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ATA – ein dejá vu?

Im Dokument B MTA-Bereich (Seite 156-159)

5 Übertragbarkeit internationaler Konzepte

9.3 ATA – ein dejá vu?

Beim ATA liegt, wenngleich mit zeitlicher Verzögerung, eine ähnliche Entwicklung vor, wie beim OTA. D. h. das Berufsbild ist als Alternative einer grundständigen Ausbildung zur bish e-rigen Fachweiterbildung für die Anästhesiepflege konzipiert. Im Unterschied zur Letztg e-nannten umfasst die ATA-Ausbildung jedoch keine spezifische Qualifizierung für die Inte n-sivpflege. Sie zielt daher, analog zur OTA-Ausbildung, auf Schüler, deren Interesse nicht primär in der Krankenpflege liegt und die deswegen keine pflegerische (Erst-)Ausbildung anstreben.

Ähnlich wie bei der OP-Assistenz bildet die Langwierigkeit einer qualifizierten Weiterbildung (Ausbildungs- und Berufszeiten inbegriffen) einen maßgeblichen Grund, alternativ eine grundständige Ausbildung von drei Jahren anzubieten. Die Notwendigkeit einer pfleger i-schen Primärqualifikation für die Arbeit in der Anästhesie wird gleichfalls in Abrede gestellt.

Daneben spielen Bedarfsargumente eine zentrale Rolle. Angesichts bestehender Fachkraft-quoten und rückläufiger Weiterbildungsquoten besteht Bedarf für eine grundständige und gleichwohl qualifizierte Ausbildung. Auch aus diesem Grund lehnt sich die ATA-Ausbildung in Inhalt und Struktur an die bewährte OTA-Ausbildung an.

1 Böhme, 2003, S. 45

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Trotz dieses Vorbildes stößt die ATA-Ausbildung teilweise auf ähnliche Bedenken und Res-sentiments wie seinerzeit die Einführung des OTA.1 So ist mit Blick auf den ATA von einer

„Billigmarke“ oder abermals von einer „Schmalspurausbildung“ die Rede.2 Neben fehlenden Einsatzmöglichkeiten auf der Normalstation gibt es für ATA überdies auch keine Alternative auf der Intensivstation. Daneben werden insbesondere qualifikatorische Gründe gegen den ATA angeführt: Die Qualifizierung zum ATA führe zu keinem anerkannten Abschluss im Si n-ne ein-nes Ausbildungsberufes. Die kompetente und selbstbewusste Berufsform der weiterge-bildeten Fachpflegekraft solle durch eine Assistenzperson mit zweifelhafter Qualifikation für diesen hochkomplexen Bereich der Krankenversorgung ersetzt werden. Der herkömmliche Weg der Qualifizierung über eine grundständige Berufsausbildung als Krankenpflegekraft mit zusätzlicher Spezialqualifizierung alleine könne den hohen Standard der Krankenversorgung in deutschen OP sichern. Die Anästhesie-Pflege benötige nicht zusätzliche, sondern solle sich auf die ureigenen Kompetenzen konzentrieren.3

Ähnlich wie seinerzeit beim OTA wird die Einführung einer grundständigen Ausbildung i n-sbesondere von Pflegeverbänden kritisiert, welche eine fachliche Überlegenheit der traditi o-nellen Weiterbildung in der Anästhesie behaupten. So sieht etwa die Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste (DGF) mit großer Sorge eine aus ihrer Sicht zunehmend unkontrollierte Entwicklung neuer Bildungsangebote in originären Berufsfeldern der Pflege, hier vor allem im Bereich der Anästhesie. Häufig würden sich diese Angebote l e-diglich aus ökonomischen Zwängen bzw. aus Mangel an Personal in den ärztlichen Bere i-chen legitimieren. Die Qualität und Zukunftsausrichtung dieser Angebote stelle sich daher mehr als fraglich dar. Neben der inhaltlichen Gestaltung kritisiert die DGF vor allem ein feh-lendes bundeseinheitliches Konzept der angestrebten Qualifikationen.4

Die ärztlichen Fachverbände sind hinsichtlich der Einführung neuer Berufsgruppen in der Anästhesie im Grundsatz aufgeschlossener. Gemäß der sog. „Münsteraner Erklärung“ des Bundes Deutscher Anästhesisten und der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin soll angesichts des hohen Risikos für den Patienten die Durchführung und Überwachung einer Narkose grundsätzlich dem Anästhesisten vorbehalten bleiben; vor

1 Vgl. zusammenfassend Brüggemann, 2009

2 zwai, 2005a

3 zwai, 2005b

4 DGF, 2004

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lem für sog. Parallelnarkosen sind daher strenge Anforderungen festzulegen.1 Unstrittig brauche der Anästhesist eine qualifizierte Assistenz zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Narkose. Seitens der Fachverbände könne aber nicht entschieden we r-den, ob die Implementierung eines ATA zu diesem Zweck ökonomisch vorteilhaft und b e-rufspolitisch sinnvoll sei. Diese Einschätzung erlaubt die Schlussfolgerung, dass die Etabli e-rung dieses Berufsbildes vor allem eine Frage der Praxisbewährung ist.

Der Kritik an der Einführung einer grundständigen ATA-Ausbildung lässt sich im Prinzip mit ähnlichen Argumenten begegnen wie der analogen Kritik zum OTA2: So handelt es sich beim ATA um eine gezielte Fachqualifizierung, welche keine pflegerische Primärqualifikation e r-fordert. Im Gegenteil zeigt die Existenz einer Fachweiterbildung in der Anästhesie, dass die Krankenpflegeausbildung den Anforderungen in der Anästhesie gerade nicht genügt. Prinzi-piell kann daher eine grundständige Ausbildung den spezifischen Anforderungen genauso entsprechen wie eine Fachweiterbildung. Darüber hinaus gibt es perspektivisch auch für ATA unterschiedliche Einsatzbereiche und Karriereoptionen, etwa in der Endoskopie, der Ambu-lanz oder SchmerzambuAmbu-lanz, in OP-Management und -Administration oder bei gezielter Wei-terqualifizierung als Medizinischer Assistent für Anästhesie.3

Die Kritik vor allem der Pflegeverbände lässt sich teilweise dadurch erklären, dass man im ATA eine Bedrohung der bestehenden Fachweiterbildung und eine Konkurrenz auf dem Ar-beitsmarkt sieht.4 Vorderhand erscheint diese Befürchtung angesichts des Fachkräftebedarfs und rückläufiger Weiterbildungsquoten in der Anästhesie jedoch unbegründet. Langfristig wird es beide Berufsgruppen in der Anästhesie geben, die berufliche Zusammenarbeit wird sich dementsprechend entwickeln.

Es ist zwar korrekt, dass es für das Berufsbild des ATA bislang keine staatliche Anerkennung gibt. Allerdings zeigt das Beispiel des OTA, dass auch ohne eine solche eine qualifizierte Ausbildung mit hoher Praxisbewährung und -akzeptanz möglich ist. Die Bedenken einer un-kontrollierten Zunahme neuer Bildungsangebote im Gesundheitswesen sind dabei durchaus ernst zu nehmen. Auch deswegen erscheint mittelfristig eine bundesgesetzliche Regelung des ATA-Berufes, analog zu anderen Gesundheitsfachberufen bzw. zum geplanten OTA-Gesetz, in hohem Maße sinnvoll.

1 Vgl. auch Kap. 9.5

2 Vgl. ausführlich Kapitel 9.2

3 Vgl. Kap. 9.5

4 Vgl. Brüggemann, 2009

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Die Zahl der ATA-Schulen und -Schüler wird perspektivisch genauso zunehmen wie die Nachfrage nach den Absolventen dieser grundständigen Ausbildung. Deswegen wird es „im Bereich der Anästhesiepflege durch den ATA die gleichen Veränderungen geben wie im Operationsdienst. Es handelt sich nur noch um eine Frage der Zeit und der finanziellen Res-sourcen der Krankenhäuser. Die Einführung des OTA hat bewiesen, dass es möglich ist, auch ohne dreijährige Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung am Operationstisch zu arbeiten. Dies trifft auch auf die Tätigkeiten in der Anästhesie zu.“1

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