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2.12 Medikamentöse Therapie

2.12.1 Intraläsionale Injektionen

2.12.1.2 Hyaluronsäure

Die erstmals in der Literatur beschriebene erfolgreiche Anwendung von Hyaluronsäure bei akut erkrankten Tendopathien fand durch CHURCHILL (1985) statt. Es handelt sich hierbei um ein Glykosaminoglykan aus sich wiederholenden D-Glukuronsäuren- und N-Acetylglukosamin-Einheiten (STRACHAN et al. 1990), dessen intratendinöse Injektion von vielen Autoren als ungefährlich und komplikationslos eingestuft wird (BLOBEL 1988; HERTSCH et al. 1989; SCHMIDT 1989; SITTHICHAIYAKUL 1997).

Hyaluronsäure hat während der Sehnenheilung eine stimulierende Wirkung auf die Makrophagenaktivität und die Angiogenese (SCHMIDT 1991; DAMSCH et al. 1992), sowie auf Tenozyten (DROMMER et al. 1990; DAMSCH et al. 1992). Sechs Tage nach der Applikation von 20 mg Hyaluronsäure in gesundes Sehnengewebe konnte im Vergleich zu mit Kochsalzlösung behandelten Kontrollsehnen eine deutliche Vermehrung des rauen endopalsmatischen Retikulums und Größenzunahme des

Zytoplasmas beobachtet werden (DROMMER et al. 1990). In gesundem wie auch in erkranktem Sehnengewebe führt Hyaluronat zu einer Aktivierung der Kollagenfibrillensynthese (SCHMIDT 1991; HAACK 1992).

BLOBEL (1988) konnte nach der ein bis dreimaligen Injektion von Hyaluronsäure direkt in den Sehnenschaden, ins Paratendineum oder in die Sehnenscheide bessere klinische Ergebnisse beobachten als mit anderen Therapiemethoden. Je eher die Tendopathie behandelt wurde, desto besser war der Erfolg. Im Gegensatz dazu geht SCHMIDT (1989) von einer höheren Wirksamkeit bei chronischen Fällen aus.

HERTSCH (1989) erzielte nach intratendinöser Hyaluronsäureapplikation bei 81 Tendopathien unterschiedlicher Lokalisation und Krankheitsstadien eine Heilung in 77,8% der Fälle, keine Besserung stellte sich nur bei 4,9% ein und weitere 4,9% der Pferde erlitten Rezidive. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam SITTHICHAIYAKUL (1997). Die durchschnittlich zweimalige Behandlung subakuter und chronischer Sehnenerkrankungen erbrachte bei 75% der behandelten oberflächlichen Beugesehnen einen Erfolg.

In einer kontrollierten geblindeten Studie wurden mittels Kollagenase Schäden in den oberflächlichen Beugesehnen der Vordergliedmaßen von 10 Pferden erzeugt und 24 Stunden später entweder mit Hyaluronsäure oder Kochsalzlösung peritendinös behandelt (SPURLOCK et al. 1989). Nach 3 Wochen kam es zu einer ausgeprägten Echogenitätssteigerung der mit Hyaluronat behandelten Sehnendefekte gegenüber den Kontrollsehnen. Die Autoren sehen eine gesteigerte Kollagensynthese als Ursache für die besseren ultrasonographischen Befunde nach Hyaluronsäurebehandlung an.

Klinisch und histologisch konnten in anderen Studien keine Unterschiede zwischen mit Hyaluronsäure und Kochsalzlösung behandelten oberflächlichen bzw. tiefen Beugesehnen erkannt werden (GIFT et al. 1992; GAUGHAN et al. 1995). Es wird sogar von signifikant stärkeren Entzündungsanzeichen bei der feingeweblichen Untersuchung von Sehnen, die 24 Stunden nach experimentell erzeugter Tendopathie mit Hyaluronsäure behandelt wurden, als in den Kontrollsehnen, berichtet (FOLAND et al. 1992).

2.12.1.3 Polysulfatierte Glykoaminoglykane (PSGAG)

Polysulfatierten Glykosaminoglykanen wird eine entzündungshemmende Wirkung zugesprochen (HAMM et al. 1984; GOODSHIP 1993; ORYAN et al. 2008). Die Freisetzung von lysosomalen Enzymen und die Entstehung von Prostaglandinen wird inhibiert (HAMM et al. 1984), sowie die Aktivität von Metalloproteinasen (CLEGG et al. 1998) und Kollagenasen (SMITH 1992) reduziert.

Bei Kollagenase-induzierten Achillessehnenläsionen von Kaninchen führte die lokale Gabe von PSGAG zu einer signifikant schnelleren Reduktion der Schwellung, einem kürzeren Vorhandensein von Entzündungszellen und einer besseren Ausrichtung der Fibroblasten und Kollagenfasern im Vergleich zur unbehandelten Kontrollsehne (ORYAN et al. 2008).

In Kollagenase-induzierten Sehnenschäden der oberflächlichen Beugesehnen von Pferden konnte nach intraläsionaler Applikation von PSGAG ein höherer Reifungsgrad der Narbe als in mit Kochsalzlösung behandelten Kontrollsehnen erzielt werden. Nach 150 Tagen waren 71% der Kollagenfasern longitudinal orientiert, während es in den Kontrollsehnen nur 66% waren (MORAES et al. 2009).

MARXEN et al. (2004) konnten keine signifikanten Unterschiede des Heilungsverlaufs von mit Kollagenase erzeugten Schäden equiner oberflächlicher Beugesehnen nach fünfmaliger intratendinöser PSGAG Behandlung im Vergleich zur Behandlung mit Kochsalzlösung erkennen.

In einer Langzeituntersuchung über 2 Jahre führte die kombinierte intratendinöse und intramuskuläre Injektion von PSGAG verglichen mit der alleinigen systemischen PSGAG-Gabe, der intraläsionalen Hyaluronsäurenbehandlung sowie einem ausschließlichen Bewegungsprogramm im Hinblick auf das Auftreten von Rezidiven zu keinem signifikanten Unterschied (DYSON 1997).

2.12.1.4 Kollagen

Zu einem beschleunigten Heilungsverlauf im verletzten Sehnengewebe kommt es nach Meinung von PRÜGNER et al. (1997) durch die intratendinöse Injektion von löslichem Kollagen.

Erhältlich als Zyderm Collagen Implant der Firma Collagen besteht eine Fertigspritze mit 1 ml Suspension aus 35 mg Kollagen stammend aus Rinderhaut (Verhältnis Kollagen I zu III: 9:1) und 3 mg Lidocain als Lokalanästhetikum.

Die Autoren wendeten das Präparat an 18 Pferden einmalig an, keines der Tiere zeigte eine Unverträglichkeit. Innerhalb der nächsten 3-11 Monate kam es zur Genesung von 13 Pferden (im Durchschnitt nach 4,7 Monaten), 4 zeigten eine Besserung und bei einem Pferd trat ein Rezidiv auf.

Die natürlich ablaufenden Reparaturprozesse sollen unterstützt und beschleunigt werden, es wird von einer Zunahme der Kollagenfibrillen ausgegangen.

Histologische und morphometrische Untersuchungen wurden jedoch nicht durchgeführt.

2.12.1.5 Beta-Amino-Proprionitril-Fumarat (BAPTEN® )

Bei dem Wirkstoff β-Aminoproprionitril-Fumarat handelt es sich um einen spezifischen Hemmer des Enzyms Lysyloxidase aus dem Samen der Wicke (Lathyrus odoratus) (CHVAPIL 1996; REEF 1996).

Die mehrmalige intratendinöse Applikation von BAPTEN® während der frühen reparativen Phase von Tendopathien kombiniert mit kontrollierter Bewegung soll eine gute Längsorientierung der Kollagenfibrillen durch zeitliche Verzögerung der interfibrillären Querbrückenausbildung ermöglichen (GENOVESE 1992).

Narbenkontrakturen sowie fibrotische Adhäsionen sollen reduziert werden (CHVAPIL 1996).

Verglichen mit anderen Therapiemethoden lassen die sonographischen Befunde eine bessere Sehnenqualität nach BAPTEN®- Injektion vermuten (GENOVESE 1992;

REEF 1996; ROSS 2006). Langzeituntersuchungen zeigten, dass bei Schäden der oberflächlichen Beugesehne mehr mit BAPTEN® behandelte Pferde wieder erfolgreich an Rennen teilnehmen konnten, als Pferde aus einer Placebo-Gruppe (REEF et al. 1997). Die Rezidivgefahr wird für die intraläsional mit BAPTEN® behandelte Sehne signifikant gesenkt, allerdings ist die Häufigkeit für nachfolgende Tendinitden in der kontralateralen Gliedmaße vergleichbar mit den Rezidivraten

2.12.2 Systemische Applikation

2.12.2.1 Nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAID)

In der initialen Phase der Tendopathie werden vielfach nicht-steroidale Antiphlogistika systemisch angewendet, um akute Entzündungserscheinungen zu reduzieren (SÖNNICHSEN 1975; MOYER u. RAKER 1980; STASHAK 1989;

GENOVESE 1993; GOODSHIP 1993; GENOVESE et al. 1996; DEVEREUX 2006).

Derzeit stehen in Deutschland verschiedene für das Pferd zugelassene Präparate für diese Indikation zur Verfügung: Phenylbutazon, Flunixin-Meglumin und Meloxicam.

Das Pyrazolonderivat Phenylbutazon wird in einer Dosierung von 2,2 mg/kg zweimal täglich bzw. 4,4 mg/kg einmal täglich über 7-10 Tage verabreicht (HENNINGER 1992; JORGENSON u. GENOVESE 2003; SCHNEIDER 2005). Es handelt sich hierbei um einen irreversiblen Hemmer der Cyclooxygenase, mit dem sich Schmerzen auf Grund von Entzündungen des Bewegungsapparates besonders gut behandeln lassen (FREYMILLER u. AGHALOO 2004). Für die initiale Therapie der Tendopathie scheint es die beste antiinflammatorische Wirkung zu haben und inhibiert nicht signifikant den Heilungsprozess (HENNINGER 1992).

Auch Flunixin-Meglumin, einer der stärksten Cyclooxygenase-Hemmer, wird in der akuten Phase systemisch angewendet (SCHNEIDER 2005).

Jegliche antiphlogistisch wirkenden Medikamente werden dagegen von PICK (1986) abgelehnt, da sie die für die Heilung notwendigen reparatorischen Vorgänge unterdrücken sollen.

2.12.2.2 Glukokortikoide

Innerhalb der ersten 24-48 Stunden einer Sehnenschädigung ist die systemische Gabe von Glukokortikoiden indiziert (JORGENSON u. GENOVESE 2003; AVELLA u.

SMITH 2012), da so während der frühen Phase der Entzündung Kapillardilatation, Ödembildung, Leukozytenmigration, Fibrinablagerung und Phagozytoseaktivität gehemmt werden können (HAYNES u. LARNER 1975). Nach diesem Zeitraum führt

die Applikation von Glukokortikoiden zur Hemmung der Fibroplasie und damit zur Verzögerung der Sehnenreparatur (HENNINGER 1992; AVELLA u. SMITH 2012).

Gewöhnlich wird eine Einzeldosis Dexamethason (0,1 mg/kg) verabreicht (AVELLA u. SMITH 2012), z.T. zusätzlich zu nichtsteroidalen Antiphlogistika (JORGENSON u.

GENOVESE 2003).

2.12.2.3 Systemische Verabreichung von Polysulfatierten Glykosaminoglykanen (PSGAG)

Zur Behandlung von akuten Sehnenläsionen kann auch die systemische Verabreichung von PSGAG durchgeführt werden (REDDING et al. 1992; GOODSHIP 1993; JORGENSON u. GENOVESE 2003). Andere Autoren stellen die inhibitorische Wirkung auf Matrixmetalloproteinasen nach systemischer Applikation von PSGAG in Frage, da im Zielgewebe nur ein Bruchteil der injizierten Menge nachweisbar ist (CLEGG et al. 1998).

Es werden intramuskuläre Injektionen im Abstand von 4 Tagen über 4 Wochen empfohlen (GOODSHIP 1993), andere Autoren sehen die wöchentliche Gabe für ausreichend an (JORGENSON u. GENOVESE 2003). REDDING et al. (1992) erzielten nach Behandlung von Kollagenase-induzierten Schäden der oberflächlichen Beugesehnen beider Vordergliedmaßen von 8 Pferden durch 7-malige intramuskuläre PSGAG-Gaben bessere ultrasonographische Ergebnisse als in einer mit Kochsalzlösung behandelten Kontrollgruppe.

Von 31 befragten Tierärzten gingen 24 davon aus, dass die mehrmalige systemische Gabe von 500 mg PSGAG bei akuten Schäden der oberflächlichen Beugesehne von Nutzen ist (DOW et al. 1996). In 50 von 63 Fällen kam es nach der zweiten bis vierten intramuskulären Injektion zu Schmerzlinderung und Reduktion der Schwellung (DOW et al. 1996).

Bei der Erhebung der Rezidivrate verschiedener Behandlungsmethoden erlitten 50%

der PSGAG-behandelten Pferde ein Rezidiv, bei den konservativ behandelten waren es dagegen nur 31% (MARR et al. 1993).

2.13 Chirurgische Therapie 2.13.1 Sehnensplitting

Mit dem Ziel, die Revaskularisation chronisch erkrankter Sehnen zu erhöhen, entwickelte FORSELL in den 1940er Jahren eine Stichtechnik, bei der die erkrankte Sehne mit einem Stilett in 1-2 cm Abständen perforiert wurde. Diese Methode wurde später zunächst dadurch modifiziert, dass die Sehne in Längsrichtung radikal gespalten wurde (ASHEIM 1964). Um peritendinöse Verklebungen zu vermeiden, erfolgte später das perkutane Sehnensplitting am stehenden Pferd. Hierbei wird die Sehne mittels eines doppelschneidigen Skalpells parallel zur Längsachse fächerförmig durch die chirurgisch vorbereitete Haut eingeschnitten (ASHEIM u.

KNUDSON 1976).

In einer Untersuchung mit einer geringen Fallzahl wurde ein Heilungserfolg bei 3 von 6 Pferden, deren oberflächliche Beugesehne gesplittet wurde, verzeichnet (SEVELIUS 1964). In einer Untersuchung an 66 Pferden, deren oberflächliche Beugesehnen derart operiert wurden, zeigte sich, dass 36,4% der Pferde wieder an mehr als 10 Rennen teilnehmen konnten, 28,8% gingen weniger als 10 mal an den Start und 34,8% konnten nicht geheilt werden (NILSSON 1970). Die Rekonvaleszenzzeit betrug 6 Monate, gefolgt von einer Trainingsperiode von 3-6 Monaten.

In einer kontrollierten Studie an Trabern konnten 73% der Pferde, deren oberflächliche Beugesehnenschäden dem perkutanen Sehnensplitting unterzogen wurden, innerhalb zwei Jahren wieder an Wettkämpfen teilnehmen.

Siebenundfünfzig Prozent davon liefen in mehr als 10 Rennen, in der Kontrollgruppe waren es insgesamt 88,5% (KNUDSON 1976).

Das ursprünglich zur Therapie von chronischen Sehnenschäden entwickelte Verfahren sehen andere Autoren nur während der akuten Phase der Entzündung als indiziert an, da intratendinöse Flüssigkeitsansammlungen frei werden können und das angrenzende gesunde Gewebe durch die Dekomprimierung vor Drucknekrosen geschützt wird (HENNINGER et al. 1991; HENNINGER et al. 1992; DABAREINER et al. 2000; ROSS 2003).

In einer kontrollierten experimentellen Studie an Kollagenase–induzierten Tendopathien der oberflächlichen Beugesehne bei 6 Pferden zeigte sich, dass das Sehnen-Splitting in der akuten-subakuten Phase der Sehnenheilung zu einer gesteigerten Vaskularisation, verbesserten sonographischen Befunden und besserer Qualität des Sehnenersatzgewebes 4 und 8 Wochen post operationem führt (HENNINGER et al. 1992).

Die Bedeutung des Sehnen-Splittings wird in der Literatur kontrovers diskutiert (WOLFF 1976; PICK 1986). So erzeugt der chirurgische Eingriff unnötige Traumata (FACKELMANN 1973; STRÖMBERG et al. 1974) und wird deshalb bei moderaten Sehnenschäden als ungeeignet angesehen (STRÖMBERG 1980). An experimentell gespaltenen Sehnen konnten auch noch ein Jahr später eine vermehrte Vaskularisation sowie degenerierte Bereiche an den Grenzen der Inzisionen nachgewiesen werden (STRÖMBERG et al. 1974). Diese Nekrosen konnten in einer anderen feingeweblichen Untersuchung nicht nachvollzogen werden, so dass insbesondere bei schweren Sehnenschäden mit ischämischen Arealen das Sehnensplitting als erfolgversprechende Therapiemöglichkeit eingestuft wird (WOLFF 1976). Als eindeutig schädlich wird diese Therapie von anderen Autoren beurteilt, da sie zur Produktion von zusätzlichem permanenten Narbengewebe führt, welches die Heilung verzögert (SILVER u. ROSSDALE 1983). Die bei dem Eingriff auftretenden Blutungen führen zur Bildung von Adhäsionen, die die Gleitfunktion der Sehnen beeinträchtigen (MCCULLAGH et al. 1979).

Die ultraschallgestützte Sehnenpunktion (Ultrasound guided tendon puncture, UGTP) stellt eine schonendere Modifikation des Verfahrens dar, die ein präziseres Vorgehen erlaubt. Besonders geeignet sind dafür Kernläsionen (core lesions), die mindestens 20% des Sehnendurchmessers ausmachen. Von 33 Pferden, die mittels UGTP behandelt wurden, konnten 68% ihr ursprüngliches Leistungsniveau wieder erlangen, 19% der Pferde erlitten ein Rezidiv (ALLEN 1992).

Ein mehrfaches Punktieren eines Sehnenschadens mit einer 23 G Kanüle (Nadel-Sehnen-Splitting) kann mit intraläsionalen Appplikationen therapeutischer Substanzen kombiniert werden (AVELLA u. SMITH 2012).

Zusammenfassend wird das Sehnen-Splitting für chronische Tendopathien derzeit nicht mehr empfohlen (AVELLA u. SMITH 2012).

2.13.2 Desmotomie des Unterstützungsbandes der oberflächlichen Beugesehne

Der Grundgedanke, dass die mangelnde Elastizität des Sehnenersatzgewebes häufig zu rezidivierenden Tendopathien führt, veranlasste BRAMLAGE (1986) dazu, die Desmotomie des Unterstützungbandes der oberflächlichen Beugesehne als Methode zur Behandlung von Tendopathien der oberflächlichen Beugesehne einzuführen.

Das Lig. accessorium der OBS überträgt die während der Stützbeinphase auf die Sehne einwirkende Kraft unter Schonung der proximalen Muskel-Sehnen-Einheit zum distalen Radius. Durch die Desmotomie wird die durch Reparaturvorgänge in der oberflächlichen Beugesehne bedingte Verkürzung der Einheit „Knochen-Sehnen-Unterstützungsband“ unterbrochen und der Muskel sowie die Sehne proximal des Lig. accessorium zur Gewichtsaufnahme herangezogen (BRAMLAGE 1986).

Die durchschnittliche Zeitdauer zwischen dieser Operation und dem ersten Rennen variiert in der Literatur von 34 Wochen (HAWKINS u. ROSS 1995) bis 42 Wochen (FULTON et al. 1994).

Die chirurgische Maßnahme erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ein Pferd nach einer Sehnenverletzung an mindestens 2 Rennen teilnehmen kann, ohne ein Rezidiv zu erleiden (BRAMLAGE 1986). Nach BRAMLAGE und HOGAN (1996) nahmen 51%

von 137 Vollblütern, nach HAWKINS und ROSS (1995) 71% von 38 Trabern nach der Operation wieder erfolgreich an mindestens 5 Rennen ohne Auftreten eines Rezidivs teil. Während bei 67% der operierten Traber keine erneuten Schäden auftraten, waren es bei den Galopprennpferden nur 52%, so dass die Desmotomie besonders bei Trabern als geeignet angesehen wird (FULTON et al. 1994).

Die Rezidivrate vor der Teilnahme am 3. Rennen nach der Operation wurde zunächst mit 16,6% angegeben (BRAMLAGE et al. 1988). In einer anderen Studie wurde nach Desmotomie bei 28% der Pferde bereits vor dem ersten Start ein Rezidiv festgestellt (FULTON et al. 1994).

Hinsichtlich der Rezidivrate konnten GIBSON et al. (1997) keinen signifikanten Unterschied zwischen Pferden nach Desmotomie und solchen mit konservativ behandelten (Boxenruhe und kontrolliertes Bewegungsprogramm) Sehnenschäden feststellen. Bei den operierten Pferden kam es hingegen 5,5 mal häufiger zu Erkrankungen des Fesselträgers als bei den konservativ therapierten Pferden.

In der Literatur werden wiederkehrende diffuse Tendopathien, schwerwiegende diffuse Tendopathien oder solche mit einer Kernläsion von 10-15% der CSA als mögliche Indikation für den Eingriff herausgestellt. Da bilaterale Tendopathien nicht ungewöhnlich sind, kann die beidseitige Desmotomie auch zur Prophylaxe durchgeführt werden (AVELLA u. SMITH 2012).

2.13.3 Autologe Sehnentransplantation

Um die Narbenbildung durch normales Sehnengewebe zu verstärken, wurde zu Beginn der 1970er Jahre die autologe Sehnentransplantation entwickelt. Als Donorsehne dient die Sehne des M. extensor digitalis lateralis, die ohne Beeinträchtigung der Streckfunktion der Zehengelenke auf Höhe des Metakarpus abgesetzt werden kann. Anhand histologischer Untersuchungen an 19 Sehnen zeigte sich, dass das Transplantat gut in die normale Sehne einheilt und eine solide Verbindung mit der Umgebung eingeht. Auch Transplantationen in durch Narbengewebe verdickte oder gebrannte Sehnen waren erfolgreich (AMMANN u.

FACKELMANN 1972).

Die autologe Sehnentransplantation wurde trotz des erheblichen Aufwandes auch bei schweren Sehnenschäden wertvoller Rennpferde (STRÖMBERG u. TUFVESSON 1977) oder bei ausgewählten Fällen chronischer Tendopathien (WINTZER 1999) als lohnenswert angesehen und von einzelnen Autoren phasenweise sogar als Therapieform mit den besten Heilungsaussichten betrachtet, da keine Unverträglichkeiten mit ihren Spätfolgen beobachtet wurden (PICK 1986).

Mikroangiographische und histochemische Studien an 20 Versuchspferden zeigen, dass das Transplantat revaskularisiert und durch ein hoch organisiertes Gewebe ersetzt wird. Die Donorsehne degeneriert, wird aber schnell durch einsprießende

Fibroblasten und neue Kollagenfibrillen ersetzt (STRÖMBERG u. TUFVESSON 1977).

In einer kontrollierten experimentellen Studie an 9 Pferden wurde gezeigt, dass das Einnähen eines autologen Sehnentransplantates in die durchtrennten tiefen Beugesehnen 12 Wochen post operationem zu erhöhten mechanischen Belastbarkeit und einem histologisch erkennbaren besseren Reifungsgrad gegenüber einer alleinigen Sehnennaht führt. Nach 24 Wochen war kein Unterschied mehr zwischen den beiden Gruppen erkennbar. Die Autoren gehen davon aus, dass das Transplantat während der frühen Phase der Sehnenreparatur als Quelle für pluripotente epitendinöse Vorläuferzellen und Tenozyten dient und dass seine endotendinösen Gefäße ein Gerüst für die Gefäßeinsprossung darstellen (VALDEZ-VAZQUEZ et al. 1996).

Derzeit ist die Bedeutung von autologen Sehnentransplantaten beim Pferd in der Literatur zurückgegangen.

2.13.4 Carbonfasertransplantation

Der Beobachtung, dass Carbonfasern in vitro (GOODSHIP et al. 1980) und im Versuchstier (JENKINS et al. 1977; JENKINS 1978) als ein physikalisches Gerüst für Fibroblasten und kollagene Fasern dienen, folgten mehrere Studien an der equinen Beugesehne (VAUGHAN u. EDWARDS 1978; LITTLEWOOD 1979; GOODSHIP et al. 1980; VALDEZ et al. 1980; BROWN u. POOL 1983; NIXON et al. 1984;

VAUGHAN et al. 1985).

Die Carbonfaserimplantation wurde zunächst an der geöffneten Sehne durchgeführt, später wurde als Modifikation die perkutane Implantation beschrieben (LITTLEWOOD 1979). Während in einer Untersuchung akute Entzündungsanzeichen, wie z.B. gesteigerte Wärme, innerhalb 4 Wochen post operationem verschwanden, blieben die Sehnen noch 6-9 Monate später umfangsvermehrt (LITTLEWOOD 1979).

Der feingeweblich nachweisbare Effekt der Carbonfaserimplantate auf die Sehnenheilung wird in der Literatur kontrovers dargestellt (VALDEZ et al. 1980;

NIXON et al. 1984). Zum einen zeigten histologische Untersuchungen an tiefen

Beugesehnen, in die Carbonfasern implantiert wurden, eine bessere Anordnung und Längsausrichtung der Kollagenfasern, sowie eine verbesserte Wellenformation als die Kontrollsehnen (VALDEZ et al. 1980).

Fremdkörperreaktionen sollen sich auf einen Millimeter um die Implantate herum beschränken (BROWN u. POOL 1983). Dies lässt Carbonfasern als biokompatibel erscheinen (GOODSHIP et al. 1980).

Andere Autoren berichten jedoch von schweren eitrigen Abstoßungsreaktionen (LITTLEWOOD 1979; VALDEZ et al. 1980; VAUGHAN et al. 1985), die z.T. zur Euthanasie der Pferde führten (VALDEZ et al. 1980). Im Tierexperiment wurde gezeigt, dass Carbonfasern 8-12 Wochen nach der Implantation zu einer exzessiven Granulationsgewebsbildung führen. Hinsichtlich der Kollagenorientierung konnte kein Unterschied zwischen der Sehnennaht mit Nylon oder Carbonfasern erkannt werden.

Das Gewebe in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Carbonfasern blieb auch noch nach 6 Monaten unreif. Um z.T. separierte Carbonfilamente kam es zur Bildung von Granulomen (NIXON et al. 1984).

Im Kontext mit der klinischen Anwendung wurde in einer Untersuchung festgestellt, dass 14 von 34 Pferden mit akuter oder chronischer Tendopathie nach Carbonfaserimplantation wieder an Rennen teilnehmen konnten. Bei 7 Pferden kam es zum Rezidiv. Weitere 14 Pferde waren nicht mehr als Rennpferde nutzbar (VAUGHAN et al. 1985). Als ursächlich für eine persistierende Tenalgie nach Carbonfaserimplantation werden die zwischen den unelastischen Carbonfasern und dem heilenden Sehnengewebe bestehenden Scherkräfte angesehen (AVELLA u.

SMITH 2012).

Zusammenfassend hat die Implantation von Carbonfasern zur Behandlung von Tendopathien derzeit klinisch keine Bedeutung mehr.

2.14 Therapien mit regenerativem Potential 2.14.1 Mesenchymale Stammzellen (MSC)

Als Mesenchymale Stammzellen (MSC) werden Zellen aus Knochenmark, Fettgewebe, oder anderen Geweben bezeichnet, die in vitro an Plastik haften und

eine multipotente Differenzierungskapazität aufweisen (HORWITZ et al. 2005), d.h.

sie können zu Osteoblasten, Chondrozyten, Tenozyten, Fibrozyten, Adipozyten und Myofibroblasten ausdifferenzieren (GEBUREK u. STADLER 2011b; SMITH u.

WEBBON 2012). Derzeit wird das Akronym MSC äquivalent zur Bezeichnung mesenchymaler Stammzellen und multipotenter mesenchymaler stromaler Zellen verwendet, da beim Pferd eine sichere Charakterisierung echter Stammzellen bislang nicht sicher möglich ist (HORWITZ et al. 2005).

Stammzellen werden generell eingeteilt in Zellen embryonalen und nicht embryonalen Ursprungs (KOCH et al. 2009).

Als Quelle für nicht embryonale mesenchymale Stammzellen sind beim Pferd zur Behandlung von Sehnen- und Banderkrankungen u.a. das Knochenmark (VIDAL et al. 2006; ARNHOLD et al. 2007; GODWIN et al. 2012), Fettgewebe (VIDAL et al.

2007; DEL BUE et al. 2008; NIXON et al. 2008), und, Nabelschnurblut (KOCH et al.

2007; REED u. JOHNSON 2008) untersucht.

Mesenchymale Stammzellen sind zur Matrixproduktion und zur Produktion bioaktiver Proteine, wie z.B. Wachstumsfaktoren sowie antiapoptotischen und chemotaktischen Faktoren in der Lage (DAHLGREN 2009). Diese haben Effekte auf lokale zelluläre Dynamik, Immunmodulation, sie wirken anabol, stimulieren die Neovaskularisation und locken weitere Vorläuferzellen an.

2.14.2 Mesenchymale Stammzellen aus dem Knochenmark (bone marrow mesenchymal stromal cells, BM-MSCs)

Zur Gewinnung von Knochenmark eignet sich neben dem Sternum auch das Tuber coxae, jedoch ist die Knochenmark-Ausbeute hier geringer (SMITH et al. 2003;

SMITH 2008a; DELLING et al. 2012). Nach Sedierung des Pferdes und lokaler Anästhesie der Einstichstelle wird das blutige Knochenmark mit einer Jamshidi- Nadel aus der dritt- oder vorletzten Sternebra in eine heparinisierte Spritze aspiriert.

Diese Methode kann das geringe Risiko eines Pneumoperikards bergen (DURANDO et al. 2006). Das abfließende Knochenmark wird in einer heparinisierten Spritze aufgefangen (SMITH 2008a). Nach Zentrifugation des Knochenmarkaspirates werden Stammzellen aufgrund ihrer geringen Konzentration vor der Applikation meist

für 2-4 Wochen in Kultur gebracht (GEBUREK u. STADLER 2011b). Die Technik der Isolation, Charakterisierung und Expansion equiner BM-MSCs und deren Reimplantation in eine oberflächliche Beugesehne eines Poloponies wurde erstmals 2003 beschrieben (SMITH et al. 2003). Der Effekt wurde bei Rennpferden in mehreren, teils großen Kasuistiken niedergelegt.

Obwohl der optimale Behandlungszeitpunkt und die optimale Anzahl MSCs noch nicht bekannt sind (KOCH et al. 2009), gibt es Hinweise darauf, dass sich eine schnellstmögliche Implantation positiv auf den Heilungsverlauf auswirkt (SMITH 2008a; SMITH u. WEBBON 2012). In einer Studie hatten erfolgreich therapierte Pferde durchschnittlich eine Zeitspanne von 44 Tagen zwischen Insult und Behandlung mit MSCs, diejenigen mit Rezidiv 83 Tage (SMITH 2008a).

Es gibt zahlreiche tierexperimentelle Studien zum Effekt von BM-MSCs auf Läsionen der OBS bei Pferden. In einer kontrollierten Untersuchung an 3 Pferden (intraindividuelle Kontrolle) mit Kollagenase induzierten Läsionen der oberflächlichen Beugesehnen konnte gezeigt werden, dass die intraläsionale Applikation von MSCs im Vergleich zur Plazebo-Behandlung zu deutlich besser organisiertem

Es gibt zahlreiche tierexperimentelle Studien zum Effekt von BM-MSCs auf Läsionen der OBS bei Pferden. In einer kontrollierten Untersuchung an 3 Pferden (intraindividuelle Kontrolle) mit Kollagenase induzierten Läsionen der oberflächlichen Beugesehnen konnte gezeigt werden, dass die intraläsionale Applikation von MSCs im Vergleich zur Plazebo-Behandlung zu deutlich besser organisiertem