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Grenzwerte und Messvorschriften für Böden

Im Dokument 114/2015 (Seite 72-75)

3 Handlungsbedarf B: Regulatorischer Handlungsbedarf

3.8 Grenzwerte und Messvorschriften für Böden

3.8.1 Prüfwerte/Maßnahmewerte für Böden

Generell werden in Deutschland zur Beurteilung von Schadstoffgehalten in Böden die Vorsorge, Prüf- und Maßnahmenwerte der Bundes-Bodenschutzverordnung (BBodSchV 1999) herange-zogen50. Für dl-PCB sind in bodenschutzrechtlichen Regelungen derzeit keinerlei Werte ent-halten. Im Rahmen der geplanten Novellierung der BBodSchV wird aber für den Wirkungspfad Boden – Pflanze ein gemeinsamer Prüfwert für die Summe PCDD/F + dl-PCB für Grünland vor-geschlagen. Im aktuellen Entwurf der sogenannten Mantelverordnung beträgt dieser Wert 30 ng WHO(1998)-TEQ/kg TM (BMU 2012)51.

Dieser vorgeschlagene Prüfwert wäre für dl-PCB für die Mutterkuhhaltung etwa um den Faktor 10 zu hoch (siehe F&E-Projekt 5.2.5). Auch für die extensive Milchkuhhaltung wurde eine Ab-leitung von kritischen Gehalten für den Boden erstellt (siehe F&E-Bericht 5.2.5.2). Der EU-Höchstgehalt in Milch wird für PCDD/F bereits bei PCDD/F-Gehalten im Boden von 17 bzw.

5,25 ng PCDD/F-TEQ/kg erreicht, wenn angenommen wird, dass der Verschmutzungsgrad des Grünfutters durch Bodenpartikel 3 bzw. 10% beträgt. Milch und Milchprodukte tragen 40% zur durchschnittlichen Dioxinaufnahme der Bevölkerung bei (BMU 2013). Die mittlere Dioxinauf-nahme eines Erwachsenen liegt etwa in Höhe des TDI von 2 pg TEQ pro kg Körpergewicht und Tag. Daraus ergibt sich eine mittlere tägliche Dioxinaufnahme über Milch und Milchprodukte von 0,8 pg TEQ/kg Körpergewicht/Tag. Der aktuelle durchschnittliche Gehalt von Milchpro-dukten schöpft den Höchstgehalt jedoch nur zu etwa 13% aus (BMELV 2009). Bei Ausschöpfung des EU-Höchstgehalts in Milchprodukten wäre die mit Milchprodukten aufgenommene Dioxin-menge 7,5-mal höher und läge bei 6 pg TEQ/kg KG/Tag und damit beim 3-Fachen des TDI52. Dies sollte bei der Festlegung von Zielwerten, Prüfwerten und ggf. Maßnahmewerten für Böden beachtet werden.

Der vorgeschlagene Boden-Prüfwert von 30 ng WHO(1998)-TEQ/kg TM ist auch für Eier aus artgerechter Hühnerhaltung zu hoch. Dies gilt insbesondere für Hennen, die in kleineren Betrieben, Gärten von Kleintierhaltern oder in mobilen Hühnerställen Zugang zu naturnahen Freilaufflächen haben. Die kritischen dl-PCB- und PCDD/F-Konzentrationen liegen hier jeweils bei 2 bis 4 ng TEQ/kg TM (siehe F&E-Bericht 5.4.3). Diese Bodengehalte sind gerade auch für

49 In der Auswertung der Kontrolle der Food and Veterinary Office der EU Kommission (FVO) vom 4.-8. Juni 2012 zu Dioxinen in Ostseefisch wurde im Ergebnisprotokoll der Kommission festgestellt: "Die Behörden sollten dafür sorgen, dass weder Fisch noch Fischereierzeugnisse, insbesondere Dorschleber, Lachs und Fischöl, aus der Ostsee mit Dioxin- und/oder PCB-Werten über den festgelegten Höchstgehalten in Verkehr gebracht werden."

50 Weiterhin können Hintergrundwerte bei der Bewertung von Bodenbelastungen hilfreich sein.

51 Die 30 ng WHO-TEQ/kg TM werden inzwischen vom UBA nicht mehr als geeigneter Prüfwert angesehen.

52 Beim Verzehr von 25 g Milchfett/Tag wäre beim Ausschöpfen des seit 2012 geltenden EU-Höchstgehalts für PCDD/F ein Kind (16 kg) für die PCDD/F 2-fach über dem TDI und beim Ausschöpfen des PCDD/F+PCB EU-Höchstgehalts (2012) bei mehr als dem 4-fachen des TDI allein durch Milchprodukte.

Selbstversorger im Hinblick auf die Überschreitung des TDI von hoher Relevanz. Denn die Einhaltung der heute geltenden Höchstgehalte garantiert nicht die Einhaltung des TDI, insbesondere nicht bei Selbstversorgern, von denen anzunehmen ist, dass sie eigene Produkte in größeren Mengen verzehren.

Somit müssen Prüfwerte und Maßnahmewerte mit Bezug auf Nutztierhaltung abgeleitet wer-den. Dies ist auch bei Betrachtung der Expositionspfade des Menschen ein sinnvoller Ansatz.

90% der PCDD/F- und PCB-Exposition des Menschen kommt über Nutztierprodukte (Milch, Milchprodukte, Ei, Fleischprodukte). Somit müssen Prüf- und Grenzwerte für Böden über diese eigentlich relevante Exposition abgeleitet werden. Die Ableitung von Bodengehalten über den Transfer Boden-Pflanze oder die direkte Exposition Boden-Mensch hat eine bedeutend

geringere individuelle und epidemiologische Relevanz. Dabei wird die Relevanz der Exposition über tierische Nahrungsmittel sowohl für die individuelle Exposition als auch unter

epidemiologischer Sicht mit dem Ausbau der extensiven naturnahen Nutztierhaltung53 weiter zunehmen. Grenzwerte müssen hier so gewählt werden, dass Menschen, die naturnah erzeugte Produkte (Ei, Milch und Fleisch aus extensiver Haltung) verzehren, durch diese Grenzwerte geschützt sind. Somit besteht regulatorischer Handlungsbedarf darin, Prüf- bzw. Maßnahme-werte für Böden von Grünland entsprechend festzulegen. Für die Festlegung der Prüf-/Maß-nahmewerte für Boden sollten Ergebnisse des F&E-Projektes berücksichtigt und durch weitere Studien überprüft werden. Nach den Ergebnissen dieses F&E-Projekts sollte der Prüf-/Maß-nahmewert für dl-PCB für Grünland sowohl zur Einhaltung des Höchstgehalts bei Fleisch aus Mutterkuhhaltung als auch zur Einhaltung des Höchstgehalts für Eier aus naturnaher Hühner-haltung und zur Reduktion der Exposition durch Eierkonsum unter 5 ng TEQ/kg TM liegen (siehe F&E-Projekt 5.2.5 und 5.4.3). Auch der Prüf-/Maßnahmewert für PCDD/F sollte wegen der starken Akkumulation im Ei unter 5 ng TEQ/kg TM liegen (5.4.3). Ein Boden-Grenzwert um 5 ng TEQ/kg TM ist auch zum Schutz der extensiven Milchwirtschaft gerechtfertigt (5.2.5.2), denn aufgrund des hohen Verzehrs von Milch und Milchprodukten ist es wichtig, die Dioxinauf-nahme über diesen Expositionspfad besonders zu regulieren (siehe oben).

Wegen der sehr unterschiedlichen Anreicherung von PCB und PCDD/F in z. B. Rindfleisch (siehe F&E-Bericht Kapitel 3.2.5) sollte für Böden kein TEQ-Summenwert aus PCDD/F und PCB gebildet werden, sondern es sollten getrennte Prüf-/Grenzwerte für PCDD/F und dl-PCB erarbeitet werden. Dabei sollte aber dennoch der additive dioxinähnliche Effekt von PCDD/F und dl-PCB beachtet werden.

Neben den Grenzwerten für Grünland muss auch der Maßnahmewerte der BBodSchV (1999) für Wohngebiete überprüft und geändert werden. Der aktuelle Maßnahmewert liegt bei 1000 ng I-TEQ/kg TM. In vielen Wohngebieten werden heute Hühner gehalten und diese Form der Hühnerhaltung wird in Deutschland zunehmen (zunehmende Armut, Trend zu „Urban

Farming“ und zu ökologischer und regionaler Ernährung). Schon bei 2 bis 4 ng PCDD/F-TEQ/kg TM können Eier über den EU-Höchstgehalten liegen (siehe F&E-Bericht 5.4.3). Bei Eigenver-sorgern wird allein durch den Eierverzehr der TDI zu einem großen Teil ausgeschöpft. So wird beim Verzehr eines Eis pro Tag und einem Bodenwert von 5 ng TEQ/kg TM der TDI bei einem Kind (16 kg) voll ausgeschöpft, Bei einem Bodengehalt von 1000 ng TEQ/kg TM würde der Verzehr von einem Ei bei einem Kind den TDI für 200 Tage abdecken. Dies zeigt die Notwen-digkeit den geltenden Maßnahmewert zu überprüfen und zu senken.

53 Der Ausbau der naturnahen Nutztierhaltung und besonders der ökologischen Landwirtschaft ist unter (fast) allen Aspekten einschließlich einer nachhaltigen Entwicklung sinnvoll und wichtig.

Bisher orientieren sich die Grenzwerte für das Recycling von Bauschutt und anderen mine-ralischen Reststoffen am Schutzgut Grundwasser. Es müsste hier das Schutzgut Mensch (einschließlich der Exposition über Nutztier54/Pflanze) berücksichtigt werden bzw. dies ist die toxikologisch adäquate Ableitung von Grenzwerten für bioakkumulative Stoffen wie PCB und PCDD/F.

3.8.2 Kommunikation der PCDD/F- und PCB-Problematik an private Hühnerhalter und Reduktion der Exposition

In vielen Städten vor allem mit industrieller Prägung liegen die Eier bei einem Großteil der privaten Hühnerhaltungen und auch kleineren kommerziellen Hühnerhaltungen über den EU-Höchstgehalt für PCDD/F und/oder den EU-Höchstgehalten für PCDD+PCB (siehe F&E-Bericht 5.4.2).

Dies bedeutet eine relevante PCDD/F- (und PCB-) Exposition für die Konsumenten der Eier.

Durch geeignete Managementmaßnahmen (siehe F&E-Bericht 5.4.2) sollte es möglich sein, die Gehalte zu reduzieren. Es sollte von staatlicher Seite ein Konzept erarbeitet werden, wie man diese Problematik angeht und löst. Dabei sollte sowohl eine adäquate Aufklärung/ Risiko-kommunikation entwickelt werden einschließlich erprobter Managementmaßnahmen.

3.8.3 Messvorschriften für Böden

Bei der Aufnahme der dl-PCB in die BBodSchV oder andere Gesetzesregelungen sollte eine validierte Analytik zur Verfügung stehen. Deshalb sollte parallel zur Aufnahme von dl-PCB in Gesetzesregelungen ein standardisiertes analytisches Messverfahren (DIN, CEN oder ISO) für dl-PCB in Böden entwickelt werden. Beim Fachgespräch „Dioxine und dl-PCB: Bessere Daten – Schnellere Aufklärung“ (28. Oktober 2013, Bonn) wurde deutlich, dass es zwar detaillierte Vorschriften für die Messung von dl-PCB in Lebensmitteln und Futtermitteln gibt (Malisch et al.

2013), dass jedoch die heute verwendeten Messverfahren für dl-PCB in Böden oft nicht empfind-lich genug sind, Bodenkontaminationen von dl-PCB festzustellen, die zu Höchstgehaltsüber-schreitungen bei sensiblen Lebensmitteln (Mutterkuhhaltung und Huhn/Ei) führen können. Der Beitrag von Bussian et al. 2013 im Fachgespräch „Dioxine und PCB: Bessere Daten-Schnellere Aufklärung“ hat gezeigt, dass genügend tiefe Bestimmungsgrenzen für dl-PCB in Boden erreicht werden können (für die dl-PCB wurden in dem UBA-Projekt Bestimmungsgrenzen von 0,5 ng/kg für die Einzelkongenere erreicht) (Bussian et al. 2013).

Somit besteht ein normativer bzw. politischer Handlungsbedarf für die Festlegung von Mess-verfahren für dl-PCB in Böden, die in Bezug auf die Exposition von Nutztieren ausreichend niedrige Bestimmungsgrenzen liefern. Dabei sollte die Vorschrift analoge Anforderungen an die Laboratorien stellen, wie sie für die Bestimmung von PCDD/F in Böden vorgeschrieben sind (DIN 38414-24).

Bei den Messverfahren sollten bei den gemessenen Gehalten die Werte zwischen oberer (upper-bound) und unterer (lower-(upper-bound) Grenze weniger als 20% betragen analog der Vorschriften für Lebensmitteluntersuchungen (Europäische Kommission 2002; Kotz et al. 2012).

54 Die Ableitung von Gehalten und von Bodengrenzwerten sollte über die Exposition von Kindern durch Hühnereier erfolgen. Dies ist vielleicht das sensibelste Expositionsszenario, das aber gleichzeitig eine sehr relevante Exposition für alle Selbstversorger darstellt.

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