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Aufgrund ihrer Einzigartigkeit und ihrer cellulolytischen Fähigkeiten haben sich weltweit For-schergruppen mit den Kulturbedingungen anaerober Pansenpilze beschäftigt. Einige Techni-ken der in-vitro-Kultur und der quantitativen Erfassung werden in den folgenden Kapiteln dargestellt. Viele der Kulturmethoden und Medien, die in der Pansenmikrobiologie gebräuch-lich sind, wurden von HUNGATE (1969) entwickelt und für Studien an anaeroben Pansen-pilzen abgewandelt (BRYANT 1972; MILLER u. WOLIN 1974). Sie werden zusammen mit anaeroben Petrischalenmethoden für die Isolierung und Untersuchung anaerober Pansen-pilze genutzt (LEEDLE u. HESPELL 1980; LOWE et al. 1985).

2.1.10.1 Isolierungs- und Kulturmethoden und -verfahren

Die Kulturtechniken für anaerobe Pansenpilze aus Digesta und Kot (s. Kap. 2.1.8; MILNE et al. 1989; THEODOROU et al. 1990) sind heute recht relativ einfach geworden. Um Kulturen anaerober Pansenpilze aus ihrer natürlichen Umgebung zu gewinnen, ist es erforderlich wie-derholt zu subkultivieren und antibakterielle Substanzen einzusetzen sowie einzelne Kolo-nien z. B. auf Agarmedium zu isolieren (THEODOROU et al. 1996).

ORPIN (1975) isolierte anaerobe Pansenpilze, indem er antibiotikahaltiges, gallertiges Agarmedium mit Digestapartikeln aus dem Pansen überschichtete. Nach der Inkubation wird die oberste Schicht abgetragen und die untere Schicht mit den eingewanderten Zoosporen, die sich zur vegetativen Phase umgewandelt haben, in frisches galertiges Agarmedium überführt. Diese Prozedur wird mehrmals wiederholt, bis die Pilzkultur frei von Bakterien ist und reine Kulturen daraus isoliert werden können. Nach Inokulation auf großen Pflanzenge-webspartikeln in halbfesten Medien werden (ORPIN 1977 a) dann einzelne Stämme isoliert.

BAUCHOP u. MOUNTFORT (1981) gebrauchten ebenfalls ein gallertiges Agarmedium zur

Isolierung anaerober Pansenpilze. Sie kombinierten diese Prozedur mit einer Voranreiche-rung auf Pflanzenpartikeln, um die Pilzpopulation zu erhöhen. Um Kulturen zu erhalten, wur-den mittels einer Spritze einzelne Thalli in frisches Medium geimpft. In einer anderen Me-thode (LOWE et al. 1985) folgt auf eine Anreicherung in flüssigem Medium die Besiedlung von Strohpartikeln, die dann in Petrischalen mit Cellulose überschichtetem Agar übertragen werden. Nach der Inkubation werden kleine Pfropfe vom Rand der Kolonien in antibiotika-freie glucosehaltiges Flüssigmedien gegeben. Durch die Inkubation in antibiotikaantibiotika-freien Me-dien können noch mit Bakterien kontaminierte Kulturen entdeckt und verworfen werden.

Die Flaschen-Roll-Methode (HUNGATE 1966), die von JOBLIN (1981) eingesetzt wurde, stellt die einfachste Methode dar, anaerobe Pansenpilze aus Digesta und Kot zu isolieren.

Es wird eine Verdünnungsreihe antibiotikahaltigen Agarmediums mit gefiltertem Pansen-inhalt beimpft. Kulturen werden nach der Passage der anaeroben Pilzkolonien in aufeinan-derfolgenden Rollflaschen gewonnen. Ähnliche Techniken können in einer anaeroben Kam-mer eingesetzt werden. Dazu wird eine Agarverdünnung von Pansendigesta verwendet, die in Petrischalen fest geworden ist. Sie wird dann unter Kohlendioxid-Atmosphäre inkubiert.

Einzelne Kolonien werden mit einer sterilen Pasteurpipette anaerob vom Agar in ein cellu-losehaltiges flüssiges Medium überführt und bei 39 °C bebrütet. Freischwimmende Zoospo-ren können innerhalb von 48 Std. im flüssigen Medium entdeckt werden, wenn die KultuZoospo-ren unter einem Mikroskop untersucht werden.

2.1.10.2 Kulturbedingungen

In ihrer natürlichen Umgebung leben anaerobe Pansenpilze in einem offenen „steady-state“

Ökosystem. Im Labor ist es schwierig, solche Bedingungen zu simulieren, deshalb werden sie gewöhnlich mit pflanzlicher Biomasse (0,1 bis 0,5 %) auf kohlenhydratlimitierten Satz-Kulturen gezüchtet. Dadurch wird das Wachstum nicht durch die Anhäufung von Fermenta-tionsendprodukten oder durch den Anstieg des pH-Werts im Medium gehemmt (ORPIN u.

JOBLIN 1997). Die Satz-Kulturen enthalten entweder lösliches (Glucose, Xylose, Cellobiose) oder partikelhaltiges (Cellulose, Weizenstroh) Substrat. Die Pilze werden in 7 - 100 ml Me-dien in verschlossenen, dickwandigen Glasröhrchen oder -flaschen kultiviert. Die Kulturen werden mit 100 % Kohlendioxid oder einer Mischung aus 70 - 80 % Kohlendioxid und 20 - 30

% Stickstoff begast. Die Inkubation findet bei 39 °C für 2 bis 10 Tage statt. Nach 48 Std. sind häufig schon einzelne Pilzkolonien mit bloßem Auge zu sehen. Mittels eines Mikroskops können Kolonien differenziert werden (JOBLIN 1981).

Für die Inokulation werden gewöhnlich Zoosporensuspensionen verwandt. Bei polyzentri-schen Pansenpilzen werden allerdings Mycelfragmente als Inokulum genommen, da diese nur sehr wenig Zoosporen bilden.

Mit großen Satz-Fermentern (10 bis 20 l) werden Vermiculitpartikel, die mit anaeroben Pan-senpilzen besiedelt sind, benutzt, um die Wirkung des Inokulums zu verstärken und die Ver-zögerungszeit der Fermenter zu verkürzen (THEODOROU u. TRINCI 1989). Anaerobe Pan-senpilze können auch in speziellen Satz-Kulturen (TSAI u. CALZA 1993), in Kulturen mit kontinuierlichem Fluß (ZHU et al. 1994) und in kontinuierlichen oder chemostatischen Kultu-ren (HILLAIRE u. JOUANY 1989) vermehrt werden. Letztere sind deutlich in der Minderzahl, obwohl die Pansenpilze in der natürlichen Umwelt in einem offenen Ökosystem wachsen (THEODOROU et al. 1996).

2.1.10.3 Kulturmedien

Fast alle Medien enthalten Pansenflüssigkeit und werden als komplexe bzw. umweltsimu-lierende Medien bezeichnet (THEODOROU et al. 1996). Die am häufigsten verwendeten nicht definierten Kulturmedien, die für das Wachstum anaerober Pansenpilze benutzt wer-den, gleichen dem von ORPIN (1975). Sie enthalten zentrifugierte Pansenflüssigkeit, Tryp-ton, Hefeextrakt, eine Kohlenstoffquelle, einen Kohlendioxid-Bicarbonat- oder Phosphatpuf-fer mit einem pH von 6,5 - 6,9 (THEODOROU et al. 1996) sowie L-Cystein als reduzierendes Agens und Vitamine. Das erkaltete, agarhaltige Medium (0,8 - 1,5 %) findet z. B. bei der Iso-lierung von Klonen aus einzelnen Kolonien Verwendung (JOBLIN 1981). Um Bakterienkon-taminationen in den Kulturen zu vermeiden bzw. um deren Wachstum zu unterdrücken, wer-den Antibiotika wie Penicillin, Ampicillin, Streptomycin und Chloramphenicol (wirkt auf me-thanogene Bakterien) dem Medium zugesetzt (BAUCHOP u. MOUNTFORT 1981; ORPIN u.

JOBLIN 1997). Die Bakterien würden anderenfalls aufgrund ihres kürzeren Generationsinter-valls die Pilzkultur überwuchern und deren Anzucht verhindern.

N. patriciarum und N. hurleyensis wachsen auch auf definierten Medien, denen keine Pan-senflüssigkeit zugesetzt wird (LOWE et al. 1985; ORPIN u. GREENWOOD 1986 a, b;

TEUNISSEN et al. 1991). Dabei hat sich das von LOWE et al. (1985) entwickelte definierte Medium B sehr bewährt (LOWE et al. 1987 a, b, c; BERNALIER et al. 1991; BRETON et al.

1991; CALZA 1991 a, b; O`FALLON et al. 1991), weil das Wachstum der Pansenpilze dem auf komplexen Medien adäquat ist (LOWE et al. 1987 b). Die Medien enthalten Resazurin als Redoxindikator, Mineralien, organische und/oder anorganische Stickstoffquellen und che-mische Reduktionsmittel wie Natriumsulfid und/oder L-Cysteinhydrochlorid (THEODOROU u.

TRINCI 1989). Reduktionsmittel und anaerobe Techniken sind essentiell. Den Medien wer-den ebenfalls ein oder mehrere Antibiotika zugefügt. Dieses ist besonders bei der Isolierung und Zählung wichtig (THEODOROU et al. 1990).

Das am häufigsten verwandte Substrat ist Cellubiose, aber auch andere lösliche Kohlenhy-drate eignen sich als Substrat. Unlösliches Cellulosepuder wird bei der Isolierung der Pilze eingesetzt, da diese durch die Auflösung der Cellulose leicht lokalisiert werden können (ORPIN u. JOBLIN 1988). Kulturmedien mit Pflanzengewebe als Kohlenhydratquelle stellen sicher, daß die anaeroben Pilze in vitro ihre Fähigkeit, pflanzliche Strukturkohlenhydrate zu fermentieren, nicht verlieren (ORPIN u. LETCHER 1979). Glucose eignet sich bei der quan-titativen Bestimmung der Pilze, da es genauere Ergebisse liefert als Cellubiose. Die Kultur im Flüssigmedium (mit gelösten Zuckern; ORPIN 1975) bringt hohe Zellerträge. Die Pilzkulturen müssen aber, um lebensfähig zu bleiben, nach 24 - 72 Std. subkultiviert werden. Satz-Kultu-ren auf partikelartigem Substrat (Pflanzengewebe) sind hingegen bis zu sieben Tage le-bensfähig (MILNE et al. 1989).

JOBLIN (1981) konservierte Kulturen von Neocallimastix spp. und Piromonas spp. ohne Subkultivierung über einen Zeitraum von mehreren Monaten. Die Kulturen werden dazu bei 39 °C auf in Agar eingebettetem Pflanzengewebe gelagert und durch kontrolliertes Einfrieren in flüssigem Stickstoff unter Zusatz von 5 % Demethyl-Sulphoxid als Kryoprotektivum lager-fähig gemacht (YARLETT et al. 1986 b).

2.1.10.4 Verfahren und Techniken zur Bestimmung der Populationsdichte von Zoosporen und Ermittlung der Pilzbiomasse

Die exakte Bestimmung der Populationsdichte und Biomasse ist für die Quantifizierung der Pansenpilze und zur Ermittlung der natürlichen Fluktuationen in den Pilzpopulationen wich-tig, bereitet jedoch einige Schwierigkeiten. Die Organismen kommen im Pansen in wenig-stens zwei Formen vor, als freilebende, bewegliche Zoosporen, deren Zahl über kurze Peri-oden sehr stark schwankt (WARNER 1966; ORPIN 1975), und als vegetative Thalli, die an Verdauungsfragmente gebunden sind und deren Formen und Biomasse stark variieren. Die-ses unterscheidet sie von anderen Pansenmikroorganismen, die entweder frei in der Pan-senflüssigkeit leben oder durch einfache chemische Mittel von den Verdauungsfragmenten gelöst und in einem geeigneten Kulturmedium gezählt werden können.

Für die Zählung freilebender Zoosporen und losgelöster Sporangien werden diese erst durch Verdünnung und Kultur in einem geeigneten Medium spezifiziert und dann ausgezählt (THEODOROU et al. 1994 a; JOBLIN 1981). Die Zoosporen werden häufig über die direkte Lebendzählmethode mittels Phasenkontrastmikroskopie gezählt (ORPIN 1975, 1976, 1977 a, b; JOBLIN 1981) oder mittels spezieller, für Protozoen entwickelter Verfahren (COLEMAN (1978 a). Hierzu wird gefilterte und mit Lugol´scher Lösung behandelte Pansenflüssigkeit 10 bis 100fach verdünnt. Die Zoosporen werden anschließend mittels direkter Lichtmikroskopie ausgezählt. Die behandelten Zoosporen färben sich gelbbraun und bleiben unter Phasen-kontrastbeleuchtung lichtbrechend. Nachteile dieser Methode sind, daß Zoosporen, die an Partikel in der Probe gebunden sind, zu Meßungenauigkeiten führen. Bei einer anderen Zählmethode werden die Sporangien (Thalli) auf Pflanzenpartikeln oder Agarstreifen mikro-skopisch ausgezählt (AKIN et al. 1983; USHIDA et al. 1989). Die “most-probable-number-Methode” wiederum ermöglicht das Zählen der anaeroben Pansenpilze in der Digesta oder im Kot (THEODOROU et al. 1990, 1994 a). Als Substrat dienen Pflanzengewebe bzw. lösli-che Kohlenhydrate und Cellulose (STEWART et al. 1985; OBISPO u. DEHORITY 1992). Die anaeroben Pansenpilze werden dabei über thallusbildende Einheiten (tfu = thallusforming unit) quantitativ erfaßt. Eine Unterscheidung zwischen Zoosporen und Thalli ist nicht möglich und die tfu-Werte hängen von der Trockenmasse der ausgezählten Probe ab. Dadurch ist es möglich, Vergleiche zwischen Pilzpopulationen in der Digesta bzw. im Kot anzustellen (THEODOROU et al. 1990, 1993; DAVIES et al. 1993 a, b).

Die mittels verschiedener Methoden gemessene Zoosporendichte im Pansen des Schafs ergab einen Wert von 103 - 105 Zoosporen/ml (ORPIN 1974; JOBLIN 1981; STEWART et al.

1985). Methoden, die nicht auf der Zählung von Zoosporen basieren, ergeben gewöhnlich viel höhere ruminale Populationsdichten (~ 106/g) und Zählungen mit dem Elektronenmikro-skop führen nur zu semi-quantitativen Daten über die Population von Pansenpilzthalli (ORPIN u. JOBLIN 1997).

Für die Bestimmung der Biomasse anaerober Pansenpilze gibt es noch keine zuverlässige Methode. Sie kann z. B. nicht in direkte Beziehung zur Pansenpilzanzahl gesetzt werden, weil es zu große Unterschiede in der Größe der Thalli zwischen den Arten und innerhalb der einzelnen Art abhängig von deren Alter gibt. Auch die Zoosporenzählung ist, da ihre Popula-tionsdichte über den Tag zu stark schwankt (ORPIN 1975) und die Arten nicht exakt vonein-ander zu unterscheiden sind, dafür nicht geeignet (ORPIN u. JOBLIN 1997). Es gab Bemü-hungen, Chitin als chemischen Marker für die quantitative Bestimmung der Pilze einzusetzen (ORPIN u. JOBLIN 1988). Da allerdings der Chitingehalt von Art und Alter der Pilze abhängig ist, für die Messung aufwendige und fehleranfällige Enzymuntersuchungen notwendig sind und viele Futtermittel, u. a. infolge der Kontamination durch anaerobe Pansenpilze, einen variablen Grundgehalt an Chitin aufweisen, stellte sich Chitin als nicht geeignet heraus (AKIN 1987; ARGYLE u. DOUGLAS 1989). Die Methode zeigt aber trotz ihrer Ungenauig-keit, daß in Schafen, die mit Heu und Hafer gefüttert werden, die anaeroben Pilze etwa 8 % der mikrobiellen Biomasse im Pansen ausmachen können (ORPIN 1981 a, b, 1983/84). Die Entwicklung von art- und gattungsspezifischen Gensonden könnte sich ggf. für die

Quantifi-zierung der Pansenpilze als geeignet erweisen (BROWNLEE 1994) und Sonden für pilzspe-zifische Enzyme (GAY et al. 1989) und Lektine (BRETON et al. 1994) wurden bereits zur Zählung von Pansenpilzen eingesetzt (ORPIN u. JOBLIN 1997).

2.1.10.5 Zählmodelle

Zoosporen und Thalli im Pansen befinden sich in einem Gleichgewichtszustand (FRANCE et al. 1990). Anhand des Lebenszyklus der Pansenpilze und der ruminalen Passagerate ist es möglich, die Zahl der an digestagebundenen Thalli über die Konzentration der Zoosporen in der Pansenflüssigkeit zu bestimmen. FRANCE et al. (1990) entwickelten ein indirektes ma-thematisches Zählmodel, um die Anzahl der Thalli zu bestimmen. Der Lebenszyklus wird dazu in Kompartimente eingeteilt und mittels verschiedener Gleichungen die Zahl der Thalli (50 bis 170 % der Zoosporenanzahl) errechnet.

Ein die Partikelgröße berücksichtigendes anderes Zählmodel (FRANCE u. THEODOROU 1994) stellt ein einfacheres Model dar, da weniger und leichter bestimmbare Parameter ein-gesetzt werden. Dieses Model basiert auf der Annahme, daß die Anzahl der besiedelten Partikel nie größer ist als die an sie angehefteten Pilzthalli. Wenn nun die Pflanzenpartikel so fragmentiert würden, daß auf je einem Fragment ein Thallus wäre, wäre die Thalluspopula-tion durch die Anzahl der Fragmente determiniert. Mathematische ExtrapolaThalluspopula-tion, bei der die besiedelten Partikel der angehefteten Zoosporenanzahl gleichgesetzt wird, ermöglichen die Berechnung.