil-dungsprogramm für unsere Jüngsten einen Bildungsanteil vorsah. Ebenso hier hatten wir die Aufteilung nach Bildungsbereichen. Die Beobachtung und Dokumentation gehörten

genauso wie die Durchführung von Entwick-lungsgesprächen zu unseren Aufgaben.

Was also hat sich verändert? Wir meinen, die Sichtweise auf das Kind hat sich grundle-gend verändert, und wir mussten für uns den Begriff „Zeit“ neu definieren. Früher war der Tagesablauf streng nach der Uhr geregelt.

Die Kinder wie auch wir Erzieherinnen hatten den Tagesablauf nach den Vorgaben, die uns das „alte“ Bildungsprogramm vorgab, abzu-arbeiten. Der Begriff „Zeit“ bedeutete, nach der Uhr zu leben. Von uns und den Kindern wurde zu bestimmten Zeiten ein bestimmtes Handeln und Lernen erwartet, damit verbun-den war die Erfüllung einer klaren Zielvorga-be.

Eigentlich begann unsere Auseinanderset-zung mit dem „ Neuen“ erst so richtig, nach-dem zwei Kolleginnen von uns an einer Weiterbildung beim Berliner Institut für Frühpä -dagogik zu dem Thema „Emmi Pickler – Im-pulse für die Arbeit mit 0-3-jährigen Kindern“

teilnahmen. Die beiden Kolleginnen kamen mit einer Fülle von Informationen zurück ins Team und weckten unsere Neugier. Wir setz-ten uns zusammen und überlegsetz-ten: Wie ist unser Tagesablauf eigentlich gestaltet? Was tun wir? Was ist uns wichtig? Was bedeutet es für uns, wenn das Kind sich „selbstbe-stimmt“ seine Lernaufgaben suchen darf?

Was alles müssen wir lassen, weglassen und zulassen? Eine Fülle von Fragen gab es.

Schnell wurde uns klar, dass wir unsere Überlegungen zügig in die Praxis umsetzen mussten, um uns nicht im Diskutieren zu ver-lieren und um anhand der Reaktionen der

Kinder und Eltern eine Bestätigung oder Kor-rektur unseres Handelns zu erfahren.

Wenn wir dem Kind störungsfreie Lernsitua-tionen schaffen wollen, müssen wir uns erst einmal anschauen, was ein Kind zum Lernen alles benötigt. Es benötigt zum Beispiel eine tragfähige Bindung zur Erzieherin und es muss sich in der Krippe geborgen, sicher und wohlfühlen können, und die Raumgestaltung sollte vielseitig und anregend sein.

Uns wurde klar, dass wir Erwachsenen am Anfang, während der Eingewöhnungszeit, die Basis dafür schaffen. In der Zeit können wir Großen uns kennenlernen und austau-schen mit dem Ziel einer vertrauensvollen und partnerschaftlichen Zusammenarbeit.

Also haben wir uns den Ablauf unserer Ein-gewöhnung noch einmal genauer angese-hen. Aus unserer Erfahrung heraus wün-schen sich die Eltern von uns vor allem eine liebevolle Zuwendung und Geduld ihren Kin-dern gegenüber. Bei dem „Erstgespräch“

legen wir besonderen Wert darauf, den Eltern anhand des Tagesablaufs unsere Arbeit transparent zu machen. Wir laden sie ein, uns bei den einzelnen Tagesstationen von den Gewohnheiten und Bedürfnissen ihres Kindes zu erzählen. Hier wird dann auch schon deutlich, mit welchen Ängsten und Un-sicherheiten manche Eltern kommen, aber auch welche Erwartungen sie an uns stellen und worauf sie besonderen Wert legen.

Gerade an dieser Stelle des „Bekanntma-chens“ lassen wir den Eltern und uns viel

Zeit. Vorbehalte und Fragen der Eltern neh-men wir ernst, das schafft Vertrauen. Jeder folgende Tag in der Eingewöhnungsphase wird von uns mit einem persönlichen Ge-spräch beendet. Die Eltern erleben, dass wir ihre Kinder sehen und Besonderheiten ihres Kindes wahrnehmen. Wir fragen nach, wie sich ihr Kind jetzt zu Hause verhält, und es wächst langsam gegenseitiges Vertrauen zwischen uns Erwachsenen, und so kann sich Schritt für Schritt eine tragfähige Bin-dung/Beziehung entwickeln. Immer deutli-cher wird für uns, wie groß der Bedarf der El-tern an Austausch und Unterstützung ist.

Fragen wie: „Wann soll ich mit der Erziehung zur Sauberkeit beginnen und wie mache ich das?“ oder: „Was darf mein Kind essen?

oder: Ist mein Kind altersgemäß entwickelt, habe ich etwas versäumt?“ zeigen uns, hier müssen wir für die Eltern Möglichkeiten schaffen, miteinander ins Gespräch zu kom-men. Elternabende und kurze Gespräche zwischen Tür und Angel reichen bei Weitem nicht mehr aus. Wir werden hier mit unseren Eltern gemeinsam nach Lösungen suchen.

Nun rückte das Thema „Raumgestaltung“ für uns in den Mittelpunkt. Wir begannen, unsere Räume „mit anderen Augen“ zu betrachten, das heißt, wir begannen zu räumen, trennten uns von dem einen oder anderen Möbel-stück, von einigen schweren Herzens, und ordneten vorhandenes Material in den unter-schiedlichen Bereichen neu zu. Nach jeder Räumaktion waren wir gespannt auf die Re-aktion unserer Kinder. Mit Freude sahen wir, womit wir die Neugier der Kinder wecken

konnten, welche Herausforderungen wir für sie schaffen mussten und leiteten davon ab, welcher Schritt der nächste sein könnte.

Ein Schwerpunkt hat sich entwickelt: Raum schaffen für Bewegung. Im Laufe der Zeit konnten wir uns Schaukel, Strickleiter, Spros-senwand und ein Podest mit mehreren Stu-fen anschafStu-fen. Am Anfang waren wir ein wenig abwartend und unsicher. Wie würden unsere Kinder diese Geräte hier im Raum an-nehmen und ist das überhaupt schon etwas für die Jüngsten? Die Kinder haben uns über-zeugt, wie sie sich diese Geräte erschlossen haben. Wir mussten sie einfach nur lassen.

Heute sehen wir dem Kind in seinem Tun eher zu. Wir lassen ihm möglichst die Zeit, die es benötigt, um seinem Interesse und Be-dürfnis nachgehen zu können und sich mit Lust und Spaß ein Bild von der Welt zu ma-chen. Seine Bedürfnisse stehen im Mittel-punkt und wir sehen unsere Aufgabe darin, unsere Kinder nicht in ihrem unbändigen Wissensdurst einzuschränken, sondern ihnen eine reichhaltige, anregende Lernum-gebung zu gestalten. Wir versuchen, unse-ren Blick auf die Stärken der Kinder zu rich-ten, ihnen zu sagen: Ich sehe, was du kannst und ich freue mich über deine Erfolge. Das bedeutet, dass wir die Kinder in ihrem Aneig-nungsprozess nicht unterbrechen, um ihnen das Aha-Erlebnis, die Begeisterung über neu Entdecktes, den Stolz auf Erreichtes und die Überwindung von Schwierigkeiten zu ermög-lichen. Wenn das hier so einfach klingt, weiß ich, dass wir uns noch am Anfang des Weges befinden. Wie schwer fällt es uns, „nur“ zuse-hen zu müssen, und wie oft ertappen wir uns

dabei, doch wieder das Kind im Spiel zu kor-rigieren oder einfach zu stören. Oder wir haben einem Kind eine „Unterstützung“ ge-geben, wo wir im Nachhinein erkennen, dass diese „Unterstützung“ tatsächlich eine „Be-hinderung“ fürs Kind darstellte. Hier lernen wir mit den Kindern gemeinsam.

Diesen gesamten Prozess haben die Eltern interessiert mitverfolgt. In Einzelgesprächen haben wir die veränderte Raumgestaltung er-läutert, sind auf Fragen und Bedenken einge-gangen und haben uns die Sicht der Eltern über den Entwicklungsstand, über Gewohn-heiten und Bedürfnisse ihres Kindes ange-hört. Wir erleben immer wieder, dass Eltern enttäuscht sind, wenn ihre Kinder keine Ar-beitsergebnisse als Produkt im Bild oder in der Bastelarbeit vorzeigen können. Hier ver-suchen wir, Beobachtungen, von Erfolgen und Lernschritten des Kindes, die wir wäh-rend des Tages machen konnten, den Eltern zu schildern. Meist gehen sie dann erleichtert mit dem Gedanken nach Hause: Mein Kind hat heute etwas gelernt.

In diesem Jahr haben wir Erzieherinnen uns im gesamten Haus auf einer hausinternen Weiterbildung mit dem Thema „offene Arbeit“ aus -einandergesetzt. Bei der Fragestellung „Wie viel Zeit hat das Kind, um seiner kindlichen For-schertätigkeit nach zu gehen, seine Neugier zu befriedigen?“ Die Antwort war ernüchternd für uns, es ist wirklich sehr wenig. In der nächsten Zeit werden wir uns mit dem Ablauf und der Or-ganisation des Tagesablaufs beschäftigen.

Hier müssen wir etwas verändern.

Leider stoßen wir immer wieder an unsere Grenzen, sei es durch den engen Personal-stellenplan oder das beschränkte Budget.

Die Auseinandersetzung mit inhaltlichen The-men ist dringend erforderlich, um Qualität ver-bindlich anbieten zu können, das merken wir immer deutlicher. Dafür benötigen wir Zeit – Zeit, die uns heute einfach noch nicht zur Ver-fügung steht; Zeit, die wir heute von der Arbeit mit den Kindern abzweigen müssen.

Das ist ein großes Problem!

Bildung beginnt bei der Geburt und nicht erst in der Schule. Aus diesem Grund kommt es nicht auf die Quantität der Krippenplätze an, son-dern auf die Qualität der Angebote bei der Be-treuung und Förderung unserer Jüngsten.

Kontakt:

Kita „Am Schlosspark“

Kanalstraße 23 16515 Oranienburg Tel.: 03301/58 28 94

E-Mail: kita-schlosspark-or@jus-or.de Internet: www.jus-or.de

Für Familien ein Ort der Begegnung

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