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2 Literaturübersicht

2.3 Insulin

2.3.1 Insulinhomöostase

Für die physiologische Insulinkonzentration im Plasma von Rindern liegen keine offiziellen Referenzwerte vor. In verschiedenen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Insulinkonzentrationen im Plasma starken Schwankungen unterliegen. Die Angaben der Autoren über die Insulinwerte gesunder, trockenstehender, tragender Tiere variieren zwischen 8,9 (±2,4) µU/ml (KRÄFT 2004) und 27 (±3) µU/ml (SANO et al. 1993 b). Innerhalb eines Tages schwanken die basalen Insulinwerte zudem abhängig von der Fütterung: 2 - 4 h nach der letzten Mahlzeit steigen die Insulinwerte an und sinken dann wieder ab mit Erreichen des Minimums 12 – 16 h nach der letzten Fütterung. Eine Kuh im Zeitraum 17 bis 11

Wochen vor der Abkalbung weist deshalb an einem Tag Insulinwerte zwischen ca.

10 und 40 µU/ml auf (STAUFENBIEL et al. 1992). So erscheint nur ein Vergleich der Insulinwerte innerhalb einer Studie und nicht zwischen den einzelnen Untersuchungen sinnvoll.

Als anaboles Hormon stellt Insulin die Nährstoffversorgung (insulinabhängiger) Gewebe sicher. Am Ende der Trächtigkeit kommt es im mütterlichen Metabolismus jedoch allmählich zu einer Verschiebung der verschiedenen Metabolite zwischen dem Eutergewebe und den übrigen Körpergeweben, die u. a. auf veränderte Insulinspiegel im Blut zurückzuführen ist (MERSMANN 1987). Milchkühe in der Spätträchtigkeit und Frühlaktation haben daher in der Regel niedrigere Insulinkonzentrationen im Plasma als Tiere in der Mittel- und Spätlaktation und der Trockenstehzeit (GRIZARD et al. 1986; MALVEN et al. 1987; BAUMANN u. CURRIE 1980; BLUM et al. 1972). Außerdem treten Hypoinsulinämien im Hungerzustand auf (HOVE 1978 b; PETTERSON et al. 1994).

Hyperinsulinämien hingegen werden bei adipösen Tieren (MC CANN und REIMERS 1985; MC CANN et al. 1986), bei Tieren mit Laminitis, Mastitis oder Metritis (HOLTENIUS u. HOLTENIUS 1996) und bei Kühen mit Labmagenverlagerung beobachtet (OK et al. 2000; SEN et al. 2006).

2.3.1.1 Struktur und Biosynthese von Insulin

Das Proteohormon Insulin besteht aus zwei Peptidketten, einer sauren (A) und einer basischen (B), die an verschiedenen Positionen über Disulphidbrücken miteinander verbunden sind (siehe Abbildung 2).

S S A-Kette

Gly-Ile-Val-Glu-Gln-Cys-Cys-Ala-Ser-Val-Cys-Ser-Leu-Tyr-Gln-Leu-Glu-Asn-Tyr-Cys-Asn 5 10 15 21 S

S B-Kette

Phe-Val-Asn-Gln-His-Leu-Cys-Gly-Ser-His-Leu-Val-Glu-Ala-Leu-Tyr-Leu-Val-Cys-Gly-Glu-Arg-Gly-Phe-Phe-Tyr-Thr-Pro-Lys-Ala 5 10 15 20 25 30

Abbildung 2: Die Aminosäuresequenz von Rinderinsulin (STRYER 1999)

Insulin wird in den β-Zellen des Langerhansschen Inselapparates gebildet und gespeichert (MARTIN u. CRUMP 2003): Nach Transkription der mRNA im Zellkern und Translation im rauen endoplasmatischen Retikulum wird zunächst ein Insulinvorläufer, das Präproinsulin, gebildet, bei dem die A- und B-Kette über ein sogenanntes „connecting peptide“ (Peptid) miteinander verbunden sind. Dieses C-Peptid ist in seiner Aminosäurenzusammensetzung, im Gegensatz zum restlichen Protein, bei den verschiedenen Säugetieren höchst variabel. Es folgt die Spaltung von Arginin-Arginin und Lysin-Arginin-Resten am C-Peptid durch Trypsin-like und Carboxypeptidase-like Enzyme sowie die Bildung von Disulphidbrücken zwischen der A- und B-Kette. Das daraus entstehende Proinsulin wird vom rauen endoplasmatischen Retikulum in den Golgi-Apparat überführt. Es wird in zytosolischen Granula bis zur Freisetzung gespeichert. Die definitive Überführung des Proinsulins in Insulin erfolgt durch Abspaltung der die beiden Kettenenden verbindenden Brücke (MARTIN u. CRUMP 2003).

2.3.1.2 Sekretion und Abbau von Insulin

Faktoren, die die Insulinsekretion stimulieren, sind Nährstoffe (z. B. Glukose, Galaktose, Mannose, Arginin, Lysin, Leucin, Alanin, Fettsäuren, Kalium und Kalzium), gastrointestinale Hormone (z. B. Glukagon, Sekretin und Cholezystokinin) und parasympathische oder β-adrenerge Stimuli. Auslöser für eine Hemmung der Insulinsekretion sind u. a. Fasten, Aufregung, Hypokalzämien, α-adrenerge Aktivität und gastrointestinale Hormone (z. B. Galanin und Somatostatin) (MARTIN u.

CRUMP 2003).

Beim Monogastrier gilt ein Anstieg des Blutzuckerspiegels als wichtigster Auslöser für den Mechanismus der Insulinfreisetzung. Mit der steigenden Konzentration im Blut wird vermehrt Glukose in die β-Zellen aufgenommen. Durch eine unmittelbare Metabolisierung der Glukose (durch eine hohe Glukokinaseaktivität), steigt die zytosolische ATP-Konzentration, die eine Reduktion der Offenwahrscheinlichkeit ATP-abhängiger Kaliumkanäle bedingt. Durch die verminderte Kaliumleitfähigkeit kommt es zu einer Anhebung des Ruhemembranpotentials und damit zu einer erhöhten Öffnungsrate spannungsabhängiger Kalziumkanäle. Der folgende

Kalziumeinstrom führt zu einer gesteigerten Exozytose der Insulingranula und damit zur Sekretion in die Blutbahn (LÖFFLER u. PETRIDES 1997).

Auch beim Wiederkäuer liegen verschiedene Untersuchungen über die Faktoren vor, die auf die Insulinsekretion Einfluss nehmen:

TRENKLE (1971) konnte zeigen, dass sowohl die basalen Insulinspiegel als auch die Insulinsekretionsrate bei gefütterten Schafen signifikant höher waren als die fastender Tiere, wohingegen sich bei der Eliminationsrate keine Unterschiede ergaben. Zumindest prepartum ist die Menge der Insulinsekretion nach Glukoseinfusionen dabei abhängig von der Fütterungsintensität: Sie nahm mit der Intensität der Fütterung zu (bei 71 MJ umsetzbarer Energie geringere Insulinsekretion als bei 177 MJ) (HOLTENIUS et al. 2003). Verschiedene Autoren konnten nachweisen, dass die Insulinsekretion vor allem von der Propionatkonzentration im Portalblut und einem prandial erhöhten Vagotonus abhängig ist (MANNS u. BODA 1967; MANNS et al. 1967; BLOOM u. EDWARDS 1981; SARTIN et al. 1985; MINEO et al. 1990; WEEKES 1991; GRIINARI et al.

1997). Darüber hinaus wurde in verschiedenen Studien die Insulinsekretion nach Infusion unterschiedlicher Substanzen überprüft. So konnte durch intravenöse.

Glukoseapplikationen bei Milchkühen der Insulingehalt im Blut erhöht werden (GIESECKE 1986), wobei SAKAI et al. (1996) eine stärkere Insulinantwort durch Xylitolgaben erzielten (Xylitol ist ein intermediär vorkommendes Pentose-Derivat, das keine Erhöhung des Blutzuckerspiegels bewirkt und daher auch „Diabetiker-Zucker“

genannt). Auch Fettsäureninfusionen, neben Propionat auch n-Butyrat und n-Valerat (nicht hingegen Acetat), hatten ansteigende Insulinkonzentrationen im Blut zur Folge (DE JONG 1982). Auch HORINO et al. (1968) zeigten einen Anstieg der Plasmainsulinspiegel durch Infusion von Fettsäuren mit drei bis acht C-Atomen.

Interessant dabei war, dass es zu keiner Erhöhung der Glukosekonzentration im Blut kam, die Fettsäuren also direkt und nicht etwa über eine Stimulierung der Glukoneogese die Insulinsekretion verstärkte. Die Autoren ziehen aus ihrer Studie den Schluss, dass Fettsäuren mit oben genannter Länge bei Wiederkäuern potentere Stimulatoren der Insulinsekretion sind als Glukose. Im Gegensatz dazu zeigten KNOWLTON et al. (1998) eine tendenziell stärkere Insulinantwort auf eine

abomasale als auf eine ruminale Stärkeinfusion. Des Weiteren konnten ODA et al.

(1986) an Ziegen den Nachweis erbringen, dass durch β-adrenerge Substanzen eine Insulinsekretion ausgelöst wird. Auch intravenöse Glukagonapplikationen erhöhen den Insulingehalt im Plasma (HOLTENIUS u. TRAVEN 1990).

Nach Stimulation der Insulinsekretion kommt es zu einem biphasischen Anstieg der Plasmakonzentration, der vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass zunächst eine Ausschüttung der Reserven erfolgt und dann eine Neuproduktion mit anschließender Freisetzung; bei hungernden Kühen ist nur ein monophasischer Anstieg des Insulingehaltes im Plasma festzustellen (HOVE 1978 b).

Neben reduzierten Insulinspiegeln im Hungerzustand (HOVE 1978 b) wurde nach Gabe von α-Adrenergika (ODA et al. 1986) eine Hemmung der Insulinfreisetzung beobachtet. Diese binden an α2-Rezeptoren der Plasmamembran der β-Zellen im Pankreas und hemmen den Kalziumeinstrom in die Zelle und damit die Freisetzung von Insulin (BROCKMAN 1986). In diesem Zusammenhang ist auch die mit Hypokalzämien (GOFF 1999) einhergehende verminderte Insulinsekretion zu sehen.

Zudem konnte Somatostatin bei Ziegen eine Glukose-induzierte Insulinsekretion kurzzeitig verhindern (MAGLAD et al. 1983), indem es Kaliumkanäle aktiviert und damit eine Depolarisation der β-Zellen verhindert (BROCKMAN 1986).

Abgebaut wird das in der Blutbahn zirkulierende Insulin enzymatisch in der Leber. Es hat im Serum eine Halbwertszeit von 10-15 Minuten. Bei der Bindung des Insulins an die Insulinrezeptoren der Zielzellen kommt es im Zuge der Signaltransduktion zu einer Internalisierung des Komplexes und zu einem anschließenden Abbau durch lysosomale Enzyme. Dabei werden die Disulphidbrücken durch die Glutathion-Insulin-Transhydrogenase gespalten und die entstandenen Ketten proteolytisch abgebaut (LÖFFLER u. PETRIDES 1997).

2.3.1.3 Signaltransduktion am Erfolgsorgan

Bei der Signaltransduktion werden drei Stadien unterschieden: Phosphorylierung des Insulinrezeptors, intrazelluläre Signalkaskade über second messenger und Translokation z. B. der Glukosetransporter.

Der Insulinrezeptor ist ein dimeres Molekül aus jeweils zwei gleichen α- und β-Untereinheiten, die über eine Disulphidbrücke miteinander verknüpft sind. Während die α-Untereinheiten auf der Zelloberfläche lokalisiert sind, befinden sich die β-Anteile v. a. im Zellinneren, haben allerdings auch transmembranäre und extrazelluläre Anteile (TORNQUIST u. AVRUCH 1988; TAYLOR 1991; LÖFFLER u.

PETRIDES 1997). Sie sind zudem mit einer Tyrosinkinase-Domäne ausgestattet (KAHN 1994). Die Bindung von Insulin an die α-Untereinheit führt zu einer Konformationsänderung der Untereinheiten und im Zuge dessen zu einem Wegfall der Hemmwirkung der α-Untereinheit auf die Tyrosinkinase der β-Untereinheit. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer Autophosphorylierung einiger Tyrosylreste an der β-Untereinheit und in der Folge zu einer Internalisierung des Insulin-Rezeptor-Komplexes. Dieser Prozess löst durch sich intrazellulär ausbreitende second messenger-Systeme eine Kaskade an Phosphorylierungen und Dephosphorylierungen aus. Die entstehenden Botenstoffe sind in ihrer Wirkung auf das Endergebnis spezifisch. Die Phosphorylierung des Insulinrezeptorsubstrates stimuliert beispielsweise die Glykogensynthese, die des Guanosintriphosphats fördert Wachstum und Genexpression und die der Phosphoinositolphosphat-Kinase die Lipogenese, Proteinsynthese und die Translokation von Glukosetransportern (KAHN 1994).