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Instruktionen Kausalsystem Post-Embitterment-Disorder

4 Experimente

4.4 Experiment 3

4.4.3.1 Instruktionen Kausalsystem Post-Embitterment-Disorder

Stelle Dir bitte folgende Situation vor: In der jüngsten Vergangenheit wurden in der psychotherapeutischen Praxis vermehrt Fälle registriert, die eine psychische Störung nach einem Verbitterung auslösenden Ereignis aufweisen. Ein solches Ereignis kann z.B. der Verlust einer langjährigen Arbeitsstelle ohne ersichtlichen Grund oder ein Betrug durch nahe Freunde bzw. Angehörige sein. Auf Grundlage systematischer Erhebungen der Symptome von Patienten, die ein Verbitterung auslösendes Ereignis erlebt haben, wurde ein Krankheitsmodell entwickelt. Dieses beschreibt, wie die Symptome der sog. „Post-Embitterment Disorder“ miteinander in Zusammenhang stehen. Es wurde festgestellt, dass sich bestimmte Symptome der „Post-Embitterment Disorder“ gegenseitig bedingen und dadurch häufig in bestimmten Konstellationen auftreten.

Wir wollen Dir nun erst einmal das Störungsmodell der „Post-Embitterment Disorder“ vorstellen, das Du Dir bitte so gut wie möglich einprägen sollst: Es ist wichtig zu beachten, dass alle Symptome zwar oft auftreten, aber es müssen nicht alle Symptome zwangsläufig vorliegen, um eine Diagnose „Post-Embitterment Disorder“ stellen zu können. Für eine Diagnose ist immer die jeweilige Symptomkonstellation vor dem Hintergrund des Störungsmodells relevant.

Es wird angenommen, dass viele Patienten auf ein Verbitterung auslösendes Ereignis mit gefühlten Kontrollverlust reagieren. Gleichzeitig kommt es auch zu einer starken Stressreaktion. Das Gefühl des Kontrollverlustes und die starke Stressreaktion können auch lange nach Beendigung des Verbitterung auslösenden Ereignisses anhalten. Der wahrgenommene Kontrollverlust führt oftmals zu verminderten Selbstwirksamkeitserwartungen. Die verminderten Selbstwirksamkeitserwartungen führen oftmals zu Pessimismus. Außerdem führen die verminderten Selbstwirksamkeitserwartungen oftmals zu einer wahrgenommenen Handlungsunfähigkeit. Die wahrgenommene Handlungsunfähigkeit führt oftmals zu einer Reduzierung der Teilnahme an sozialen Aktivitäten. Die Reduzierung der Teilnahme an sozialen Aktivitäten führt oftmals zu einem Gefühl der Entfremdung von Anderen.

Eine durch ein Verbitterung auslösendes Ereignis ausgelöste starke Stressreaktion führt oftmals zu anhaltenden Symptomen erhöhter Erregung. Anhaltende Symptome erhöhter Erregung führen oftmals zu Reizbarkeit. Außerdem führen die anhaltenden Symptome erhöhter Erregung oftmals zu Schwierigkeiten ein- oder durchzuschlafen. Schwierigkeiten ein- oder durchzuschlafen führen oftmals zu anhaltender Müdigkeit am

Tage. Anhaltende Müdigkeit am Tage führt oftmals zu Konzentrationsschwierigkeiten. Deine Aufgabe wird es sein, zu bestimmen wie wahrscheinlich bei verschiedenen Patienten eine „Post-Embitterment Disorder“

vorliegt.

Die verbale Beschreibung des Kausalsystems wurde anschließend mittels einer Graphik veranschaulicht (s. Abbildung 18). Die Balancierung der graphischen Darstellung des Kausalsystems bestand in einer Spiegelung der von der Variablen „Verbitterung auslösendes Ereignis“ ausgehenden Variablen: Diejenigen Variablen, die sich in Balancierungsbedingung 1 auf der linken Seite der Abbildung befanden, wurden in Balancierungsbedingung 2 auf der rechten Seite dargestellt. Die Balancierung sollte Effekte der Position der Variablen im Kausalsystem kontrollierbar machen.

Abbildung 18: Darstellung des Kausalsystems in Experiment 3 (Balancierungsbedingung 1). Die Pfeile zwischen den Variablen repräsentieren Kausalrelationen und sind von der verursachenden Variablen auf den jeweiligen Effekt gerichtet. Die in dieser Abbildung dargestellten Variablenausprägungen stellen die verschiedenen Symptome der Post-Embitterment Disorder dar. Die Abwesenheit einzelner Symptome wird während der Stimuluspräsentation durch das Wort „kein“ bzw „keine“ vor dem Namen des Symptoms gekennzeichnet. Die Variable „Verbitterung auslösendes Ereignis“ wurde bei allen Fällen als vorhanden vorausgesetzt und nicht während der Stimuluspräsentation gezeigt.

4.4.3.2 Multiple-Choice Wissenstest

Der nach der Instruktion des Kausalsystems erfolgende Wissenstest bestand in Experiment 3 aus 10 Fragen mit je 4 Antwortalternativen (s. Anhang D). Konnte eine Versuchsperson nicht alle Fragen korrekt beantworten, wurden ihr die Instruktionen für das

Kausalsystem und im Anschluss die Multiple-Choice-Fragen nochmals präsentiert. Nur Versuchspersonen, die alle Fragen korrekt beantworten konnten, auch nach sechs Durchgängen mindestens einen Fehler machten oder nach Ablauf von 30 Minuten die Lernphase des Experimentes nicht abgeschlossen hatten, kamen in die Testphase des Experiments. Bei den letzten beiden Personengruppen wurden die Datensätze jedoch als ungültig markiert, um sie von der später erfolgenden Analyse ausschließen zu können (vgl.

Abschnitt 4.1).

4.4.3.3 Testphase

Die Versuchspersonen hatten in der Testphase von Experiment 3 insgesamt fünf Versuchsdurchgänge zu absolvieren, die jeweils in der Beurteilung eines Falles bestanden.

Die Reihenfolge der zu beurteilenden Fälle wurde für jede Versuchsperson randomisiert. Die von den Versuchspersonen zu beantwortende Frage: „Wie wahrscheinlich ist es, dass bei Patient X eine Post-Embitterment Disorder vorliegt?“ wurde zunächst für ca. 3 Sekunden gezeigt, wobei X einen dem aktuellen Versuchsdurchgang entsprechenden Buchstaben (A, B, C, D oder E) darstellte. Unmittelbar im Anschluss wurden die Variablenausprägung eines Falles in randomisierter Reihenfolge in der Mitte des Bildschirms präsentiert. Die möglichen Ausprägungen einer Variablen kennzeichneten die An- oder Abwesenheit eines Symptoms beim aktuell zu beurteilenden Fall. War ein Symptom anwesend, so wurde dessen Name in einer den Versuchspersonen aus der Lernphase des Experiments bekannten optischen Form dargeboten. War ein Symptom abwesend, so wurde vor dessen Name das Wort „kein“ bzw.

„keine“ eingefügt (z.B. „kein gefühlter Kontrollverlust“; „keine starke Stressreaktion“). Da die Versuchspersonen instruiert wurden, dass alle zu beurteilenden Patienten ein Verbitterung auslösendes Ereignis erlebt hatten, wurde auf die Präsentation dieser Variable verzichtet.

Somit bestand ein Fall aus insgesamt 12 Variablenausprägungen. Die Dauer der Darstellung der einzelnen Variablenausprägungen betrug 1,5 Sekunden für die Bedingungen des spontanen Entscheidens, des unbewussten Denkens, sowie des bewussten Denkens mit selbstgewählter Dauer. In der Bedingung der Online-Verarbeitung konnten die Versuchspersonen selbst entscheiden, wie lange sie die aktuell präsentierte Variablenausprägung betrachten wollten. In den Bedingungen des spontanen Entscheidens und der Online-Verarbeitung erfolgte unmittelbar nach der Präsentation der letzten Variablenausprägung eines Falles die abermalige Präsentation der zu beantwortenden Frage für ca. 3 Sekunden. Danach wurde zusätzlich zur Frage die Antwortskala, die aus elf mit in 1er Schritten ansteigenden Zahlenwerten von -5 bis +5 beschrifteten Schaltflächen bestand

eingeblendet, auf denen die Versuchspersonen mittels Mausklick ihre Einschätzung abgeben konnten. Der linke Pol der Skala (-5) war mit „sehr unwahrscheinlich“, der rechte Pol (+5) mit „sehr wahrscheinlich“ gekennzeichnet. In den Bedingungen des unbewussten Denkens und des bewussten Nachdenkens mit selbstgewählter Dauer hatten die Versuchspersonen im Anschluss an die Stimuluspräsentation zunächst die der jeweiligen Verarbeitungsbedingung entsprechende Aufgabe zu absolvieren. Antwortete eine Versuchsperson nicht innerhalb des vorgesehenen 3-sekündigen Zeitfensters wurde unmittelbar nach Abgabe der verspäteten Einschätzung ein Hinweis mit der Aufforderung eingeblendet, beim nächsten Durchgang schneller zu antworten.

Abbildung 19:Schematische Darstellung der In Experiment 3 präsentierten Fälle (Balancierungsbedingung 1.

Die Felder repräsentieren die Variablen des Kausalsystems, die Pfeile die kausalen Verbindungen zwischen den Variablen, wobei die Pfeilspitze auf den Effekt in der jeweiligen Relation weist. Grau gefärbte Felder repräsentieren die anwesenden Symptome, weiß gefärbte Felder die abwesenden Symptome.

Abbildung 19 stellt die fünf in Experiment 3 verwendeten Fälle graphisch dar, zu denen folgende Vorhersagen gemacht wurden: Für Fall 5, bei dem alle möglichen Symptome der Post-Embitterment Disorder anwesend waren wurden die höchsten Ratings in Bezug auf die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der Störung erwartet. Dieser Fall diente daher als eine Art von Kontrolle. Bei den Fällen 1-4 waren jeweils 8 von 12 möglichen Symptomen anwesend. Allerdings kann sowohl auf Grundlage des kausalen Status der anwesenden Variablen (Hypothese 1) als auch auf Basis der kausalen Kohärenz die Vorhersage gemacht werden, dass die Fälle 1 und 2 für höhere Einschätzungen der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der Post-Embitterment Disorder führen sollten als die Fälle 3 und 4.

4.4.4 Ergebnisse

16 der 106 Versuchspersonen in Experiment 3 konnten aufgrund von technischen Problemen (z.B. Abstürzen des Computerprogramms) das Experiment nicht bis zum Ende durchführen. Von den verbleibenden 90 Versuchspersonen bestanden 85 den Multiple-Choice Wissenstests, mit dem überprüft wurde, dass das instruierte Kausalsystem auch tatsächlich gelernt wurde. Zwei Versuchspersonen brachen das Experiment vorzeitig ab, so dass die Daten von 83 Versuchspersonen in die folgenden Analysen eingehen. Von diesen 83 Versuchspersonen befanden sich 20 in der Bedingung spontanen Entscheidens, 19 in der Bedingung unbewussten Denkens, 20 in der Bedingung bewussten Nachdenkens mit selbstgewählter Dauer und 24 in der Bedingung der Online-Verarbeitung. Der Anteil der weiblichen Probanden betrug 58%. Die Versuchspersonen waren allesamt Studierende der Universität Göttingen. Die größte Gruppe bildeten Studierende der Psychologie mit einem Anteil von 40%. Im Durchschnitt benötigten die Versuchspersonen 23 Minuten für die Durchführung von Experiment 3 (spontanes Entscheiden: 17 Minuten; unbewusstes Denken:

30 Minuten; bewusstes Denken mit selbstgewählter Dauer: 22 Minuten; Online-Verarbeitung:

22 Minuten). Die durchschnittliche Zeitspanne, die die Versuchspersonen in der Bedingung bewussten Denkens mit selbstgewählter Dauer zum Überlegen benötigten betrug 16,5 Sekunden. Keine der Versuchspersonen in dieser Bedingung benötigte die maximal zur Verfügung stehende Nachdenk-Zeit von 2 Minuten.

Für die im folgenden berichteten Analysen der in Experiment 3 abgegebenen Urteile wurden zunächst die Ratings für Fälle für die gleiche Kategorisierungsurteile erwartet wurden (hohe erwartete Kategorisierungsurteile für die Fälle 1 und 2, sowie niedrige erwartete

Kategorisierungsurteile für die Fälle 3 und 4, vgl. Abschnitt 4.4.3.3) auf Ebene der Versuchspersonen gemittelt. Zusammen mit den Urteilen für Fall 5, bei dem die höchsten Ratings erwartet wurden, basiert die Analyse der Daten in Experiment 3 somit auf 3 Fall-Clustern.

4.4.4.1 Multiple-Choice Wissenstest

Lediglich 5 von 90 (6%) der Versuchspersonen konnte auch nach sechs Durchgängen nicht alle Fragen des für alle Bedingungen identischen Wissenstests korrekt beantworten. Die verbleibenden 85 Versuchspersonen benötigten über alle Bedingungen im Durchschnitt 2,18 Durchgänge um alle Fragen korrekt zu beantworten (vgl. Abbildung 20). Die Verarbeitungsbedingung übte keinen signifikanten Einfluss auf die Anzahl der Lerndurchgänge aus (F(2,81)<1, p=0,84, MSE<1).

Abbildung 20: Durchschnittliche Anzahl der von den Versuchspersonen in den verschiedenen Bedingungen von Experiment 3 benötigten Durchgänge (und deren Standardfehler) beim Multiple-Choice Wissenstest.

0 0,5 1 1,5 2 2,5 3

mittlere Anzahl Lerntrials

Durchschnittliche Anzahl der Lerndurchgänge in

den verschiedenen Bedingungen