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Auswahl der zu untersuchenden Länder

4 Wissenschaftliche Vorgehensweise

4.2 Auswahl der zu untersuchenden Länder

Um globale Aussagen zur nachhaltigen Entwicklung des Bankensektors in Abhängigkeit vom Entwicklungsstand des jeweiligen Landes ableiten zu können, ist es zunächst erforderlich, die Länder unserer Erde als Gesamtheit zu betrachten und einer Klassifizierung bezüglich deren Entwicklungsstand zu unterwerfen.

Eine auch heute noch regelmäßig in der Volkswirtschaft vorgenommene, alleinige Klassifi-zierung nach dem Bruttoinlandsprodukt (englisch Gross Domestic Product (GDP)) deckt jedoch den Entwicklungsstand eines Landes nur unzureichend ab, wie bereits die 2008 vom damaligen französischen Präsidenten Nicholas Sarkozy initiierte „Commission on the Measurement of Economic Performance and Social Progress” unter der Leitung von Joseph E. Stiglitz (ehe-maliger Chefökonom der Weltbank und Nobelpreisträger) feststellte: „... the [financial] crisis is teaching us a very important lesson: those attempting to guide the economy and our societies are like pilots trying to steer a course without a reliable compass.” (Stiglitz et al. 2010, S. 5) Den Empfehlungen der Kommission folgend sollte eine derartige Klassifizierung nicht nur eine Dimension (wie zum Beispiel GDP oder durchschnittliches Einkommen) berücksichtigen, sondern den Lebensstandard breiter definieren. Denkbar sind hier Parameter wie Lebens-erwartung, Lebenszufriedenheit, Chancengleichheit oder Bildungs- und Freizeitangebot.

Hierzu stehen verschiedene Indizes zur Verfügung, beispielsweise

• der OECD Regional Well-Being Index

• der Legatum Prosperity Index und

• der United Nations Human Development Index (HDI).

Der OECD Regional Well-Being Index (www.oecdregionalwellbeing.org) fasst seit 2011 in überzeugender Weise 11 Kriterien des „Wohlfühlens“ zusammen (vgl. Durand und Smith 2013, S. 6ff): Jobs, Education, Community, Safety, Health, Civic Engagement, Access to Services, Life Satisfaction, Housing, Environment und Income können nach Vorgabe internetgestützt individuell gewichtet und ausgewertet werden. Somit kann sich jeder Interessent genau die Region suchen, die seinen Vorstellungen an nächsten kommt oder - umgekehrt ausgedrückt - jede Region ihre „Baustellen“ identifizieren, um daran zu arbeiten.

Nachteilig ist jedoch, dass aktuell nur 38 OECD-Länder betrachtet werden (dafür sind innerhalb dieser Länder die Daten auch regionsweise – in Deutschland beispielsweise pro Bundesland – verfügbar). Somit ist dieser zwar im Ansatz sehr weitreichende Index für die vorliegende globale Studie nur eingeschränkt verwendbar.

Der „Prosperity Index“ (www.prosperity.com) der in London ansässigen, 2007 gegründeten Legatum-Stiftung ist ein weiterer Index zum Entwicklungsstand der Länder unserer Erde. Von dem unabhängigen Think-Tank werden derzeit 142 Länder anhand von 89 Variablen in 8 gleich gewichteten Kategorien (Sub-Indizes) eingeschätzt und einem Ranking unterworfen (Legatum Institute 2015):

Abbildung 20: Acht Subindizes des Legatum Prosperity Index (Legatum Institute 2015)

Der Prosperity Index stellt damit ein unabhängiges, umfassendes und transparentes Ranking der untersuchten Länder auf, das nationale Unterschiede umfassend berücksichtigt und bewertet (beispielsweise ist anhand von China nachvollziehbar, dass 2015 eine starke Wirtschaft (Rang 3 von 142) gemischt mit Rang 120 bei „Personal Freedom“ sowie den 6 weiteren Sub-Indizes einen Gesamt-Rang von 52 ergibt).

Der älteste und mit 188 Ländern zugleich auch umfassendste Index zur Erfassung des Entwicklungsstands der Länder unserer Erde ist der Human Development Index (HDI) der Vereinten Nationen (www.hdr.undp.org). Seit 1990 wird der Index vom UNDP (United Nations Development Programme) herausgegeben. Die Verantwortung für den Index innerhalb des UNDP liegt beim Human Development Reports Office (HDRO).

Der HDI bezieht seit seiner Erstauflage die drei Dimensionen Lebenserwartung, Bildung und Einkommen in seine Betrachtungen ein. Weitere Dimensionen, wie Chancengleichheit und

Gender-Inequality, werden seit 2010 separat erfasst und in eigenständigen Indizes ausgewertet (DGVN 2015, S. 241).

Jede der drei Dimensionen des HDI wird zunächst als Prozentsatz zwischen Minimal- und Maximalwert berechnet, was zu drei Dimensionsindizes führt (HDRO 2015, S. 2):

• Life expectancy Index (lineare Darstellung zwischen 20 und 85 Jahren in %)

• Education Index – arithmetischer Mittelwert in % aus

den durchschnittlichen Ausbildungsjahren der Bevölkerung (0-15 Jahre) und den durchschnittlich erwarteten Ausbildungsjahren (0-18 Jahre) bei Einschulung

• GNI Index (Gross National Income/Einwohner) – Darstellung des durchschnittlichen Jahreseinkommens in % (75.000 US-Dollar = 100%) anhand logarithmierter Werte (da bei höherem Einkommen der Beitrag zu besserem Lebensstandard geringer wird)

Aus den drei Dimensionsindizes wird durch Bildung des arithmetischen Mittels der HDI-Wert berechnet (vgl. ebd.). Dabei entspräche der theoretische Maximalwert von 1,0 einer Lebens-erwartung von 85 Jahren, einer durchschnittlichen Ausbildungszeit der Gesamtbevölkerung von 15 Jahren und einer erwarteten Ausbildungszeit bei Einschulung von 18 Jahren (Master-abschluss unterstellt) sowie einem kaufkraftbereinigten, durchschnittlichen Jahreseinkommen von 75.000 US-Dollar.

Die im HDI abgebildeten Länder werden anhand der erreichten Werte wie folgt untergliedert (DGVN 2015, S. 249):

Tabelle 4: Untergliederung der Länder im HDI

HDI von HDI bis Anzahl Länder im HDI 2015

sehr hohe menschliche Entwicklung 0,8 1,0 49

hohe menschliche Entwicklung 0,7 <0,8 56

mittlere menschliche Entwicklung 0,55 <0,7 38

niedrige menschliche Entwicklung 0 <0,55 45

Künftig ist vorgesehen, den HDI stärker an den Sustainable Development Goals auszurichten (Jahan 2016):

Abbildung 21: Ziele für nachhaltige Entwicklung (DGVN 2015, S. 156)

Aufgrund

• der umfassenden Einbeziehung (fast) aller Länder unserer Erde,

• der transparenten und übersichtlichen Aggregation der Daten über die drei Sub-Indizes

• sowie der Verlinkung mit den Sustainable Development Goals

wurden die weiteren Untersuchungen anhand des Human Development Index (HDI) der Ver-einten Nationen durchgeführt. Die Auswahl der Länder erfolgte anhand des HDI 2014 (Malik 2014, S. 159). Hierbei war zu beachten, dass die zu untersuchenden Länder

• repräsentative Volkswirtschaften im jeweiligen HDI-Bereich darstellen sollten (beispielsweise keine kleinen Inselstaaten),

• möglichst geografisch diversifiziert sein sollten,

um die globale Untersuchung nicht regional zu beeinflussen und

• zwischen den ausgewählten Ländern möglichst äquidistante Abstände im HDI bestehen sollten (zur gleichzeitigen Berücksichtigung der o.a. Kriterien wurde ein Wertebereich von ±3 in Bezug auf punktgenaue Äquidistanz gewählt).

Nachdem die Idee zur Studie während eines zweijährigen Entwicklungshilfeeinsatzes in Ghana entstand und somit Deutschland (HDI-Rang 6) und Ghana (HDI-Rang 138) einbezogen werden sollten, waren dazwischen zwei Länder anhand der o.a. Kriterien zu identifizieren (Abstand jeweils 44 Plätze ±3, d.h. Rang 50 ±3 und Rang 94 ±3).

Folgende Tabelle fasst die Länderauswahl zusammen:

Tabelle 5: Länderauswahl anhand HDI 2014 (Malik 2014, S. 159)

Rang Land Kontinent HDI 2014 Abstand

6 Deutschland Europa 0,911

47 Kroatien Europa 0,812 +41

48 Lettland Europa 0,810 +42

49 Argentinien Südamerika 0,808 +43

50 Uruguay Südamerika 0,790 +44

51 Bahamas Nordamerika 0,789 +45

51 *) Montenegro Europa 0,789 +45

53 Weißrussland Europa 0,786 +47

91 VR China Asien 0,719 -47

91 *) St. Vincent und Grenadinen Nordamerika 0,719 -46

93 Algerien Afrika 0,717 -45

93 *) Domenica Nordamerika 0,717 -44

95 Albanien Europa 0,716 -43

96 Jamaika Nordamerika 0,715 -42

97 St. Lucia Nordamerika 0,714 -41

138 Ghana Afrika 0,573

*) der HDI wird auf 3 Stellen gerechnet; gleiche Werte führen zu gleichen Plätzen (nachfolgende Plätze werden dann reduziert)

Nachdem im Bereich des HDI 47 bis 53 vier weitere europäische Staaten sowie die Bahamas als Inselstaat aufgrund der o.a. Bedingungen nicht in die Betrachtungen einbezogen werden konnten, war aus Uruguay und Argentinien derjenige Staat mit der bedeutenderen Volks-wirtschaft auszuwählen.

Die Wahl fiel auf Argentinien, da dieses Land 2013 mit 622 Mrd. US-Dollar (vgl. statista 2016a) über ein etwa zehnfach höheres Bruttoinlandsprodukt als Uruguay mit etwa 58 Mrd. US-Dollar (statista 2016m) verfügte und daher als Volkswirtschaft ein größeres Schwergewicht darstellt.

Im Bereich des HDI-Rang 91 bis 97 fielen zunächst vier Inselstaaten heraus. Zudem waren mit Albanien und Algerien zwei Länder vertreten, die aufgrund bereits getroffener geografischer Auswahl (Kontinente Europa und Afrika) entfielen.

Es blieb die Entscheidung für China, das bereits 2010 mit einem Bruttoinlandsprodukt von 5,9 Billionen US-Dollar Japan als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt abgelöst hatte (statista 2016g), aber dennoch als Demokratie weiterhin umstritten ist.

Bei einem äquidistanten Abstand von 44 ±3 käme am unteren Ende der Skala noch ein Land im Bereich HDI 179-185 hinzu. Hier sind die Staaten Guinea, Burundi, Burkina Faso, Eritrea, Sierra Leone, Tschad und Zentralafrikanische Republik angesiedelt. Auf eine Einbindung im Rahmen dieser Studie wurde verzichtet, da in diesen Ländern weniger die Entwicklung eines nachhaltigen Finanzdienstleistungssektors, sondern zunächst Dinge wie die Versorgung mit sauberem Wasser und ausreichend Lebensmitteln im Fokus stehen. Ggf. kann hier weiterer, über die Studie hinausgehender Forschungsbedarf gesehen werden.

Zusammenfassend sind die Daten der ausgewählten Länder im HDI 2014 in nachfolgender Tabelle dargestellt:

Tabelle 6: HDI-Daten der ausgewählten Länder (Malik 2014, S. 159):

Land HDI-