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Die erste Generation: Erb(groß)herzog Friedrich Ludwig und Helena Pawlowna in Ludwigslust und Schwerin – Appartements, Palais, Schlösser

Ausstattungen des Erbprinzenpalais

2. Die erste Generation: Erb(groß)herzog Friedrich Ludwig und Helena Pawlowna in Ludwigslust und Schwerin – Appartements, Palais, Schlösser

Anlässlich der Hochzeit des Erbprinzen Friedrich Ludwig zu Mecklenburg mit Helena Pawlowna im Oktober 1799 kam es zu Umgestaltungsmaßnahmen verschiedener Wohnungen für das Paar. Die wichtigste Adresse ist das heute als Altes Palais bezeichnete Gebäude in Schwerin, das als Wintersitz vorgesehen und im November 1801 durch Friedrich Ludwig vom Advokaten Chr. Kühm angekauft wurde (Abb. 75).521 Es trägt außerdem die über die Jahrhunderte entwickelten Namen Alexandrinen- oder Witwenpalais. Ursprünglich hatte es die Funktion eines Erbprinzenpalais des Hauses Mecklenburg-Schwerin, das allerdings nicht ganzjährig genutzt wurde. Die Hofdame Helena Pawlownas, Sophie von Campenhausen, beschreibt in ihren Reisebriefen an ihren in St. Petersburg zurückgebliebenen Vater, dass sich der Hof jedes Jahr im Winter für ein paar Wochen im Schloss Schwerin, der eigentlichen Residenz, aufhielt.522 Somit liegt es nahe, dass das Palais hauptsächlich als Winterpalais vom erbherzoglichen Paar genutzt wurde, zumal das alte Schloss in keinem guten baulichen Zustand war. Vom Hamburger Architekten Joseph Ramée und seiner Firma Masson & Ramée

518 Das 18. Jh. in Mecklenburg-Schwerin ist diesbezüglich aber noch nicht detailliert beforscht worden.

519 Wiese 2013.

520 Seelig 1981.

521 Jandausch 2013, S. 115.

522 Campenhausen 1896, S. 240.

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wurde das Alte Palais 1801und 1802 ausgestattet. Dieses Projekt ist mittels Akten detailliert belegt. Während der Bauarbeiten nahm der Erbprinz im Schweriner Schloss Wohnung. Dort gab es wohl auch Unterkünfte für Gäste, denn die wenigen Räume im Palais, die für diesen Zweck vorgesehen waren, hätten bei großen Gesellschaften sicher nicht ausgereicht.523 Über weitere Wohnungen des Paares erhält man aus den Aufzeichnungen des Gouverneurs (Prinzenerziehers) Friedrich Ludwigs Auskunft:

[In Ludwigslust] lebte das hohe Paar den größeren Theil des Jahres, machte aber im Winter öfter Aufenthalte in Schwerin, und während des Sommers in Doberan. Auch der liebliche Landsitz Plüschow war zu diesem Zwecke für die Großfürstin angekauft worden.524

Schloss Plüschow wurde 1802 für die Großfürstin als Sommerwohnsitz erworben.525 Welches Gebäude und welche Wohnung überdies vom erbherzoglichen Paar in Bad Doberan sowie Heiligendamm genutzt wurden oder für sie vorgesehen waren, ist noch unbekannt.

Sicher ist, dass das frisch verheiratete Paar nach seiner Ankunft aus Russland am 17. Februar 1800 zunächst im Schloss Ludwigslust seinen Wohnsitz aufschlug, in welchem Friedrich Franz I. [Vater Friedrich Ludwigs] und seine Gemahlin ebenfalls residierten.526 Das Erbprinzenpaar nutzte den Westflügel.527 Dessen Erdgeschoss wurde wohl zu einem Teil von Sophie von Campenhausen bewohnt:

Meine Wohnung ist reizend und gefällt mir sehr. Sie liegt im südlichen Flügel [sic!] des Schlosses Parterre, und aus meinem Schlafzimmer, das eine ovale Form hat und allerliebst eingerichtet ist, führt eine Thür direct ins Freie. Daneben habe ich eine Garderobe, ein Zimmer für Marette und einen großen, hellen Salon, der nach zwei Seiten Fenster hat. Von dort aus kann ich die ganze Front des Schlosses und einen Theil des Parkes übersehen.528

Heute existieren lediglich ein paar meisterhaft auf Rupfen gemalte Arabesken in den Fensternischen eines Raumes. Möglicherweise finden sich im Zuge der zurzeit stattfindenden Restaurierung noch weitere Spuren aus der Zeit um 1800.529

523 Für Bauarbeiten am Schloss Schwerin, die Friedrich Ludwig ausführen ließ, berechnete Barca am 18.11.1810 2.272 Rthl. 42 ß N⅔ (LHAS 2.26-2, 998).

524 Schmidt 2002, S. 8.

525 Ebd., S. 8 und Bock 2013, S. 62.

526 Schmidt 2002, S. 6.

527 Saubert 1899, S. 21–22.

528 Campenhausen 1896, S. 241–242. Dieselben Räume wurden später vom Erbprinzen Friedrich Franz II. (erster Sohn Paul Friedrichs und Alexandrines) genutzt, der ebenfalls über keine eigene Hofhaltung verfügte (Hirschfeld 1891, S. 72, 78–79). Von Campenhausen verortet ihre Wohnung zwar im südlichen Flügel, doch kann damit nur der Westflügel des Schlosses gemeint sein, was sich daraus ergibt, dass woanders im Parterre keine entsprechenden Wohnräume eingerichtet waren. Darüber gibt der Grundriss des Schlosses aus den 1820er-Jahren Auskunft (Abb. 164).

529 Lt. mündlicher Auskunft von Frau Sigrid Puntigam, Schwerin (Projekt „Mecklenburgischer Planschatz“) kommt für Ludwigslust der Maler Giuseppe Anselmo Pellic(i)a (1775 – nach 1840) in Frage, der bei der

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Wegen der Bautätigkeit des Hofarchitekten Johann Christoph Heinrich von Seydewitz (1748–

1824) am Ludwigsluster Schloss, unter anderem aufgrund der Ankunft Helena Pawlownas, wurde er im Dezember des Jahres 1804 vom Herzog Friedrich Franz I. schriftlich befragt, für welche Aufgaben er die immense Summe von 44.000 Rthl. innerhalb von vier Jahren ausgegeben habe. Aus seiner Antwort lässt sich ein Teil der Bauprojekte am Schloss und dem Palais in Ludwigslust in dieser Zeit erschließen. Der größte Teil der Summe war für Umbauarbeiten im, am und auf dem Grundstück des Erbprinzenpalais in Ludwigslust aufgewendet worden. In seinem Rechenschaftsbericht äußert sich von Seydewitz nur sehr allgemein zu den Umbauten in den Zimmern des Erbprinzen im Schloss. Zudem findet sich über die Wohnverhältnisse des Paares die Information, dass Helena Pawlowna mit Friedrich Ludwig kein gemeinsames Appartement teilte, sondern mit in den Räumen der Herzogin Luise lebte:

[…] in allen Zimmer der regierenden Herzogin wurden zur Aufnahme von der kaiserl. Hoheit Erbprinzessin die Vergoldungen aufgefrischt und neu ausgemalt, in 2 Zimmern neue Tapeten angebracht [u. a. roter Damast – N. J.], der goldene Saal neu vergoldet und ausgebessert, sehr viele Zimmer gänzlich verändert und nun die Zimmer der östlichen Mansarde, die noch nicht ausgebaut waren, wo die herzogliche Gewehrkammer lag, zu 4-Wochen-Zimmern gebaut.530

Was andere Räume im Schloss angeht, erhält man durch einen Bericht Wundemanns aus dem Jahr 1803 den Hinweis, dass die Zimmer des Herzogs leer waren, als der Chronist sie ansah, da sie neue Tapeten erhalten sollten. Seine Besichtigung muss im Jahr 1802 stattgefunden haben.531 Die Arbeiten von Masson & Ramée am Schweriner Alten Palais waren zu dem Zeitpunkt bereits abgeschlossen. Daher besteht die Möglichkeit, dass sich in Ludwigslust schon ein Folgeauftrag für den Herzog Friedrich Franz I. persönlich ergeben hatte. Dies ist jedoch nicht bestätigt. Um das Jahr 1803 wurden im Ludwigsluster Schloss Räume mit neuen (Papier-) Tapeten versehen; von wem diese Arbeiten ausgeführt wurden, ist unbekannt.532 Neben dem Schloss in Ludwigslust ist das dortige Erbprinzenpalais die nächstbedeutende Adresse (Abb. 115). Bis zu einem gewissen Alter, spätestens aber bis zur Hochzeit, verfügten Erbprinzen für gewöhnlich über keine eigene Hofhaltung sowie nur über wenige Bediente, da Ausmalung des Herrenhauses Emkendorf in Schleswig-Holstein unter dem Architekten Carl Gottlob Horn (1734–1807) tätig war.

530 LHAS, 2.26-1/1, 4536, Nr. 71, S. 4–7.

531 Wundemann 1803, S. 275–276 u. 321.

532 Bestätigt ist dieser Hinweis durch eine Papiertapete mit gedrucktem Draperiemotiv in Raum 2.15 an der Südwand. Die Tapeten stammten zum Teil von Dufour & Cie aus Paris, nach mündlicher Auskunft von Frau S.

Puntigam, Schwerin.

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sie in das väterliche Hofgeschehen integriert waren.533 Ein eigener Wohnsitz war spätestens zur Hochzeit angebracht. Zur Baugeschichte liegt bisher keine Publikation vor. Der Umstand, dass die Erbprinzessin zunächst im Appartement ihrer Schwiegermutter lebte, gebot wahrscheinlich das Vorantreiben der Bauarbeiten, mit dem Ziel, der Großfürstin ein angemessenes Residieren zu ermöglichen. Die Arbeiten waren tiefgreifend und bezogen sich sowohl auf den Außenbau als auch auf die Innenausstattung. Diese wurde allerdings aufgrund des frühen Todes Helena Pawlownas im Jahr 1803 nicht fertiggestellt. Es stellt sich daher die dringliche Frage, warum überhaupt zeitgleich in Schwerin ein Haus aufwändig hergerichtet wurde, das 40 Kilometer entfernt vom Ort der dauerhaften Hofhaltung lag und durch das einfache Erscheinungsbild eines Fachwerkbaus wenig repräsentativ und besonders der russischen Großfürstin kaum angemessen scheint (Abb. 75). Zur Erklärung sollen die finanziellen Verhältnisse des Herzogshauses sowie der Ehevertrag herangezogen werden:

Bereits von Anfang an, das heißt seit 1797, ist der Umbau des Ludwigsluster Palais als zu kostspielig für den Hof eingeschätzt worden. Daher wurde Herzog Friedrich Franz I. von seinen Ministern angehalten, besser ein bestehendes Gebäude in Neustadt oder Schwerin zu erwerben, um dieses für seinen Sohn und seine Schwiegertochter umgestalten zu lassen.534 Das erklärt also den Erwerb des Schweriner Gebäudes. Es mag nun sein, dass die Bauarbeiten in Ludwigslust schon begonnen hatten und zu weit fortgeschritten waren, um sie durch diese finanzielle Einschätzung wieder einzustellen, jedoch ergab im Jahr 1801 eine Prüfung des Ehevertrages, dass ein derart kleines Haus wie das Schweriner sowie die Nutzung einiger Räume des Paares im elterlichen Schloss Ludwigslust nicht ausreichend sein konnten. Denn dort heißt es unter Punkt Nummer 3:

Son Altesse Sérénissime le Duc de Mecklenbourg Schwerin promet, que l’étât de la Cour de Son Altesse Impériale, future Princesse héréditaire, sera fromé, suivant l’usage et l’etiquette étables, et que les personnes, qui composeront cet étât seront payée et entrenus aux frais du Prince héréditaire, sans pouvoir être en aucune façon à la charge de la cassette de Son Altesse Impériale; quoi qu’il Lui soit réservé la liberté de renvoyer, congédir et rappeller à Son gré les gens attaché à Son Service.535

Entscheidend sind die beiden Schlagworte etiquette und usage, die erklären, warum das Schweriner Palais durch seine grundsätzliche Disposition als unzureichend einzuschätzen war. Eine eigene Audienz mit einem oder zwei Vorzimmern nebst Gesellschaftszimmern in

533 Freyer 2008, S. 249 u. 304.

534 LHAS, 2.26-1/1, 5263, Nr. 6.

535 Ebd., 4536, Nr. 31, 11.02.1801, S. 1.

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hochwertiger Ausstattung waren das Übliche auch an deutschen Fürstenhöfen. In Anbetracht der genannten Punkte der etablierten Etikette und des Usus sind zusätzlich die Schweriner Größenverhältnisse in Betracht zu ziehen, die die geforderte Unterbringung des kompletten kaiserlichen Hofstaates536 überhaupt nicht zuließen. Der Vollständigkeit halber sei hier noch erwähnt, dass die Großfürstin zum Beispiel zwei Eiskeller benötigte, weil sie sich zwei Mal am Tag kalt waschen musste; zudem waren ein Küchengarten und ein Hühnerhof notwendig, und es mussten weitere Pferde, Gespanne, Wagen und Geschirre angeschafft werden. Alle diese Aspekte sprachen also für die Weiterführung des Umbaus in Ludwigslust, zumal der Hof dort die meiste Zeit des Jahres ansässig war.

Im Folgenden muss auf die Ausstattung des Erbprinzenpalais in Ludwigslust ausführlich eingegangen werden. Dafür wurden aus Gotha – wohin die Schwester Friedrich Ludwigs, Louise Charlotte zu Mecklenburg-Schwerin (1779–1801) verheiratet worden war – offenbar die Entwürfe zu einem Appartement angefordert, das die Mecklenburger Prinzessin und der Erbprinz Emil August von Sachsen-Gotha-Altenburg (1772–1822) bewohnten. Für die beinahe vollständige, dort ausgeführte Enfilade an Räumen liegen die historischen Pläne im Kupferstichkabinett des Staatlichen Museums Schwerin (Abb. 121–159).537 Vermutlich sollten sie bei der Ludwigsluster Ausstattung als Vorlage dienen. Das erhaltene Portfolio belegt, dass grundsätzlich auch dynastische Beziehungen den Transfer von Moden und Geschmack auf dem Gebiet höfischer Raumkunst bedingten.538

Die Neuausstattung in Schwerin sowie die Vorbereitungen für die Ausstattung des Erbprinzenpalais in Ludwigslust stellen den Ausganspunkt zu den Untersuchungen der erbprinzlichen Interieurs, ihrer Entstehung und Bedeutung dar. Aus beiden lässt sich schließlich ein Bild höfischer Repräsentation im Herzogtum Mecklenburg-Schwerin ableiten.

Die direkt für den Regenten vorgenommenen Arbeiten im Schloss Ludwigslust bleiben dabei unberücksichtigt, da ihre Aufarbeitung im Rahmen der derzeit im Schloss stattfindenden Restaurierungsarbeiten zu erwarten ist. Ausschließlich die Aufträge für die Ausstattungen der Hauptwohnsitze des Erbprinzenpaares sollen unter den Aspekten der allgemeinen Bedingungen, der künstlerischen Organisation und Leitung, der Wahl der Handwerker sowie

536 Ebd., 2.26-1/1, 4536, Nr. 31, S. 2–7.

537 Lt. Beschriftung der Mappe im Kupferstichkabinett des Staatlichen Museums Schwerin, Inv. Nr. Hz 138–162 und 175–184 sowie LHAS, 2.26-2, 5819. In der genannten Akte des LHAS liegen verschiedene Briefe, die Bauarbeiten an einem Palais Friedrich Ludwigs zum Thema haben. Sie beziehen sich auf das Erbprinzenpalais Ludwigslust. Um das Jahr 1800 wurden Umbauarbeiten am Gebäude genannt und seine Einrichtung veranlasst.

Abrechnungen des Kaufmanns Z. J. Susemihl in Rostock sind erhalten, die die Anschaffung von Bettzeug und Tischwäsche dokumentieren (LHAS, 2.26-2, 6819).

538 S. Janke 2017, S. 15–18.

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hinsichtlich der dynastischen Beziehungen und den Verknüpfungen zu den Märkten von Hamburg und Berlin dargestellt werden.

Besonders zu erwähnen ist, dass so ein Einblick spezifisch in die erbprinzliche beziehungsweise erb(groß)herzogliche Repräsentation und Wohnkultur in zwei mit Mecklenburg-Schwerin verwandten Herzogtümern zur selben Zeit möglich wird. Die Hofhaltung abseits der Regentenpaare auf Seiten der Thronfolger um die Wende vom 18. zum 19. Jh. war bisher kaum Gegenstand wissenschaftlicher Bearbeitung.539 Einen Betrag zu diesem Thema liefern die folgenden Kapitel.

2.1 Das Alte Palais in Schwerin

Äußerlich mag das Alte Palais540 (Abb. 75) unbedeutend erscheinen, jedoch bietet es für die Zeit des Klassizismus mit seinen drei dokumentierten Umgestaltungen im Inneren einen Einblick in die Raumkunst am Mecklenburg-Schweriner Hof. Die Auswahl und Beschaffenheit wandfester Dekoration sowie der Tischlerarbeiten der Erstausstattung und der weiteren Nutzung zu Lebzeiten des Erbprinzen Friedrich Ludwig bis zu seinem Tode 1819 lassen sich auf Grundlage vieler schriftlicher Quellen beschreiben.

Friedrich Ludwig kaufte 1801 das Gebäude in der heutigen Schlossstraße an der Ecke zum Alten Garten an.541 Die Größe, welche es bis 1819 angenommen hatte, ist der älteste Bauteil, das eigentliche Herzstück des Komplexes. Sukzessive wurde der Baukörper in der ersten Hälfte des 19. Jh.s erweitert (Abb. 76–78).542

Zwei Generationen der herzoglichen Familie diente das Alte Palais ab 1802 als Wohnung;

zuerst dem erbherzoglichen Paar Friedrich Ludwig und Helena Pawlowna und danach, ab 1822, ihrem Sohn Paul Friedrich und Alexandrine, welcher als regierender Großherzog zunächst dort wohnen blieb. Alexandrine bewohnte das Gebäude nach dem Tode ihres Mannes bis zu ihrem Lebensende. Zwar kann keine dieser drei Ausstattungen komplett nachvollzogen werden, jedoch bieten neben Rechnungsbelegen Inventare sowie die Dokumentation der Gebäuderestaurierung viele Anhaltspunkte, um über die Wohnkultur zu berichten. Komplett fehlen bedauerlicherweise historische Interieurbilder oder

539 S. lediglich Freyer 2013.

540 Der Bau ist zwar seiner Funktion nach als Erbprinzenpalais zu bezeichnen, aber man bleibt besser bei seiner Nennung als Altem Palais, um Verwechslungen mit dem Ludwigsluster Erbprinzenpalais zu vermeiden. Weitere historische Namen wie Witwenpalais oder Alexandrinenpalais sind in der vorliegenden Arbeit aus demselben Grund zu vermeiden.

541 LHAS, 2.26-1/1, 5587.

542 Hierzu ausführlich Braun 1999.

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Innenraumbeschreibungen. Zur Erschließung der Erstausstattung soll in sechs Schritten vorgegangen werden:

1. Die Firma Masson & Ramée ist vorzustellen und das Schweriner Projekt im Œuvre Ramées zu verorten. 2. Die Raumdisposition und ihre zeremoniellen Bedingungen sind zu klären. 3.

Die wandfeste Ausstattung ist anhand von schriftlichen Dokumenten und restauratorischen Befunden zu beschreiben. 4. Aussagen über die Möblierung unter modischen Gesichtspunkten wie auch unter Berücksichtigung des regionalen Möbelmarktes sind zu treffen. 5. Das Inventar des Hauses von 1815 ist heranzuziehen, um die Möblierungen hinsichtlich ihrer repräsentativen Qualität sowie im Hinblick auf die Wohnkultur zu beschreiben. 6. Schließlich soll auf bekannte Vergleichsbeispiele herzoglichen Mobiliars aus dem entsprechenden Zeitraum verwiesen werden, da sich keine Bestandteile der Originalausstattung erhalten haben. Dabei können auch die Ausstattungen der Schwestern Helena Pawlownas berücksichtigt werden, da alle drei Zarentöchter die gleiche Mitgift erhielten.543

Die beiden späteren Umgestaltungsphasen des Palais ab circa 1822 unter Paul Friedrich und Alexandrine werden nachfolgend im gleichnamigen Kapitel methodisch ähnlich zu erschließen sein.

2.1.1 Die Ausstattung des erbherzoglichen Appartements von Masson & Ramée Friedrich Stuhr schreibt 1923 lakonisch:

Die Ausstattung des Palais wurde in größter Eile von der Hamburger Firma Masson und Ramée ausgeführt und, nachdem man die letzten Nächte durchgearbeitet hatte, am 11. Januar 1802 vollendet. Der Erbprinz brachte den Fortschritten der Arbeit das größte Interesse entgegen, wie 16 bei den Akten befindliche Briefe bezeugen. Schon am Sonntag, 10. Januar, kam er aus Ludwigslust herüber und wohnte die erste Nacht noch im Schloß. Am nächsten Tag folgte seine Gemahlin nach. Das Haus wurde am 13. Januar mit einer (nachträglichen) Geburtstagsfeier zu Ehren der Erbprinzessin Helena Paulowna [sic!] (geb. 13. Dezember) eingeweiht. Daran schlossen sich am 14. Januar ein großer Ball und am 15. Januar eine Maskerade.544

Heutzutage hat das Gebäude eine rein zweckmäßige Funktion, da es als Bürohaus genutzt wird. Seine Innenausstattungen sind bis auf Rudimente verloren. Im Zuge der Restaurierung und Umnutzung als Verwaltungsgebäude des Landtages Mecklenburg-Vorpommern wurden

543 Pachomova-Göres 2004, S. 47–48.

544 Stuhr 1923, S. 114. Vgl. zudem LHAS, 2.26-1/1, 5587, dort auch die Endabrechnung der Firma Ramées über 12.755 Rthl.

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allerdings an einigen Stellen Farbfassungen und Tapetenreste restauriert und einsehbar gelassen oder gerahmt und dauerhaft ausgestellt (Abb. 82–85).

Für die Ausstattungsarbeiten Anfang des 19. Jh. wurde, wie bereits erwähnt, der Architekt Ramée bestellt, der zuvor noch nicht in Diensten des Mecklenburger Hofes gestanden hatte.545 Er führte zwischen 1800 und 1810 im dänischen Altona bei Hamburg das florierende Raumausstattungsunternehmen und Warenmagazin Masson & Ramée.546 Das Unternehmen war sowohl im Vertrieb von ausländischen Galanteriewaren aktiv, als auch, ähnlich wie die Möbel- und Bronzefabrik in Ludwigslust, in der Herstellung eigener Erzeugnisse. In einer zeitgenössischen Beschreibung liest man:

Ein ähnliches Lager, ist, weil es erst seit kurzem von den Franzosen Masson und Ramé [sic!]

angelegt ward, zwar noch nicht von dem Umfang des letztern, wird aber bald seine Stelle ersetzen. Es bietet Mobilien aller Art dar, die nach treflichen [sic!] französischen und englischen Mustern, in einer nicht weit von Hamburg sich niedergelassnen kleinen französischen Kolonie von Arbeitern, verfertigt werden; ferner, Tapeten, Marmor- und bronzirte Arbeiten, Porcelain, u. dgl. aus deutschen, mehr aber aus Pariser Fabriken. Gute Wahl der Muster und feiner Geschmack zeichnet dieses Lager, vor mehrern deutschen und englischen hiesigen Niederlagen aus; und besonders vor einem Mobilienmagazin aus Fabriken in Berlin, wo Ueberladung mit bunten, fremdartigen Verzierungen und Schnirkeleien, eine eben so herrschende als geschmakverderbende Sitte ist.547

Die Einrichtung dieser Fabrick im Pinnebergschen ist im Jahr 1802 belegt.548

Die Idee zur Eröffnung eines derartigen Einrichtungshauses (nach unserem heutigen Verständnis) mag nicht nur dem Zeitgeist entsprochen haben, sondern ist auch unmittelbar in Zusammenhang mit Ramées Tätigkeit als Innenarchitekt und Planer am Kopenhagener Stadthaus des Kaufmanns Erich Erichsen zu sehen, wo er kurz vor 1800 tätig war.

Da Paul V. Turner in seiner Monographie549 erstaunlicherweise darauf nicht eingeht, ist es umso dringlicher,550 den für Masson & Ramée wichtigen Schweriner Auftrag im Œuvre des Architekten nun zu verorten.

545 Als Bestandteil des „Mecklenburgischen Planschatzes“ liegt ein kolorierter Wandaufriss vor, der sich aufgrund des ebenfalls angegebenen Grundrisses des Gebäudes in rektifizierter L-Form dem Alten Palais zuordnen lässt; er passt auf keinen anderen herzoglichen mecklenburgischen Bau. Der Urheber dieses Entwurfs ist noch nicht identifiziert.

546 In der Zeit um 1800 öffneten auch in anderen großen Städten, zunächst in London, dann in Berlin viele solcher Geschäfte ihre Türen (Vgl. Stiegel 2003, S. 155–160).

547 Meyer 1801, S. 311, zitiert nach Schult 2003, ohne Seitenangabe. – Direkt davor nennt Meyer ein weiteres Lager, das von dem Schweizer Victor Petre geführt worden war und in dem hauptsächlich französische Waren angeboten wurden. Es schloss jedoch um 1800.

548 Staatsarchiv Hamburg, Bestand 424-3 (Magistrat Altona), Sign. XXXII B I C4, vgl. Schult 2003.

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Seine Lehrzeit hatte der Architekt in den 1780er-Jahren als Mitarbeiter in der Bauabteilung für Charles Philippe Comte d’Artois (1757–1836) in Paris verbracht, dem Bruder König Louis XVI. Der Tätigkeit in Mecklenburg gingen höfische Aufträge im heutigen Thüringen 1795 und 1796 voraus. Während seines dortigen Aufenthaltes am Hof Herzogs Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1745–1804) arbeitete Ramée vermutlich an der Gartengestaltung mit und lieferte 1796 einen Entwurf zu einer Villa (Abb. 95). Auch am Weimarer Hof war er tätig und fertigte Zeichnungen für das Römische Haus an.551 Mecklenburg war durch die Hochzeit von Louise Charlotte mit Sachsen-Gotha-Altenburg dynastisch verbunden. Zugleich stammte die Gemahlin des Herzogs Friedrich Franz I. von dort. In Weimar bot sich die Gelegenheit, dass Ramée und der Architekt Johann August Arens miteinander bekannt wurden, welcher um 1800 das Ludwigsluster Erbprinzenpalais umbaute. Dies ist neben den dynastischen Beziehungen einer der Gründe, weshalb Ramée später von Friedrich Franz I. in Schwerin und Ludwigslust beschäftigt wurde. Aus Thüringen kommend ging Ramée nach Hamburg und Dänemark, wo er das erwähnte Erichsen-Stadthaus ausstattete. Es ist als

Seine Lehrzeit hatte der Architekt in den 1780er-Jahren als Mitarbeiter in der Bauabteilung für Charles Philippe Comte d’Artois (1757–1836) in Paris verbracht, dem Bruder König Louis XVI. Der Tätigkeit in Mecklenburg gingen höfische Aufträge im heutigen Thüringen 1795 und 1796 voraus. Während seines dortigen Aufenthaltes am Hof Herzogs Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1745–1804) arbeitete Ramée vermutlich an der Gartengestaltung mit und lieferte 1796 einen Entwurf zu einer Villa (Abb. 95). Auch am Weimarer Hof war er tätig und fertigte Zeichnungen für das Römische Haus an.551 Mecklenburg war durch die Hochzeit von Louise Charlotte mit Sachsen-Gotha-Altenburg dynastisch verbunden. Zugleich stammte die Gemahlin des Herzogs Friedrich Franz I. von dort. In Weimar bot sich die Gelegenheit, dass Ramée und der Architekt Johann August Arens miteinander bekannt wurden, welcher um 1800 das Ludwigsluster Erbprinzenpalais umbaute. Dies ist neben den dynastischen Beziehungen einer der Gründe, weshalb Ramée später von Friedrich Franz I. in Schwerin und Ludwigslust beschäftigt wurde. Aus Thüringen kommend ging Ramée nach Hamburg und Dänemark, wo er das erwähnte Erichsen-Stadthaus ausstattete. Es ist als