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2 Theoretischer Hintergrund

2.4 Berücksichtigung kognitiver Prozesse in kausalen Theorien

2.4.4 Theorien der kausalen Intuition und Deliberation

2.4.5.4 Die Causal Model Theory

Die Causal Model Theory, (Waldmann, 1996; Waldmann & Holyoak, 1992;

Waldmann et al., 1995) berücksichtigt die in Abschnitt 2.1 identifizierten Charakteristika kausaler Beziehungen. Sie geht davon aus, dass Menschen kausale Zusammenhänge mit kausalen Modellen repräsentieren und diese bei der Verarbeitung neuer Informationen nutzen.

Der Fokus der ursprünglichen Theorie liegt zwar im Erlernen kausaler Strukturen und darauf basierenden Inferenzen, aber ihre Annahmen wurden inzwischen im Rahmen anderer Ansätze auch auf Urteils- und Entscheidungssituationen übertragen. So beschreibt die in Abschnitt 2.4.3.3 vorgestellte Causal Model Theory of Choice (Sloman & Hagmayer, 2006; Hagmayer

& Sloman, 2009) die Wahl von Interventionen in kausale Strukturen in der Welt auf Grundlage von Kausalmodellen. Auch die Causal Model Theory of Categorization (Rehder, 1999, 2003; vgl. Abschnitt 2.4.5.3) greift auf die Annahmen der Causal Model Theory zurück.

Aufgrund ihrer Bedeutung für im Rahmen dieser Arbeit betrachteten Theorien und der Rolle bei der Berücksichtigung der Charakteristika kausaler Beziehungen soll an dieser Stelle kurz auf die Annahmen zur Art der kognitiven Prozesse eingegangen werden, auf denen die Causal Model Theory basiert.

Waldmann und Holyoak (1992; Waldmann, 1996) beschreiben die Verarbeitungsprozesse im Rahmen der Causal Model Theory als eine Interaktion von top-down-Annahmen und der Verarbeitung des Lern-Inputs. Dabei kann der durch Beobachtungen generierte Input im Sinne von Informationen über die Kovariation der im kausalen Modell vorhandenen Variablen verstanden werden. Die Verarbeitung dieser gewissermaßen statistischen Informationen wird durch verschiedene von der Ausgestaltung des existierenden Kausalmodells abhängige Vorannahmen beeinflusst. Beispiele dieser top-down-Beeinflussungen sind die Annahmen über die Gerichtetheit kausaler Beziehungen oder die Berücksichtigung kausal relevanter Ko-Faktoren (vgl. Waldmann & Hagmayer, 1995).

Die Causal Model Theory (Waldmann, 1996; Waldmann & Holyoak, 1992; Waldmann et al., 1995) macht jedoch keine Aussagen darüber, ob diese top-down-Einflüsse von kausalem

Vorwissen über Typ 1- oder Typ 2-Prozesse vermittelt werden. Auch zur Art der Prozesse, die der Verarbeitung des Inputs zu Grunde liegen wird diesbezüglich keine Annahme gemacht. Auf den ersten Blick könnte die Annahme von Waldmann und Holyoak (1992;

Waldmann et al., 1995), dass sich Menschen beim Aneignen von Wissen über neue Domänen von abstraktem Wissen über die Welt leiten lassen als Hinweis auf das Wirken von Typ 2-Verarbeitungsprozessen angesehen werden, da die Verarbeitung abstrakten Wissens oft mit Typ 2-Prozessen assoziiert wird (vgl. Abschnitt 2.2.2). Als Beispiel für die Art von abstrakten Weltwissen, das im Rahmen der Causal Model Theory eine Rolle spielt, nennen Waldmann und Holyoak Wissen über die grundlegenden Charakteristika kausaler Beziehungen wie z.B.

die temporale Priorität einer Ursache vor ihrem Effekt (vgl. Abschnitt 2.1.2). Es ist allerdings fraglich, ob die Berücksichtigung dieses Charakteristikums kausaler Beziehungen tatsächlich die Operation von Typ 2-Prozessen erfordert. Vielmehr ist es denkbar, dass eine derart grundlegende Eigenschaft auch automatisch mittels Typ 1-Prozessen verarbeitet werden kann.

In den Experimenten, mit denen Waldmann und Holyoak (1992; Waldmann, Holyoak und Fratianne, 1995) die Annahmen ihrer Theorie testeten wurden die Versuchspersonen explizit über die Struktur der für ihre Aufgabe relevanten Kausalmodelle in Kenntnis gesetzt.

In anderen Studien (z.B. Hagmayer et al., 2010) wurde hingegen gezeigt, dass Menschen auch dann Wissen über die Struktur kausale Systeme erwerben, wenn sie lediglich die Reaktion des Systems auf von ihnen gewählte Interventionen beobachten. Somit können sich mentale Repräsentation in Form kausaler Modelle sowohl auf expliziter als auch auf impliziter Grundlage bilden. Welche Prozesse jedoch den Einfluss von vorhandenem Wissen über Kausalmodelle auf Urteile und Entscheidungen bewirken, ist dadurch nicht geklärt. Somit ist die ursprüngliche Causal Model Theory (Waldmann, 1996; Waldmann & Holyoak, 1992;

Waldmann et al., 1995) den agnostischen kausalen Theorien zuzuordnen. Damit weicht sie von der Einordnung der auf ihr basierenden Causal Model Theory of Choice (Sloman &

Hagmayer, 2006; Hagmayer & Sloman, 2009; vgl. Abschnitt 2.4.3.3) ab, die aufgrund der Betonung mentaler Simulationsprozesse als Theorie der kausalen Deliberation klassifiziert wurde.

2.4.6 Zusammenfassung

Der vorangegangene Abschnitt beschäftigte sich mit der Frage, wie die von verschiedenen Ansätzen im Bereich des kausalen Urteilens und Entscheidens untersuchten Fragestellungen hinsichtlich der ihnen zu Grunde liegenden kognitiven Verarbeitungsprozesse in die Typ 1-/ Typ 2-Unterscheidung eingeordnet werden können. Aufgrund der relativ

starken Trennung zwischen den beiden Forschungsbereichen wurden in den kausalen Theorien nur sehr selten explizite Aussagen zu den kognitiven Verarbeitungsprozessen im Sinne der Zwei-Prozess-Debatte gemacht. Daher musste die Zuordnung oftmals auf Grundlage von Interpretationen von Aussagen in den verschiedenen Theorien vorgenommen werden. Die Untersuchung resultierte in vier Gruppen, in die die analysierten kausalen Theorien eingeordnet werden konnten. Die erste Gruppe bilden diejenigen Theorien, die sich mit der Annahme von intuitiven Typ 1-Verarbeitungsprozessen als Basis von Urteilen und Entscheidungen über kausale Sachverhalte vereinbaren lassen. Hierzu gehören Ansätze zur wahrgenommenen Kausalität (vgl. Rips, 2011), Urteilsverzerrungen (Tverksy & Kahneman, 1980, White, 2006a) und Kategorisierungsurteilen auf Grundlage kausalen Vorwissens (Luhmann et al., 2006).

Die zweite Gruppe bilden die Theorien, die von einer Notwendigkeit der Beteiligung von Typ 2-Verarbeitungsprozessen bei der Bewältigung der von ihnen untersuchten Sachverhalte ausgehen. Hierzu gehören die Arbeiten von Cheng & Holyoak (1985), sowie Goldvarg und Johnson-Laird (2001), die kausale Schlussfolgerungsprozesse als Analogie zum logischen Schließen verstehen. Außerdem kann davon ausgegangen werden, dass Ansätze, in denen Interventionen in Kausalmodelle untersucht werden (Sloman & Lagnado, 2005;

Sloman & Hagmayer, 2006; Hagmayer & Sloman, 2009), deren Folgen mittels mentaler Simulationen (vgl. Lagnado, 2011) evaluiert werden können, die Beteiligung von Typ 2-Prozessen für notwendig erachten.

Drittens gibt es einige kausale Ansätze, die davon ausgehen, dass sowohl Typ 1- als auch Typ 2-Prozesse am kausalen Urteilen und Entscheiden beteiligt sein können. Hierzu zählen die Theorie der kausalen Verarbeitung von White (1989), der zwischen automatischer und kontrollierter Verarbeitung unterscheidet. Außerdem gehört der Zwei-Prozess-Ansatz von Fugelsang und Thompson (2003), bei dem eine auf Typ 1-Prozessen basierende Phase der Rekrutierung von kausalem Vorwissen einer auf Typ 2-Prozessen beruhende Phase der Evaluation der empirischen Evidenz vorausgeht, zu dieser Gruppe. Des Weiteren wurde die Theorie von Verschueren et al. (2005) der dritten Gruppe zugeordnet, der zwischen heuristischen (Typ 1-) und analytischen (Typ 2-) Prozessen beim konditionalen kausalen Schließen unterscheidet.

Der vierten und letzten Gruppe wurden schließlich kausale Ansätze zugeordnet, die als agnostisch im Hinblick auf die Typ 1-/ Typ 2-Unterscheidung angesehen werden können.

Hierunter befindet sich das Modell der Kausalattribution von Einhorn und Hogarth (1986),

das verschiedene Einflussfaktoren auf die Evaluation potenzieller Ursache beschreibt, sowie das Force-Dynamics Model von Wolff (2007), in dem Beurteilung von Situationen mittels kausaler Begriffe auf Basis der Konfiguration verschiedener Kräfte analysiert wird.

Schließlich können die Causal Model Theory (vgl. Waldmann 1996), die davon ausgeht, dass Menschen kausale Zusammenhänge in Form kausaler Modelle repräsentieren, sowie die aus ihr abgeleitete Causal Model Theory of Categorization (Rehder, 2003) zu dieser Gruppe gezählt werden.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass sich diejenigen der betrachteten kausalen Theorien, die Rückschlüsse auf kognitive Verarbeitungsprozesse ermöglichen, nicht einheitlich in der Zwei-Prozess-Debatte verorten lassen. Einige der Theorien lassen sich mit dem Wirken von Typ 1-Verarbeitungsprozessen vereinbaren, während andere von der Notwendigkeit einer Beteiligung von Typ 2-Prozessen ausgehen. Zudem gibt es Theorien, die annehmen, dass beide Arten von Prozessen an der Informationsverarbeitung beteiligt sind.

Betrachtet man die in den verschiedenen Ansätzen verwendeten Aufgaben, so ergeben sich Hinweise auf eine Beziehung zu den angenommenen Verarbeitungsprozessen. Aufgaben in Theorien, bei denen Typ 2-Prozesse als notwendig erachtet werden, scheinen andere Anforderungen an die Versuchspersonen zu stellen als die Aufgaben in den Theorien, bei denen Typ 1-Prozesse als ausreichend erachtet werden können.