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Historische Entwicklung von Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung

2 Soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit

2.2 Historische Entwicklung von Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung

Sylvicultura Oeconomica (Quelle: von Carlowitz 1713)

Die Ursprünge der Nachhaltigkeit lassen sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen. Hans Carl von Carlowitz (1645-1714), Sohn eines kursächsischen Oberförsters und selbst Oberberg-hauptmann des sächsischen Berg- und Hüttenwesens, nutzte den Begriff „Nachhaltigkeit“ erstmals in seinem Werk

„Sylvicultura Oeconomica” (von Carlowitz 1713).

In dieser Zeit war das Erzgebirge eines der wichtigsten Bergbaugebiete Europas. Dem hohen Bedarf an Holz zur Energieerzeugung und zum Ausbau der Stollen fielen fast alle regionalen Wälder zum Opfer. Aufgrund der intensiven Nutzung schwanden die Holzreserven so stark, dass auch die Bergbauindustrie davon betroffen war (vgl. Grober 2013).

Von Carlowitz stellte fest, dass die Menschen mit der Natur „respektvoll“ und „vorsichtig“

umgehen müssen, um die Ressourcen zu erhalten. Damit auch noch künftige Generationen diese nutzen können, sollte nur so viel Holz geschlagen werden, wie auch wieder nachwachsen kann (vgl. von Carlowitz 1713, S. 105). Das Werk gilt als die älteste schriftliche Quelle zum Thema Nachhaltigkeit in Europa.

Der Beginn der neueren Debatte bezüglich Ressourcenverbrauch und ökologischer Aspekte lässt sich im Wesentlichen auf die Veröffentlichungen des 1968 gegründeten „Club of Rome“

zurückführen. Dieser ist eine Vereinigung von Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft mit dem Ziel, sich für eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft der Menschen einzusetzen (vgl.

Deutsche Gesellschaft Club of Rome 2014).

Im Jahr 1972 verdeutlichte der vom Club of Rome herausgegebene Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ anhand verschiedener Szenarien die Endlichkeit der globalen Ressourcen bei unveränderter Intensität wirtschaftlichen Wachstums, die Zunahme der Umweltverschmutzung und eine damit verbundene Verschlechterung der Lebensbedingungen (vgl. Meadows et al.

1972). Im Ergebnis dieser Veröffentlichung entstand eine intensive wissenschaftlich-politische Diskussion über Zusammenhänge zwischen Wirtschaftswachstum, Ressourcenverbrauch, Lebensbedingungen und Lebensstile.

So wurde 1972 die erste internationale Konferenz der Vereinten Nationen über die menschliche Umwelt in Stockholm abgehalten und das UN-Umweltprogramm „United Nations Environmental Programme“ (UNEP) ins Leben gerufen.

Auf dieser Konferenz wurden erstmalig auch die verschiedenen Positionen der Industrieländer (die bereits damals an einer Verminderung der Umweltbelastungen interessiert waren) und der Entwicklungsländer (deren erste Priorität die Bekämpfung der Armut und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung darstellte) sichtbar (vgl. DGVN 2016).

Ein weiterer wichtiger Meilenstein war der Beschluss der UN-Generalversammlung zur Einrichtung einer Kommission für Umwelt und Entwicklung unter Führung der norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland im Jahr 1983. Diese sollte die aktuelle umwelt- und entwicklungspolitische Situation analysieren sowie wirklichkeitsnahe Lösungsvorschläge unter Einbindung der internationalen Partner erarbeiten (vgl. ebd.).

Der später als Brundtland-Bericht bekannt gewordene Abschlussbericht dieser Kommission wurde 1987 veröffentlicht. Er gilt heute als Grundlage der Nachhaltigkeitsdebatte, da hier die Situation des Fortbestehens unseres Planeten und der Menschheit prägnant zusammen-gefasst wurde: „If we do not succeed in putting our message of urgency through to today's parents and decision makers, we risk undermining our children's fundamental right to a healthy, life-enhancing environment.“ (WCED 1987, S. 8).

In Folge dessen startete ein reger Verhandlungsprozess in den Vereinten Nationen, der mit der UN-Konferenz in Rio de Janeiro 1992 seinen Höhepunkt fand. Hier wurde mit dem Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung erstmals anerkannt, dass die Produktionsweisen und Konsumarten der Industrieländer Hauptursachen der globalen Probleme sind. Des Weiteren entstanden auf der Rio-Konferenz insgesamt fünf gemeinsame Dokumente, u.a. die Agenda 21, ein Aktionsprogramm mit detaillierten Handlungsaufträgen für gesellschaftlich und wirtschaftlich dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung im 21.

Jahrhundert (vgl. DGVN 2016).

Der „Millenniumsgipfel” der Vereinten Nationen in New York im Jahr 2000 fasste die bisherigen Forderungen der UN-Konferenzen als Millennium-Entwicklungsziele (Millennium Development Goals (MDGs)) zusammen, über die auf der „Rio+20” Nachfolgekonferenz 2012 Rechenschaft abgelegt wurde. Es musste festgestellt werden, dass die MDGs trotz guter Fortschritte im sozialen Bereich (Bildung, Hunger und Armutsbekämpfung) insbesondere bezüglich des Klimaschutzes noch nicht erreicht wurden.

Auf dieser 2. Rio-Konferenz erfolgte eine grundlegende Weichenstellung für die globale Umsetzung der Nachhaltigkeitsagenda, insbesondere ein Bekenntnis zur „Green Economy", zur Koordination länderspezifischer Unterstützung für die Entwicklungsländer und zur Stärkung der UN im Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit (vgl. BMUB 2012).

Im Abschlussdokument „The future we want” heißt es: „We [...] renew our commitment to sustainable development and to ensuring the promotion of an economically, socially and environmentally sustainable future for our planet and for present and future generations." (UN 2012, S. 1)

Gleichzeitig ernteten die Ergebnisse jedoch auch Kritik. Beispielsweise äußerte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Die Rio-Ergebnisse sind hinter dem zurückgeblieben, was angesichts der Ausgangslage notwendig gewesen wäre." (RNE 2012)

Logo des UN Sustainable Development Summit 2015 Quelle :www.sustainabledevelopment.un.org

Auf der Grundlage der Beschlüsse der Rio+20 Konferenz wurden im September 2015 auf dem

„United Nations Sustainable Development Summit“

in New York die Sustainable Development Goals (SDGs) beschlossen - ein Aktionsplan für die Menschen, unseren Planeten und den Wohlstand (vgl. UN 2015a, S. 2).

Die 193 teilnehmenden Länder (UN 2016) verpflichten sich zur Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung anhand 17 eigenständiger Ziele. Die Dringlichkeit des Anliegens wurde beispielsweise anhand des Klimaschutzes und der Erderwärmung verdeutlicht. Wie bereits in der Einleitung erwähnt, enthält daher das Abschlussdokument die Aussage „The survival of many societies, and of the biological support systems of the planet, is at risk.” (UN 2015c, S.

9) Dennoch ist das Ziel einer Erhaltung unseres Planeten nach wie vor zu erreichbar, „if we succeed in our objectives“ (UN 2015c, S. 16).

Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (siehe Abbildung 5) zeigen, wie umfassend und ambitioniert diese „2030 Agenda for Sustainable Development“ ist.

Abbildung 5: Sustainable Development Goals SDG (UN 2015b)

2.2.2 Soziale Verantwortung (CSR)

Soziale Verantwortung entspringt den ethischen Grundwerten der Menschheit. Beispielsweise antwortete bereits Konfuzius im 5. Jh. v. Chr. auf die Frage eines Schülers „Gibt es ein Wort, dem entsprechend man das ganze Leben handeln kann?“ mit „Es heißt, Verzeihung‘. Was du an dir selbst nicht erfahren möchtest, tue andern auch nicht an“ (Zheng 2016).

Diese Gedanken, die später auch „Goldene Regel“ genannt wurden, fanden Eingang in die heiligen Schriften der Weltreligionen, z.B. in die Bibel. In der Bergpredigt steht: „So wie ihr von den Menschen behandelt werden möchtet, so behandelt sie auch. Denn das ist die Botschaft des Gesetzes und der Propheten." (Matthäus, 7, 12)

Ab dem 7. Jh. wird die Goldene Regel auch im Islam in den Überlieferungen zu Muhammad, in der 13. Hadithe, erwähnt: „Keiner von euch ist ein Gläubiger, solange er nicht seinem Bruder wünscht, was er sich selber wünscht.“ (Grewel et al. 2010, S. 96) Die Goldene Regel gibt den Menschen eine „Handlungsanleitung – eine Aufforderung zum konkreten, solidarischen Handeln gegenüber dem Nächsten, auch dem Feind“ (Grewel et al. 2010, S. 99) und gleichzeitig einen Rahmen des Handelns. So muss „der Handelnde sein Engagement also an den Einschätzungen der eigenen Wünsche orientieren“ (ebd.).

Diese ethischen Werte galten aber nicht nur für das Zusammenleben der Menschen miteinander, sondern bestimmten auch das Verhalten der Kaufleute und Handwerker und fanden bereits im 12. Jh. im Leitbild des „ehrbaren Kaufmanns“ ihren Ausdruck (vgl. Klink 2008). Dieses Leitbild basiert auf bewusstem Verhalten im Rahmen gesellschaftlicher Gemeinwohlorientierung (vgl. Brink 2013).

In Hamburg besteht seit 1517 bis heute die „Versammlung eines ehrbaren Kaufmanns“. Die Kaufleute verpflichteten sich untereinander und gegenüber der Gesellschaft zu ehrbarem Handeln. Es gilt: „Ein Mann ein Wort". Werte wie faire Geschäftspraktiken, Gesetzestreue sowie kaufmännisch und ethisch korrektes Handeln sind auch heute noch so aktuell wie bereits vor 500 Jahren (vgl. Dyckerhoff 2014).

In der Zeit der Entstehung des „ehrbaren Kaufmanns“ war es jedoch nicht möglich, Gewinne zu realisieren, ohne den Ertrag anderer zu schmälern. Die Wirtschaft der vormodernen Gesellschaft war ein „Nullsummenspiel“ (Lütge 2014b, S. 35). Dies führte dazu, dass aus ethischer Sicht Mäßigung des Einzelnen als erstrebenswerte Lösung propagiert wurde. Im Ergebnis galt wirtschaftlicher Wettbewerb bis ins späte 19. Jahrhundert als „unethisch“ und wurde unterbunden, beispielsweise durch Zünfte und Gilden (vgl. Homann 2014, S. 49).

Seit Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert befindet sich die Wirtschaft hingegen in einem stetigen Wachstum, so dass sich das „Nullsummenspiel“ in seiner klassischen Ausprägung überholte. Zudem nahm der Wettbewerb eine Schlüsselrolle in der Wirtschaft ein.

Diese Schlüsselrolle wurde u.a. durch Adam Smith, einem bekannten schottischen Philosophen dieser Zeit, erkannt und ist in nachfolgendem Exkurs nochmals dargestellt:

Hintergrund: Adam Smith, Wirtschaftswachstum und Markt

Das klassische Modell des ökonomischen Wettbewerbs geht u.a. auf den schottischen Philosophen Adam Smith (1723-1799) zurück. „Die Neigung der menschlichen Natur, zueinander in Beziehung zu treten, miteinander zu handeln und zu tauschen" sieht Smith als Voraussetzung für gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung (Smith 1776, S. 2).

Smith führte am Beispiel der Produktion von Stecknadeln aus, dass durch Arbeitsteilung und Spezialisierung die Produktivität massiv gesteigert werden kann (vgl. Smith 1776, S.

12); es kommt zu einem Wirtschaftswachstum.

Bei der Teilung der produktiven Arbeit entstanden auch neue Berufe, da sich ein Teil der Arbeiter mit der Weiterentwicklung der Produkte, ein anderer Teil mit der Optimierung der Produktion beschäftigen konnte. Nicht zuletzt auch durch diese Ausweitung des Betätigungsfeldes wurde für weitere Bevölkerungsschichten Wohlstand ermöglicht.

In der Reihe „Die größten Ökonomen“ werden Smith’s Ansichten zum Wirtschaftswachstum wie folgt zusammengefasst: „Das wirtschaftliche Wachstum ist ein sich selbst tragender Prozess: Die Akkumulation von Kapital führt zu einer Ausweitung der Märkte; diese ermöglicht die Vertiefung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und bewirkt einen Anstieg der Arbeitsproduktivität; mit ihr steigen die unternehmerischen Profite und sonstigen Einkommen, dies bewirkt eine Zunahme der Ersparnisse und Investitionen und damit eine weitere Kapitalakkumulation.“ (Kurz und Sturn 2013, S. 72)

Durch die steigende Produktion erfährt der Wettbewerb neue Impulse. Die Aufgabe des Marktes besteht schließlich darin, „Angebot und Nachfrage einander gegenüberzustellen, um den Austausch der Güter zu ermöglichen.“ (Kolb 2012, S. 77) „Der Marktmechanismus löst […] selbständig und laufend (Smith gebrauchte die Metapher ‚invisible hand‘) das Problem der Allokation, also der Verteilung knapper Ressourcen auf alternative Verwendungszwecke.“ (Kolb 2012, S. 79).

Der Wettbewerb gilt dabei als „Schiedsrichter“ zwischen den Marktteilnehmern. Er sorgt dafür, dass die Besten belohnt werden und setzt Anreize für Innovationen und Wachstum. Nicht umsonst wird der Wettbewerb oft auch als „Motor“ der Wirtschaft bezeichnet. Er muss daher gepflegt, und nicht geächtet werden. Karl Homann schreibt bezeichnend: „In einer Marktwirtschaft ist der Wettbewerb kein Betriebsunfall, sondern tragende Säule des ganzen Systems. Genau diesem Wettbewerb ist der breite Massenwohlstand in funktionierenden Marktwirtschaften zu verdanken.“ (Homann 2014, S. 52)

Der dargestellte, im Wettbewerb vollzogene Wandel vom Nullsummenspiel zur Wachstumsgesellschaft ist bisher jedoch in der Ethik kaum vollzogen (vgl. Lütge 2014b, S.

35), so dass ethisches Verhalten nur geringe Wettbewerbsvorteile oder sogar -nachteile bringt. Dies führt dazu, dass moralisch motivierte Anstrengungen einzelner Unternehmen, die beispielsweise über gesetzliche Anforderungen hinausgehende Abgasfilter einbauen, Nachteile im Wettbewerb gegenüber Konkurrenten hinnehmen müssen. Die Mitbewerber können somit billiger produzieren und ihre Produkte zu einem günstigeren Preis anbieten. Sie werden also für ihr unmoralisches Verhalten belohnt.

Auf lange Sicht wird der moralisch Handelnde somit aus dem Markt gedrängt. „Solange keine systematisch auf das zentrale Problem der Ausbeutbarkeit moralischer Vor- und Mehr-leistungen zugeschnittenen Gegenmaßnahmen getroffen sind, sieht sich moralisches Handeln des Einzelnen im Wettbewerb mit ganz besonderen Schwierigkeiten konfrontiert und ist häufig gar nicht möglich. Eine Ethik, die nicht bei diesem Problem ansetzt, ist in modernen Gesellschaften inadäquat: Sie verfehlt das Grundproblem der Moral.“ (Homann 2014, S. 54) Wir müssen daher „eine Moral haben, die auch tatsächlich gelebt werden kann“ (Lütge 2013).

Zur Lösung des Problems finden sich in der Philosophie verschiedene Ansätze, von denen hier drei wesentliche Modelle skizziert werden (vgl. Homann 2014, S. 54–64):

1) Abschaffung des Wettbewerbs (z.B. bei Karl Marx)

2) moralische Aufrüstung des Einzelnen (z.B. bei Immanuel Kant, Jürgen Habermas) 3) Wettbewerb unter Regeln (Ordnungsökonomik nach Adam Smith und Walter Eucken) Karl Marx wollte den Wettbewerb vollständig abschaffen. Dass dieses Modell nicht erfolgreich war, belegt die jüngere europäische Geschichte. Das Fehlen des Wettbewerbs lähmte die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft und damit deren Weiterentwicklung, was letztlich zum Zusammenbruch des sozialistischen Systems in Osteuropa führte.

Unter moralischem Aufrüsten (2) wird die ethische Verpflichtung des Einzelnen gesehen, und zwar „unabhängig davon, was die anderen tun und ohne Rücksicht auf die innerweltliche Belohnung“ (Homann 2014, S. 58). Dieser Ansatz kommt in zwei Ausprägungen zum Ausdruck: Zum einen sollen sich Menschen bei ihren Handlungen von „guten Gründen“ statt nur von Anreizen leiten lassen (vgl. Nida-Rümelin 2011). Dies führt beispielsweise dazu, dass einzelne umweltbewusste Konsumenten Bio-Milchflaschen nach Hause tragen, obwohl Flaschenmilch in der Regel teurer und zudem schwerer als Milch in Einwegverpackungen ist.

Der „gute Grund“ ist hier in dem geringeren Rohstoffeinsatz und dem minimierten Müllaufkommen zu finden.

Zum anderen geht es um „das gute Gefühl“, das aus positiven Einstellungen, Seelenkräften oder Motiven herrührt. „Der Ethik wird […] die Aufgabe zugewiesen, die guten, moralischen Gefühle zu stärken - durch Erziehung, Vorbilder, Appelle, […] soziale Anerkennung bzw.

Ächtung bei Fehlverhalten“ (Homann 2014, S. 60). Bei dem o.a. Beispiel der Bio-Milchflasche wäre dies möglicherweise die imaginäre Verbindung des Käufers zu glücklichen Kühen auf einer Weide, die sich beim Kauf ggf. einstellt.

Das „moralische Aufrüsten“ ist jedoch unter Wettbewerbsbedingungen nicht zielführend, weil ethisches Verhalten der Marktteilnehmer wie oben gezeigt bis heute regelmäßig zu höheren Kosten führt und daher im Wettbewerb durch die Mitanbieter ausgebeutet wird – eine Lösung des Problems für breite Bevölkerungsschichten wird somit nicht erreicht.

Die dritte Möglichkeit ist, die Ethik nicht auf der Ebene des Wettbewerbs, sondern auf der Ebene der Regularien (Gesetze, Selbstverpflichtungen etc.) anzusiedeln. Diese Strömung der Ethik ist die Ordnungsethik. Man unterscheidet die Ebene der Spielregeln und der Spielzüge bzw. der Handlungen und Handlungsbedingungen (vgl. Homann 2014, S. 62).

„Mit Hilfe dieser Unterscheidung von zwei Ebenen wird es möglich, Wettbewerb und Moral, auf die beide nicht verzichtet werden soll, simultan zu verwirklichen: Der Wettbewerb findet in den Spielzügen statt, und die Moral wird grundlegend durch sanktionsbewehrte Spielregeln realisiert.“ (Homann 2014, S. 62)

Durch diese Vorgehensweise wird es möglich, das zentrale Problem der Ausbeutbarkeit moralischer Handlungen zu lösen. Die „Konkurrenten werden denselben Moralstandards = Regeln unterworfen, so dass eine Unterbietung dieser Standards wegen der angedrohten Sanktionen keine Wettbewerbsvorteile mehr verspricht. Dabei müssen die Sanktionen […] so ausgestaltetet werden, dass eine Übertretung der moralischen Regeln nicht mehr im Interesse der Akteure liegt, sie diese Normen also schon aus Eigeninteresse befolgen (können).“ (ebd.) Der Wettbewerb kann und soll dabei auf der Ebene der Spielzüge seine volle Dynamik entfalten und als Motor der Weiterentwicklung dienen, die ethischen Grundsätze sind in den Regeln des Wettbewerbs verankert. Das Ziel der Ordnungsethik wird dann erreicht, wenn es für moralisches Handeln auch die nötigen Anreize gibt: „Verbessert die Anreize, verbessert die Institutionen! Dann wird Moral auch (wieder) möglich – wenn der Ehrliche im Wettbewerb nicht der Dumme ist." (Lütge 2010)

Exkurs: Der heilige Martin in der Marktwirtschaft (Homann 2008, S. 7)

„Die Herausforderung, die die Marktwirtschaft für unsere Moralvorstellungen darstellt, lässt sich an der Geschichte vom Heiligen Martin illustrieren:

In kalter Winternacht trifft er auf einen frierenden Bettler, nimmt sein Schwert, zerteilt seinen Mantel und gibt die eine Hälfte dem Bettler. So die Legende, die Kindern als leuchtendes Vorbild für Mitmenschlichkeit erzählt wird. Jetzt die ökonomisch inspirierte Fortsetzung:

Vermutlich haben dann beide gefroren, weil der Heilige Martin den Mangel nur gleich verteilt, nicht aber beseitigt hatte.

Unter Bedingungen der modernen Marktwirtschaft hätte er eine Mantelfabrik gebaut, dem Bettler und anderen Bettlern Arbeit gegeben, damit diese sich die Mäntel selbst kaufen könnten.

Und er hätte dabei sogar selbst noch Gewinn erzielt – aber dann wäre er gewiss nicht heiliggesprochen worden! Wer Gewinn macht, kann kein moralisches Vorbild sein, selbst dann nicht, wenn er – um mit der Bibel zu sprechen – die Hungernden speist und die Nackten bekleidet. Die katholische Kirche hat bis heute keinen Unternehmer heilig gesprochen: So tief sitzen die moralischen Vorbehalte gegen grundlegende System-imperative unserer modernen Welt.“

2.2.3 Zwischenfazit zur historischen Entwicklung

Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung haben unterschiedliche Wurzeln und Sichtweisen, konvergieren aber mit zunehmender Komplexität und damit einhergehender Verschachtelung der Begriffe und Instrumente.

Heutzutage bestehen daher kaum Zweifel, dass ein Nachhaltigkeitsbeauftragter in einem Unternehmen ebenfalls für die CSR-Strategie zuständig ist - und umgekehrt. Für die zukünftige gemeinsame Entwicklung beider Zweige liefern die „Sustainable Development Goals“ eine umfassende Grundlage, die sowohl nachhaltige Umwelt- und Klimaziele als auch wirtschaftliches Wachstum und die gemeinsame Bewältigung der gesellschaftlichen Herausforderungen zum Inhalt haben.

Die historische Entwicklung von Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung (CSR) ist unter Berücksichtigung dessen in Abbildung 6 zusammenfassend dargestellt:

500 v.Chr. 1500 1800 1900 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2015

Abbildung 6: Verschmelzung von sozialer Verantwortung und Nachhaltigkeit (in Anlehnung an Schneider 2015, S. 29)