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2 Literaturübersicht

2.3 Insulin

2.3.2 Insulinresistenzphänomen

KAHN (1978) beschreibt die Insulinresistenz als einen Zustand, in dem die physiologische Insulinkonzentration eine verminderte Antwort erzeugt. BERSON und YALOW (1970) sehen in ihr eine Situation, in der eine größere Insulinmenge benötigt wird, um eine normale Reaktion hervorzurufen. Man spricht in diesem Fall von einer verminderten Insulinsensitivität, bei der eine höhere Insulinkonzentration nötig ist, um einen halbmaximalen biologischen Effekt (km-Wert) zu erzielen. Die Höhe des maximalen biologischen Effektes bleibt unverändert. Bei einer reduzierten Insulin-Response, die auch einer Insulinresistenz zugrunde liegen kann, ist hingegen der maximale Effekt des Insulins bei unverändertem km-Wert vermindert (RIZZA et al.

1981; SANO et al. 1991).

Auf molekularer Ebene können Abweichungen der Insulinwirkung im Körper an drei verschiedenen Lokalisationen ihren Ursprung nehmen:

1. Im Prärezeptor-Level (Insulinsekretionsrate reduziert)

2. Im Rezeptor-Level (verminderte Dichte oder Ansprechbarkeit der Rezeptoren) 3. Im Postrezeptor-Level (intrazelluläre Signalkaskade unterbrochen) (VERNON

u. SASAKI 1991)

Ein Defekt im Prärezeptor-Level bedingt in der Regel eine Hypoinsulinämie. Eine herabgesetzte Insulin-Response nimmt im Allgemeinen ihren Ursprung im Rezeptor-Level, während eine fehlerhafte Signalübertragung im Postrezeptor-Level Ursache einer reduzierten Insulin-Sensitivität ist.

HOLTENIUS und HOLTENIUS (1996) beschreiben bei der hochleistenden Milchkuh zwei verschiedene Diabetesformen:

1. Typ-I-Diabetes: Hypoinsulinämische und –glykämische Tiere (in der Frühlaktation bei negativer Energiebalance)

2. Typ-II-Diabetes: Hyperinsulinämische und –glykämische Tiere (häufig mit Krankheit wie Metritis, Mastitis oder Laminitis einhergehend)

Zur Prüfung der Insulin-Resistenzlage werden euglykämische Insulinclamps oder Glukosetoleranztests (GTT) durchgeführt. Im GTT, bei der Glukose intravenös verabreicht wird, können z. B. basale und maximale Plasmainsulinkonzentrationen, Glukose-Clearance, Verhältnis von Plasma-Glukose zu Plasma-Insulin und die Zeit bis zum Wiedererreichen normaler Glukosewerte bestimmt werden (HAYIRLI et al.

2001). Beim euglykämischen Clamp wird eine bestimmte Menge an Insulin infundiert und dabei der Glukosespiegel konstant gehalten. Aus verbrauchter Glukosemenge und infundierter Insulinkonzentration kann der biologische Effekt abgeleitet werden (SANO et al. 1991, 1993 a).

Die Entwicklung einer Insulinresistenz ist ein multikausales Geschehen. Im Folgenden sind einige Faktoren aufgeführt.

Reproduktionsstadium:

Insulinresistenzen werden häufig im Zusammenhang mit fortgeschrittenen Trächtigkeiten und einsetzender Laktation beobachtet (PRIOR u. CHRISTENSON 1978; DEBRASS et al. 1989; FAULKNER u. POLLOCK 1990; PETTERSON et al.

1994). Der Nährstoffbedarf des wachsenden Fetus und später die einsetzende Laktation fordern einen flexiblen mütterlichen Metabolismus. Bei Schafen beträgt die fetale Glukoseaufnahme 42-50 % der mütterlichen Glukoseproduktion bzw. wird die uterine Glukoseaufnahme mit 18 mg/kg Fetus/min angegeben (PRIOR u.

CHRISTENSON 1978). Der Glukosetransport in der Plazenta, die uterine Glukoseaufnahme sowie die Glukosesekretion ins Euter sind dabei (anders als der Transfer von Glukose in das mütterliche Muskel- oder Fettgewebe) weitestgehend insulinunabhängig (HOVE 1978 a; HAY et al. 1984). Die Umverteilung dieser Nährstoffe in Richtung Plazenta und Euter wird daher vor allem über eine geringere Insulinsekretion und eine geringere Ansprechbarkeit des Körpergewebes auf Insulin erzielt. STAUFENBIEL et al. (1992) haben die Insulin- und Glukoseregulation bei der Milchkuh mittels Tagesprofilen im Zeitraum von 17 Wochen ante partum bis 52 Wochen post partum beurteilt. Dabei wurden die niedrigsten Insulinwerte im Tagesprofil in der 23. Woche p.p. gemessen bei einer generellen Abnahme ab der 7.

Woche a. p.. Auch SANO et al. (1993 b) erbrachten den Nachweis, dass bei laktierenden Kühen die Insulinsekretion nach Infusion von Glukose geringer ist als bei Tockenstehern (23 vs. 102 µU/ml). Hingegen konnten sie im Glukoseverbrauch bei hyperinsulinämischen Clamps keinen Unterschied zwischen laktierenden und trockenstehenden Tieren feststellen. GIESECKE (1986) hat die Insulinantwort nach einer Glukoseinfusion gemessen. Zu sehen war eine deutliche Abnahme der Insulinspiegel 6 Wochen ante partum bis 6 Wochen post partum, was der Autor auf eine verminderte Sekretion zurückführte. In einer weiteren Untersuchung zeigte er im gleichen Zeitfenster zusätzlich an Erythrocyten eine Affinitätsabnahme für Insulin.

Vorausgesetzt, dass sich die an den Erythrocyten gewonnenen Erkenntnisse auf andere Gewebe übertragen lassen, bedeutet das, dass neben reduzierten Insulinspiegeln im Blut peripartal außerdem eine verminderte Ansprechbarkeit der Gewebe auf Insulin vorliegen könnte.

KRÄFT (2004) hingegen demonstrierte, dass Milchkühe in der Frühlaktation im Gegensatz zu trockenstehenden Kühen eine hohe Insulin-Sensitivität und -Response aufweisen, was einer Unterversorgung extramammärer Gewebe bei niedrigen Insulinspiegeln entgegen wirkt. So besteht eine grundsätzliche Übereinstimmung

hinsichtlich der verminderten Insulinsekretion nach Glukoseapplikation in der Spätträchtigkeit und Frühlaktation, wohingegen es gegenläufige Ergebnisse in Bezug auf die Ansprechbarkeit der Gewebe auf Insulin in diesem Zeitraum gibt.

Der Effekt von Insulin auf den Fettstoffwechsel während der Trächtigkeit und der Frühlaktation wurde von GUESNET et al. (1991) am Schaf untersucht. In den ersten drei Monaten der Trächtigkeit konnten die Autoren eine verstärkte Lipogenese, eine reduzierte Reaktion auf einen ß-lipolytischen Stimulus mittels Isoproterenol und eine erhöhte Anzahl von Insulinrezeptoren mit hoher Affinität feststellen. Im letzten Drittel der Trächtigkeit und in der Laktation kam es zu einem umgekehrten Bild. V. a. in der Laktation war die Anzahl der Insulinrezeptoren vermindert und die Insulin-stimulierte Lipogenese wurde unzureichend. Analysen von Dosiswirkungskurven im Zuge von Insulininfusionen bei tragenden und nicht-tragenden Schafen zeigten, dass die maximale Insulin-vermittelte Reduzierung von NEFAs und Glycerol im Plasma bei tragenden Schafen signifikant geringer ist als bei den nicht-tragenden Tieren. Das bedeutet, dass es bei Schafen während der Trächtigkeit zu einer verminderten Ansprechbarkeit des Fettgewebes auf Insulin kommt (PETTERSON et al. 1994).

Während der späten Trächtigkeit sind u. a. die Konzentrationen von Progesteron, Cortisol und Prolaktin im Plasma erhöht. RYAN und ENNS (1988) haben den Effekt dieser Hormone auf die Insulinwirkung (maximale Insulinbindung und Glukosetransportrate) an isolierten Fettgewebszellen von Ratten untersucht. Dabei stellten sie fest, dass die Gabe von Prolactin den Glukosetransport hemmte und Progesteron und Cortisol beides reduzierten. Das vor allem zu Beginn der Laktation ebenfalls erhöhte Estradiol erzeugte hingegen eine gesteigerte maximale Insulinbindung.

Ernährungszustand:

In einer Vielzahl von Untersuchungen an Wiederkäuern und Monogastriern konnte gezeigt werden, dass mit Adipositas häufig Stoffwechselstörungen vergesellschaftet sind. Erhöhte Konzentrationen an NEFAs im Blut korrelieren mit einer gestörten intrazellulären Signalkaskade (ZIERATH et al. 1998; LE MARCHAND-BRUSTEL et al. 1999), einer reduzierten Anzahl an GLUT-4-Transportern (VAN EPPS-FUNG et al. 1997) und einer Hemmung der Insulin-stimulierten Glukoseaufnahme des

peripheren Gewebes (KOOPMANS et al. 1996). GRIZARD und SZCZYGIEL (1983) konnten an Schafen eine mit steigendem Körpergewicht abnehmende Insulinbindung an Hepatocyten nachweisen. Es kommt im Zusammenhang mit Fettleibigkeit auch zu Insulinresistenzen, die mit Hyperinsulinämien einhergehen. MC CANN und REIMERS (1985) und MC CANN et al. (1986) konnten zeigen, dass es sowohl bei adipösen Schafen als auch bei fettleibigen Färsen im Vergleich zu normal konditionierten Tieren zu einer Reduktion der Glukoseregulation und zu erhöhten Insulinspiegeln kam. Allerdings beschreiben z. B. HAYIRLI et al. (2002), GARNSWORTHY und TOPPS (1982) und TREACHER et al. (1986) bei obesen Wiederkäuern im Gegensatz zu monogastrischen Tieren einen verminderten Appetit.

HAYIRLI (2006) folgert daraus, dass Adipositas bei Nicht-Wiederkäuern mit Hyperglykämie und –insulinämie und bei Wiederkäuern mit Hypoglykämie und – insulinämie vergesellschaftet ist.

Eine moderate, kurzfristige Unterernährung hatte bei Schafen keine Auswirkungen auf die Insulin-vermittelte Reduktion von NEFAs und Glycerol im Blut (PETTERSON et al. 1994). Eine andere Untersuchung hingegen zeigt, dass bei gesunden Kühen nach Infusion von Glukose höhere Insulinspiegel erzielt wurden als bei hungernden Tieren (HOVE 1978 b). Die Autoren erklären dies zum einen mit einem durch HALSE (1960) an Milchkühen dokumentierten Abfall der Plasma-Kalziumspiegel um 20 % nach 48 Stunden Fasten. Zum anderen halten die Autoren den beim fastenden Menschen nachgewiesenen Norepinephrin-Anstieg für einen möglichen hemmenden Faktor. Zusätzlich bietet sich eine weitere Erklärungsmöglichkeit in dem durch die reduzierte Futteraufnahme verminderten Propionatspiegel sowie der dadurch bedingten Hypoglykämie (HERDT 2000; OSTERGAARD u. GRÖHN 1999).

Mineralstoffimbalancen:

In verschiedenen Untersuchungen konnte ein Zusammenhang zwischen Hypokalzämien und verminderter Insulinsekretion nachgewiesen werden (LITTLEDIKE et al. 1968; GOFF 1999). Beim Schaf ist bei bestehender Hypokalzämie zusätzlich zur herabgesetzten Sekretion auch eine Hemmung der Insulin-Clearance nachgewiesen (SCHLUMBOHM et al. 1997).

Eine Hypokaliämie kann ähnlich hemmende Auswirkungen auf die Insulinsekretion haben, da es bei niedrigen Kaliumspiegeln allgemein zu einem vermehrten Ausstrom von Kalium aus der Zelle kommt. Dadurch wird deren Ruhemembranpotential negativer und als Konsequenz kann die Zelle nicht mehr so leicht depolarisiert werden. Dies ist allerdings die Voraussetzung dafür, dass die potentialabhängigen Kalziumkanäle öffnen. Im Endeffekt wird also die Insulinsekretion gehemmt (PETRIDES 1997). In die gleiche Richtung zielen Beobachtungen bei diabetischen Menschen mit gleichzeitig bestehender Hypokaliämie, bei denen die Glukosetoleranz durch Anhebung der Kaliumspiegel verbessert werden konnte (TOURNIAIRE et al.

1988).

Labmagenverlagerung und Ketose:

Auch verschiedene Erkrankungen bei Milchkühen können mit Insulinresistenzen zusammen auftreten. Bei ketotischen Tieren kommt es bei unveränderten (VAN MEIRHAEGHE et al. 1988 b) oder verminderten (BROCKMAN 1979; KRÄFT 2004) basalen Insulinspiegeln zu einer geringeren Insulinsekretion als Antwort auf Glukoseinfusionen verglichen mit gesunden Tieren im gleichen Laktationsstadium.

Auch HOVE (1978 b) erzielte in gesunden Kühen nach Infusion von Glukose höhere Insulinspiegel als in ketotischen. Den geringen Anstieg der Insulinspiegel der ketotischen Tiere erklärten die Autoren mit einer verminderten sekretorischen Kapazität der ß-Zellen, herrührend von der Tage oder Wochen andauernden Phase der die Ketose begleitenden Hypoglykämie. SAKAI et al. (1996) erzielten ähnliche Ergebnisse: bei gesunden Kühen war nach Infusion von 500 ml einer 50 %igen Glukoselösung die Insulinkonzentration im Plasma 7 mal, bei ketotischen Tieren nur 3 mal höher. Jedoch zeigte die Infusion von Xylitol ein anderes Bild: bei gesunden Kühen war nach der Infusion von 1000 ml einer 25 %iger Xylitollösung die Insulinkonzentration 9 mal, bei ketotischen Tieren hingegen 12 mal höher. Die Autoren erklären diesen Insulinanstieg entweder mit einem verminderten Abbau von Insulin, da die Diffusion von Xylitol ins periphere Gewebe Insulin unabhängig verläuft, oder aber mit einer gesteigerten Synthese und Freisetzung. BECK et al. (1983) erbrachten außerdem den Nachweis, dass ketotische Kühe neben einer verminderten Insulinsekretion auch eine reduzierte Insulin-Sensitivität aufweisen.

Tiere mit bestehender Labmagenverlagerung hingegen weisen signifikant höhere Insulin- und Glukosewerte auf als gesunde Kühe. Auch auf eine Glukoseinfusion reagieren erstere mit einer langanhaltenden erhöhten Insulinsekretion (VAN MEIRHAEGHE et al. 1988 b; HOLTENIUS u. TRAVEN 1990). Tiere, die sowohl ketotisch sind als auch an einer Labmagenverlagerung leiden, reagierten in dieser Studie überwiegend mit einer starken Insulinantwort (VAN MEIRHAEGHE et al. 1988 b). OK et al. (2000) zeigten zudem, dass Kühe mit rechtsseitiger Labmagenverlagerung noch höhere Insulinspiegel haben als solche mit linksseitiger.