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5. Diskussion

5.1. Häufigkeit von Totgeburten

Das Projekt erstreckte sich über 101 Tage. Während dieses Zeitraums wurde in der untersuchten Milchviehanlage eine Totgeburtenhäufigkeit von 9,29 % der Gesamtgeburten (n=463) festgestellt.

Mit diesem Wert bewegte sich der Betrieb im oberen Bereich der 2001 ermittelten Zahlen für die deutschen Bundesländer (SPRINGER, 2003). Wie Tabelle 1 darstellt, liegen Schleswig-Holstein und Bayern mit je 9,0 und 10,0 % Totgeburten an der Spitze. Sachsen hingegen, wo sich der Untersuchungsbetrieb befindet, kommt auf 6,0 % Totgeburten.

Laut DEKRUIF et al. (1998c) sollte nach den „Kennzahlen der Jungviehaufzucht“ die perinatale Sterblichkeit (innerhalb von 24 Std.p.p.) ≤ 5 % betragen.

5.2.Einfluß der Laktationsnummer auf die Totgeburtenhäufigkeit

Die Laktationsnummer der Muttertiere stellt einen bedeutenden Faktor im Totgeburtengeschehen dar. Bei den Färsen kam es doppelt so häufig zu Totgeburten wie bei Kühen (Abb. 3). Dieses Ergebnis ist auch in der Literatur zu finden (MARTINEZ et al., 1983b; HARMS, 2001). Innerhalb der Färsengeburten kam es in 18,47 % zu Totgeburten. Bei den Kühen waren es nur 4,58 %. In anderen Studien wurden niedrigere Totgeburtenhäufigkeiten bei den Färsengeburten festgestellt (13,2

% bzw. 10,3 %) (MEYER et al., 2001a; BERGLUND et al., 2003). Die meisten Autoren berichten von einem Absinken der Totgeburtenhäufigkeit mit steigender Laktationszahl (MARTINEZ et al., 1983a; BERGER et al., 1992; MEYER et al., 2000;

PHILIPSSON, 2000; MEYER et al., 2001a).

Bei den eigenen Untersuchungen traten immer wieder deutlich signifikante Unterschiede zwischen Färsen und Kühen auf, die im Folgenden dargelegt werden.

5.3. Die Aufweitungsphase

Die Aufweitungsphase diente in diesem Versuch der direkten Bestimmung der Geburtsdauer. Allgemein konnte festgestellt werden, dass sie bei Tieren mit

Während erstere Tiere im Durchschnitt über 3,5 Stunden für die Abkalbung benötigten, wurde bei den Geburten lebend geborener Kälber eine durchschnittliche Dauer von etwas über 1,5 Stunden festgestellt (Tab. 19). Ein vergleichbarer, signifikanter Unterschied ist auch im getrennten Vergleich innerhalb der Gruppen der Färsen und der Kühe deutlich zu beobachten. Bei einer Einteilung der Färsen gemäß des Ausganges der Geburt ist die Aufweitungsphase der Färsen mit Totgeburten mehr als doppelt so lang wie die der Färsen mit lebend geborenen Kälbern. Diese Beobachtung wurde ebenfalls für die Gruppe der Kühe gemacht. Auch hier dauerten die Abkalbungen mit tot geborenen Kälbern mehr als doppelt so lange wie die mit lebenden Kälbern. Von den Autoren, die eine Aufweitungsphase beschreiben (SCHULZ et al., 1968; BUSCH u. SCHULZ, 1993; GRUNERT u. ANDRESEN, 1996), geben GRUNERT und ANDRESEN (1996) für Färsen den längsten Zeitraum mit 4-6 Stunden an. Dieser Zeitraum kann durch die eigenen Untersuchungen nur in Frage gestellt werden, da die Färsen mit lebenden Kälbern mit einem Median von genau 2 Stunden noch weit unter dieser Empfehlung liegen. Lediglich bei den Färsen mit Totgeburten werden 4 Stunden erreicht. Von einem verfrühten Eingreifen des Betriebspersonals, wie es von einigen Autoren befürchtet wird (EULENBERGER et al., 1987; AHLERS u. ANDRESEN, 1996), ist hier nicht auszugehen, da die Geburten der Tiere mit lebenden Kälbern in keiner der vorgenommenen Einteilungen die Dauer von 2 Stunden überschreiten.

Die Ursachen der verlängerten Aufweitungsphasen begründeten sich in erster Linie in der Enge des Geburtsweges.

5.4. Verhältnisse im Beckenraum in Bezug auf die Aufweitungsphase

Alle drei inneren Beckenmaße waren bei den Tieren mit Totgeburten signifikant kleiner als bei den Müttern, die lebende Kälber gebaren (P=0,0002, P=0,0014, P=0,0003). Die Maße der Färsen sind signifikant kleiner als die der Kühe (P<0,0001).

Bei dem direkten Vergleich der Beckenweite mit unterschiedlich langen Aufweitungsphasen konnte ein klarer Zusammenhang deutlich gemacht werden. Je enger das Becken war, desto länger dauerte der Geburtsvorgang (Tab. 51, Abb. 10).

Bei der Betrachtung der Fettauflagerung im Beckenraum wurde gezeigt, dass stärker verfettete Tiere mehr Zeit für die Geburten brauchten. Alle Untersuchungen zeigen,

dass die Größe des Geburtsweges einen großen Einfluss auf die Geburtsdauer und somit auf den Ausgang der Geburt hat.

Bei einer Einteilung der Färsen nach Tot- und Lebendgeburten konnten, im Gegensatz zu den Ergebnissen anderer Autoren (YOUNG, 1968; DUFTY, 1972), keine signifikanten Unterschiede zwischen den inneren Beckenmaßen der Färsen mit lebenden oder toten Kälbern festgestellt werden. Wurden diese Daten rein numerischen betrachtet, zeigten sich allerdings bei der Beckenweite und dem Höhendurchmesser von Muttertieren mit Totgeburten kleinere Werte. PRICE und WILTBANK et al. (1978b) beobachteten bei Färsen mit sehr kleinen Beckenweiten Geburtsstörungen. Dagegen fanden NAAZIE et al. (1989) keine Zusammenhänge zwischen Beckenweite und Geburtsstörungen. Sie errechneten Korrelationen innerhalb der inneren Beckenmaße und zwischen den inneren Beckenmaßen und dem Gewicht des Muttertiers.

In den eigenen Untersuchungen wurden ebenfalls Korrelationen zwischen dem Gewicht des Muttertiers und der Beckenweite festgestellt (P<0,0001). Darüber hinaus korrelierten die inneren Beckenmaße signifikant miteinander (P<0,0001).

5.5. Zwillinge

Ein klarer Unterschied ist bei Mehrlingsgeburten festzustellen, der die Ursachen von Totgeburten bei Kühen von denen der Färsen trennt. Bei der Betrachtung der Gesamtheit der Geburten ist kein Unterschied der Häufigkeiten von Tot- und Lebendgeburten bei Zwillings- und Einlingsgeburten zu verzeichnen. Werden die Häufigkeiten der Zwillingsgeburten jedoch nach Färsen und Kühen getrennt betrachtet, ist zu erkennen, dass die Geburt von Zwillingen signifikant häufiger bei pluriparen Tieren vorkam als bei Primiparen (P=0,02). Darüber hinaus wurden bei den Kühen signifikant mehr Zwillinge tot geboren als einzelne Kälber (P=0,04). Diese Beobachtungen sind ebenfalls in der Literatur wieder zu finden. Die Wahrscheinlichkeit von Zwillingsgeburten stieg mit höherer Laktationsnummer kontinuierlich an (JOHANSON et al., 2001). Auch NIELEN et al. (1989) berichten in ihrer Studie von einem höheren Vorkommen von Zwillingsgeburten bei pluriparen Tieren. Gleichzeitig berechneten die Autoren eine höhere Totgeburtenrate bei Zwillingsgeburten als bei Einlingsgeburten (NIELEN et al., 1989). Diese größeren Häufigkeiten von Totgeburten erwähnen auch GREGORY et al. (1996) und MEE

(1991). Zu beachten ist allerdings, dass die Autoren keine Trennung nach Färsen und Kühen vornehmen. Da gerade bei den pluriparen Tieren kaum direkte Ursachen für Totgeburten auffielen, ist die Zwillingsgeburt sicherlich bei dieser Tiergruppe der bedeutendste Faktor für das Auftreten von Totgeburten.

5.6. Trächtigkeitsdauer

Der Trächtigkeitsdauer konnte keine Rolle im Totgeburtengeschehen zugeordnet werden. Es wurde aber nachgewiesen, dass bei Kühen die Trächtigkeit einen Tag länger dauerte als bei Färsen (P=0,029). Zu demselben Ergebnis kamen auch AHLERS und ANDRESEN (1996). Nach STEINHARDT et al. (1992) kalben Färsen sogar zwei Tage früher als pluripare Tiere.

MEYER et al. (2000) sehen nach Dystokie und Laktationsnummer in der Trächtigkeitsdauer den drittwichtigsten Faktor für Totgeburten. Andere Autoren widersprechen jedoch in ihren Veröffentlichungen der Theorie, dass die Trächtigkeitsdauer indirekt durch das Kälbergewicht die Totgeburtenhäufigkeit beeinflusst (MEIJERING, 1984; HOLLAND u. ODDE, 1992).

5.7. Lage, Stellung und Haltung des Kalbes

Die Vorderendlage, obere Stellung und gestreckte Haltung stellte in dieser Untersuchung die für das Kalb ungefährlichste Geburtsanordnung dar. Kamen die Kälber auf diese Weise zur Welt, gab es signifikant weniger Totgeburten als bei allen anderen Lagen, Stellungen und Haltungen (Tab. 24). Wurden nur die Färsen betrachtet zeigte sich, dass die meisten Totgeburten bei Hinterendlage, oberer Stellung und gestreckter Haltung vorkamen (Tab. 26). Bei den Kühen hingegen ereigneten sich die signifikant meisten Totgeburten bei „anderen Anomalien“ (Tab.

27).

Vergleicht man anhand der verschiedenen Lagen, Stellungen und Haltungen der Kälber die Abkalbungsdauer, ist zu erkennen, dass bei der Betrachtung aller Geburten die Dauer der Geburt numerisch je nach „Schwere“ der Anomalie zunahm (Tab. 22). Wird der Vergleich nach Tot- und Lebendgeburten differenziert durchgeführt so zeigt sich, dass die Aufweitungsphasen bei Totgeburten immer länger sind (Tab. 23). Anders, als vermutet werden könnte, sind die Aufweitungsphasen bei den Totgeburten in Vorderendlage, oberer Stellung und

gestreckter Haltung am längsten. In dieser Untersuchung wurde die Geburt tot geborener Kälber also nicht durch Lage-, Stellungs- oder Haltungsanomalien verlängert. Bei den lebend geborenen Kälbern stellte sich heraus, dass die Kälber mit „anderen Lage-, Stellungs- und Haltungsanomalien“ am längsten für die Geburt benötigten (Tab. 23). Die lebenden Kälber in Vorderendlage, oberer Stellung und gestreckter Haltung kamen am schnellsten zur Welt.

Lage-, Stellungs- und Haltungsanomalien wurden vom Betriebspersonal bei den Totgeburten schnell behoben. Bei den Müttern mit toten Kälbern in physiologischer Geburtsanordnung wurde erst später eingegriffen. Eine verlängerte Aufweitungsphase ist somit nicht der Grund für die größere Häufigkeit von Totgeburten bei Lage-, Stellungs- und Haltungsanomalien. Es wurde darüber hinaus festgestellt, dass die Vitalität der Kälber in Vorderendlage, oberer Stellung und gestreckter Haltung im Gegensatz zu anderen Lagen, Stellungen und Haltungen am höchsten war (P<0,0001).

LANGANKE et al. (1992) sind der Auffassung, dass es bei Kälbern, die in Hinterendlage geboren wurden, zu Geburtsverzögerungen kommt. Weiterhin berichten die Autoren von dem gehäuften Auftreten von Fruchtwasseraspiration und abgeklemmter Nabelschnur in dieser Geburtslage. Die letztgenannten Phänomene können auch eine Rolle in den eigenen Untersuchungen gespielt haben, wie die Vitalitätsbeurteilungen bestätigen. Außerdem kam es bei den Färsengeburten zu signifkikant mehr Totgeburten in Hinterendlage als in den anderen Geburtsanordnungen. Auch MEE (2004) berichtet von einer 5mal höheren Wahrscheinlichkeit für solche Kälber, die in Hinterendlage geboren wurden, Geburtsschwierigkeiten zu verursachen oder perinatal zu verenden. Es ist aufgrund dieser Ergebnisse zu bedenken, ob die schon kürzeren Aufweitungsphasen bei den Hinterendlagen als bei den Vorderendlagen eine immer noch zu große Verzögerung des Geburtsvorganges darstellten. Das würde bedeuten, dass die zeitlichen Vorgaben zur Geburtshilfe für die Hinterendlagen verkürzt werden müssten.

5.8. Bauchpressentätigkeit des Muttertiers

Die Bauchpressentätigkeit wurde in dieser Untersuchung als ein Ausdruck der Aktivität des Muttertiers am Geburtsgeschehen bewertet. Bei guter Bauchpressentätigkeit war die Häufigkeit von Totgeburten im Vergleich zu

mittelmäßiger und schlechter Aktivität signifikant geringer (P=0,019). Bei guter Bauchpressentätigkeit zeigten sich numerisch bei einer getrennten Beobachtung von Färsen und Kühen niedrigere Häufigkeiten von Totgeburten als in den anderen beiden Kategorien (Tab. 32, 33). Signifikant war dieser Unterschied jedoch nur bei Kühen mit guter und mittelmäßiger Aktivität (P= 0,02). Bei dem Vergleich der Häufigkeiten der unterschiedlichen Kategorien zwischen Färsen und Kühen ergaben sich keine signifikanten Unterschiede bei guter und schlechter Aktivität. Lediglich bei der mittelmäßigen Aktivität waren signifikant mehr Kühe als Färsen gewertet worden.

Es ist also nicht bewiesen worden, dass Färsen allgemein schlechter pressen als Kühe.

Auch die Dauer der Aufweitungsphase ist mit der Bauchpressentätigkeit verknüpft.

So dauerten die Geburten mit schlechter Bauchpressenaktivität der Muttertiere signifikant länger (P<0,0001) als Geburten bei denen die Muttertiere eine gute Aktivität zeigten (Tab. 42). In der Literatur gilt ein Ausbleiben der Bauchpresse als eine Folge der primären oder sekundären Wehenschwäche (BERCHTOLD u.

RÜSCH, 1993; BUSCH u. SCHULZ, 1993; GRUNERT u. ANDRESEN, 1996). Die primäre Wehenschwäche kann ihrerseits eine Zervixenge oder eine unvollständige Weitung der Vulva nach sich ziehen. Diese Zustände seien wichtige Faktoren für die Begünstigung von Schwer- und Totgeburten (MEIJERING, 1984; MEE, 2004). Eine mangelhafte Aktivität des Muttertiers ist somit ein wichtiger Faktor im Totgeburtengeschehen.