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Das Force Dynamics Model von Wolff (2007)

2 Theoretischer Hintergrund

2.4 Berücksichtigung kognitiver Prozesse in kausalen Theorien

2.4.4 Theorien der kausalen Intuition und Deliberation

2.4.5.2 Das Force Dynamics Model von Wolff (2007)

Die Untersuchung der Zuschreibung kausaler Begriffe auf Grundlage der Konfiguration verschiedener Kräfte steht im Mittelpunkt des nun vorgestellten Modells.

Ausgehend vom Force-Dynamics-Modell Talmys (1988) versteht das dynamische Modell (dynamics model) von Wolff (2007) kausale Konzepte als Muster von Kräften und je einem Ortsvektor, der auf einen Endzustand weist. Damit unterscheidet es sich von anderen physikalistischen Modellen, die von der Übertragung einer kausalen Kraft von einer Ursache- auf eine Effekt-Variable ausgehen. Als Argument für die abweichende Auffassung von Kausalität nennt Wolff Situationen, in denen nichts passiert (also auch keine Übertragung einer Kraft vorliegt) und dennoch eine kausale Attribution stattfindet wie z.B. „Pressure will cause the water to remain liquid at slightly below 0°C“. Dennoch versteht Wolff sein Modell als physikalistisch. Es geht davon aus, dass sich mentale Repräsentationen kausaler Ereignisse am Ablauf dieser Ereignisse in der realen Welt orienteren. Das dynamische Modell identifiziert verschiedene Arten von Kräften, die die mentale Repräsentation kausaler

Zusammenhänge determinieren. Die Kräfte bestehen generell aus den beiden Komponenten Richtung und Stärke. Das Modell geht davon aus, dass kausale Konzepte mittels dreier Dimensionen verstanden werden können. Die erste Dimension bildet die als Kraft verstandene Tendenz des Effektes (‚Patient’ im dynamischen Modell), einen bestimmten, für die Kausalattribution relevanten, Endzustand zu erreichen. Diese Tendenz kann in unterschiedlichen Abstufungen auf den Endzustand weisen oder ihm entgegengesetzt sein.

Ein Effekt kann also von selbst dem Endzustand entgegen streben oder sich von ihm entfernen. Die zweite Dimension gibt Auskunft darüber, ob die Tendenz der Ursache-Variablen (‚Affektor’) und die Tendenz der Effekt-Ursache-Variablen konkordant sind oder nicht. Die dritte Dimension im dynamischen Modell erfasst, inwiefern sich der Patient dem Endzustand letztlich (also nach Einwirken aller Kräfte) nähert.

Die von Wolff postulierte Theorie ist in der Lage, auch die Repräsentation von mit dem Konzept der Verursachung (cause) verwandten (aber nicht identischen) Konzepten zu erklären und vorherzusagen. So können die Konzepte Ermöglichung (enable) und Verhinderung (prevent) eines Effektes durch die Affektor-Variable dargestellt werden. Ein weiteres Konzept besteht im Erreichen des Endzustandes trotz gegenläufiger von der Affektor-Variablen ausgeübter Kraft (despite). Dabei geht die Theorie davon aus, dass die Kombination der verschiedenen berücksichtigten Faktoren bzw. Kräfte ausschlaggebend dafür ist, welches Konzept repräsentiert wird oder ob das Ereignis als nicht kausal eingestuft wird.

Das Ereignis „A verursacht B“ ist beispielsweise dadurch charakterisiert, dass 1.) die Tendenz des Patienten dem Endzustand entgegengesetzt ist, 2.) die Tendenz des Affektors und des Patienten nicht konkordant sind (d.h. die Tendenz des Affektors weist in Richtung des Endzustandes) und 3.) der Endzustand erreicht wird. Im Modell werden die einzelnen Größen als Kraft-Vektoren (force vectors) aufgefasst und auch graphisch dargestellt. In mehreren Experimenten konnte Wolff zeigen, dass die Kausalurteile von Versuchspersonen den Vorhersagen des dynamischen Modells entsprechen.

Eine Erweiterung des dynamischen Modells von Wolff (2007) stellt das transitive dynamische Modell (Transitive Dynamics Model, Barbey & Wolff, 2007) dar, das die Beschränkung auf die Repräsentation einzelner Kausalrelationen aufhebt und beschreibt, wie Kombinationen von Relationen (z.B. „A verusacht B“ und „B verursacht C“) über einen transitiven Schluss in eine Relation zwischen den Entitäten A und C überführt werden. Mit Hilfe des transitiven dynamischen Modells ist es somit möglich, die Bildung mentaler Repräsentationen komplexerer Kausalbeziehungen zu erklären. Dabei werden die beiden

Relationen als Prämissen einer neu zu bildenden Konklusion verstanden und miteinander dadurch kombiniert, dass der aus der ersten Prämisse resultierende Vektor als Vektor des Affektors in der zweiten Prämisse genutzt wird. Die Richtung dieses Affektors entspricht der Richtung des aus der ersten Prämisse resultierenden Vektors unter der Voraussetzung, dass die Ausprägung des in beiden Prämissen auftretenden Ereignisses (hier: „B“) dieselbe ist.

Dies ist im oben angegebenen Beispiel der Fall. Stehen hingegen die Ausprägungen des Ereignisses in Konflikt wie dies beispielsweise bei der Verknüpfung der Relationen „A verhindert B“ und „B verursacht C“ der Fall ist, so wird die Richtung des Affektors in der zweiten Prämisse invertiert. Der Konflikt entsteht im angeführten Beispiel dadurch, dass bei Vorliegen von A „nicht-B“ eintritt und damit das in beiden Prämissen auftretende Ereignis

„B“ unterschiedliche Ausprägungen aufweist. Der Affektor in der Konklusion der beiden Prämissen (im erstgenannten Beispiel „A verursacht C“) entspricht dann dem Affektor der ersten Prämisse und der Vektor des Endzustandes der Konklusion dem Vektor des Endzustandes der zweiten Prämisse. Die Kombination der Vektoren der Patienten beider Prämissen ergibt den Vektor des Patienten in der Konklusion. Der resultierende Vektor der Konklusion errechnet sich dann aus der Kombination von Affektor- und Patienten-Vektor. Im Rahmen beider Modelle kann die Stärke und Ausrichtung der verschiedenen Vektoren beeinflussen, welche Schlüsse aus einer kausalen Situation gezogen werden können. Aus der Verknüpfung der Relationen „A verhindert B“ und „B verhindert C“ kann so beispielsweise entweder der Schluss „A erlaubt C“ oder „A verursacht C“ abgeleitet werden (Chaigneau &

Barbey, 2008).

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit interessieren vor allem die Aussagen in der Beschreibung des dynamischen Modells (Wolff, 2007), die Rückschlüsse auf die Art der beteiligten Informationsverarbeitungsprozesse zulassen. So beschreibt Wolff, dass Menschen die verschiedenen Kraft-Vektoren in einer mentalen Struktur bzw. einem mentalen Schema ähnlich einem Freikörperbild (free-body image) repräsentieren. Dabei geht Wollf davon aus, dass Menschen die Richtung der verschiedenen Kräfte korrekt repräsentieren und integrieren.

Hingegen wird die Stärke der einzelnen Kräfte nur ungenau repräsentiert, wobei relative Aussagen bezüglich der Stärke mehrerer Kräfte möglich sind. Welche Prozesse allerdings an der Entstehung dieser Repräsentation beteiligt sind, ob diese selbst bewusst oder unbewusst ist und wie die repräsentierten Vektoren schließlich miteinander kombiniert werden, um eine kausale Attribution ableiten zu können, wird in der Beschreibung der Theorie nicht näher spezifiziert.

Einen konkreteren Hinweis auf die Beteiligung von Typ 1-Prozessen im Rahmen der Kausalattribution im dynamischen Modell liefert Wolff (2007) mit der spanning heuristic. Sie soll dafür sorgen, dass nur diejenigen Resultanten als durch die vorhandenen Kraft-Vektoren hervorgebracht angesehen werden, deren Vektor sich innerhalb des von Affektor-Vektor und Patienten-Vektor aufgespannten Raums befinden. Dies geschieht mittels einer groben Einschätzung, ob die Resultante durch die Addition der Vektoren der beteiligten Kräfte entstanden sein kann. Da nicht anzunehmen ist, dass der Vorgang der Vektor-Addition von vielen Menschen bewusst durchgeführt werden kann, liegt der Schluss auf die Beteiligung von Typ 1-Prozessen nahe. Zudem werden Heuristiken nach der in dieser Arbeit verwendeten Unterscheidung durch Prozesse in einem System vom Typ 1 verarbeitet (vgl. Abschnitt 2.2.2).

Somit scheint zumindest ein Teil der im Rahmen des dynamischen Modells erforderlichen Prozesse in einem System vom Typ 1 verarbeitet zu werden. Es kann aber keine Aussage darüber gemacht werden, ob die anderen Komponenten des Modells ebenfalls in einem System vom Typ 1 verarbeitet werden können. Insgesamt kann festgestellt werden, dass eine Einordnung in die Typ 1-/Typ 2-Prozesse nicht im Fokus der Beschreibung des Modells steht.

An einigen Stellen finden sich zwar Hinweise auf Prozesse, diese sind jedoch nicht ausreichend, um das Modell in eine andere als die Kategorie der agnostischen Theorien einzuordnen.