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2. Literaturübersicht

2.6. Einflüsse des Muttertiers auf den Ausgang der Geburt

2.6.5. Das Becken des Muttertiers

2.6.5.1. Anatomie des knöchernen Beckens

Das knöcherne Becken des Rindes besteht aus den beiden Hüftbeinen (Ossa coxae), an denen bei jungen Tieren die Gliederung in Darmbein, Sitzbein und Schambein zu erkennen ist. In der Beckenpfanne vereinigen sich die drei Knochen in Form eines Beckenringes (Beckengürtel). Die ventral gelegene Beckensymphyse verbindet die beiden Ossa coxae miteinander. Sie verknöchert erst mit zunehmendem Alter. Dorsal wird der Beckenring durch das Kreuzbein und die ersten fünf Schwanzwirbel begrenzt. Im 3. bis 5. Lebensjahr verschmelzen die Kreuzbeinwirbel miteinander. Das Kreuzbein liegt zwischen den beiden Darmbeinschaufeln, die den Beckengürtel dorsal umschließen. Das Kreuzbein und das Darmbein sind durch das Kreuzdarmbeingelenk verbunden (NICKEL et al., 1992). Um seiner Aufgabe als Überträger der Kraft von der Beckengliedmaße zum Rumpf gerecht werden zu können, muß es ein straffes Gelenk (Amphiarthrosis) sein (KOCH u. BERG, 1992).Nach GRUNERT (1993a) bestimmt die Größe des Beckengürtels die Weite des Geburtswegs.

2.6.5.2. Die Pelvimetrie

Im Rahmen der geburtshilflichen Untersuchung dient die palpatorische Untersuchung des knöchernen Geburtsweges der Einschätzung des Verhältnisses vom Beckendurchmesser zur Größe der Frucht. Zur Messung der Beckenweite kann ein Beckenzirkel benutzt werden (GRUNERT, 1990). Das Kälbergewicht steht in Beziehung zur messbaren Fesselgelenksstärke des Feten. Aus diesen erreichbaren anatomischen Größen lässt sich eine Formel entwickeln, welche eine Prognose für den Geburtsverlauf liefern soll.

(Faktor Z=

Beckenmessungen zum Zeitpunkt der geplanten Erstbelegung einer Färse sind sinnvoll, um von einem ausreichend großen Becken ausgehen zu können (GRUNERT, 1990). BERCHTOLD und RÜSCH (1993) betrachten die Pelvimetrie in der Geburtshilfe als wenig aussagefähig, da die Größe des Fetus nicht exakt bestimmt werden kann.

2.6.5.3. Äußere Beckenmaße

Der Abstand der Hüfthöcker wird als die Entfernungslinie zwischen den lateralen Hüfthöckern gemessen (HAMEL, 1963; BELLOWS, 1971; KRAHMER u. JAHN, 1971). HAMEL (1963), KRAMER und JAHN (1971) definieren die Länge des Beckens als die Entfernung vom lateralen Punkt des Hüfthöckers bis zum kaudalen Punkt des Sitzbeinhöckers. Der Abstand der Sitzbeine gibt die Distanz der beiden lateralen Sitzbeinhöcker an. HAMEL (1963) beobachtete, dass sich die Hüftbreite von Rindern mit Normalgeburten wesentlich von der von Tieren unterscheidet, bei denen eine Fetotomie vorgenommen wurde. Bei der Sitzbeinbreite findet er dagegen keinen Unterschied. Die Korrelation zwischen Hüfthöckerbreite und dem mittleren Querdurchmesser ist positiv. Mittels Ermittlung des Regressionskoeffizienten stellt der Autor fest, dass bei erwachsenen Schwarzbunten Rindern der innere mittlere Querdurchmesser um 0,3 cm zunimmt, wenn der Hüfthöckerabstand um 1 cm größer wird. KRAMER und JAHN (1971) registrieren bei Tieren mit Normalgeburten einen Zusammenhang zwischen innerem Beckeneingangsdurchmesser und Hüftbreite, der über den Zeitraum des Wachstums linear bleibt. Sie folgern daraus, dass man von der Wachstumskurve der Hüftbeine auf den inneren Becken-eingangsquerdurchmesser schließen könne. Weiterhin kamen sie zu der Erkenntnis, dass die Beckenlänge keine Beziehung zu den inneren Beckenmaßen aufweist.

BELLOWS (1971) untersuchten bei dreijährigen Hereford-Färsen das Verhältnis der äußeren Körpermaße zur Beckenweite

BW= 2

) ( )

(H mittlererQuerdurchmesser Q messer

Höhendurch ×

Körpergewicht zur Beckenbreite. Tiere mit höherem Körpergewicht haben größere Beckeninnen- und Beckenaußenmaße.

2.6.5.4. Innere Beckenmaße

Für die Beurteilung des Beckenraumes finden folgende Maße Anwendung: Die Diameter conjugata, die mediane Verbindungslinie vom Promontorium zum kranialen Ende der Beckenfuge, gibt den Höhendurchmesser des Beckeneingangs an. Ein anderer Höhendurchmesser (Diameter verticalis) wird vom kranialen Ende der Beckenfuge bis zur Ventralfläche des Kreuzbeins bzw. der Schwanzwirbel gemessen. Je weiter kaudal diese Linie das Kreuzbein oder die Schwanzwirbel trifft, umso erweiterungsfähiger nach oben ist das Becken. Von den Querdurchmessern des Beckeneingangs ist der mittlere, die Diameter transversa, für die Geburtshilfe von Bedeutung. Unter der Diameter transversa versteht man den größten Querdurchmesser der Linea terminalis bzw. den Abstand zwischen den Tubercula musculi psoas minoris. Beim Rind ist aufgrund der Höhe der Pfannenkämme der Geburtsweg störend verengt (NICKEL et al., 1992). Trotz ihrer klinischen Bedeutung wird die Vermessung der Diameter verticalis als problematisch angesehen, da nicht wie bei den anderen Durchmessern eindeutige Knochenpunkte festgelegt sind (KOCH u. BERG, 1992).

Die Beckenweite (BW) kann rechnerisch auf unterschiedliche Weisen bestimmt werden, indem die Fläche des Beckeneingangs in Quadratzentimetern errechnet wird. PRICE und WILTBANK (1978b) bezeichnen die Formel

BW= 2

) ( )

(H mittlererQuerdurchmesser Q messer

Höhendurch ×

als die geeignetste Formel zur Ermittlung der Beckenweite, weil sie in der Literatur am meisten angewendet wurde und Veränderungen der Einzelmaße ausreichend berücksichtigt. Die Autoren halten die bloße Ermittlung der Beckenweite allerdings nicht für ausreichend, um Geburtsstörungen vorherzusagen. Für eine Prognose des Geburtsverlaufes müsse auch die Größe des Kalbes berücksichtigt werden. YOUNG (1968) kann bei zwei- und dreijährigen Färsen einer Devon-Herde zum Zeitpunkt der Geburt signifikante Unterschiede in der Größe der Beckenweite zwischen Tieren mit Geburtsstörungen und Tieren, die normal gekalbt hatten, feststellen. Die

kleiner als die bei gleichaltrigen Färsen mit einer Normalgeburt. Bei zweijährigen Angus-Färsen verzeichnet YOUNG (1968) signifikant kleinere Beckenweiten bei schlecht genährten Färsen zum Zeitpunkt der Geburt als bei gut genährten Tieren der Kontrollgruppe.

DUFTY (1972) vergleicht die inneren Beckenmaße von dreijährigen Hereford-Färsen mit Totgeburten mit denen von Färsen, die normal kalbten. Die Beckenmaße bei den Totgeburten sind nur geringfügig kleiner als bei Normalgeburten. Der Autor führt die Totgeburten primär auf die Enge des weichen Geburtsweges und auf Wehenschwächen zurück, welche die Passage des Fetus durch den Geburtskanal verzögern. Nach PRICE und WILTBANK (1978a) besteht eine Beziehung zwischen der Größe der Beckenweite, dem Geburtsverlauf und dem Gewicht des Kalbes.

Unabhängig vom Gewicht der Frucht werden bei Färsen mit einer sehr kleinen Beckenweite Geburtsstörungen beobachtet. Bei Färsen mit einer größeren Beckenweite bestimmt das Kälbergewicht den Geburtsverlauf. Sie stellen eine hochsignifikante Korrelation zwischen dem Färsengewicht und der Beckenweite des Tieres fest. Die positive Korrelation zwischen Beckenweite und dem Gewicht des Kalbes ist jedoch nur schwach signifikant. Sie schließen daraus, dass die Größe des Kalbes und die Beckenweite des Muttertieres die wichtigsten Faktoren sind, die Geburtsstörungen verursachen. NAAZIE et al. (1989) hingegen konnten in ihrer Untersuchung keinen Zusammenhang zwischen Beckenweite und Geburtsstörungen feststellen. Sie errechneten lediglich Korrelationen innerhalb der drei inneren Beckenmaße und zwischen den inneren Beckenmaßen und dem Gewicht des Muttertiers.