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Akademisierung technischer Assistenzberufe

Im Dokument B MTA-Bereich (Seite 176-180)

10 Praktische Schlussfolgerungen

10.2 Akademisierung technischer Assistenzberufe

Einen zentralen Themenkomplex mit Blick auf die Weiterentwicklung technischer Assistenz-berufe bildet eine mögliche Akademisierung. Diese Debatte ist, ähnlich wie in den 90er Ja h-ren in der Pflege, zum Teil berufspolitisch motiviert. Daneben werden aber auch europarech-tliche Gründe, wie die internationale Anerkennung deutscher Abschlüsse, eine bessere Wettbewerbsfähigkeit des Ausbildungssystems und eine größere berufliche Mobilität, sowie fachliche Gründe im Sinne einer Besser- oder Höherqualifizierung der Berufe für eine Ak a-demisierung angeführt. Eine generelle ("grundständige") Akademisierung technischer Assi s-tenzberufe erscheint allerdings weder notwendig noch sinnvoll:

Die gängigen Aus- und Weiterbildungen in den technischen Assistenzberufen weisen - aller Verbesserungspotenziale zum Trotz - anerkanntermaßen ein fachlich hohes Niveau auf. Auf

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Grund eines ausgewogenen Verhältnisses von Theorie und Praxis werden in der Ausbildung gleichermaßen ein fundiertes Grundlagen- und Anwendungswissen wie breite Praxisfertig-keiten vermittelt. Durch die bisherige Ausbildung sind die Schüler grundsätzlich befähigt, i h-ren Beruf gemäß anerkannter Qualitätsstandards auszuüben. Eine fachliche wie praktische Notwendigkeit einer generellen Akademisierung ist deswegen nicht erkennbar.

Im europäischen Vergleich ist die Ausbildung in Deutschland (mindestens) gleichwertig, selbst wenn sie im Ausland eher im sog. Tertiärbereich angesiedelt ist. Die eigenen Anal y-sen zeigen überdies, dass es auch dort teilweise grundständige Ausbildungen gibt, die Quali-fizierungsinhalte und Berufsprofile für die technischen Assistenzberufe weitgehend identisch mit den grundständigen Ausbildungen in Deutschland sind und die spezifischen Bachelor -Studiengänge oder tertiären Bildungsangebote allenfalls selektiv dem Fachhochschul- oder gar Universitätsniveau in Deutschland entsprechen. Auch aus europarechtlichen Gründen erscheint eine breite Akademisierung der technischen Assistenzberufe somit derzeit keines-wegs zwingend. Dabei ist durchaus zu konzedieren, dass die niedrigeren Zulassungsvoraus-setzungen sowie die mangelnde Akademisierung der technischen Assistenzberufe in Deutschland die internationale Anerkennung von Berufsabschlüssen und damit die lände r-übergreifende berufliche Mobilität erschweren können, wenngleich aber nicht grundsätzlich verhindern. Denn die sog. EU-Anerkennungsrichtlinie (Richtlinie 2005/36/EG) ist weit ge-fasst: Bei vergleichbaren Ausbildungsinhalten ist eine Anerkennung der deutschen MTA-Ausbildung im Ausland möglich; ggf. ist die Qualifikation über Eignungsprüfungen oder A n-passungslehrgänge nachzuweisen.

Als eine besondere Stärke bzw. ein spezifischer Vorteil der heutigen Ausbildungsorganisa -tion in den Gesundheitsfachberufen in Deutschland gilt ihre große Praxisnähe. Die instituti o-nelle und räumliche Nähe von Schulen und Ausbildungsstätten (Krankenhäusern) begünstigt eine enge Verzahnung von Theorie und Praxis sowie eine Ausrichtung der Ausbildung am Praxisbedarf. Eine generelle Akademisierung droht, die bewährte Praxisorientierung der Ausbildung in den technischen Assistenzberufen zu beeinträchtigen. Denn die Fachhoc h-schulen oder andere tertiäre Bildungsanbieter weisen keine institutionelle Bindung zu den Krankenhäusern und anderen Ausbildungsstätten auf. Eine ggf. stärkere räumliche Konzen t-ration der Bildungsangebote im tertiären Bereich führt überdies zu einer größeren räumlichen Trennung zu den praktischen Ausbildungsstätten. Überdies müsste eine ausreichende pe r-sonelle und technische Infrastruktur im Tertiärbereich erst geschaffen werden. Eine ma

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gelnde Infrastruktur sowie fehlende Kooperationsbeziehungen und räumliche Ferne von Hochschule und Krankenhaus könnten zu Lasten von Organisation und Qualität der Ausbi l-dung gehen.

Mit einer generellen Akademisierung würde vielen jungen Menschen den Weg zu attraktiven Berufen versperrt oder erschwert, zu denen sie heute noch freien Zugang haben und welche sie in akzeptierter Qualität ausüben. Denn für die meisten Ausbildungen in den technischen Assistenzberufen reicht heute ein Realschulabschluss oder ein vergleichbarer Abschluss.

Eine Akademisierung setzt dagegen Fachhochschulreife oder Abitur voraus. Beispielsweise hat nach den Ergebnissen der Schulbefragung derzeit jedoch nur gut die Hälfte der MTA-Schüler entsprechende Schulabschlüsse. Selbst bei dieser Klientel ist offen, inwieweit sie Interesse an einer akademischen Ausbildung haben oder einer stärker theoretisch-wissenschaftlichen Ausrichtung gewachsen sind. Deswegen würde eine generelle Ak ademi-sierung zu einem spürbaren Rückgang bei den bisherigen Zielgruppen dieser Berufe führen, ohne dass gewährleistet wäre, dass eine neue Klientel für die technischen Assistenzberufe erschlossen würde.

Eine breite Akademisierung technischer Assistenzberufe würde überdies zu einer Verteu e-rung der Gesundheitsversorgung oder zu Frustrationen der Absolventen wegen einer wenig qualifikationsbezogenen Bezahlung führen. Derzeit machen etwa die Kosten des medizi-nisch-technischen Dienstes und des Funktionsdienstes (9,6 Mrd. Euro) knapp ein Viertel der Personalkosten in den deutschen Krankenhäusern aus. Die Vergütungsansprüche, die aus einer Akademisierung ggf. resultieren könnten, würden zu deutlichen Kostensteigerungen in den technischen Assistenzberufen führen, welche mit den derzeit verfügbaren Mitteln nicht respektive nur über Beitragssatzsteigerungen der Kostenträger zu finanzieren wären. Lässt sich dies oder eine adäquate Berücksichtigung des Qualifikationsniveaus in den Tarifverträ-gen nicht realisieren, wären Frustrationen der Absolventen auf Grund einer wenig qualifikati-onsbezogenen Bezahlung eine mögliche Folge.

Letztlich entscheidend ist jedoch, dass es derzeit keinen Bedarf für eine generelle Akadem i-sierung der technischen Assistenzberufe gibt. Die empirischen Ergebnisse der vorliegenden Studie, insbesondere die Befragung der Krankenhäuser, belegen nachdrücklich, dass ak a-demisch qualifiziertes Personal in erster Linie für ausgewählte Tätigkeiten, ausgewählte Po-sitionen oder ausgewählte Einrichtungen in Betracht kommt, nicht jedoch für die Versorgung

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insgesamt.1 Das Gros der Tätigkeiten in den technischen Assistenzberufen kann - wie schon bislang - von einschlägig aus- und weitergebildetem Personal in bewährter und hinreiche n-der Qualität erledigt werden; ein zusätzlicher oder spezieller Benefit durch akademisch qual i-fiziertes Personal ist hierfür nicht oder allenfalls bedingt erkennbar. Deswegen sieht die Pr a-xis auch keinen generellen Akademisierungsbedarf. Eine in der Breite starke Nachfrage nach entsprechenden Studiengangsabsolventen ist einstweilen nicht zu erwarten.

Auch wenn es keinen Bedarf für eine generelle Akademisierung technischer Assistenzberufe gibt, so existiert doch ein spezifischer Bedarf nach akademisch qualifiziertem Personal. Auch das konnten die empirischen Analysen der vorliegenden Studie eindeutig belegen.2 Dem-nach machen akademische Qualifikationen für ausgewählte Tätigkeiten, Positionen und Ei n-richtungen durchaus Sinn; das gilt gleichermaßen für den klinischen wie den außerklinischen Bereich. Zu nennen sind hier beispielsweise Leitungs- und Managementfunktionen in den jeweiligen Fachbereichen, fachlich hochspezialisierte Aufgaben bis hin zur Übernahme aus-gewählter ärztlicher Tätigkeiten sowie Lehr- und Forschungstätigkeiten. Vor diesem Hin ter-grund ist die Einführung spezifischer Studiengänge in den technischen Assistenzberufen sinnvoll und bedarfsgerecht, solange sie im Wesentlichen auf einer grundständigen Ausbi l-dung aufbauen.

Akademische Ausbildungsangebote machen Sinn, wenn sie in ein abgestuftes Qualifizie-rungssystem technischer Assistenzberufe integriert sind und eine gezielte Qualifizierungs-, Aufstiegs- und Karriereoption für ausgewählte Personen darstellen. D.h. entsprechende St u-diengänge sollen auf einer grundständigen Ausbildung aufbauen, einer gezielten Ergänzung und Vertiefung des dort erworbenen Wissens und Könnens dienen und für besondere Au f-gaben im Berufsfeld qualifizieren. Eine partielle Akademisierung ist dabei nicht nur unter fachlich-qualifikatorischen Aspekten empfehlenswert. Vielmehr erhöht sie auch die Attraktiv i-tät der technischen Assistenzberufe, indem sie den tertiären Bildungsbereich zumindest für qualifizierte und berufserfahrene Fachkräfte öffnet.

Die Etablierung erster Bachelor-Studiengänge in Deutschland sowohl im MTA- als auch im OP-Bereich ist vor diesem Hintergrund im Grundsatz zu begrüßen, wenn sie dem Bedarf der Praxis und den Erwartungen der Studiengangsteilnehmer entsprechen. Diesbezüglich b e-steht sicherlich noch erheblicher Entwicklungs- und Evaluationsbedarf, vor allem im Hinblick

1 Vgl. Kap. 5.3

2 Ebd.

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auf die Inhalte und Ziele der angebotenen Studiengänge. In der Einrichtung von Studiengän-gen in den technischen Assistenzberufen ist daher besonderer Wert auf die grundsätzliche Ausrichtung und inhaltliche Ausgestaltung zu legen, um einen "Wildwuchs" an Angeboten, unzureichende Qualifikationen und eine fehlende Bedarfsgerechtigkeit der Abschlüsse zu verhindern. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, erscheinen ein Bachelor-Studium als Aka-demisierungsoption für interessierte und qualifizierte Personen sowie (perspektivisch darauf aufbauend) Master- und Promotionsstudien als ein praktikabler Ansatz zur Weiterentwick-lung technischer Assistenzberufe, nicht zuletzt vor dem Hintergrund internationaler Beispiele in den technischen Berufen und nationaler Erfahrungen mit der Akademisierung in der Pfle-ge.

Ein weiterer Aspekt in der Akademisierungsdebatte betrifft schließlich die Frage, ob eine op-tionale (Fach-)Hochschulqualifizierung in den technischen Assistenzberufen auch ohne grundständige Ausbildung möglich sein soll: Eine solche Option macht allerdings, wenn überhaupt, nur Sinn, wenn die Akademisierung von vornherein auf ein höheres Qualifikat i-onsniveau und damit mittelbar auf primär andere Einsatzbereiche abzielt als die grundstä n-dige Ausbildung. Andernfalls erscheinen (Fach-)Hochschulqualifizierungen ohne vorherige Ausbildung obsolet, insofern sie zu unterschiedlichen Qualifizierungswegen für weitestg e-hend identische Berufsbilder und -bezeichnungen führen würden.

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