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Internationale Konzepte

Im Dokument B MTA-Bereich (Seite 146-149)

5 Übertragbarkeit internationaler Konzepte

9.1 Internationale Konzepte

International werden schon seit längerem ärztliche Assistenzaufgaben verstärkt an speziell weitergebildetes nicht-ärztliches Fachpersonal übertragen. Ein Blick ins Ausland zeigt, dass

"Arzt-Assistenten" als Berufsbild zwischen dem Arztberuf und der Krankenpflege bereits fest etabliert sind. So wurde in den USA bereits Mitte der 60er Jahre das Berufsbild des Physi-cian Assistant entwickelt. Die Kerntätigkeiten eines Physician Assistant beinhalten die ei-genständige, jedoch ärztlich überwachte Durchführung von hochspezifischen Aufgaben im operativen bzw. interventionellen Bereich und in der Ambulanz. Hierzu gehören Aufgaben der Eingriffsvorbereitung sowie die fachlich kompetente Assistenz während des Eingriffs und die folgende Nachbereitung.

Das Berufsbild eines Physician Assistent lehnt sich an das ebenfalls aus den USA kommen-de Konzept kommen-der „Midlevel Providers“ an.1 Die „Midlevel Providers“2 haben zwar kein vollstä n-diges Medizinstudium absolviert, arbeiten aber nach ihrem Studium unter Anleitung von Ärz-ten relativ selbständig. Die Arbeitsprozesse beinhalten die Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an nicht-ärztliches Personal in den jeweiligen Fachgebieten. Der Begriff „Midlevels” gruppiert in den USA die Berufe der Nurse Practitioner (NP), des Physician Assistant (PA), des Surgi-cal Assistant und der Certified Registered Nurse Anesthetist (CRNA). Allen gemeinsam ist eine akademische Ausbildung auf Bachelorniveau. Der Bachelor-Studiengang des „Nonph y-sician Surgical Assistant“ beispielsweise dauert in den USA bis zu 22 Monaten und schließt mit dem akademischen Titel „Bachelor of Science for Surgical Assistant“ ab. Die Zugangs-voraussetzungen beinhalten sowohl eine Ausbildung in einer der entsprechenden Gesund-heitsberufe (degree in allied health fields) sowie zusätzlich eine dreijährige Berufserfahrung

1 Pieper, 2005; Poetzsch, 2008

2 "A mid-level provider, sometimes referred to simply as a "mid-level", is a clinical medical professional who provides pa-tient care under the supervision of a physician. Mid-level providers can examine papa-tients, diagnose them, and provide some treatments, all of which must be signed off by a supervising licensed physician." (Yarnell et al., 2009)

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im erlernten Beruf. Dabei sind Berufserfahrungen im OP-Bereich insbesondere erwünscht.1 Die Anwendungsfelder eines „Nonphysician Surgical Assistant“ beinhalten im Wesentlichen prä-, intra- und postoperative Leistungen.2

Das Bachelor-Studium zum Physician Assistant ist in den USA seit Jahrzehnten etabliert.3 Im Jahre 2008 arbeiteten etwa 40% der 63.000 Physician Assistants an amerikanischen Kran-kenhäusern.4 Die Teambildung zwischen Ärzten und Physician Assistants ist in den USA aus dem klinischen Alltag kaum mehr wegzudenken. Für die Zukunft wird dort eine deutliche Z u-nahme der Physician Assistants prognostiziert.5

In England hat der sogenannte Surgical Care Practitioner (SCP) im chirurgischen Behand-lungsteam ebenfalls eine lange Tradition.6 Der SCP, der immer nur arztunterstützend und nicht arztersetzend tätig wird, ist in England dem Ärztlichen Dienst zugeordnet. Die Ausbil-dung zum SCP ist in England allerdings keine reine universitäre Ausbildung, die an Hoc h-schulen etabliert ist. Die Berufsausbildung zum SCP findet an Bildungseinrichtungen der so-genannten „Higher Education“ statt. Bis zum Jahr 2015 wird in England ein Anstieg auf 5 000 SCP prognostiziert.7 Des Weiteren werden in England Überlegungen angestellt, kleinere operative Eingriffe wie Leistenhernien-Operationen oder Arthroskopien in Zukunft von qualifi-ziertem nicht-ärztlichen Assistenzpersonal durchführen zu lassen.

Auch im Bereich der Anästhesieassistenz übernimmt international nicht-ärztliches Personal ärztliche Aufgaben. Beispielsweise gibt es in den USA sog. "Nurse Anesthetist“ (AE). Die Qualifikation basiert auf einem Bachelor-Studium, das eine Ausbildung als Krankenschwes-ter und –pfleger sowie Berufserfahrungen im OP-Bereich voraussetzt. AE dürfen eigenstä n-dig Narkosen durchführen. Dabei schließt die Betreuung der Patienten die Zeit vor, während und kurz nach einer Operation ein. Dies betrifft ebenso die Schmerztherapie direkt nach dem

1 Commission on Accreditation of Allied Health Education Programms (www.caahep.org) und National Surgical Assistant Association (NSAA)

2 “The surgical assistant provides aid in exposure, hemostasis, closure, and other intraoperative technical functions that help the surgeon carry out a safe operation with optimal results for the patient. In addition to intraoperative duties, the surgical assistant also performs preoperative and postoperative duties to better facilitate proper patient care. The sur-gical assistant to the surgeon during the operation does so under the direction and supervision of that surgeon and in accordance with hospital policy and appropriate laws and regulations”. Association of Surgical Technologists (AST) (www.surgicalassistant.org)

3 Clade, 2008

4 American Academy of Physician Assistants, 2006

5 Bureau of Labor Statistics, 2009

6 A Surgical Care Pratitioner is defined as: "A non-medical practitioner, working in clinical practice as a member of the extended surgical team, who performs surgical intervention, pre-operative and post-operative care under the direction and supervision of a consultant surgeon." Curriculum Framework for the Surgical Care Practitioner, DoH, 2006

7 Scherm, 2008

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Aufwachen sowie die Überwachung über die Hypotonie. Die kontinuierliche Kontrolle über den Zustand der Patientinnen setzt das medizinische, pharmakologische und medizintechni-sche Fachwissen in allen Arbeitsbereichen der Anästhesie voraus. Ein AE trägt darüber h i-naus die Verantwortung im Rahmen der Zusammenarbeit mit weiterem Anästhesiepersonal.1 In England werden vielerorts auch sogenannte „Operating Department Practioner“ (ODP) eingesetzt. Pflegepersonal in der Anästhesie arbeitet auch in England immer nur im Team.

Der ODP arbeitet in der Anästhesie als „Anaesthetic Assistant“, als „Scrub Nurse“ (OP -Schwester/pfleger) oder im Aufwachraum als „Recovery Nurse“. Ein englischer ODP über-nimmt ebenso viele Aufgaben "außerhalb" des OP-Saals, wie der amerikanische AE.

Der niederländische „Anaesthesie Medewerker“ und der französische „Infirmiere/r Anesthésiste“ sind auch direkt und eigenverantwortlicher mit der Anästhesie konfrontiert. Die

Assistenzpersonen sind als „Anestesie Operator“ aktiv, werden dabei vom Anästhesisten s u-pervisiert. Im Rahmen von regelmäßigen „testes de répétition“ (Qualifikationstest bzw. Wie-derholungstest) wird die Aktualität des Wachwissens geprüft. Das französische Arbeitsmo-dell resultiert auch aus dem Mangel an Anästhesisten in Frankreich.

In der Schweiz wird die Einleitung, Führung und Ausleitung einer Vollnarkose von Anästh e-sie-Pflegefachkräften durchgeführt.2 Dafür wird der nötige Rahmen geschaffen, d. h. es wer-den Fortbildungen, Kongresse, Fallbesprechungen, Qualitätstest, Qualitätsgespräche zum Thema Anästhesie durchgeführt. Über die Anästhesiearbeit im OP-Bereich hinaus, wird auch erwartet, dass die Notfallmedizin in Notarztkompetenz von den Fachpflegefrauen/männer Anästhesie beherrscht wird.

Eine weitere Besonderheit im Ausland besteht darin, dass grundständige Ausbildungen für nicht-ärztliches OP-Personal schon länger etabliert und staatlich anerkannt sind. In der Schweiz beispielweise gibt es, als Reaktion auf den Mangel an qualifiziertem Personal, seit 1980 die Ausbildung zum technischen Operationsassistenten (TOA).3 Hier planen und orga-nisieren technische Operationsfachleute die Abläufe rund um die Operationen. TOA sind für Material und Apparate zuständig, reichen während der Eingriffe die Instrumente und sorgen

1 “Anesthesia care is provided by CRNAs in four categories: 1) pre-anesthetic evaluation and preparation, 2) anesthesia induction, maintenance, and emergence, 3) post-anesthesia care, 4) peri-anesthetic and clinical support functions.

CRNAs working alone routinely perform all of these functions. CRNAs working with anesthesiologist in an "anesthesia care team" develop practice patterns within the individual work setting.” (AANA, 2007a)

2 Schweizerische Interessengemeinschaft für Anästhesiepflege (SIGA/FSIA)

3 SDK / SRK 2003

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für keimfreie Bedingungen. Zudem betreuen sie zusammen mit Pflegefachpersonal und Ärz-tinnen Notfallpatienten. Die Ausbildung zur TOA findet an den höheren Fachschulen statt.

Ähnlich verhält es sich in den Niederlanden. Hier existiert seit 1970 der Beruf des „Oper a-tieassistent“. Die dreijährige Ausbildung erfolgt an Fachschulen. Bereits in der dreijährigen Grundausbildung lernen die Auszubildenden das Assistieren bei operativen Eingriffen. Hilf-reich ist hier sicherlich das in der niederländischen Krankenhauslandschaft oft praktizierte Belegarztsystem. In den Niederlanden stellt der „Operatieassistent“ rund 98% der Fachkräfte im Operationsdienst.1

Resümierend lässt sich aus dem Überblick internationaler Beispiele festhalten: Zum einen gibt es im Ausland speziell qualifizierte nicht-ärztliche Chirurgie- und Anästhesie-Assistenten, die unter ärztlicher Aufsicht und Weisung bestimmte ärztliche Aufgaben wahrnehmen. Die ausländischen Erfahrungen zeigen somit, dass die Delegation ärztlicher Aufgaben in OP und Anästhesie bei gezielter Qualifizierung des entsprechenden Personals möglich ist. Zum an-dern existieren im Bereich der Funktionspflege grundständige Ausbildungen für die Operat i-ons- und Anästhesietechnische Assistenz. Der in Deutschland bislang vorherrschende Weg mit einer Primärqualifikation in der Pflege und einer darauf basierenden Fachweiterbildung ist im internationalen Vergleich mithin nicht der einzig gangbare Weg.

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