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Identifizierung von technologischen Trends auf Basis von Patentdaten Technologische Veränderungen sind weit weniger zufallsgetrieben

Identifikation von Zukunftsfeldern

5.1.1 Identifizierung von technologischen Trends auf Basis von Patentdaten Technologische Veränderungen sind weit weniger zufallsgetrieben

als vielfach angenommen. Ideen, Erfindungen und erste Prototy-pen können viele Jahrzehnte vor der Diffusion dieser Technologien in das Wirtschaftsgeschehen und den Alltag liegen. So entstand bereits im Jahr 1969 das Arpanet, ein Vorläufer des heutigen Inter-nets. Die Diskussion der Möglichkeiten eines weltweiten Compu-ternetzes kann auf viele Jahrzehnte wissenschaftlicher Diskussion zurückblicken. Die National Science Foundation (USA) beschloss im Jahr 1990, das Internet für kommerzielle Zwecke nutzbar zu machen – und seitdem hat das Internet seine Rolle als ein wesent-licher Treiber des digitalen Wandels kontinuierlich ausgebaut.

Technologische Entwicklungen, wie etwa das Internet of Things, eine der zentralen Voraussetzungen für Industrie 4.0, bleiben trotz

20 Die Grundlage der Klassifikation bilden über 640 IPC-Technologieklassen („International Patent Classification“). Diese IPC-Technologieklassen werden bei der Anmeldung von Patenten zu deren Kategorisierung benutzt. Die Fraunhofer-Klassifikation ordnet jede dieser 640 IPC-Technologieklassen jeweils einem von insgesamt 35 Technologiefeldern zu. Auf Basis dieser Technologiefelder weisen wir 35 Technologien aus (vgl. etwa Tabelle 9).

Schmoch, U. (2008): Concept of a Technology Classification for Country Comparisons, Final Report to the World Intellec-tual Property Organisation (Wipo), Fraunhofer Institute for Systems and Innovation Research.

21 Um die internationale Vergleichbarkeit der Patentdaten zu gewährleisten, wird die Patentvergabe auf Basis der internati-onal gültigen Vorgaben des Patent Cooperation Treaty (PCT) analysiert.

der inzwischen über 25-jährigen Geschichte des Internets hoch ak-tuell. Ein weiteres Beispiel ist die aktuell sehr stark diskutierte Elektromobilität, welche ebenfalls auf eine lange Geschichte zu-rückblicken kann. Der Elektrokarren von Robert Anderson stammt bereits aus den 1830er Jahren. Die lange Geschichte vieler tech-nologischer Entwicklungen zeigt allerdings auch, dass die Be-schäftigung mit technologischen Entwicklungen kaum etwas über den technologischen Reifegrad aussagt. Zwischen Forschungsan-strengungen und der Entfaltung ökonomischer Effekte durch diese Anstrengungen können viele Jahrzehnte liegen.

Ein geeigneter Indikator für die Abschätzung der künftigen ökono-mischen Relevanz von Technologieentwicklungen sind Patente:

Patente sind gewerbliche Schutzrechte. Der Anmelder eines Pa-tents ist somit von einer möglichen gewerblichen Nutzung einer Er-findung innerhalb eines begrenzten Zeitraums überzeugt. Andern-falls ist die Anmeldung eines Patentes nicht sinnvoll, da ein Patent lediglich ein temporär befristetes Schutzrecht darstellt. Dies ist für die Erkenntnisziele dieser Studie eine wesentliche Voraussetzung.

Anders als zum Beispiel bei der Diskussion technologischer Mög-lichkeiten in der wissenschaftlichen Literatur wird somit bei Paten-ten grundsätzlich eine Aussage über die ökonomische Relevanz technologischer Entwicklungen getroffen.

Nicht zuletzt sind Patente ein Indikator für die Ausgaben für For-schung und Entwicklung eines Unternehmens oder einer Branche in bestimmten Technologiebereichen. Patente können somit auch als Indikatoren für die Investition in bestimmte Technologieberei-che verstanden werden. Die Investitionsbereitschaft unterstreicht die Erwartung einer gewerblichen Nutzung.

Die Erwartung der gewerblichen Nutzung (zumindest aus Sicht des Patentierenden) von Wissen und Technologien wird für 35 zentrale Technologiebereiche analysiert. In der folgenden Abbil-dung wird die Anzahl der Patente von 2004 bis 2012 und das durchschnittliche Wachstum der Jahre 2004 bis 2012 gegenüber-gestellt. Die X-Achse und die Y-Achse schneiden sich bei den je-weiligen Mittelwerten. Als Ergebnis ergeben sich vier Quadranten.

Abbildung 24: Anzahl der global angemeldeten PCT-Patente und Patentdynamik zwischen 2004 und 2012

Quelle: Europäisches Patentamt; Berechnungen Prognos 2015.

Der linke untere Quadrant umfasst Technologiebereiche, die sich durch eine unterdurchschnittliche Anzahl von Patenten und eine unterdurchschnittliche Wachstumsdynamik auszeichnen. Hierzu zählen Bereiche wie zum Beispiel die Basis-Kommunikationstech-nik oder Analyse biologischer Stoffe. Hier kann von einer unter-durchschnittlichen gewerblichen Nutzung von Wissen und Techno-logie aus diesen Bereichen ausgegangen werden.

Der rechte untere Quadrant umfasst Technologiebereiche, die sich durch eine überdurchschnittliche Anzahl von Patenten, gleichzeitig jedoch durch eine unterdurchschnittliche Wachstumsdynamik aus-zeichnen. Hierzu zählen die Pharmazeutische Technologie oder die Medizintechnik. Diese Bereiche vereinen mit am meisten Pa-tente aller Technologiebereiche. Die Erwartung an die gewerbliche Nutzung ist hier vergleichsweise hoch.

Der linke obere Quadrant umfasst Technologiebereiche, in denen zwar vergleichsweise wenig Patente angemeldet wurden, jedoch eine starke prozentuale Zunahme der Patentdynamik

stattgefun-den hat. Hierzu zählen Bereiche, wie zum Beispiel die Mikrostruk-tur- und Nanotechnologie oder IT-Methoden für Managementauf-gaben.

Schließlich umfasst der rechte obere Quadrant Technologieberei-che, in denen sowohl die Anzahl der Patente als auch die Zu-nahme der Patentanmeldungen überdurchschnittlich hoch war. Die Erwartungen an die gewerbliche Nutzung sind hier am höchsten von allen Quadranten. Der Technologiebereich Elektrische Ma-schinen, Apparate, Energie ist der Bereich, der die höchsten Er-wartungen auf sich vereint.

Box 3: Aussagekraft und Grenzen des Indikators Patente

Patente sind ein leistungsstarker Indikator für die Messung von Forschungs- und Entwick-lungstätigkeiten von Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Gleichwohl sind Patente kein streng repräsentatives Abbild der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit von Unterneh-men. Möglichkeiten für Verzerrungen ergeben sich aus der Tatsache, dass die Gründe, die für oder gegen eine Patentierung sprechen, sehr vielfältig sein können. Gründe für eine Patentie-rung können neben der gewerblichen Nutzung in der eigenen Produktion unter anderem sein:

die Generierung von Lizenzeinnahmen, die Blockierung von Wettbewerbern oder die Vermei-dung einer Blockierung durch Wettbewerber, Imageverbesserungen oder die Verbesserung der Attraktivität des Unternehmens für Kapitalgeber. Gegen eine Patentierung können unter anderem folgende Gründe sprechen: die Kosten der Anmeldung, Erteilung und Aufrechterhal-tung des Patentschutzes, die mögliche Schaffung eines Nachahmungsrisikos wie auch die Schwierigkeit des Nachweises von Patentverletzungen.22

Eine besondere Rechtslage besteht im Softwarebereich. Software, für sich genommen, ist ohne Zweifel technisch und würde daher der entsprechenden Anforderung an ein Patent ei-gentlich genügen. Dennoch ist gemäß des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) ein Computerprogramm an sich keine patentfähige Erfindung (Art. 52 (2) c) und (3) EPÜ). Soft-ware, die eine geschäftsbezogene und keine technische Aufgabe löst, ist nicht patentierbar. Im Industriebereich dürfte es sich vor allem um technische Probleme handeln, so dass der Pa-tentschutz meist erteilt werden kann. Natürlich nur dann, wenn die restlichen Anforderungen an die Patenterteilung erfüllt werden. Diese sind: Die Erfindung muss technischen Charakter haben, neu sein und einen erfinderischen technischen Beitrag zu dem Wissen leisten, das am Tag der erstmaligen Einreichung der Patentanmeldung (Prioritätstag) verfügbar ist.23

22 Vgl. Luk, T. (2005): Management-Wettbewerb-Patentstrategien in F&E-intensiven Unternehmen, Wissenschaftsmanage-ment 4/2005.

23 Vgl. Europäisches Patentamt München (2013): Patente für Software? Rechtsgrundlagen und Praxis im Europäischen Patentamt (Verfügbar unter: http://documents.epo.org/projects/babylon/eponet.nsf/0/A0BE115260B5FF71C125746D004 C51A5/ $File/patents_for_software_de.pdf, Abruf am 2. Oktober 2015).

5.1.2 Globale und deutsche Patenttätigkeit sowie technologischer Reifegrad in