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Informationsplattformen und die Aufweichung der Marktgrenzen

3.2 Zukunftslinien der digitalen Technologie

3.2.3 Informationsplattformen und die Aufweichung der Marktgrenzen

her-vorgebracht, die der Recherche, dem Handel, dem Medienaustausch, der Personal-vermittlung, dem Finanzhandel, als soziale Netzwerke und für viele andere Zwecke dienen. Die bekanntesten Plattformen sind Google, Amazon, Ebay, Facebook, Twit-ter, um nur einige wenige zu nennen. Die meisten von ihnen haben ein außerge-wöhnliches Wachstum erlebt, denn sie sind die Knotenpunkte im digitalen Netz.

Google wurde 1998 gegründet und hatte 2014 über 2 Billionen Suchanfragen pro Jahr, einen Umsatz von 66 Mrd. USD und 54.000 Mitarbeiter (Abbildung 25). Ähn-liche raketenartige Aufstiege haben auch andere Plattformen erreicht, sodass sich die bekannteste deutsche Internetfirma „Rocket Internet“ nennt, eine Investment-firma, die an unterschiedlichen Plattformen beteiligt ist. Ihr Börsenwert lag Ende 2014 bei 6,7 Mrd. Euro.

Die außergewöhnliche Entwicklung dieser Informationsplattformen beruht auf den positiven Nutzereffekten sowohl für die Informationslieferanten als auch für die -suchenden. Die niedrigen Kosten für die Verbreitung von Informationen haben die Markteintrittsbarrieren deutlich gesenkt und das potenzielle Marktvolumen stark ausgeweitet. Dazu hat vor allem beigetragen, dass die Kosten für das Auffinden von Information erheblich gesunken sind29 und gleichzeitig das für die Recherche zur Verfügung stehende Informationsvolumen stark gewachsen ist.

Grundlage dieses Erfolgs sind ein umfassender Datenbestand und effiziente Such-algorithmen. Damit kommen Netzwerkeffekte zum Tragen, die Plattformbetreiber mit großen Datenbeständen und einer großen Zahl von Teilnehmern begünstigen.

Diese Netzwerkeffekte haben zur starken Konzentration auf der Betreiberseite ge-führt. Gleichzeitig hatte es zur Folge, dass die Informationsplattformen ihre Dienste – mit Blick auf große Nutzerzahlen – meist kostenlos bereitstellen und sich über die Informationsanbieter bzw. über Werbeeinnahmen finanzieren (Levin 2011).

29 Nach Berechnungen von Varian (2011) erspart jede Google-Suche 15 Minuten Suchzeit im Vergleich zu einer gleicharti-gen (erfolgreichen) Suche in einer Bibliothek.

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Suchanfragen (Milliarden; linke Skala) Umsatz (Mrd US $; rechte Skala)

2014

Abb. 25 Beispiel Google: Suchanfragen, Umsatz und Anzahl der Mitarbeiter Quelle: Unternehmensangaben (AS09)

Für den Unternehmensbereich haben die Plattformen die Marktzugangskosten ge-senkt und damit die Zahl der Anbieter von Waren und Dienstleistungen erhöht.

Dies hat in einer Reihe von Branchen zu steigendem Wettbewerb zwischen beste-henden Unternehmen und den neu eintretenden, meist kleinen, gelegentlich auch branchenfremden Anbietern geführt, so z. B. in den Bereichen

Einzelhandel: Hier erzielte Amazon 2014 gemeinsam mit 2 Millionen Händlern einen Jahresumsatz von 89 Mrd. USD (Deutschland: 12 Mrd. USD). Der Anteil des Online-Handels in Deutschland betrug 2014 11 %. Die Branche geht von stark steigenden Umsatzanteilen aus.30 Ebay soll über 276 Millionen angemel-dete Mitglieder weltweit verfügen, die online Waren kaufen oder verkaufen. Der Jahresumsatz stieg bis 2014 auf 17,9 Mrd. USD – seit 2004 ein Zuwachs von jährlich 18 %.

Audiovisuelle Medien: Musik- und Videoplattformen haben weltweit starke Um-satzzuwächse von 30 % pro Jahr verzeichnet, während die Umsätze der Musik-industrie um 4 % pro Jahr schrumpften.31 Der Marktanteil der Online-Musikbör-sen in Deutschland lag 2014 bei 17 %. Dies hat zu einer Krise im traditionellen Musikgeschäft geführt, gleichzeitig aber Musiker und Autoren von den Musik-verlagen unabhängiger gemacht.

30 Bundesverband eCommerce und Versandhandel.

31 http://www.ifpi.org/facts-and-stats.php.

Zeitungs- und Buchverlage: Die Auflagen der deutschen Zeitungen sind 2008–14 um 1,3 % pro Jahr zurückgegangen, die Werbeumsätze um 5 %. Gleichzeitig ha-ben die Online-Plattformen einen wachsenden Teil des Werbemarktes an sich gezogen: 2014 lag ihr Anteil am gesamten deutschen Werbemarkt bei 11 %.

Branchenspezifische Handelsplattformen: z. B. für das Reise-, Hotel- und Gaststät-tengewerbe, das Handwerk und die Vielzahl an B2B-Plattformen, bei denen ebenfalls über hohe Wachstumsraten berichtet wird.

Sharing Economy: Gleichzeitig haben die Carsharing-Plattformen die Miete von Kraftfahrzeugen gegenüber dem Kauf gestärkt. Im Transportgewerbe ist durch die Vermittlung von Privattaxis der Wettbewerb intensiviert worden (Uber). Im Hotelgewerbe hat sich ein Markt für Privatwohnungen entwickelt. Im Kreditge-werbe sind Crowdfunding-Modelle und Online-Privatkredite populär geworden.

Damit hat der Online-Handel nicht nur die Vertriebskanäle in einer Vielzahl von Märkten verändert. Vielmehr hat sich dadurch die Zahl der Wettbewerber erhöht, die Markttransparenz verbessert, das Angebot ausgeweitet und der Preiswettbewerb ver-schärft. Durch die Verringerung der Markteintrittsbarrieren hat sich der Innovati-onswettbewerb intensiviert und die Marktposition bisher vorherrschender Unterneh-men abgeschwächt (Monopolkommission 201532). Besonders starke Effekte gingen auf jene Branchen aus, die – wie das Verlagswesen oder die Musikbranche – digitale oder digitalisierbare Produkte liefern. Aber auch in Branchen, die physische Pro-dukte liefern, haben sich die Marktbedingungen zum Teil radikal geändert. Absatz-gebiete und Kundensegmente haben sich verschoben, Kundenbewertungen wurden öffentlich gemacht, Lieferzeiten und Rücknahmebedingungen sind in den Vorder-grund gerückt.

Dabei traten erhebliche Produktivitätseffekte auf, die am Beispiel von zwei Online-Plattformen in Tabelle 11 dargestellt werden. Gegenüber den deutschen Zeitungs-verlegern liegt der Umsatz je Mitarbeiter bei Google um den Faktor drei höher.

Ähnliches zeigt sich auch im Vergleich zwischen Amazon und dem stationären Ein-zelhandel in Deutschland. Dies deutet nicht nur auf die ungleiche Gewinnsituation zwischen analogen und digitalen Anbietern hin, sondern ermöglicht den digitalen Unternehmen auch wesentlich höhere Investitionen in die Verbesserung ihres Leis-tungsangebots, bis hin zu Investitionen und Beteiligung in strategisch bedeutende Märkte.

Es ist daher ein ungleicher Wettbewerb zwischen der traditionellen und der moder-nen Welt entstanden, der die alte Welt aufgrund ihrer gravierenden wirtschaftlichen Nachteile zum Rückzug zwingt. Allerdings ist für die Zukunft nicht vom gleichen Wachstum der digitalen Unternehmen auszugehen, wie dies bisher der Fall war.

Auch hier sind die Potenziale teilweise ausgeschöpft, sind viele Wettbewerber bereits

32 Die Monopolkommission stellt in ihrem Gutachten zu den digitalen Märkten (2015) fest: In vielen digitalen Märkten zeigt sich ein Wettbewerb nach Schumpeter, in welchem eine temporär dominante Position durch eine andere abge-löst wird oder vergleichsweise einfach abgeabge-löst werden könnte.

in den Markt eingetreten, verlangsamt sich der technische Fortschritt. Die Wachs-tumsraten werden daher kleiner und die Konkurrenz schärfer.

Tab. 11 Umsatz je Mitarbeiter 2014

Google

weltweit Zeitungsverlage Deutschland

Umsatz (Mrd. €) 49,5 10,8

Beschäftigte 53.600 33.700

Umsatz (€)/Mitarbeiter 923.000 321.000

Amazon

weltweit Einzelhandel Deutschland

Umsatz (Mrd. €) 66,7 491,7

Beschäftigte 154.100 3.334.000

Umsatz (€)/Mitarbeiter 433.000 147.000

Quelle: Unternehmensangaben, Statistisches Bundesamt

Beschäftigungspolitisch ist dies allerdings ein ernsthaftes Risiko. Die Plattformbe-treiber lösen aufgrund ihrer hohen Produktivität nur geringe Beschäftigungsimpulse aus, substituieren in der Regel aber produktivitätsschwache – sprich, beschäftigungs-intensive – Produktionsbereiche. Damit sind die direkten Freisetzungseffekte der In-formationsplattformen vermutlich stark negativ. Um dies zu kompensieren, kommt es daher entscheidend darauf an, wie gut und wie schnell die Unternehmen in den traditionellen Märkten in der Lage sind, die digitalen Technologien in ihren Märkten zu nutzen bzw. neue Märkte hinzuzugewinnen.