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Erzieherinnen in die Planung einbeziehen

Im Dokument OPUS 4 | Was brauchen die Kleinen? (Seite 43-47)

Erfahrungen einer Erzieherin bei der Mit-arbeit in der Arbeitsgruppe Kita-neubau in Brieselang.

Ruth Woityczka

Im September 2007 beschlossen die Briese-langer Gemeindevertreter den Bau einer neuen Kita für 120 Kinder.

Das neue Haus soll im Herbst 2009 die Kin-der und Erzieherinnen von drei Einrichtungen aufnehmen: die Gemeindekitas „Bummi“ und

„Kunterbunt“, die sich beide in sehr alten und baufälligen Gebäuden befinden, und die Kita

„Sonnenschein“, eine Einrichtung des Ju-gend- und Sozialwerks Oranienburg, die 28 Plätze in einer Etage eines Mehrfamilienhau-ses anbietet. In diesem Haus arbeiten meine beiden Kolleginnen und ich in zwei altersge-mischten Gruppen mit Kindern zwischen 2 bis 6 Jahren. Als wir hörten, dass eine Ar-beitsgruppe für die Planung der neuen Kita eingerichtet werden sollte, entschlossen wir uns, unsere Mitarbeit anzubieten.

Aus eigener Erfahrung wissen wir, wie stark ein Gebäude die pädagogische Arbeit beein-flusst („der Raum als dritter Pädagoge“). Die

„Grundsätze elementarer Bildung“ benennen uns Anforderungen an die Raumgestaltung, die uns dabei helfen sollen, unseren Bil-dungs- und Erziehungsauftrag umzusetzen.

Es war uns klar, dass bei der Planung einer großen Kita viele Interessen miteinander in Einklang gebracht werden müssen: zum

einen die Interessen der Kinder und Eltern, die sich eine schöne, gut ausgestattete Kita mit vielen Angeboten, Spielmöglichkeiten, Erlebnisbereichen und gesunder Ernährung wünschen, zum anderen die Interessen der Erzieherinnen, die ihre pädagogischen Über-legungen und ordentliche Arbeitsbedingun-gen berücksichtigt wissen wollen, nicht zu-letzt die ökonomischen Interessen der Ge-meinde, die innerhalb eines eng begrenzten Kostenrahmens planen muss.

Letzteres war vielleicht auch der Grund dafür, dass es bei dem einen oder anderen Mitglied der Verwaltung Vorbehalte gegen die Beteili-gung von Erzieherinnen gab – vielleicht wurde ja befürchtet, dass die Gemeinde mit Ansprüchen konfrontiert wird, die sie nicht er-füllen kann.

Ab Januar 2008 traf sich dann regelmäßig eine Gruppe von ca. zehn bis zwölf Perso-nen, die sich intensiv mit der Planung befass-ten: Mitglieder der Verwaltung, Gemeinde-vertreter aller Fraktionen, die beiden Leiterin-nen der Gemeindekitas, zwei ErzieherinLeiterin-nen sowie eine Elternvertreterin. Zu Beginn der Planung hatten alle drei Kitas ihre Vorstellun-gen und Wünsche zu Papier gebracht. Trotz unserer unterschiedlichen Konzepte gab es in vielen Bereichen Übereinstimmungen,zum Beispiel:

• die Räume und die Ausstattung sollten die Förderung aller Bildungsbereiche für alle Altersgruppen ermöglichen,

• Gruppenräume mit Nebenräumen und ausreichend Abstellraum,

• Spielpodeste und Hochebenen sollen un-terschiedliche Blickwinkel zeigen,

• einen großen Sportraum mit Geräteraum,

• viel Platz für Veranstaltungen oder Pro-jekte,

• Leiterinnenbüro, Personalraum, einen Ort für Elterngespräche,

• Kinderküche, Kinderwerkstatt (Kreativ-raum),

• Schallschutz,

• ein großzügiges, interessantes Außenge-lände, Terrassenüberdachungen.

Sehr aufschlussreich war die Beratung durch Frau Henning vom Landesjugendamt (zuständig für die Betriebserlaubnis), die die Arbeitsgruppe über die Mindestanforde-rungen und Empfehlungen bezüglich Raumgrößen, Raumkonzepten und sonsti-ge Bestimmunsonsti-gen informierte. In den fol-genden Wochen besuchte die Arbeitsgrup-pe drei neu gebaute Kitas in Nachbarge-meinden. In interessanten Gesprächen mit den jeweiligen Leiterinnen und durch Beob-achtungen am „lebenden Beispiel“, an der Kita im laufenden Betrieb, konnten wir eini-ge Wünsche auf Umsetzbarkeit überprüfen, neue Ideen entwickeln und schauen, wie ein Gebäudekonzept anderswo umgesetzt wird, und einiges auch für unser Haus ver-werfen.

Im Anschluss an diese Exkursionen entwi-ckelten sich zwischen Gemeindevertretern, den Mitgliedern der Verwaltung und den

Er-zieherinnen gute und fruchtbare Diskussio-nen in einer angenehmen Arbeitsat mosphäre.

Bei den Besichtungen war uns erneut klar geworden, wie stark die Bauweise die pä-dagogische Konzeption und die Arbeitsab-läufe bestimmt. Wenn man sich zum Bei-spiel auf ein ganz offenes Betreuungskon-zept festlegt, das nicht auf festen Kinder-gruppen, sondern auf täglich wechselnden Projektgruppen beruht, die in Funktionsräu-men (Werkstatt, Bauraum, Bewegungs-raum usw.) Angebote wahrnehmen, müs-sen das Gebäude, die Anordnung und Aus-stattung der Räume anderen Regeln folgen als bei der herkömmlichen Aufgliederung in Gruppen.

Die Kolleginnen der drei Kitas kamen über-ein, ein halboffenes Konzept anzustreben.

Es soll feste Gruppen mit eigenem Grup-penraum und einer zugehörigen Erzieherin geben. Gleichzeitig sollen Funktionsräume und -ecken sowie die Öffnung der Gruppen zu bestimmten Zeiten sowohl im Freispiel als auch zu Angeboten und Projekten, den Kindern ermöglichen, ihren Interessen und Spielen ebenso in anderen Räumen nach-zugehen und Kontakte zu den Kindern an-derer Gruppen zu pflegen. Dieses Konzept und die darauf beruhende Gebäudekonzep-tion lassen noch viel Raum für Veränderun-gen. Auch der Anteil der Krippenplätze nimmt einen wichtigen Anteil an der Gestal-tung des Hauses und der Außenflächen ein.

Erst zum Schluss der Planungsphase ent-schloss sich die Gemeinde, ein Viertel der Plätze für unter Dreijährige anzubieten.

Anfang März wurde schließlich unter mehre-ren Bewerbern ein Architekt ausgewählt, der mit seiner Vision, ein Haus zu bauen, das den Bedürfnissen der Kinder, der Eltern und des Personals gerecht wird – und das durch-aus bezahlbar – ,die Erzieherinnen und die Gemeindevertreter überzeugte.

In den folgenden Sitzungen wurde intensiv an den immer wieder geänderten Entwürfen des Architekten gearbeitet: Ein- oder zwei-stöckig, Größe und Lage der Räume, Aus-stattung, Haustechnik – immer wieder wurde heiß diskutiert: was muss unbedingt sein, was kann nachgerüstet werden oder muss aus Kostengründen sogar wegfallen. Der Ar-chitekt, Herr Wegner, war mehrmals wäh-rend dieser Sitzungen dabei und konnte An-regungen sofort aufnehmen. An mehreren kleinen Beispielen zeigte sich, dass die Mit-arbeit von Erzieherinnen wirklich unerlässlich ist, wenn so ein Bau den Anforderungen mo-derner Pädagogik und sinnvoller Organisati-on entsprechen soll:

Wer sonst hätte wohl bemerkt, dass die Er-zieherin der ganz jungen Krippenkinder einen weiten Weg durch das ganze Haus machen muss, um die Toilette zu erreichen?

Oder, dass die Eltern, die ihre Kinder aus dem Garten abholen, nur durch die Gruppen-räume in den Garten kommen. Besonders in der kalten und matschigen Jahreszeit eine schreckliche Vorstellung!

Anfang Mai fand schließlich die Sitzung des Ausschusses „Bildung und Soziales“ statt, bei der die Verwaltung und die Gemeindever-treter, die in der Planungsgruppe

mitgearbei-tet hatten, den Planungsstand und den aktu-ellen Entwurf des Architekten vorstellten.

Hier stellte sich aber heraus, dass die Aus-schussmitglieder viele Planungsüberlegun-gen und EntscheidunPlanungsüberlegun-gen der Arbeitsgruppe nicht nachvollziehen konnten, da ihnen Infor-mationen und Diskussionsergebnisse fehl-ten. Jetzt rächte es sich, dass man auf Proto-kolle und Sachstandsberichte verzichtet hatte. Für die anwesenden Erzieherinnen war es ziemlich frustrierend zu erleben, dass aus finanziellen Gründen grundlegende pä-dagogische Überlegungen zurückgestellt wurden und der gesetzliche Mindeststandard wieder in den Vordergrund rückte. Da auch die Grundstücksfrage und der Kostenrahmen noch nicht vollständig geklärt waren, konnten wir die Entscheidung des Ausschusses zur Vertagung jedoch nachvollziehen.

In der folgenden Sitzung der AG, in der u.a.

der geänderte Entwurf noch einmal kurz vor-gestellt wurde, sind die beiden Erzieherinnen und die Elternvertreterin aus der Arbeitsgrup-pe entlassen worden.

Für mich stellt sich die Frage: Konnten wir Er-zieherinnen helfen? Werden unsere Mitarbeit und unsere Einflussnahme in den ca. zehn Sitzungen deutlich sichtbare Spuren hinter-lassen und unseren Kita-Kindern und den Mitarbeiterinnen zugutekommen – oder wird doch vieles aus Kostengründen dem Rotstift zum Opfer fallen?

Dennoch bin ich davon überzeugt, dass die-ses neue Kita-Gebäude ohne die Mitwirkung von Fachkräften anders realisiert worden wäre. Dass sich die Gemeindevertretung und die Verwaltung bei der Planung eines solch

großen Projekts für die Mitarbeit durch Be-troffene öffneten, ist sicherlich noch nicht gang und gäbe und ein guter und sinnvoller Schritt in die richtige Richtung.

Was hätte besser laufen können?

Meiner Ansicht nach hätte die Arbeitsgruppe transparenter und streng nach demokrati-schen Gesichtspunkten gebildet werden sol-len: zum Beispiel dass ganz offiziell aus jeder der drei betroffenen Kitas neben der Leiterin ein/e Elternvertreter/-in und eine Erzieherver-treterin eingeladen werden.

Auch wenn mir deutlich geworden ist, wie viele andere wichtige Punkte bei dem Projekt Kita-Neubau von Bedeutung sind – Grund-stücksfragen, Abriss, Straßenführung, Ver-tragsgestaltung, technische Probleme, um nur einige zu nennen, wäre es in meinen Augen sinnvoll gewesen, einen Experten ein-zuladen, der über die Zusammenhänge von Räumen und der körperlichen und geistigen Entwicklung von Kindern berät – so wie es Frau Henning vom LJA über die gesetzlichen Bestimmungen getan hatte. Schließlich wer-den diese Räume für Kinder gebaut, da müs-sen pädagogische Überlegungen mindes-tens den gleichen Stellenwert haben wie die Haustechnik!

Gerade bei Kleinkindern, deren kognitive und motorische Entwicklung sich rasant in kür-zester Zeit abspielt, spielen Raum und Raumgestaltung eine herausragende Rolle.

Bei etwas mehr Zeit in der Planungsphase hätten die Ergebnisse einer solchen Bera-tung im Gespräch mit dem Architekten sicher in sinnvoller Weise in die Bauplanung mit ein-fließen können.

Mein Fazit:

Am Bau einer neuen Kita sind schon von Be-rufs wegen sehr viele Menschen beteiligt.

Damit das Vorhaben gut gelingt, ist es not-wendig, dass sich die Nutzer der Einrichtung – die Kinder, Eltern, Erzieherinnen und auch das technische Personal – mit ihren bzw. sei-nen Vorstellungen einbringen könsei-nen. Ich finde, dass man im Vorfeld auch die Kinder befragen könnte, wie sie sich ihre Kita wün-schen.

Dass eine Zusammenarbeit gelingen kann und noch entwicklungsfähig ist, zeigt unser Beispiel in Brieselang.

Daher mein Appell an alle Kolleginnen und an die Eltern: Beteiligt euch, nehmt Einfluss bei allem, was die Tagesbetreuung betrifft, denn es sind unsere Steuergelder und vor allem: Es sind unsere Kinder!

Auch für die Jüngsten Lernsituationen

Im Dokument OPUS 4 | Was brauchen die Kleinen? (Seite 43-47)