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5.2 Diskussion der Ergebnisse

5.2.4 Unzureichende Anästhesie- und Operationsqualität

5.2.6.7 Horse Grimace Scale - Inter-Rater-Vergleich (Fotos)

Ziel des Vergleichs war die Untersuchung der Übereinstimmungen zwischen vier Beobachten mit unterschiedlicher Erfahrung in der Beurteilung von Schmerzen beim Pferd. Aufgrund der großen Variationen wurde von einer weiteren Auswertung im Hinblick auf die Gruppenvergleiche zu den verschiedenen Messzeitpunkten abgesehen.

Beim Vergleich der Beurteilung der Fotos zwischen den vier Beobachtern fällt auf, dass die Übereinstimmung sowohl für die Horse Grimace Scale (κ = 0,10) als auch für die globale Einschätzung des Schmerzes (κ = 0,03) als „gering“ zu bezeichnen ist. Dies steht im Kontrast zu den Ergebnissen vorangegangener Studien beim Pferd, in denen ein Gesamt-ICC von 0,92 (DALLA COSTA et al. 2014) und 0,85 (DALLA COSTA et al. 2016) ermittelt werden konnte. Im Gegensatz zu vorangegangenen Studien (DALLA COSTA et al. 2014; DALLA COSTA et al. 2016; DALLA COSTA et al. 2017) wurde die Übereinstimmung zwischen den Beobachtern in der vorliegenden Studie nicht mit dem Intraklassen-Korrelationskoeffizienten (ICC) berechnet. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass neben der Stetigkeit der Daten auch die zufälligen Wiederholungen fehlen. Auch wenn sich die statistischen Verfahren der Intra-Klassen-Korrelationsberechnung (ICC) und der Berechnung des Kappa-Konkordanzindexes (κ) hinsichtlich des Vorliegens stetiger Merkmale unterscheiden, sollte ein hoher ICC auch einem hohen κ -Wert entsprechen.

Bei Betrachtung der einzelnen Facial Action Units, konnte für die Steif nach hinten gerichteten Ohren die vergleichsweise beste (κ = 0,28) Übereinstimmung gefunden werden, wobei diese FAU – wie auch in anderen Studien beim Pferd (DALLA COSTA et al. 2014) und Lamm (GUESGEN et al. 2016) - zudem am zuverlässigsten zu beurteilen war. Demgegenüber stehend wurden die übrigen FAUs sowohl in der vorliegenden als in bereits genannter Studie (DALLA COSTA et al. 2014) häufiger als

„nicht beurteilbar“ klassifiziert. Auch wenn die Steif nach hinten gerichteten Ohren in der vorliegenden Studie die vergleichsweise beste Übereinstimmung aufweist, konnte für diese FAU beim Pferd in anderen Studien ein ICC von 0,97 (DALLA COSTA et al. 2014) und 0,95 (DALLA COSTA et al. 2016) ermittelt werden. Bei der Beurteilung der anderen FAUs kam es wie in anderen Studien (DALLA COSTA et al.

2014; DALLA COSTA et al. 2016) zu geringgradig schlechteren Übereinstimmung zwischen den Beobachtern, jedoch können diese im Vergleich zur vorliegenden Studie als gut bezeichnet werden.

Für die insgesamt schlechten Inter-Rater-Übereinstimmungen in der vorliegenden Studie kommen verschiedene Erklärungsansätze in Betracht.

Die vier Gutachter wiesen jeweils einen unterschiedlichen Erfahrungsgrad in der Erkennung von Schmerzen beim Pferd auf. Dies war auch beabsichtigt, um die Praktikabilität der HGS zu prüfen und diese nicht nur „Experten“ sondern auch Reitern, Züchtern, Stallbesitzern etc. nach vorheriger Einführung zugänglich zu machen. Als Limitation der vorliegenden Studie kann jedoch genannt werden, dass die Anzahl der Personen pro Gruppe vermutlich zu niedrig gewesen ist, was sich bei der inhomogenen Gruppe an Gutachtern in der großen Variation der Schmerzbewertung niedergeschlagen haben könnte.

Das Training der Gutachter fand mittels der von DALLA COSTA et al. (2014) publizierten Horse Grimace Scale sowie der zur Verfügung stehenden HGS-App statt. Die Beobachter wurden angehalten nach Durchsicht der publizierten HGS eigenverantwortlich von der Trainingsfunktion der HGS-App Gebrauch zu machen.

Jedoch gaben insbesondere die unerfahrenen Beobachter an, dass die Beurteilung

„nicht immer einfach“ gewesen sei. Obwohl in vergleichbaren Studien bei verschiedenen Tierarten gesehen werden konnte, dass eine kurze Schulungszeit vor Anwendung der Schmerzgesichtsskalen ausreichend ist (DI GIMINIANI et al. 2016), wäre es vermutlich vorteilhaft gewesen, die Gutachter in der vorliegenden Studie intensiver und auch länger zu schulen.

Darüber hinaus ist die Beurteilung und auch die Toleranz gegenüber Schmerzen immer auch individuell und kann durch persönliche Emotionen und das Empathievermögen (NORRING et al. 2014) maßgeblich beeinflusst werden.

Die vorliegende Studie gibt ebenfalls Hinweise darauf, dass die Studentin tendenziell höhere Schmerzscores vergeben und die Tiere damit schmerzhafter eingestuft hat als die anderen Gutachterinnen, wohingegen Tierärztin 1 den Grad der Schmerhaftigkeit am niedrigsten einstufte. Diese Beobachtungen decken sich auch mit den Ergebnissen der globalen Einschätzung des Schmerzes.

Ein entscheidender Grund für die große Divergenz in der Bewertung der Schmerzhaftigkeit zwischen den Beobachtern könnte die Tatsache sein, dass Tierärztin 1 die Pferde bereits den gesamten Versuch über betreut und auch die Live-Bewertung der HGS durchgeführt hat. Die Person war sich also einer insgesamt geringgradigen Schmerzhaftigkeit der Probanden bewusst, was zu einer Beeinflussung der Punktevergabe geführt haben könnte.

Demgegenüber stehen die Tiermedizinstudentin und die Züchterin, welche im Hinblick auf die Schmerzerkennung und -beurteilung beim Pferd unerfahren waren.

Beide benötigten darüber hinaus deutlich mehr Zeit für die die Beurteilung der Bilder.

Es entsteht daher der Eindruck, dass die unerfahrenen Gutachter sich in Bedrängnis sahen, Anzeichen von Schmerz erkennen zu „müssen“. Dies kann dazu geführt haben, dass sie sich daher tendenziell für die höhere Punktzahl entschieden und den Schmerz dementsprechend höher eingeschätzt haben als die erfahreneren Gutachter. In einer Studie, in der fünf unabhängige, trainierte Beobachter die Gesichtsausdrücke bei Schafen beurteilten, wurden diese auch öfter „falsch positiv“

als „falsch negativ“ eingeschätzt (MCLENNAN et al. 2016). Bei der Entwicklung der

„Lamb Grimace Scale“ konnten die Autoren ebenfalls feststellen, dass erfahrenere Gutachter die Schmerzhaftigkeit bei Lämmern stringenter und vorsichtiger bewerteten als die unerfahrenen Kollegen (GUESGEN et al. 2016)

Eine aktuelle Pilotstudie hat den Einfluss von verschiedenen Untersuchern mit unterschiedlicher Pferdeerfahrung in Bezug auf die Schmerzerkennung mit dem Equine Pain Face, welches auf den Publikationen von DALLA COSTA et al. (2014) und GLEERUP et al. (2015b) basiert, untersucht. Dazu wurden Pferde mit unterschiedlichem Schmerzgrad einbezogen (kein Schmerz n = 3; moderater Schmerz n = 4; starker Schmerz n = 3) und sowohl von zwei verblindeten Experten als auch 3 verblindeten Studentengruppen (je n = 12; Gruppe A: präklinische Studenten ohne Pferdeerfahrung, Gruppe B: präklinische Studenten mit Pferdeerfahrung und Gruppe C: Studenten mit Spezialisierung in der Pferdemedizin) anhand von Videoaufnahmen bewertet. Die Ergebnisse dieser Studie ergaben, wie auch in der vorliegenden Studie, die niedrigsten Variationskoeffizienten bei der Beurteilung der „Ohrstellung“ und auch der „Augen“. Die Gesamt-Schmerzscores korrelierten am besten zwischen den spezialisierten Studenten und den Experten.

Zudem konnte festgestellt werden, dass es die größte Divergenz in der Erkennung der moderaten Schmerzen gab und dass pferdeunerfahrene Personen den starken Schmerz eher unterschätzten, wohingegen milder/kein Schmerz – wie auch in der vorliegenden Studie – eher überschätzt wurde (AUER 2017).