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Zum 3-Hydroxybenzoat-Abbau in Stamm BT

Masse / Ladung

4.2 Anaerober Abbau von 3-Hydroxybenzoat

4.2.2 Zum 3-Hydroxybenzoat-Abbau in Stamm BT

Taxonomische und phylogenetische Einordnung von Stamm BT

Stamm BT ist ein Gram-positives, sporenbildendes Bakterium, mit subpolarer, monotricher Begeißelung. Aus einer Vielzahl geprüfter organischer Verbindungen konnte nur 3-Hydroxybenzoat als Kohlenstoff- und Energiequelle dienen (Müller 1996). Die Verwendung externer Elektronenakzeptoren durch Stamm BT wurde nicht beobachtet. Cytochrome wurden nicht detektiert und der G+C-Gehalt der DNA beträgt 48 %.

Der Vergleich der 16S rDNA Sequenz von Stamm BT mit Sequenzen ausgewählter Clostridien und verwandter Taxa zeigte eine enge Verwandtschaft zwischen Stamm BT und der Gattung Desulfotomaculum (Abb. 3.9). Der nächste bekannte verwandte Organismus ist

Dt. thermosapovorans mit 95.1 % Ähnlichkeit der Sequenzen. Stamm BT verwendet jedoch keine anorganischen Schwefelverbindungen als terminale Elektronenakzeptoren, eine elementare Eigenschaft des Genus Desulfotomaculum. Zwischen dem thermophilen Bakterium Dt. thermosapovorans und dem mesophilen Stamm BT bestehen auch deutliche Unterschiede im Substrat-Spektrum. So kann Dt. thermosapovorans langkettige Fettsäuren und Propandiole als Kohlenstoff- und Elektronenquelle nutzen (Fardeau et al. 1995). Die physiologischen und phänotypischen Unterschiede zwischen Stamm BT und Dt.

thermosapovorans sowie allen anderen Desulfotomaculum sps. rechtfertigen die Beschreibung einer neuen Gattung und Art für Stamm BT, Sporotomaculum hydroxybenzoicum.

Bildung von Benzoyl-CoA aus 3-Hydroxybenzoat

Der erste Schritt im Weg des 3-Hydroxybenzoatabbaus in Stamm BT ist eine Aktivierung zu 3-Hydroxybenzoyl-CoA in einer CoA Transferase-Reaktion mit Acetyl-CoA oder Butyryl-CoA als Butyryl-CoA-Donoren. Der Einsatz einer Butyryl-CoA-Transferase statt einer Butyryl-CoA-Ligase Reaktion (AMP-bildend) für die Aktivierung des Substrats hat wichtige energetische Implikationen für dieses gärende Bakterium, da so nur ein ATP Äquivalent verbraucht wird. Eine Aktivierung von Benzoatderivaten über eine CoA-Transferase Reaktion ist bisher nur vermutet, nie experimentell gezeigt worden. Kuever et al. (1993) postulierten die Aktivierung von Benzoat über eine CoA-Transferase in Desulfotomaculum gibsoniae. Die vorliegenden Ergebnisse sprechen jedoch gegen diese Annahme (Kapitel 3.2.2.1). In Stamm BT deutet die beobachtete Assoziation der 3-Hydroxybenzoat CoA-Transferase Aktivität mit der Membran auf eine Rolle bei der Substrataufnahme hin. Hier könnte eine ähnliche Situation wie bei der Aufnahme kurzkettiger Fettsäuren in Escherichia coli vorliegen (Frerman 1973). Die Veresterung mit Coenzym A ist dabei der Akkumulation des Substrats in der Bakterienzelle dienlich (Harwood und Gibson 1986). Dabei erscheint eine Aufnahme alleinig über passive Diffusion der undissozierten Säure über die Membran aufgrund der niedrigen pKa-Werte dieser Verbindungen unwahrscheinlich. So erfolgt die Kultivierung von Stamm BT bei einem pH-Wert, der annähernd 4 Größenordnungen vom pKa-Wert des 3-Hydroxybenzoats (3,9 bei 30°C) entfernt ist. In der Tat wird für eine Reihe aerober Bakterien eine aktive, energieabhängige Aufnahme einiger aromatischer Verbindungen angenommen (Nichols und Harwood 1997 und die darin zitierte Literatur). Auch für R. palustris deutet eine molekularbiologische Arbeit auf eine Aufnahme von Benzoat und/oder 4-Hydroxybenzoat unter anoxischen Bedingungen mittels eines ABC-Transporters hin (Egland et al. 1997). Für

Bakterien mit geringem Energiebudget wie Stamm BT wäre hingegen ein Antiporter mit Austausch des Substrats gegen ein Stoffwechselendprodukt günstig.

Abb. 4.2 Vorgeschlagener Weg der 3-Hydroxybenzoat-Vergärung in Stamm BT. Für die Aktivierung von 3-Hydroxybenzoat kann sowohl Acetyl-CoA als auch Butyryl-CoA als CoA-Donor dienen. Die Identität des Produkts der Benzoyl-CoA Reduktion bleibt zu klären.

Der nächste Schritt im Abbau von 3-Hydroxybenzoat ist die reduktive Dehydroxylierung von 3-Hydroxybenzoyl-CoA zu Benzoyl-CoA. Diese Reaktion ist in der Literatur von mehreren Autoren postuliert (Tschech und Schink 1986; Brackmann und Fuchs 1993; Gorny und Schink 1994b), aber nie experimentell nachgewiesen worden. In zellfreiem Extrakt von Stamm BT konnte mit Cob(I)alamin als Elektronendonor die Bildung von Benzoyl-CoA aus 3-Hydroxybenzoyl-CoA verfolgt werden. Die experimentellen Befunde zur Reaktion ergeben jedoch kein klares Bild. Das Standardredoxpotential des Paares 3-Hydroxybenzoesäure / Benzoesäure beträgt -102 mV (berechnet nach Thauer et al. 1977) und das Redoxpotential des korrespondierenden CoA-Ester Paares sollte nicht substantiell von diesem Wert abweichen.

Die schwierige Abspaltung der Hydroxylgruppe erscheint Elektronen von einem Donor mit tiefem Redoxpotential zu erfordern. Es wurde jedoch kein Hinweis auf ein Corrinoid mit Cobalt in der Oxidationsstufe +1 als physiologischem Elektronendonor dieser Reaktion erhalten. Zudem können in den in der Literatur beschriebenen Systemen, in denen ein Cob(I)almin an der Reaktion teilnimmt, ein artifizieller Elektronendonor mit tiefem Redoxpotential wie z.B. Ti3+ oder reduziertes Methylviologen eingesetzt werden (Stupperich 1993). Interessant ist der Befund der irreversiblen, spezifischen Hemmung des 3-Hydroxybenzoat-Abbaus in dichter Zellsuspension durch geringe Konzentrationen alkylierender Agentien. Dieses deutet auf die Beteiligung eines starken Nukleophils an der Reaktion hin. Solch ein Nukleophil, z.B. ein Hydrid-Ion, könnte den Benzol-Ring angreifen, wobei im weiteren Verlauf der Reaktion die Hydroxylgruppe abgespalten würde.

Vergleich der reduktiven Dehydroxylierung von 3-Hydroxybenzoyl-CoA mit anderen Systemen

Die reduktive Abspaltung der Hydroxylgruppe von 4-Hydroxybenzoyl-CoA ist in R. palustris und T. aromatica eingehend untersucht worden. Diese Reaktion wird von der 4-Hydroxybenzoyl-CoA Reduktase katalysiert (Brackmann et al. 1993), ein Mo-Flavin-FeS Protein (Gibson et al. 1997; Breese und Fuchs 1998). Als Elektronendonor wird für T.

aromatica ein Ferredoxin mit einem Mittenpotential von etwa - 450 mV angenommen (Boll und Fuchs 1998; Bresse und Fuchs 1998). Bei einem Standardredoxpotential des Paares 4-Hydroxybenzoyl-CoA/Benzoyl-CoA von etwa -100 mV (berechnet nach Thauer et al. 1977) handelt es sich somit um eine irreversible Reaktion unter physiologischen Bedingungen. Die Reduktion des 4-Hydroxybenzoyl-CoA wird als Abfolge von zwei aufeinanderfolgenden Ein-Elektronenschritten beschrieben, wobei intermediär ein organisches Radikal auftreten könnte (Brackmann et al. 1993; Buckel und Keese 1995; El Kasmi et al. 1995). Die Elektronen könnten dabei über die Thioestergruppe auf das Substrat übertragen werden. Diese Hypothese beschreibt jedoch nicht die Rolle des Molybdäns und des Flavins, deren Anwesenheit ursprünglich nicht detektiert wurde (Brackmann et al. 1993). Inwieweit das Molybdän, wahrscheinlich als Molybdopterin-Cofaktor vorliegend, die Abspaltung der Hydroxylgruppe des 4-Hydroxybenzoyl-CoA analog der Einführung von Hydroxylgruppen in heterozyklische aromatische Verbindungen durch Enzyme der Xanthin-Dehydrogenase-Familie katalysiert, bleibt zu klären. Die Idee einer Molybdän-katalysierten Dehydroxylierungs-Reaktion führt wiederum zu dem Umkehrschluß, daß mit geeigneten Elektronenakzeptoren eine Vielzahl aromatischer Verbindungen unter anoxischen Bedingungen hydroxyliert werden könnte.

Als Beispiele einer reduktiven Abspaltung eines Substituenten in meta-Stellung seien die Dehydroxylierung von Gentisyl-CoA zu Benzoyl-CoA in Syntrophus gentianae (Gorny und Schink 1994a) sowie die Dehalogenierung von 3-Chlorobenzoat zu Benzoat in Desulfomonile tiedjei (Mohn und Tiedje 1992) genannt. Für die Reduktion von Gentisyl-CoA postulierten die Autoren ein Beitrag zum Energiebudget dieses Bakteriums (Gorny und Schink 1994a). Die Abspaltung der beiden Hydroxylgruppen erfolgt vermutlich in einem Schritt, da die möglichen Intermediate einer sequentiellen Dehydroxylierung, 2- bzw. 3-Hydroxybenzoyl-CoA, weder in Reaktionsansätzen gefunden noch zu Benzoyl-CoA durch zellfreien Extrakt umgesetzt werden konnten. Dieses könnte bedeuten, daß intermediär der aromatische Ring in einem 4-Elektronenschritt zu einem Monoenderivat reduziert wird und dann zwei Dehydratisierungsreaktionen unter Rearomatisierung erfolgen würden. Der erste Teil der Reaktionsabfolge wäre analog der angenommenen Benzoyl-CoA Reduktion in S. gentianae (Schöcke und Schink 1999), und könnte auch die gemessene Reduktion von Gentisyl-CoA zu einem unbekannten Produkt in Desulfococcus sp. Stamm Hy5 beschreiben (Gorny und Schink 1994b). Im Vergleich zu Benzoyl-CoA ist die Reduktion von Gentisyl-CoA aufgrund der beiden elektronenziehenden Hydroxylgruppen erleichtert, und kann in der Tat gut mit reduzierten Viologenen als Elektronendonoren gemessen werden. Die folgenden Dehydratisierungen zu Benzoyl-CoA wären den Aromatisierungsreaktionen z.B. während der Biosynthese von aromatischen Aminosäuren über Shikimat ähnlich (Richter 1988). Ob eine ähnliche Reaktionsabfolge auch bei der reduktiven Dehydroxylierung von 3-Hydroxybenzoyl-CoA in Stamm BT der Fall ist, bleibt offen. Hier müßte von der Bildung eines Dien- anstelle eines Monoderivats ausgegangen werden, was thermodynamisch deutlich ungünstiger ist.

Die reduktive Dehalogenierung von 3-Chlorobenzoat erfolgt nicht auf der CoA-Ester-Stufe sondern an der freien Säure. Für den Reaktionsmechanismus existieren noch keine genauen Vorstellungen. Arylhalogenide gehen im Gegensatz zu Alkylhalogeniden weniger stark eine nukleophile Substitution ein (Wackett und Schanke 1992). In der organischen Chemie werden zur Dehalogenierung von Aromaten häufig starke Reduktionsmittel und Übergangsmetalle als Katalysatoren benötigt. In einigen Fällen scheint die Dehalogenierung nicht in einer SN -Reaktion, sondern über einen radikalischen Mechanismus zu verlaufen. Auch für die Dehalogenierung von 3-Chlorobenzoat in D. tiedjei kann ein Elektronendonor mit tiefem Redoxpotential angenommen werden. Es konnte gezeigt werden, daß im Verlauf der reduktiven Dehalogenierung von 3-Chlorobenzoat in D. tiedjei eine Protonentranslokation erfolgt (Mohn und Tiedje 1990; Dolfing 1990).

Benzoyl-CoA Metabolismus in Stamm BT

Eine Reihe von Evidenzen spricht für Benzoyl-CoA als Intermediat des Abbaus von 3-Hydroxybenzoat durch Stamm BT (Abb 4.2): (i) Benzoat akkumulierte intermediär während des Wachstums auf 3-Hydroxybenzoat; (ii) dichte Suspensionen von 3-Hydroxybenzoat-gewachsenen Zellen verstoffwechselten Benzoat ohne Verzögerung zu Acetat, Butyrat, CO2, und H2; (iii) die Transformation von 3-Hydroxybenzoat zu Benzoyl-CoA konnte im zellfreien Extrakt verfolgt werden; (iv) alle Enzymaktivitäten von der Glutaryl-CoA Dehydrogenase bis zur Bildung von Acetat und Butyrat wurden ebenfalls detektiert.

Die Art und Weise der Benzoyl-CoA Reduktion ist im Bezug auf die vorliegende Arbeit von besonderem Interesse und soll im folgenden diskutiert werden. In T. aromatica wird Benzoyl-CoA zu Cyclohexa-1,5-dien-1-carboxyl-Benzoyl-CoA (Koch und Fuchs 1993) von der Benzoyl-Benzoyl-CoA Reduktase umgesetzt (Boll und Fuchs 1995). Das Redoxpotential dieses Paares kann in etwa abgeschätzt werden. Für die Reduktion von Benzol mit molekularem Wasserstoff entweder zu Cyclohexan, Cyclohexen oder 1,3-Cyclohexadien betragen die ∆G°-Werte -97.3, -15.9 sowie 54.3 kJ mol-1 (berechnet aus den thermochemischen Parametern ∆H°fl und S°fl bzw. S°g der jeweiligen Kohlenwasserstoffe sowie von H2; http://webbook.nist.gov 1998). Hieraus ergeben sich Standardredoxpotentiale (EO´) für das Paar Benzol/Cyclohexan von -246 mV, für das Paar Benzol/Cylcohexen von -374 mV und für das Paar Benzol/1,3-Cyclohexadien von -694 mV. Die Redoxpotentiale der korrespondierenden CoA-Ester dürften ähnlich liegen. In T.

aromatica dient Ferredoxin mit einem Standardredoxpotential von -450 mV als Elektronendonor für die Reduktion von Benzoyl-CoA zum Dienderivat (Boll und Fuchs 1998). Somit handelt es sich um eine endergone Reaktion, die durch die Hydrolyse von zwei Mol ATP pro Mol Substrat getrieben wird (Boll et al. 1997). Als Reaktionsmechanismus wurde eine Abfolge von Ein-Elektronen-Reduktionen vorgeschlagen (Brackmann und Fuchs 1993; Buckel und Keese 1995; Heider und Fuchs 1997; Boll und Fuchs 1998). Die Elektronen werden vermutlich, in guter Analogie zur Ein-Elektronenübertragung auf Aryl-Aldehyde und Aryl-Ketone (Neta und Behar 1980; Behar und Neta 1981), über die Thioestergruppe unter Ausbildung eines Ketylradikals auf Benzoyl-CoA übertragen (Buckel und Keese 1995). Der α-ständige Schwefel des Thioesters könnte dabei zur Stabilisierung der negativen Ladung bzw. des Radikals beitragen. Buckel und Keese (1995) schlugen ein Mittenpotential kleiner -550 mV für die Übertragung des Elektrons auf die Thioestergruppe vor. Dieser Wert entstammt einem Vergleich mit der Dehydratisierung von 2-Hydroxyglutaryl-CoA zu

Glutaconyl-CoA in A. fermentans (Müller und Buckel 1995 mit darin enthaltenen Referenzen). Diese Reaktion, formal kein Redoxvorgang, beinhaltet ebenfalls die Bildung eines Ketylradikals durch Übertragung eines hoch-energetisierten Elektrons auf das Substrat.

Interessanterweise bestehen Homologien in der Aminosäuresequenz zwischen dem 2-Hydroxyglutaryl-CoA Dehydratase System und der Benzoyl-CoA Reduktase (Dutscho et al.

1989; Bendrat et al. 1993; Egland et al. 1997; Breese et al. 1998). Durch ESR-Spektroskopie konnten Hinweise auf die Bildung eines organischen Radikals im Verlauf der Benzoyl-CoA Reduktion erhalten werden (Boll et al. 1997). Anhand der ermittelten ESR-Daten in dieser Arbeit konnte jedoch keine eindeutige Aussage zur Stöchiometrie der ATP-Hydrolyse pro übertragenem Elektron gemacht werden. Die Variante der Hydrolyse eines ATP pro Elektron wurde bevorzugt, jedoch konnte die alternative Möglichkeit der Hydrolyse von zwei ATP für das erste Elektron nicht ausgeschlossen werden. Die Reduktion von Benzoyl-CoA ist aufgrund der postulierten Sequenz Ein-Elektronenreduktion - Protonanlagerung als biologische Birch-Reduktion bezeichnet worden (Brackmann und Fuchs 1993; Heider und Fuchs 1997). In der organischen Chemie wird unter Birch-Reduktion die partielle Reduktion aromatischer Verbindungen mit Alkalimetallen in flüssigem Ammoniak verstanden (Fieser und Fieser 1983). Diese Reaktion verläuft über stark basische Cyclohexadienyl-Radikalanionen, die von einer schwachen Säure, in der Regel einem Alkohol, protoniert werden. Auch für die Reduktion von Benzoyl-CoA wurde ein Cyclohexadienyl-Radikalanion als Intermediat angenommen. Diese Annahme ist nicht überzeugend. Für den Ein-Elektronenschritt vom Ethylthioester der Benzoesäure zum korrespondierenden Dienylderivat wird ein Redoxpotential von -1.9 V angegeben (Mittelberger et al. unveröffentliche Daten; in:

Boll und Fuchs 1998). Mit diesem Redoxpotential gerechnet würde die Hydrolyse von zwei ATP-Molekülen nicht ausreichen, das erste Elektron für die Übertragung auf Benzoyl-CoA unter Bildung des Dienyl-Radikalanions genügend zu energetisieren. Boll und Fuchs (1998) schlugen eine schnell nachfolgende, stark exergone Protonierung des Dienyl-Radikalanions als Möglichkeit zur Überwindung dieses „Energiebergs“ vor. Die Annahme der Bildung des Cyclohexadienyl-Radikalanions beruhte auch auf Berechnungen der Ladungsverteilung in Radikalanionen von Benzolderivaten in der Gasphase. In einer theoretischen Arbeit wurde gezeigt, daß im Benzylaldehyd-Radikalanion die π-Elektronendichte im Ring in para-Position zur Aldehyd-Gruppe am größten ist (Birch et al. 1980). Es wurde in dieser Arbeit jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß aus diesem Beispiel kein praktischer Nutzen zu ziehen ist, da in der Birch-Reduktion reduzierbare Substituenten wie Aldehydgruppen vor der

Reduktion des Rings umgesetzt werden. Aus Untersuchungen über Ein-Elektron-Reduktionen von Benzaldehyden in wässriger Lösung ist zudem bekannt, daß bei schwach saurem bis neutralem pH-Wert ausschließlich der Sauerstoff der Carbonylgruppe und nicht der Ring protoniert wird (Solar et al. 1995). Das Ketyl-Radikalanion des Benzaldehyds ist weit weniger basisch als das entsprechende Dienyl-Radikalanion. In stark saurer Lösung hingegen erfolgt die Anlagerung eines H-Atoms zum Dienyl-Radikal ohne vorherige Bildung des Anions (Solar et al. 1995). Zu fragen ist demnach, inwieweit die Übertragung der negativen Ladung von der Thioestergruppe des Benzoyl-CoA in den Ring und die Protonierung zwei klar getrennte Prozesse sind. Plausibler erscheint, daß im Verlauf der Benzoyl-CoA Reduktion das Cyclohexadienyl-Radikalanion als solches nicht auftritt, sondern eine Übertragung der negativen Ladung auf den Kohlenstoffring zusammen mit einem Proton in einer konzertierten Reaktion erfolgt. Eine solche Reaktion wäre energetisch weit günstiger als eine sequentielle Übertragung von einem Elektron und einem Proton. Die Übertragung der negativen Ladung in den aromatischen Ring könnte mittels der Anwesenheit einer Lewis-Säure wie z.B. Fe(II) in einem Fe-S Cluster oder Zn(II) beschleunigt werden. Sowohl Eisen-Schwefel Cluster als auch Zink sind in der Benzoyl-CoA Reduktase detektiert worden (Boll und Fuchs 1995). In der bereits angesprochenen Arbeit über die Rolle von Ketylradikalen in biochemischen Reaktionen ist die Bildung eines Dienyl-Radikalanions im Verlauf der Benzoyl-CoA-Reduktion gleichfalls nicht formuliert worden (Buckel und Keese 1995). Die Übertragung des zweiten Elektrons auf das Substrat stellt unter den gegebenen Bedingungen keine thermodynamische Schwierigkeit dar. So ist für die Reaktion vom Cyclohexadienyl-Radikal zum Cyclohexadienid-Anion ein EO von -250 mV ermittelt worden (Mortensen und Heinze 1984).

Die Benzoyl-CoA Reduktion in Stamm BT kann aufgrund des geringen Energiebudgets dieses Bakteriums nicht unter Hydrolyse von 2 Mol ATP pro Mol Benzoyl-CoA verlaufen, wie im folgenden ausgeführt werden soll. Die Bestimmung des molaren Wachstumsertrags Ys auf 3-Hydroxybenzoat deutete einen Nettoertrag von etwa 1/3 ATP-Äquivalenten pro Reaktionsdurchlauf an (Müller 1996), ein Wert, der gut mit der freiwerdenden Gibbschen Energie dieser Vergärung (∆G°´= –38 kJ pro mol) zu vereinbaren ist. Ein Mol ATP pro Mol umgesetztes Substrat wird intermediär über die Acetatkinase-Reaktion gebildet. Die Glutaconyl-CoA Decarboxylase in Stamm BT wies Eigenschaften auf, die auch für die korrespondierenden Enzyme in A. fermentans und anderen gärenden Bakterien gezeigt wurden (Buckel 1986; Beatrix et al. 1990; Matthies und Schink 1992; Schöcke und Schink 1999).

Diese Biotin-abhängigen, Membran-integrierten Enzyme koppeln die Decarboxylierung-sreaktion mit der Translokation von Na+ Ionen über die cytoplasmatische Membran und konservieren somit Energie. Die Annahme, daß auch die Decarboxylase in Stamm BT einen Natriumionen-Gradienten aufbaut, erscheint gerechtfertigt. Dieser elektrochemische Gradient könnte für die Synthese von 1/3 Mol ATP pro Mol Substrat genutzt werden (Dimroth and Schink 1998). Im Verlauf der reduktiven Dehydroxylierung von 3-Hydroxybenzoyl-CoA wird höchstwahrscheinlich keine Energie konserviert. Für Benzoat-vergärende Bakterien wurde eine Nutzung des Endproduktgradienten (Acetat) zur Energiekonservierung angenommen (Boll and Fuchs 1995). Für Stamm BT ist diese (hypothetische) Möglichkeit der Energiekonservierung unwahrscheinlich, da genügend große Acetat- oder Butyratgradienten [etwa 1000(inside):1(outside)] unter Wachstumsbedingungen nicht aufrecht gehalten werden können. In der Summe kann Stamm BT demnach nicht mehr als zwei Mol ATP-Äquivalente pro Mol umgesetztes 3-Hydroxybenzoat synthetisieren.

Nur aus thermodynamischer Sicht kann jedoch durchaus mit einem Dienderivat wie z.B.

Cyclohexa-1,5-diene-1-carboxyl-CoA als Produkt der Benzoyl-CoA Reduktion in Stamm BT oder auch S. gentianae gerechnet werden. Die Differenz in den Standardredoxpotentialen (∆EO´) der Paare Benzol/1,3-Cyclohexadien in Analogie zu Benzoyl-CoA/Dienderivat sowie NAD/NADH beträgt ca. 370 mV. Unter physiologischen Bedingungen könnte diese Differenz deutlich kleiner sein. So wird in T. aromatica gebildetes Cyclohexa-1,5-diene-1-carboxyl-CoA schnell zum 6-Hydroxycyclohex-1-en-Carboxyl-Cyclohexa-1,5-diene-1-carboxyl-CoA durch eine Dienoyl-Cyclohexa-1,5-diene-1-carboxyl-CoA- Dienoyl-CoA-Hydratase umgesetzt (Laempe et al. 1998). Auch die Aktivitäten der nachfolgenden Enzyme, 6-Hydroxycyclohex-1-en-1-Carboxyl-CoA-Dehydrogenase und 6-Oxocyclohex-1-en-1-Carboxyl-CoA-Hydrolase sind hoch (Laempe et al. 1999). Somit würde unter physiologischen Bedingungen aus thermodynamischer Sicht nur 2/3 bis ein ATP-Äquivalent für die Reduktion von Benzoyl-CoA zu Cyclohexa-1,5-diene-1-Carboxyl-CoA benötigt. Diese Energiemenge könnte Stamm BT durchaus zur Verfügung stehen. Auch S. gentianae könnte diese Energiemenge bereitstellen, da durch eine Reduktion des Benzoyl-CoA zum Dienderivat ein problematischer Oxidationsschritt im weiteren Abbauweg entfallen würde. Angesprochen sei hiermit die Oxidation von Pimelyl-CoA zu Pimelyl-1-en-CoA, ein Schritt, für den ein revertierter Elektronentransport zur Übertragung der dabei freiwerdenden Elektronen auf Protonen angenommen wurde (Schöcke und Schink 1999). Für diesen postulierten revertierten Elektronentransport wurde ein Verbrauch von 2/3 ATP-Äquivalenten pro gebildetes H2

angenommen (Wallrabenstein und Schink 1994). Inwieweit auch in gärenden Bakterien ein Dienderivat Produkt der Benzoyl-CoA Reduktion ist, bliebt zu klären.