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1. E INLEITUNG UND T HEORETISCHER H INTERGRUND

1.3. Das ICF-Modell

Die „Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit“

(aus dem Englischen, kurz: ICF) wurde von der Weltgesundheitsorganisation (aus dem Englischen, kurz: WHO) entwickelt. Diese internationale Klassifizierung bietet einen breiten Rahmen für die Kodierung von PatientInnen bezogenen Informationen. Dabei werden vier Komponenten unterschieden: Körperfunktionen (b), Körperstrukturen (s), Aktivitäten und Partizipation (d) und Umweltfaktoren (e). Ein Beispiel für eine Kodierung

der Körperfunktionen würde „b114 Funktionen der Orientierung“ lauten. Die jeweiligen Codes können in sieben Stufen beurteilt werden. Die erste Stufe „0“ heißt, dass die Kategorie kein Problem darstellt. Für eine leichte Einschränkung wäre die Einstufung „1“, ein mäßiges Problem entspricht der Stufe „2“. Bei einer deutlichen Einschränkung gilt die dritte und bei einem völlig ausgeprägten Problem die vierte Stufe. Zwei weitere Zahlen ermöglichen die Aussagen keine Angabe „8“ und wenn die Kategorie nicht zutrifft „9“

(World Health Organization, 2001).

Zusammengefasst ist das ICF Modell ist in zwei Teile „Funktion und Beeinträchtigung“

und „Kontextfaktoren“ gegliedert. Der erste Teil ist weiter in Körperfunktionen- und – Strukturen, Aktivitäten und Partizipation unterteilt. Die Kontextfaktoren werden in Umwelt und personenbezogene Faktoren gesplittet (World Health Organization, 2005).

Die Implementierung des ICF Modells in die neurologische Rehabilitation verbessert die Qualität der interdisziplinären Arbeit. Ein positiver Einfluss auf den Arbeitsprozess durch den systematischen Zugang in den Bereichen Befunderhebung, Zielsetzungen und Rehabilitationsplanung konnte beobachtet werden. Das Instrument bietet zudem die Grundlage für eine standardisierte, interdisziplinäre Dokumentation. Die Umsetzung im täglichen Arbeitsprozess soll auch einen positiven Einfluss auf das Rehabilitationsergebnis erzielen (Rentsch et al., 2003).

In Deutschland ist das Modell über die Rehabilitationsrichtlinie (2004) und das Bundesteilhabegesetz (2016) bereits verankert. Die „ICF Research Branch“ arbeitet interdisziplinär an einem besseren Verständnis von Behinderung und entwickelte ein Tool für die web-basierte Erzeugung eines ICF Dokumentationsbogens (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DIMDI, 2018).

1.3.1. ICF Core Set

Die ICF beinhaltet mehr als 1400 Kategorien und ist in ihrer Ganzheit daher im Berufsalltag nicht einsetzbar. Daher wurden „Core Sets“, extrahierte Kodelisten, entwickelt um den Einsatz für ausgewählte Krankheitsbilder zu ermöglichen. Die Validität für das „ICF Core Set Stroke“ wurde von ErgotherapeutInnen weitgehend unterstützt (Glässel et al., 2010).

In einer tabellarischen Übersicht werden alle verfügbaren Core Sets und deren Publikationen gelistet. Die Core Sets sind in die drei Phasen „acute Context“, „early post-acute context“ und „long-term context“ gegliedert. Wie bereits beschrieben handelt es sich bei dieser Masterthese um eine Untersuchung in der Frührehabilitation nach

Schlaganfall. Daher wurde für die geplante Untersuchung das Core Set „Neurological Conditions“ aus dem „early post-acute context“ gewählt (ICF Research Branch, 2012b).

Das „ICF Core Set für neurologische Erkrankungen in der subakuten Versorgung“

beinhaltet 54 Körperfunktionen, 11 Körperstrukturen, 34 Komponenten von Aktivität und Partizipation und 17 Umweltfaktoren (ICF Research Branch, 2012a).

Das ICF Core Set „Comprehensive ICF core set for neurological conditions for post-acute care“ beinhaltet Körperfunktionen und -Strukturen die nach einem Schlaganfall beeinträchtigt sein können. Außerdem werden ausgewählte Aktivitäten und dazugehörige Beispiele für Partizipation, sowie Umweltfaktoren aufgelistet, die in der interdisziplinären Rehabilitation zum therapeutischen Inhalt werden können (ICF Research Branch, 2012a).

Für die Entwicklung dieses Core Sets wurden 17 ExpertInnen herangezogen. Dieses Instrument soll den Rahmen für eine umfassende Beurteilung von PatientInnen in frühen postakuten Rehabilitationseinrichtungen, insbesondere in einem interdisziplinären Umfeld, bieten. Dieses erste ICF Core Set wird durch empirische Studien im deutschsprachigen Raum und international weiter getestet (Stier-Jarmer et al., 2005).

1.3.2. Modelle in der Ergotherapie

Eine amerikanische Pionierin der Ergotherapie, Gail Fiddler, wies auf die fehlenden Grundprinzipien für die Praxis hin. So entstanden Praxismodelle, welche die Denkweise der ErgotherapeutInnen strukturieren. Anstatt von persönlichen Versionen von Modellen, sollen verschriftlichte Praxismodelle weltweit bei der Theorienbildung dienlich sein (Hagedorn, 2009).

Die Einbeziehung von Praxismodellen in die ergotherapeutische Praxis ist noch nicht vollständig, obwohl diese seit Jahren in der Ausbildung unterrichtet werden. Die Schaffung der Modelle ermöglichte einen Paradigmenwechsel und fördert die Evidenzbasierung in der internationalen Ergotherapie (Kolster et al., 2009).

In diesem Kapitel werden vier Praxismodele vorgestellt, welche für diese Arbeit relevant erscheinen.

Das „Person-Environment-Occupation-Model“ (kurz: PEO) beschreibt den Zusammenhang zwischen einer Person ihrer Umwelt und Betätigung. Je mehr diese Komponenten übereinstimmen, umso größer ist die „Occupational Performance“, also die Betätigung (Law et al., 1996).

Die Aufgabe der TherapeutInnen ist die Identifikation der Stärken und Schwächen in Bezug auf die Betätigung. Dabei sind die relevanten Fähigkeiten, die Aktivitäten selbst

und die Umweltbedingungen zu erheben. Daraus resultierend wird der Behandlungsplan gemeinsam mit den PatientInnen erstellt. Die Therapieergebnisse sind mit einem Assessment der „Occupational Performance“ zu evaluieren (Law et al., 1996).

Das kanadische Modell „Canadian Model of Occupational Performance“ (kurz: CMOP) sieht ebenso die Betätigung als Kernelement. Es unterscheidet jedoch drei Therapieansätze. Einerseits werden die Handlungen selbst trainiert und angepasst, oder die Funktionsverbesserung steht im Vordergrund, oder die Umwelt wird durch Kompensationen oder Hilfsmittel verändert (Kolster et al., 2009).

Judy Ranka und Christine Chapparo entwickeln seit 1986 das „Occupational Performance Model of Australia“ (kurz: OPMA). Sie fügten dem praxis- und interverntionsorientierten CMOP mehr Dimensionen hinzu. Dieses theoretische Modell besteht aus acht Konstrukten. Zugrunde liegend ist die Betätigung. Die Handlungsrolle in denen die Betätigung stattfindet, die Umwelt, der Kontext, Zeit und Raum werden berücksichtigt. Darüber hinaus wird weiter in Bereiche, Komponenten und Kernelemente der Handlungsperformanz gegliedert (Kolster et al., 2009).

Dieses Modell und das dazu passende Assessment „Perceive-Recall-Plan-Perform-System“ (kurz: PRPP) werden weltweit eingesetzt und unterrichtet. Auch in Europa und im deutschsprachigen Raum findet es zunehmend Anwendung (Kolster et al., 2009).

Das „Model of Human Occupation“ (kurz: MOHO) basiert auf Mary Reillys fachbereichsübergreifende Sichtweise. Kielhofner, Burke und Heard entwickelten das Modell weiter und machten es durch die zahlreichen Publikationen zu einem der weltweit bekanntesten Modelle. Im deutschsprachigen Raum wird es vermutlich aufgrund seiner Komplexität wenig angewendet. Eine genaue Auseinandersetzung mit der Terminologie und Denkweise ist erforderlich. Im interdisziplinären Team ist daher die Kommunikation beim Einsatz des Modells erschwert. Die Auswahl der Items für die Messungen der Therapieergebnisse ist in der Neurologie nicht immer passend (Kolster et al., 2009).

MOHO stellt nicht die Betätigung alleine in den Mittelpunkt der Therapie, sondern vielmehr die Motivation zur Betätigung. Dafür sind drei Komponenten: die Volition, die Habituation und das Performanzvermögen ausschlaggebend. Zur Volition zählen das Selbstbild, die Werte und Interessen der PatientInnen. Unter Habituation versteht man Rollen und Gewohnheiten. Die Performanzkapazität oder Performanzvermögen beinhaltet die objektiv messbaren physischen, psychischen und kognitiven Funktionen,

und die subjektive Erfahrung der PatientInnen (Kielhofner, Mentrup, & Niehaus, 2009;

Kolster et al., 2009).