• Keine Ergebnisse gefunden

Eine andere Merkwürdigkeit in Ludwigslust ist die Möbelnfabrik. Sie beschäftigt viele in ihrer Art vorzügliche Künstler in Tischler- Ciselir- Bronze- und marmorarbeiten [sic!], die sich einander nach den besten Mustern und dem jedesmaligen Geschmack der veränderlichen Mode in die Hände arbeiten. In dieser Fabrik sind unter andern die kostbaren Gesimse an den Kaminen verfertigt, womit verschiedene Zimmer im Schlosse geziert sind. So wie Mecklenburgische Steinarten, so werden auch andere Sorten von Marmor zu Kaminen, zu Säulen an Möbeln, zu Tischblättern, Uhrgehäusen u. dgl. verarbeitet. Die Tischlerwerke sind sämtlich von Mahagonyholz und kommen den Berliner Arbeiten dieser Art vollkommen gleich.

Durch ihre geschmackvolle Form empfehlen sich die alabasternen Lampen und Girondolen mit Statuen und andern Verzierungen von Bronze. Besonders sind die Ciselirarbeiten vortrefflich.

Ich sah hier Kronleuchter von ganz neuer Form, die durch die schöne Bronzearbeit an denselben zu dem Werthe von 120 bis 150 Rthl. N⅔ verkauft werden, und von welchen bereits einige nach Petersburg gekommen waren. Die an diesen Kronleuchtern befindlichen Crystallperlen werden indeß hier nicht gemacht, sondern nur zusammengesetzt.393

So beschreibt Johann Christian Friedrich Wundemann die Ludwigsluster Fabrik im Jahr 1803.

Er war der wichtigste Chronist der Geschehnisse auf dem Gebiet der Kunst und Kultur des Herzogtums Mecklenburg-Schwerin an der Wende vom 18. zum 19. Jh. Viele Stücke aus der Fabrikproduktion können heute nicht mehr nachgewiesen werden, und ihre Geschichte ist in zwei Jahrhunderten nicht aufgearbeitet worden. So ist es an der Zeit, dies nachzuholen.

Zunächst ist hervorzuheben, dass es zu Beginn des 19. Jh.s, der Zeit des aufblühenden Manufakturwesens, wohl keine zweite Möbelfabrik gab, die persönlich von einem Landesregenten eröffnet und deren Arbeit von ihm mit großem Interesse stetig verfolgt wurde. In folgenden Kanon vorindustriellen europäischen Manufakturwesens reiht sich die Ludwigsluster fabrique, wie sie vom Herzog mit dem französischen Lehnwort bezeichnet wurde, ein: in Wien, Neuwied, München, Leipzig und Stuttgart waren es Danhauser, Roentgen, Hiltl, Hoffmann und Klinckerfuß, die erfolgreich Möbel entwarfen, bauen ließen oder zumindest vertrieben.394 Infolge der negativen Revolutionsereignisse in Frankreich

392 Zur Fabrik s. auch Janke 2016, in dem ich bereits verkürzt über das herzogliche Unternehmen berichtete.

393 Wundemann 1803, S. 299–301.

394 Zuletzt Koeppe/Baarsen 2012, Janke 2011, Möhwald 2010, Moll 1987, Sulzbacher/Atzig 2014, Wiese 2013 und Zinnkann 1985.

125

versuchte David Roentgen seine Werkstatt übrigens nicht nur an den preußischen Hof zu verkaufen,395 sondern auch nach Mecklenburg-Schwerin,396 zumal er den Höhepunkt seines Schaffens bereits überschritten hatte und die Stammklientel seine Möbel zunehmend ablehnte.

Zwar erwarb Friedrich Franz I. das Unternehmen im Endeffekt nicht, dafür aber zwei konische Standuhren397 desselben Modells wie sie ebenfalls vom Herzogshaus in Gotha angeschafft wurden (Abb. 160). Zu letzterem bestanden dynastische Beziehungen. Zusätzlich zu den eben genannten Unternehmern ist auf die vielen großen Werkstätten und Magazine in Berlin zu verweisen, die sich dort mit dem Ende des 18. Jh.s etablierten.398 Ab den 1820er-Jahren erschienen dann die großen Mainzer Möbelhersteller auf dem Markt,399 die wie alle anderen hauptsächlich von den Aufträgen des Adels profitierten. Wolfgang Knussmann, der eine größere Fabrik seit 1829 betrieb, produzierte vornehmlich für den in der Rheingegend ansässigen Adel. Dazu zählten unter anderem die Fürsten von Metternich, Herzog Wilhelm von Nassau-Weilburg und der Domherr Graf Franz von Kesselstatt.400 Auch der Tischler Wilhelm Kimbel, der 1820 eine eigene Werkstatt gründete und ab 1835 eigene Möbeljournale – also Musterkataloge und Vorlagenwerke – vorlegte, bediente mit seinen Lieferungen die Nachfrage des Adels im Umkreis von Mainz.401 In derselben Stadt übernahm Anton Bembé im Jahr 1830 die elterliche Werkstatt und gründete infolge stetig wachsenden Auftragsvolumens 1836 eine Möbelfabrik. Er musste im Zuge der Entwicklung seiner Fabrik zusätzliche Tischler einstellen und eröffnete eine Dependance in Köln-Ehrenfeld. Das Unternehmen expandierte in den 1850er-Jahren nach New York. Er belieferte von dort aus das europäische Ausland und erhielt bis 1848 hauptsächlich Aufträge vom Adel. Die Geschäfte wurden von der Familie bis in die zweite Hälfte des 19. Jh.s fortgeführt, wenngleich die Filiale in Amerika nicht lange Bestand hatte.402 Bembé führte den Titel eines Hoflieferanten von Weimar, Nassau, Württemberg, Preußen und Hessen-Darmstadt. Ganz ähnlich war hinsichtlich der Klientel auch die Ludwigsluster Möbel- und Bronzefabrik ausgerichtet, wie im Folgenden noch ausführlich geschildert wird.

395 Zinnkann 2005, S. 16.

396 LHAS, 2.26-1/1, 12640, ohne Angabe des Jahres.

397 Ebd., Roentgens Angebot ohne Datum, wahrscheinlich 1798/1799 (s. Anhang Nr. 34). Abb. bei Bock 2014, S. 88.

398 S. Stiegel 2003.

399 Hierzu vgl. Teilkapitel über den Forschungsstand.

400 Zinnkann 1985, S. 148–149.

401 Ebd., S. 152166.

402 Ebd., S. 166–185.

126

Bereits im Jahr 1710 konnte Sachsen mit der Gründung der ersten und zum damaligen Zeitpunkt einzigen europäischen Porzellanmanufaktur in Meißen große Umsätze erzielen, was bei anderen Fürsten den Wunsch weckte, ähnlich vorzugehen. Doch bis zum Ende des 18. Jh.s fungierten solche Werkstätten eher als Hebung des fürstlichen Prestiges,403 wie man am Beispiel der Möbel- und Bronzefabrik sehen wird, denn einkömmlich wurde auch sie nicht geführt.

Die sie betreffenden Dokumente liegen beinahe vollständig im Landeshauptarchiv Schwerin vor, allerdings finden sie sich, zusammen mit einzelnen Notizen, verstreut in einer Vielzahl unterschiedlicher Bestände. Nichtsdestoweniger bietet dies ein profunde Grundlage zu einer detaillierten Aufarbeitung ihrer Geschichte. Im Vordergrund stehen dabei die Gründung, die Ausstattung der Werkstätten, die dort tätigen Mitarbeiter, die Entwicklung des Unternehmens und die Produktpalette. Schließlich wird es auf Grundlage von Inventaren und Fabrikakten möglich, bisher anonyme Möbelstücke ihrer Produktion zuzuschreiben.

9.1 Die Gründung, das Personal und Wege des Warenvertriebs

Für die Möbel- und Bronzefabrik wurde 1797 in Ludwigslust ein eigenes Gebäude errichtet,404 in dem die Handwerksmeister und der Leiter des Unternehmens ihre Wohnungen hatten. Basierend auf den vorliegenden Akten kann sein Standort hier erstmals für die heutige Adresse Schlossfreiheit 3 nachgewiesen werden (Abb. 61). Im 18. Jh. befand sich ein altes Waschhaus genau daneben.405 Eine weitere historische Bezeichnung für das Fabrikgebäude ist: Pentz’sches Haus am Schlossplatz. Nach der Auflösung des Unternehmens wurde der Bau als Fremdenhaus genutzt.406 Auf dem hinteren Hof befand sich das Werkstattgebäude, wovon heute nur noch der östliche (linke) Seitenflügel erhalten ist.

Die Einrichtung des Unternehmens wurde 1797 vorbereitet, im darauffolgenden Jahr begann die Produktion. Im Jahr 1811 schloss die Fabrik, doch ihr Auflösungsprozess erstreckte sich noch bis 1817. Für das Konzept und die Organisation war Baron Gregorio von Werder verantwortlich. Vermutlich gab er die grundsätzliche Anregung zu diesem Projekt. Dazu kam sicher auch begünstigend, dass der Erbprinz Friedrich Ludwig nach seiner Hochzeit im Jahr

403 Vgl. ebd., S. 108.

404 LHAS, 2.26-1/1, 12640. 1810 will von Boddin das Gebäude der ebenfalls in Ludwigslust existierenden Kartonfabrik kaufen (zur Kartonfabrik: Hegner 2012). Als neuen Standort für jene Fabrik schlug Barca das Alte Waschhaus vor (Saubert 1899, S. 57). Damit wären beide Fabriken nebeneinander gelegen gewesen. Dies trat aber nicht ein, da das Haus im Jahr 1810 an den Töpfermeister Bartels verkauft wurde (LHAS, 2.26-2, 1770).

405 Ebd., 2. 26-2, 1770.

406 Saubert 1899, S. 56–57.

127

1799 mit Helena Pawlowna, Großfürstin von Russland, eine angemessene Ausstattung seiner Appartements benötigte. Von Werder wurde infolgedessen von Friedrich Franz I. verpflichtet, Etat und Einrichtung seines Sohnes im Zusammenhang mit der Fabrik zu organisieren.407 Im späten 19. Jh. führte Ernst Saubert in einer Veröffentlichung an, dass Friedrich Franz I. die Dringlichkeit erkannte, in der Stadt Ludwigslust, in deren Umgebung aufgrund der Bodenbeschaffenheit der Ackerbau eher kläglichen Ertrag lieferte, eine (vor- oder früh-) industrielle Produktion zu etablieren. Dies scheint auch aus heutiger Sicht nicht unlogisch.

Hinzu mag wohl die vielzitierte Kunstsinnigkeit des (Groß-) Herzogs kommen.408 Kritisch ist allerdings anzumerken, dass die regionalen Mecklenburger Tischler- und Gürtlergewerke davon nicht profitierten, da die für die Fabrik tätigen Handwerker aus Berlin und anderen Regionen herangezogen wurden.

Wer Baron von Werder (in der französischsprachigen Korrespondenz auch Chevalier de Werder genannt) war, ist nicht genau auszumachen. Aus verschiedenen Stellen in den Fabrikakten geht sein Sterbedatum, der 21. Juli 1799, hervor, dass er zwei Kinder hatte, die Margaretha und Heinrich hießen409 und dass er, bevor er nach Ludwigslust kam, in Berlin tätig war. Wo und wie er sein Wissen um die Organisation einer Fabrik sowie deren (künstlerische) Leitung erworben hatte, ist aufgrund mangelnder biographischer Angaben nicht zu klären. In der älteren Literatur wird aufgeführt, dass von ihm die 1793 angefertigte Standuhr mit der lebensgroßen Marmorfigur des Chronos aus dem Thronzimmer des Königs Friedrich Wilhelm II. im Berliner Schloss stamme.410 Er mag also im Möbelentwerfen geschult gewesen sein, jedoch ist eine grundständig handwerkliche Ausbildung des Barons wegen seines hohen Adelsranges auszuschließen. Mit dem Herzog von Mecklenburg-Schwerin stand er jedenfalls in bestem amikalen Verhältnis: Einmal schickte er per Post einen besonderen Käse, ein anderes Mal äußerte er sich in einem Brief schwärmerisch über eine Sängerin und Tänzerin. Die metierübergreifende Arbeitsweise der Londoner upholsterer – nach heutigem Verständnis Innenarchitekten oder -dekorateure, die sich um die modische Zusammenstellung und Beschaffung von Wohnungsausstattungen kümmerten411 – konnte Baron von Werder durch die bereits erwähnten zahlreichen Möbelmagazine in Berlin bekannt gewesen sein. In Berlin vollzog sich in den 1790er-Jahren ein starker Wandel in der

407 LHAS, 2.26-2, 2390.

408 Saubert 1899, S. 56–57.

409 LHAS, 2.26-2, 6072 und 6072b.

410 Dobert 1920, S. 103. Dort findet sich in der Anmerkung auch der Verweis auf einen Illustriert. Führer durch das Hohenzollern-Museum zu Berlin.

411 Stiegel 2003, S. 155–157.

128

tischlerischen Produktion und dem Möbelmarkt. 1788 öffnete das erste Möbelmagazin, von denen es 1801 bereits sieben in der Stadt gab.412 Außerdem ging ab etwa 1795 eine Aufweichung des zünftischen Monopols vor sich, das 1797 aufgehoben wurde, wodurch in der Möbelfabrikation fachfremde Arbeit wie Metallverarbeitung zu Möbelschlössern etc.

selbst von Personen, die nicht aus der Zunft stammten, ausgeführt werden durften. Der Arbeitsteilung war damit der Weg bereitet.413 Es ist zwar wenig wahrscheinlich, dass von Werder von diesen zunftinternen Vorgängen genaue Kenntnis hatte, doch die Arbeit in der Möbel- und Bronzefabrik in Ludwigslust wurde ganz ähnlich organisiert.

Am 28. März 1797 unterzeichneten Friedrich Franz I. und Baron von Werder den französischsprachigen Gründungsvertrag der Ludwigsluster Fabrik (Anhang Nr. 29). Er ist zusammen mit der Bestallung des Barons vom 30. Mai desselben Jahres erhalten (Anhang Nr.

30).414 Aus diesen Unterlagen gehen die Organisation der Gründung und die Verantwortungsbereiche des Fabrikleiters sowie des Herzogs hervor. Demnach gab Friedrich Franz I. zur Gründung 5.000 Rthl. frei. Er übernahm gleichfalls die Reise- und Aufwandskosten von Werders, die entstanden, als dieser in Berlin die Fabrikausstattung und Produktionsmaterialien erwarb sowie die nötigen Handwerker nach eigenem Entscheiden anstellte. Des Weiteren wurde von Werder die Direktion der Schweriner Schleifmühle übertragen, wo die benötigten Steine für Marmorplatten und -appliken hergerichtet wurden.

Der Herzog sicherte sich ein Mitbestimmungsrecht bei der Auswahl der neuesten Modelle und Formen der herzustellenden Waren. Für die Tätigkeit als Direktor der Fabrik empfing Baron von Werder jährlich 600 Rthl. Er war allein dem Herzog untergeordnet und nur ihm gegenüber Rechenschaft schuldig.

Zum Kernpersonal der Fabrik gehörten zudem ein Buchhalter und zwei Handwerksmeister.

Zunächst wurde Ludwig Schitting am 1. Januar 1798 als Buchhalter eingesetzt. Er war der Sohn von Joh. Gottlob Schitting, dem Leibschneider der sogenannten Prinzessin Ferdinand von Preußen.415 Jedoch bereits im Oktober desselben Jahres wurde er durch von Werder als unehrenhaft enttarnt416 und trat demzufolge seinen Dienst gar nicht erst an. Daraufhin übernahm Friedrich Vollbrecht den Posten und blieb bis zu seinem Tode 1814 in herzoglichen

412 Ebd., S. 86.

413 Ebd., S. 65–66.

414 LHAS, 2.26-2, 2388. Umschriften der Verträge s. Anhang Nr. 29.

415 Historisch wurden die Gemahlinnen mit den Vornamen ihrer Ehepartner bezeichnet.

416 LHAS, 2.26-1/1, 1264, Brief vom 19.10.1798.

129

Diensten. Sein Gehalt belief sich auf 200 Rthl.417 Der Tischler Timm418 und der Gürtler Andreas Pohl wurden als Handwerksmeister aus Berlin engagiert. Sie arbeiteten für die Fabrik bis zur Einstellung der Produktion 1810. Als weiterer Handwerker war Hofsteinmetz Ferdinand Courbet tätig. Er arbeitete zusammen mit Johann Georg Bachmann von der Ludwigsluster Kartonfabrik.419 Courbets Arbeit bestand wahrscheinlich im Schlagen und Schleifen von Marmor und Granit für Zierelemente und Möbelplatten. Auch stellte er die Marmorkamine her, die laut Wundemann420 im Schloss Ludwigslust installiert sind.421 Die Abbildung 74 zeigt vermutlich ein solches Beispiel. Weiterhin waren an der Fabrik der aus Hamburg verschriebene Tischlergeselle Berg), die Bronzeur-Gesellen Jacob Pachtmann (seine Herkunft ist nicht angegeben, Anton Güttner aus Warschau, Friedrich Fistel aus Magdeburg und Friedrich Krause aus Breslau, der Bronzeur Schur aus Kasselsowie der Modelleur Thiele beschäftigt.422 Im Verlauf der Jahre kamen weitere Angestellte hinzu, die allerdings nicht namhaft gemacht werden konnten.

Anfangs arbeitete die Fabrik nach dem Kommissionsprinzip, das heißt, die Waren wurden in Magazinen von Geschäftspartnern und Lieferanten außerhalb Ludwigslusts angeboten (Anhang Nr. 33). Ein eigenes Geschäft wurde bald, spätestens aber 1808 eingerichtet,423 als der Hofarchitekt Johann Georg Barca die Fabrik umorganisierte. Das tat dem Verkauf der Produkte über fremde Firmen in Hamburg, Berlin, Güstrow usw. allerdings keinen Abbruch.

Besonders enge Beziehungen unterhielt man mit Th. Schultze sowie mit Philip und Otto von Axen in Hamburg. In Güstrow war es die Galanteriewarenhandlung von Rosenow & Lönnies.

Sie war eines der wenigen Geschäfte dieser Art in Mecklenburg, über die außerdem heute noch Einzelheiten in Erfahrung zu bringen sind, da der Chronist Wundemann 1803 auch über sie berichtete. Demzufolge gründeten Rosenow, Lönnies und Comp.424 zunächst eine Schnupftabakfabrik und eröffneten bald darauf die Galanteriewarenhandlung, in der auch Möbel verkauft wurden. Diese bezogen sie zum Teil aus Berlin, aber ebenso aus Mecklenburg

417 Ebd., 2.26-2, 1645.

418 Dobert gibt an, dass Timm zur Verbesserung der Produktion engagiert wurde, womit der 1807 eingesetzte Hofarchitekt Barca vermeiden wollte, dass die bereits festgesetzte Schließung der Fabrik tatsächlich durchgeführt werden würde. Dies allerdings stimmt nicht mit den Akten im LHAS überein (Dobert 1920, S.

105).

419 LHAS, 2.26-1/1, 12640: Briefwechsel zwischen von Werder und Herzog Friedrich Franz I. vom Dezember 1797.

420 S. Zitat am Anfang des Kapitels.

421 Zu den Kaminen ausführlicher im Abschnitt über die Produktion und identifizierte Möbel.

422 LHAS, 2.26-1/1, 12644.

423 Ebd., 2.26-1/1, 12640 u. 12644.

424 So genannt bei Wundemann 1803, S. 324.

130

zum Beispiel vom Tischler Gerdes aus Goldberg. Von ihm heißt es, er hätte die schönsten Sachen in Mahagonyholz mit wahrem Künstlergenie in großer Mannigfaltigkeit in Form und Verzierung, und dies wenigstens von größerer Dauerhaftigkeit verfertigt, als die Berliner und:

Auch zeichnen sich die Brüder Andressen in Güstrow selbst in dieser Art Arbeiten aufs vortheilshafteste aus. Die Fabrikate dieser Männer gehen nun zwar sämtlich in dieser Handlung unter dem Titel von Berliner Waaren ab, weil Hr. Lönnies als Kaufmann sich auch der thörigten Vorliebe der Käufer fürs Ausländische bequemt. Zur Ehre unsers Vaterlandes sey es aber bekannt, daß die Arbeiten benannter Männer an Solidität und Dauerhaftigkeit die Berliner Sachen gleicher Art als leichte Spielwerke hinter sich zurück lassen.425

Es gab eine stete Nachfrage nach schönen Möbeln, die sich insbesondere auf die Ludwigsluster Möbel- und Bronzefabrik bezog. Durch ihren Absatz im Hamburger Geschäft von Philip und Otto von Axen wurde dann die von ihnen aus der Hansestadt gelieferte Palette edler Furnierhölzer und Alabasterverzierungen für die eigene Produktion bezahlt. Außerdem wurden von dort Porzellansachen in Kommission genommen, sodass in Ludwigslust wohl mit einem kompletten Angebot an Möbeln, selbst luxuriösesten, zu rechnen war.426

Beim Tod von Werders 1799 sah man sich zunächst gezwungen, die Fabrik auf langen Credit zu verkaufen,427 denn das Fabrikwesen war im deutschsprachigen Raum noch derart neu, dass man nur schwerlich Ersatz für die Leitung hätte finden können. Vokorny und Winckler aus Berlin bekundeten Interesse, das Unternehmen zu übernehmen, jedoch kam es nicht dazu,428 sodass Buchhalter Vollbrecht diese Position kommissionarisch übernahm, um sie bis zu seinem Vertragsende im Jahr 1811 beizubehalten. Genau genommen entstand so ein gut funktionierendes Provisorium, das sich immer noch bewährte, als die Verkaufsbestrebungen 1804 ins Stocken gerieten und schließlich ganz zum Erliegen kamen.429

425 Ebd., S. 324–325.

426 LHAS, 2.26-2, 2419 u. 2422.

427 Am 29.09.1804 erging der Befehl an den Fabrikbuchhalter Vollbrecht, dem Käufer den Kredit nur noch auf ein weiteres halbes Jahr zu gewähren (LHAS, 2.26-2, 2388).

428 LHAS, 2.26-1/1, 12640, Brief vom 01.07.1800.

429 Ebd., 2.26-1/1, 12640.

131

9.2 Ausstattung und Organisation der Werkstatt. Arbeiter und ihre Vergütung

Unter den bezahlten Tischlerrechnungen der Jahre 1798 und 1799430 finden sich zwei Belege, die einen ungefähren Aufschluss über die Werkstattausstattung geben: 1.) eine Aufstellung über Werkzeuge und 2.) eine Aufstellung über Holzlieferungen von S. Grünewaldt über 1.234 Rthl. 12 Schillinge; eine für damalige Verhältnisse enorme Summe.

Der Tischlermeister Timm führte sowohl die genaue Anzahl der Werkzeuge auf, die Firmeneigentum wurden als auch anfallende Kosten für seine zwei Reisen nach Hamburg und Berlin. Er selbst stammte aus der preußischen Königsstadt und war Mitglied der dortigen Tischlerzunft. In Berlin konnte er möglicherweise die nötigen Werkzeuge erwerben. Zudem brachte er aus der Stadt zwei Gesellen mit, deren Verschreibung 8 Rthl. kostete. Aus weiteren Dokumenten geht hervor, dass auch aus Hamburg Werkzeug bezogen wurde. Fünf Hobelbänke wurden für die Werkstatt angeschafft, wovon drei mit vollständigem Werkzeug versehen waren. Sie kosteten 24 Rthl. pro Stück. Die anderen zwei waren jeweils mit einem Satz Hobel versehen und ihr Anschaffungspreis belief sich auf 34 Rthl. 88 ß.431 Die weiteren Positionen der Timm‘schen Auflistung sind Stemmeisen, verschiedene Hobel, Zwingen, Sägen, Hammer, Feilen, Winkel- und Streichmaß. Insgesamt beliefen sich die Anschaffungen auf 351 Rthl.

Die zur Produktion nötigen Materialien, Werkzeuge und weiteren Gegenstände wurden von überall her bezogen. Die Liste der Lieferanten und externen Dienstleister gibt darüber detaillierten Aufschluss (Anhang Nr. 33).

Die Anzahl an Werkzeugen und Hobelbänken stellte die Grundausstattung der Fabrik dar, die wahrscheinlich während der Zeit ihres Bestehens etwas, aber aufgrund des begrenzten Platzes auf dem Grundstück und in dem Gebäude nicht maßgeblich vergrößert wurde.432 Hinzu kamen zwei Werktische für die Marmorverarbeitung sowie Zwingentische, an denen furniert wurde. Wie sich dem 1808 von Barca gezeichneten alten Grundriss der Fabrik entnehmen lässt (Abb. 62), gliederte sich das Werkstattgebäude in: Remise, Werkstätte, Werkstätte, Kammer, Gießerei, Bronzeur-Werkstätte, Gang, Kuhstall, Kohlenkammer, Eße, Kuhstall, Comodité.433 Daran wird deutlich, wie eng beide Gewerke zusammen arbeiteten und dass die Anzahl der Beschäftigten stets begrenzt sein musste. In einer Publikation von 1899 liest man, dass gegen Ende des [18.] Jahrhunderts etwa 15–18 Personen in dem Betriebe beschäftigt

430 Ebd., 2.26-2, 2396.

431 ß = Schilling(e).

432 Ein von Barca erstelltes Inventar aus dem Jahr 1814 weist sechs Hobelbänke aus (LHAS, 2.62-2, 2422).

433 LHAS, 2.26-1/1, 12640, Grundrisse.

132

waren.434 Diese Angabe ist durch Hinweise in den Fabrikakten belegt. Um einen Vergleich zu haben, lässt sich die Berliner Werkstatt von Gottlieb Thielemann nennen, in der im Jahr 1804 29 Arbeiter angestellt waren. Bei Friedrich Wichmann, ebenfalls in der preußischen Hauptstadt, waren es sogar 150 und bei David Roentgen in Neuwied belief sich die Zahl seit Ende der 1770er-Jahre auf knapp 200.435 In der Stockholmer Werkstatt des Tischlers Johann Heinrich Dumrath jun., die in dieser Arbeit bereits angesprochen wurde, arbeiteten um 1820 etwa 60 Gesellen und 20 Lehrlinge.

Für die Jahre 1799 und 1800 gibt Buchhalter Vollbrecht die wöchentlichen Ausgaben für die Bronzeure (Meister und fünf Gesellen) samt Verpflegung und Arbeitslohn mit 100 bis 120 Rthl. an. Für die Tischler (Meister und vier Gesellen) berechnete er etwa 100 Rthl. pro Woche. Die Kosten für Arbeitsmaterialien kamen jeweils noch dazu.436 Ganzjährig arbeiteten überdies ein bis zwei Arbeitsmänner in der Fabrik, die den Marmor schnitten und polierten.

Ihr Lohn betrug pro Person 1 Rthl. 24 ß in der Woche.437

Die Arbeitsverteilung ging folgendermaßen vonstatten: Baron von Werder hatte festgelegt, dass der Buchhalter die Handwerksmeister zu beauftragen hatte, bestimmte Stücke anzufertigen. Diese übertrugen die Arbeit im Wesentlichen auf ihre Gesellen und leiteten die

Die Arbeitsverteilung ging folgendermaßen vonstatten: Baron von Werder hatte festgelegt, dass der Buchhalter die Handwerksmeister zu beauftragen hatte, bestimmte Stücke anzufertigen. Diese übertrugen die Arbeit im Wesentlichen auf ihre Gesellen und leiteten die