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Einflüsse kausalen Vorwissens auf Kategorisierungsurteile

2 Theoretischer Hintergrund

2.4 Berücksichtigung kognitiver Prozesse in kausalen Theorien

2.4.2 Theorien der kausalen Intuition

2.4.2.3 Einflüsse kausalen Vorwissens auf Kategorisierungsurteile

In Abschnitt 2.3 wurden verschiedene Zwei-Prozess-Theorien hinsichtlich ihrer Einordnung der u.a. bei Kategorisierungsaufgaben angenommenen kognitiven

Verarbeitungsprozesse in die Typ 1-/ Typ 2-Unterscheidung analysiert. Dabei ergab sich ein uneinheitliches Bild. Die Ansätze von Sloman (1996) sowie Strack und Deutsch (2004) gehen davon aus, dass in der Regel Typ 2-Verarbeitungsprozesse an der Bildung von Kategorisierungsurteilen beteiligt sind. Hingegen vertreten Smith und DeCoster (2000), sowie Kahneman und Frederick (2002) die Auffassung, dass Kategorisierungen auch auf der Grundlage von Typ 1-Verarbeitungsprozessen vorgenommen werden können. Im Folgenden wird eine empirische Arbeit (Luhmann et al., 2006) vorgestellt, die empirische Evidenz für die Existenz eines über Typ 1-Prozesse vermittelten Einflusses kausalen Wissens auf Kategorisierungsurteile liefert und damit mit dieser zweiten Sichtweise vereinbar ist.

Luhmann et al. (2006) gehen davon aus, dass kausales Hintergrundwissen die Gewichtung der Eigenschaften einer Kategorie beeinflusst. Die Gewichtung schlägt sich wiederum in Kategorisierungsurteilen nieder. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine Kategorisierung unter Bedingungen vorgenommen wird, die Typ 2-Verarbeitungsprozesse verhindern. Diese Ansicht widersprechen damit denjenigen Ansätzen in der Literatur, die für eine Berücksichtigung (kausalen) Hintergrundwissens langsame, deliberative (Typ 2-) Verarbeitungsprozesse als notwendig erachten. Die Autoren gehen jedoch nicht davon aus, dass kausales Wissen den Urteilsprozess selbst beeinflusst. Sie sind vielmehr der Ansicht, dass während des Erlernens kausaler Strukturen Eigenschaftsgewichte extrahiert und im Gedächtnis gespeichert werden. Der Urteilsprozess basiert damit lediglich aus einem ähnlichkeitsbasierten Abgleich der präsentierten Eigenschaftsausprägungen mit den vorgespeicherten Eigenschaftsgewichten. Die Grundlage für diese Annahmen bilden die Ergebnisse von Experimenten, in denen Luhmann und Kollegen Belege dafür erbrachten, dass Versuchspersonen bei Kategorisierungsentscheidungen unter Zeitdruck den kausalen Statuseffekt (causal status effect, Ahn, Kim, Lassaline & Dennis, 2000) zeigen. Dieser Effekt besagt, dass die Position einer Variablen in einer kausalen Struktur einen Einfluss auf die Gewichtung dieser Variablen bei Kategorisierungsurteilen ausübt. Da im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit ebenfalls kausale Kategorisierungsaufgaben untersucht werden, bei denen Vorhersagen für Urteile auf Grundlage des kausalen Status von Variablen abgeleitet werden, soll der Effekt an dieser Stelle näher erläutert werden. Im Anschluss werden die wesentlichen Aspekte der von Luhmann et al. (2006) durchgeführten Experimente vorgestellt.

Der kausale Status einer Variablen ist umso höher, je mehr andere Variablen von dieser kausal abhängig sind und spiegelt die Bedeutung der Variable innerhalb des Systems wieder. Dem kausalen Statuseffekt liegt somit die Annahme zu Grunde, dass Menschen

Ursache-Variablen in Bezug auf Kategorisierungen als wichtiger und essenzieller ansehen als Effekt-Variablen. Dieses Phänomen lässt sich an folgendem einfachen Beispiel erklären (vgl.

Rehder & Kim, 2010): Gegeben sei eine kausale Kette mit den Variablen A, B und C. Dabei wird B von A und C von B verursacht. Somit ist A die in der kausalen Hierarchie am höchsten rangierende Variable und besitzt damit auch den höchsten kausalen Status. B, das ja sowohl ein Effekt (von A) als auch eine Ursache (von C) ist, hat die zweithöchste Position in der Kausalstruktur und somit auch den zweithöchsten kausalen Status. C, das ausschließlich ein Effekt (von B) ist, hat den niedrigsten kausalen Status in der Kette. Nimmt man nun an, dass die Variablen A, B und C jeweils die beiden Ausprägungen „anwesend“ (1) oder

„abwesend“(0) annehmen können und dass beim Prototyp eines Kategorienmitgliedes alle drei Variablen die Ausprägung „anwesend“ aufweisen, so ergibt sich aufgrund des kausalen Status der Variablen folgendes Bild: Die Wahrscheinlichkeit einer Zuordnung zur Kategorie ist für die Variablenkombination (A=1, B=1, C=1) am höchsten und für (A=0, B=0, C=0) am geringsten. Aufgrund des unterschiedlichen kausalen Status der einzelnen Variablen hat die Kombination (A=1, B=1, C=0) eine höhere Wahrscheinlichkeit der Zuordnung zur Kategorie als (A=0, B=1, C=1), obwohl in beiden Fällen jeweils zwei Variablen anwesend und eine Variable abwesend ist.

Wichtigste Voraussetzung für das Auftreten des kausalen Statuseffektes ist vorhandenes Wissen über die Struktur des Kausalmodells. Dieses Wissen wurde den Versuchspersonen in den Experimenten von Luhmann et al. (2006) für mehrere Kategorien explizit vermittelt (z.B: „A verursacht B, B verursacht C“, wobei A, B und C für die Eigenschaften einer zu erlernenden Kategorie stehen). Zudem wurden die kausalen Relationen graphisch dargestellt. Nach der Präsentation einer Kategorie wurden die Versuchspersonen darüber hinaus aufgefordert, Begründungen für die instruierten Kausalrelationen aufzuschreiben. Die Versuchspersonen sollten sich so intensiv mit der jeweiligen Kausalstruktur auseinandersetzen. In einer weiteren Phase wurde sichergestellt, dass die Versuchspersonen in der Lage waren, den kausalen Status der Eigenschaften der gelernten Kategorien zuverlässig zu bestimmen. Danach wurde die Zeit eingeschränkt, die für diese Bestimmung zu Verfügung stand. Dies sollte die Anwendung des zuvor erlernten Kausalwissens automatisieren. In einer anschließenden Testphase wurden den Versuchspersonen Exemplare der verschiedenen Kategorien präsentiert, bei denen jeweils eine Eigenschaft abwesend war. Die Aufgabe bestand darin, die Wahrscheinlichkeit der Kategorienzugehörigkeit für die verschiedenen Exemplare zu beurteilen. In einer Hälfte der Durchgänge wurden die Versuchspersonen aufgefordert, so schnell wie möglich zu antworten.

In der anderen Hälfte der Durchgänge sollten sie sich so viel Zeit wie nötig nehmen. Obwohl sich die Zeiten in den beiden Arten von Durchgängen deutlich unterschieden (die Reaktionszeiten in den Durchgängen mit Aufforderung zum schnellen Antworten waren im Durchschnitt halb so groß wie in den anderen Durchgängen) beurteilten die Versuchspersonen in beiden Arten von Durchgängen die Wahrscheinlichkeit der Zugehörigkeit zu einer Kategorie tendenziell in Abhängigkeit vom kausalen Status der nicht vorhandenen Eigenschaft. Es zeigte sich somit unter beiden Instruktionen ein kausaler Statuseffekt.

In einem weiteren Experiment wurde unter anderem die den Versuchspersonen für die Beurteilung der Kategorienzugehörigkeit zur Verfügung stehende Zeit begrenzt. Auch in diesem Experiment zeigte sich die Tendenz, dass Versuchspersonen Exemplare, bei denen die fehlende Eigenschaft einen niedrigen kausalen Status besitzt, als eher der Kategorie zugehörig beurteilen als Exemplare, bei denen die fehlende Eigenschaft einen hohen kausalen Status aufweist. Dieser Effekt macht sich bei einer Präsentationsdauer der Exemplare von 500 ms oder mehr bemerkbar.

Wie bereits erwähnt gehen Luhmann et al. (2006) davon aus, dass während der Urteilsbildung ähnlichkeitsbasierte Prozesse ablaufen. Allerdings können die berichteten Befunde auch durch eine kausale Informationsverarbeitung während der Urteilsfindung, die auf Typ 1-Prozessen basiert, erklärt werden. So könnte eine intuitive kausale Urteilsbildung beispielsweise auf Grundlage holistischer Typ 1-Verarbeitungsprozesse (z.B. ein Musterabgleich unter Berücksichtigung kausaler Einflussfaktoren) ablaufen, wie dies im Zwei-System-Ansatz von Kahneman und Frederick (2002) nahegelegt wird. Insgesamt liefern die von Luhmann et al. (2006) vorgestellten Studien unabhängig von der Interpretation ihrer Ergebnisse Belege für die Möglichkeit des Wirkens schneller, unbewusster Typ 1-Prozesse bei Kategorisierungsurteilen auf der Grundlage kausalen Vorwissens.

Die in diesem Abschnitt vorgestellten Ansätze liefern einige Hinweise auf die Möglichkeit der Existenz intuitiver Verarbeitungsprozesse, die unter Berücksichtigung kausaler Informationen in einem Typ 1-System ablaufen. Neben dem Phänomen der wahrgenommenen Kausalität, das eine große Nähe zu perzeptuellen Prozessen aufweist, scheinen über Typ 1-Prozesse vermittelte kausale Einflüsse auch bei kognitiven Prozessen höherer Ordnung wie den von Tversky und Kahneman (1980) untersuchten Urteilsprozessen oder den Kategorisierungsurteilen, die den Gegenstand der Studie von Luhmann et al. (2006) bildeten, eine wichtige Rolle zu spielen. Im folgenden Abschnitt sollen nun kausale Ansätze

untersucht werden, die ein Wirken von Typ 2-Prozessen bei Urteilen und Entscheidungen nahelegen.