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Anaerober Abbau von Kresolen und Toluol in Desulfobacterium cetonicum

Masse / Ladung

4.1 Anaerober Abbau von Kresolen und Toluol in Desulfobacterium cetonicum

Zu Beginn der vorliegenden Arbeit existierten in der Literatur Berichte über eine Methylgruppen-Oxidation des m-Kresols zum 3-Hydroxybenzylalkohol (Bonting et al. 1995;

Londry et al.1997) analog dem Abbau von p-Kresol durch denitrifizierende Bakterien (Hopper et al. 1991; Rudolphi et al. 1991). Diese Annahme beruhte ausschließlich auf der Identifizierung von 3-Hydroxybenzoat als Metabolit des m-Kresol-Abbaus. Die Oxidation der Methylgruppe zum Alkohol wurde nicht nachgewiesen. Im Vergleich zur Oxidation des p-Kresols, die wahrscheinlich über die Bildung eines Chinonmethids verläuft, ist die Oxidation der Methylgruppe des m-Kresols aus mechanistischen Gründen ungleich schwieriger. Arbeiten über die Aktivierung von Toluol durch Addition der Methylgruppe an die Doppelbindung von Fumarat (Biegert et al. 1996; Beller und Spormann 1997, 1998) führten zu der Vorstellung, daß auch der anaerobe Abbau von m-Kresol über eine ähnliche Reaktion eingeleitet werden könnte. Der Umsatz des Produkts dieser Reaktion, 3-Hydroxybenzylsuccinat, sollte ebenfalls über 3-Hydroxybenzoat bzw. 3-Hydroxybenzoyl-CoA führen.

Als Modellorganismus für Untersuchungen über den anaeroben Abbau von m-Kresol bot sich das sulfatreduzierende Bakterium D. cetonicum an. D. cetonicum oxidierte p-Kresol, m-Kresol und Toluol vollständig zu CO2 mit Sulfat als Elektronenakzeptor. o-Kresol konnte nicht als Wachstumssubstrat dienen. In D. cetonicum wurden die beiden Kresole sowie Toluol nach den folgenden Gleichungen umgesetzt (∆G°´ Werte nach Thauer et al. 1977 berechnet):

4 C7H8O + 17 SO4

+ 17 H+ → 28 CO2 + 17 HS- + 16 H2O

∆G°´= – 225 kJ / mol Kresol, 2 C7H8 + 9 SO4

+ 9 H+ → 14 CO2 + 9 HS- + 8 H2O

∆G°´= – 181 kJ / mol Toluol.

Bildung von 3-Hydroxybenzylsuccinat aus m-Kresol und Fumarat

Während des Wachstums auf m-Kresol wurden geringe Mengen 3-Hydroxybenzylsuccinat (etwa 1-3 % des umgesetzten Kresols) in das Medium ausgeschieden. Die Identifizierung von

3-Hydroxybenzylsuccinat als potentiellem Intermediat des Abbaus von m-Kresol erfolgte durch einen Vergleich mit einer chemisch synthetisierten Referenzsubstanz über HPLC und GC/MS. Diese Untersuchungen bekräftigten die Hypothese einer Anlagerung der Methylgruppe von m-Kresol an die Doppelbindung von Fumarat als erste Reaktion des Abbauweges.

In zellfreiem Extrakt betrug die spezifische Aktivität der Bildung von 3-Hydroxybenzylsuccinat aus m-Kresol und Fumarat 0,5 nmol min-1 (mg Protein)-1 und somit etwa 7 % der in vivo Umsatzrate. Die 3-Hydroxybenzylsuccinat-Synthase war das einzige detektierte Enzym, welches die Methylgruppe von m-Kresol modifiziert; eine hydroxylierende Aktivität oder eine Abhängigkeit des m-Kresol-Abbaus von CO2 (möglicher Hinweis auf eine Carboxylierungsreaktion als einleitenden Schritt des Abbaus) wurde nicht beobachtet.

Zum derzeitigen Stand der Erkenntnis können über den Reaktionsmechanismus der Bildung von 3-Hydroxybenzylsuccinat keine detaillierteren Aussagen gemacht werden. Allerdings kann angenommen werden, daß die Reaktion ähnlich der Bildung von Benzylsuccinat aus Toluol und Fumarat verläuft. Für diese Reaktion bestehen vielfältige Evidenzen für einen radikalischen Mechanismus. Massenspektroskopische Untersuchungen mit deuteriertem Toluol deuten auf eine H-Abstraktion von der Methyl-Gruppe und Anlagerung des abstrahierten Wasserstoffatoms an die Succinyl-Einheit des gebildeten Benzylsuccinyl-Radikal hin (Beller und Spormann 1997, 1998). Die aus T. aromatica gereinigte Benzylsuccinat-Synthase zeigt Homologien in der Aminosäuresequenz zu den Glycylradikal-Enzymen Pyruvat:Formiat Lyase und anaeroben Ribonucleotid-Reduktase aus Escherichia coli (Leuthner et al. 1998). Zusätzlich konnten in derselben Arbeit Hinweise auf eine oxygenolytische Spaltung einer Untereinheit der Benzylsuccinat-Synthase erbracht werden.

Wahrscheinlich erfolgt die Spaltung an einem Glycylradikal (Leuthner et al. 1998).

Experimente mit Mutanten des denitrifizierenden Stammes T erbrachten ebenfalls Hinweise auf ein konserviertes Glycin sowie auf ein Cystein in der Benzylsuccinat-Synthase (Coschigano et al. 1998). In der Pyruvat:Formiat Lyase und der anaeroben Ribonucleotid Reduktase erfolgt die jeweilige Reaktion wahrscheinlich über ein kurzlebiges Cysteinyl-Radikal, das durch ein Glycyl-Radikal generiert wird (Becker et al. 1999; Logan et al. 1999).

Die Benzylsuccinat Synthase aus T. aromatica ist aufgrund der bereits angesprochenen oxygenolytischen Spaltung einer Untereinheit an der Stelle des Radikals gegenüber molekularem Sauerstoff extrem empfindlich. Wird ein ähnlicher radikalischer Mechanismus für die Bildung von 3-Hydroxybenzylsuccinat vorausgesetzt, so verwundert nicht die strikte

Abhängigkeit von anoxischen Bedingungen zur Messung dieser Reaktion. Erstaunlich ist jedoch, daß in Ansätzen, die nach 30-minütiger Inkubation mit Luft durch Austausch der Atmosphäre gegen N2 und Zugabe von Ti(III) reduziert worden waren, eine Bildung von Hydroxybenzylsuccinat gemessen werden konnte. Eventuell existiert die 3-Hydroxybenzylsuccinat-Synthase in D. cetonicum in einer aktiven, O2-empfindlichen Form und einer inaktiven Form, die unempfindlich gegenüber molekularem Sauerstoff ist. Während der Präparation des zellfreien Extrakts sowie unter oxischen Testbedingungen könnte ein Teil der inaktiven Form bestehen bleiben, die dann unter anoxischen Bedingungen in die aktive Form überführt werden könnte. Inwieweit die Aktivität in anoxischen Ansätzen, die mit Luft behandelt worden waren, im Verlauf des Tests aufgrund einer Erhöhung der Katalysatorkonzentration (aktive 3-Hydroxybenzylsuccinat-Synthase) anstieg, konnte bei den geringen Umsätzen an m-Kresol nicht eindeutig festgestellt werden. Der Übergang einer inaktiven Form der 3-Hydroxybenzylsuccinat Synthase in eine aktive Form würde den Transformationen der inaktiven Formen der Pyruvat:Formiat Lyase oder der anaeroben Ribonucleotid-Reduktase in die jeweilige aktive Form (Knappe and Watson 1990; Sun et al.

1995) vergleichbar sein.

Oxidation von 3-Hydroxybenzylsuccinat zu 3-Hydroxybenzoyl-CoA

Ein hypothetischer Abbauweg für m-Kresol in D. cetonicum ist in Abb. 4.1 dargestellt. Der vorgeschlagene Weg ist den Reaktionen des anaeroben Toluolabbaus in denitrifizierenden Bakterien der Gattung Thauera analog (Heider et al. 1999). Hinweise für einen Umsatz von 3-Hydroxybenzylsuccinat zu 3-Hydroxybenzoyl-CoA entstammen zwei unterschiedlichen Experimenten: (i) Hydroxybenzylsuccinat wurde in zellfreiem Extrakt zu 3-Hydroxybenzoyl-CoA in Anwesenheit der Elektronenakzeptoren NAD(P) und FAD sowie einer Coenzym A Quelle umgesetzt. Neben 3-Hydroxybenzoyl-CoA trat vorübergehend ein weiteres Produkt auf, dessen Natur noch bestimmt werden muß. Mit Succinyl-CoA als CoA-Donor wurde die höchste 3-Hydroxybenzoyl-CoA Konzentration gefunden. Dieser Befund deutet auf eine Aktivierung des 3-Hydroxybenzylsuccinats zur CoA-Ester Stufe in einer Transferase-Reaktion hin. Die Aktivierung von Benzylsuccinat in T. aromatica verläuft ebenfalls über eine CoA-Transferase mit Succinyl-CoA als Donor (Leutwein und Heider 1999).

OH

Abb. 4.1: Vorgeschlagener m-Kresol-Abbauweg in D. cetonicum. Die mit einem Fragezeichen gekennzeichnete Verbindungen (Hydroxybenzylsuccinyl-CoA und 3-Hydroxybenzoyl-succinyl-CoA) wurden nicht identifiziert.

(ii) Eine weitere Evidenz für einen Umsatz von Hydroxybenzylsuccinat zu 3-Hydroxybenzoyl-CoA entstammt Experimenten mit Zusatz von Fumarat zu m-Kresol verwertenden Kulturen. Pro Mol abgebautem m-Kresol wurde etwa ein Mol Fumarat verbraucht und annähernd ein Mol Succinat in das Medium excerniert. Diese Transformation von Fumarat zu Succinat wurde nur beim Wachstum auf m-Kresol beobachtet. Während des Wachstums mit dem vermuteten Intermediat 3-Hydroxybenzoat wurden nur insignifikante Mengen Fumarat aufgenommen und kein Succinat in das Medium ausgeschieden. Bei einem Abbau von m-Kresol wie in Abb. 4.1 dargestellt muß das gebildete Succinat wieder zu Fumarat oxidiert werden. Dieser Oxidationsschritt ist für sulfatreduzierende Bakterien aus thermodynamischen Gründen problematisch. Eine Möglichkeit, diese Oxidation zu bewerkstelligen, ist die Beteiligung eines revertierten Elektronentransports (Schirawski and Unden 1998). Diese Form der Energieinvestierung ist nicht notwendig, wenn externes Fumarat für die 3-Hydroxybenzylsuccinat-Synthase Reaktion verwendet wird. Die Zunahme sowohl der Wachstumsrate als auch des Wachstumsertrags von D. cetonicum nach Zugabe von Fumarat unterstützt die Annahme eines revertierten Elektronentransports bei der Reoxidation von Succinat zu Fumarat während des Wachstums auf m-Kresol. Hier ist der Hinweis wichtig, daß Fumarat nicht als alleiniger terminaler Elektronenakzeptor von D.

cetonicum genutzt werden kann und die Fumarat-Reduktase nicht detektiert wurde. Der

weitere Umsatz von 3-Hydroxybenzoyl-CoA in D. cetonicum wird unter Abschnitt 4.2.1 diskutiert.

Alternative Wege des anaeroben Abbaus von m-Kresol

Zwei alternative Wege des anaeroben Abbaus von m-Kresol sind in der Literatur diskutiert worden: (i) Methylgruppen-Hydroxylierung zum 3-Hydroxybenzylalkohol und weitere Oxidation zum 3-Hydroxybenzoat sowie (ii) para-Carboxylierung zum 4-Hydroxy-2-methylbenzoat.

Die erste Hypothese beruht primär auf der Identifizierung von 3-Hydroxybenzoat als Intermediat des Abbaus von m-Kresol durch denitrifizierende und sulfatreduzierende Bakterien (Bonting et al. 1995; Londry et al. 1997). Die entsprechenden m-Kresol-hydroxylierenden Aktivitäten konnten jedoch nicht eindeutig nachgewiesen werden. Für das Sulfat-reduzierende Bakterium Desulfotomaculum gibsoniae Stamm Groll ist kürzlich eine m-Kresol abhängige DCPIP Reduktion im zellfreien Extrakt vorgestellt worden (Londry et al.

1999). Einige Interpretationen dieser Arbeit sind jedoch zweifelhaft. Zum ersten fehlen Aussagen über eine Identifizierung von Produkten der m-Kresol-Oxidation. Auch wurde in Ansätzen mit 3-Hydroxybenzoat eine etwa gleich große DCPIP Reduktionsrate gefunden wie in Ansätzen mit m-Kresol. Dieses Ergebnis konnte nicht hinreichend erklärt werden. Die Identifizierung von 3-Hydroxybenzoat als Intermediat des Abbaus von m-Kresol kann auch durch einen Abbau über 3-Hydroxybenzylsuccinat begründet werden, und darf somit nicht als Evidenz für eine Methylgruppen-Hydroxylierung herangezogen werden. Schließlich konnte im Rahmen der vorliegenden Arbeit gezeigt werden, daß Dt. gibsoniae während des Wachstums auf m-Kresol 3-Hydroxybenzylsuccinat ausscheidet. Somit liegt nahe, daß auch dieser sulfatreduzierende Stamm m-Kresol über 3-Hydroxybenzylsuccinat umsetzt.

Untersuchungen mit methanogenen und sulfidogenen Anreicherungskulturen deuten auf eine Carboxylierungsreaktion als ersten Schritt des Abbaus von m-Kresol hin (Roberts et al.

1990; Ramanand and Suflita 1991). Ob das Produkt dieser Reaktion, 4-Hydroxy-2-methylbenzoat, jedoch von denselben Bakterien weiter umgesetzt wird, mußte offen bleiben.

Dennoch kann die Hypothese aufgestellt werden, daß gärende Bakterien m-Kresol nicht über 3-Hydroxybenzylsuccinat abbauen, um den für sie energetisch schwierigen Schritt der Succinatoxidation nicht katalysieren zu müssen.

Abbau von Toluol und p-Kresol

Nach wiederholter Gabe von Toluol zu wachsenden Kulturen von D. cetonicum konnten geringe Mengen an Benzylsuccinat im Kulturüberstand detektiert werden. In zellfreien Extrakten wurde die Bildung von Benzylsuccinat mit einer Rate von 0,2-0,4 nmol min-1 (mg Protein)-1 gemessen. Diese Befunde deuteten auf einen Toluolabbau in D. cetonicum wie für andere anaerobe Bakterien beschrieben hin. Interessant ist, daß für die Addition von Toluol bzw. m-Kresol an die Doppelbindung von Fumarat in D. cetonicum jeweils ein Enzym exprimiert wird.

Für p-Kresol deutet sich ein Abbau in D. cetonicum durch Bildung von 4-Hydroxybenzylsuccinat an. In nitratreduzierenden Bakterien wird p-Kresol über ein intermediäres Chinonmethid zu 4-Hydroxybenzylalkohol oxidiert. Das Redoxpotential des Paares Benzylalkohol / Toluol beträgt + 61 mV (berechnet nach Thauer et al. 1977). Für die hydroxylierten Verbindungen dürfte mit einem ähnlichen Redoxpotential zu rechnen sein. In dem denitrifizierenden Bakterium Achromobacter sp. werden die bei der Oxidation von p-Kresol freiwerdenden Elektronen letzendlich auf ein Cytochrom c mit einem Redoxpotential von + 231 mV übertragen (Hopper et al. 1991). Hieraus wird ersichtlich, daß eine Methylgruppen-Oxidation des p-Kresols für sulfatreduzierende Bakterien eine thermodynamisch schwierige Reaktion darstellt. Berichte in der Literatur über eine derartige Reaktion unter methanogenen und sulfatreduzierenden Bedingungen sind nicht überzeugend (Häggblom et al. 1990; Londry et al. 1999).