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Überprüfung von Gesetzen und Verordnungen, die den Umgang mit PCB

Im Dokument 114/2015 (Seite 55-62)

3 Handlungsbedarf B: Regulatorischer Handlungsbedarf

3.1 PCB in Gebäuden und Bauwerken: Inventarisierung, Reduktion der Emission

3.1.1 Überprüfung von Gesetzen und Verordnungen, die den Umgang mit PCB

3.1.1.1 PCB-Inventarisierung, Schadstoff-Kataster für Gebäude, Verbot der Verwendung von PCB Das Ausmaß des PCB-Eintrages aus offenen Anwendungen in die Umwelt ist vorwiegend aus Fachartikeln bekannt, die in den letzten 10 Jahren veröffentlicht wurden.

Zahlreiche Gesetze regeln den Umgang mit PCB. Diese sind zum größten Teil vor mehr als 10 Jahren entstanden. Unter anderem wurden die Beschränkungen der Weiterverwendung von PCB, die Verwendungsverbote und die Pflicht zur Inventarisierung mit Blick auf die

geschlosse-36 Bis 2010 war das PCB-Emissionsinventar auf etwa 20 kg PCB-Emission pro Jahr geschätzt worden (Karl et al.

2010).

37 Eine erste Abschätzung beziffert die PCB-Emission aus offenen Anwendungen durch Ausdünstung auf 7 bis 12 Tonnen pro Jahr (Berechnung im Anhang 1 des F&E-Vorhabens).

38 http://www.thru.de/thrude/wissen/diffuse-quellen/

nen PCB-Anwendungen formuliert, da diese wohl damals als die wesentlichen Quellen ange-sehen wurden.

Die folgenden Gesetze, die heute gelten oder die, wie die PCB-, PCT-, VC-Verbotsverordnung, früher galten, erwähnen oft nur geschlossene PCB-Anwendungen explizit. Sie müssen analog für offene Anwendungen ergänzt bzw. neu formuliert werden. Denn es wird eine PCB-Verbotsverordnung gebraucht, die die offenen PCB-Anwendungen mindestens ebenso streng reglementiert, wie es für geschlossene Anwendungen durch die frühere Gesetzgebung der Fall war. Denn die offenen Anwendungen sind heute in Deutschland die wichtigsten PCB-Quellen und sie waren dies sehr wahrscheinlich auch in der Vergangenheit für die Belastung von Umwelt und Menschen.

• Die bundesdeutsche PCB-, PCT-, VC-Verbotsverordnung (1989)

Es wurde verboten, PCB herzustellen, in Verkehr zu bringen oder zu verwenden. Bereits in Verkehr gebrachte Erzeugnisse durften bis zur Außerbetriebnahme verwendet wer-den, längstens bis zum 31.12.1999. Die Verordnung galt für Stoffe und Zubereitungen und deren Erzeugnisse, die mehr als 50 mg PCB/kg enthielten. Erzeugnisse mit einem Inhalt von mehr als 5 Litern PCB-haltiger Flüssigkeit waren zu kennzeichnen. Waren PCB-haltige Erzeugnisse in einem besonderen Betriebsraum untergebracht, war auch dieser an den Zugängen zu kennzeichnen.

• Die EU-Richtlinie 96/59/EG (1996): Die Richtlinie verlangte von den Mitgliedstaaten eine Bestandsaufnahme für alle Geräte, die mehr als 5 Liter PCB-haltige Stoffe oder Zuberei-tungen (mit einer Konzentration von mehr 50 mg PCB/kg) enthalten und einen Plan zur Dekontamination und/oder Beseitigung dieser Geräte. Diese EU-Richtlinie verlangte zusätzlich von den Mitgliedstaaten eine Regelung für das Einsammeln und Beseitigen der Geräte, die nicht der Bestandsaufnahmepflicht unterlagen, weil sie weniger als 5 Liter PCB enthielten.

Da die offenen PCB-Anwendungen für die Umweltkontamination (Priha et al. 2005, Herrick et al. 2007, Astebro et al. 2000, Johansson 2009, Sundahl et al. 1999

)

und Humanexposition (Meyer et al. 2013, Lehmann et al. 2015, Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen 2002) eine höhere Relevanz besitzen als die geschlossen Anwendungen, sollten zumindest die Gesetze für geschlossene Anwendungen im Analogieschluss auch für offene PCB-Anwendungen gelten:

• Verbot der Weiterverwendung: PCB-haltige Baumaterialien sollten bis zu einem festzu-legenden Zeitpunkt ausgebaut und entsorgt werden39.

• Pflicht zur Kennzeichnung: Ist in einem Gebäude mehr als 5 dm3 (5 Liter) PCB-haltiges Material vorhanden, so sind sowohl das Material als auch das Gebäude zu kennzeich-nen. PCB verfugte Gebäude enthalten PCB im 100 kg bis in den Tonnen-Bereich und liegen meist um Größenordnungen über dem 5 Liter Grenzwert. Dazu sind sie „offen“

mit direkter Exposition und emittieren kontinuierlich PCB und sind damit als noch gefährlicher einzustufen als PCB in geschlossenen Anwendungen (siehe Anhang 1). Das Material gilt als PCB-haltig, wenn es mehr als 50 mg PCB/kg enthält oder wenn es aus Teilen besteht, von denen eines mehr als 50 mg PCB/kg enthält (z. B. ist bei Wilhelmi-Deckenplatten die Konzentration im Farbanstich maßgeblich).

39 Es erscheint sinnvoll hier einen neuen Zielzeitraum einzuführen und nicht die alten schon verstrichenen Stichtage zu belassen.

• Pflicht zur Inventarisierung: Enthalten Gebäude mehr als 5 dm3 (5 Liter) PCB-haltiges Material, so ist eine Bestandsaufnahme zu machen und der zuständigen Behörde zu melden. Um den Inventarisierungsaufwand zu optimieren, sollten PCB- und Asbest-Inventarisierungen kombiniert werden. Sollte die Weiterverwendung von PCB verboten und ein Stichtag festgelegt werden, so ist ein Plan über Ausbau und Entsorgung vorzu-legen. Es muss sichergestellt werden, dass die PCB sicher entsorgt werden. Auch für andere PCB-haltige Materialien mit einem Volumen von weniger als 5 Litern oder (sekundär-kontaminierte) Materialien, muss eine Regelung für Ausbau und Entsorgung getroffen werden. Für offene PCB-Anwendungen wäre es notwendig, die Inventari-sierungs- und Entsorgungspflichten noch strenger zu handhaben und den Volumen-Grenzwert niedriger anzusetzen. Z. B. müssen PCB-haltige Farbanstriche kein großes Volumen haben, um durch Verwitterung/Alterung und insbesondere bei nicht-fach-gerechten Sanierungen zur Kontamination von Boden, Wasser und Luft zu führen.

Ebenso können Anstriche großflächiger Fassaden zum PCB-Eintrag in Boden, Luft und Wasser führen.

Weitere Regelungen, die zum Umgang mit PCB in Gebäuden getroffen werden sollten:

• Es ist notwendig, eine systematische Vorgehensweise für die Untersuchung von Gebäuden auf PCB festzulegen. PCB-haltige Baumaterialien und auch die Materialien mit Sekundärkontaminationen über 50 mg PCB/kg müssen zuverlässig identifiziert werden.

• Für Gebäude, die PCB oder andere Gefahrstoffe enthalten, sollte das Führen eines „Bau-buches“ vorgeschrieben sein. Alternativ könnten die Information im Gebäudepass mit aufgenommen werden. Im Baubuch bzw. Gebäudepass müssen alle im Gebäude identifizierten schadstoffhaltigen Baumaterialien verzeichnet werden. Handwerkern muss die Möglichkeit gegeben werden, vor evtl. anstehenden Bauarbeiten Einsicht zu nehmen. Es erscheint sinnvoll, hier alle relevanten Schadstoffe gemeinsam zu inventari-sieren bzw. die Inventarisierung von PCB oder Asbest zum Anlass zu nehmen, weitere evtl. vorhandene Schadstoffe zu inventarisieren.

Da die offenen PCB-Anwendungen für Umweltkontamination und Humanexposition eine höhere Relevanz besitzen als die geschlossenen Anwendungen (siehe Anhang 1 Kapitel 1 bis 3) müssen im Analogieschluss die oftmals für die geschlossenen Anwendungen

formulierten Gesetze analog für offene PCB-Anwendungen gelten. Dies sollte bei der Änderung der Gesetzestexte berücksichtigt und der Wortlaut entsprechend angepasst werden.

Bereits heute gilt nach EG-POPs-Verordnung (EU 2004), dass alle Bestände mit mehr als 50 kg PCB40 zu melden sind (Artikel 5). Ein großer Teil von Gebäuden mit PCB-Fugenmasse wird dieses Kriterium erfüllen. Auf jeden Fall sollten allein schon aufgrund dieses Paragraphen alle Häuser in Betonbauweise und ggf. andere Häuser von 1950 bis 197541 überprüft und inventari-siert werden.

Mit der Stockholm Konvention hat sich Deutschland verpflichtet, geeignete Strategien zu entwickeln, um Lagerbestände und in Gebrauch befindliche PCB-haltige Produkte festzustellen

40 Als PCB gelten hier Stoffe/Materialien mit Konzentrationen > 50 mg PCB/kg.

41 Der Ratgeber des Landes Nordrhein-Westfalen zu „PCB in Gebäuden - Nutzerleitfaden“ nennt einen Zeitraum von 1950 bis 1980 (Landesinstitut für Bauwesen des Landes Nordrhein-Westfalen 2003).

(Artikel 6). Während dies für geschlossene Anwendungen umgesetzt wurde, gibt es bei offenen Anwendungen noch Handlungsbedarf.

3.1.1.2 Überprüfung der Grenzwerte für Raumluft, Abwasser und Recyclingmaterialien Grenzwerte für Raumluft

Für den Schutz der Nutzer von Gebäuden und insbesondere für den Schutz von Kindern in Schulen und Kindergärten sollte die Aufnahme von PCB über die Atemluft nicht zu einer Gesundheitsgefährdung führen. Deshalb sollte der Grenzwert oder zumindest Zielwert für die Raumluftbelastung den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst und deutlich abgesenkt werden (siehe 3.3 unten). Auch die Aufnahme über die Haut und das Verschlucken von belastetem Staub wurden, insbesondere für Kinder, als wichtiger Expositionspfad erkannt (Ertl 2006, Harrad et al. 2006) und sollten in die Risikoabschätzung einfließen.

Grenzwerte für Abwasser

Insgesamt sollten abwasserfreie Sanierungen und Sanierungstechnologien verwendet werden.

Für den Anfall von Abwasser sollten Grenzwerte für den Eintrag von PCB ins Abwasser fest-gelegt werden. Nicht nur beim Abstrahlen von PCB-haltigen Fugenmassen mit Hochdruck-Wasserstrahl werden PCB freigesetzt und gelangen ins Abwasser, sondern bereits beim Abstrahlen von sekundär belasteten Oberflächen. Auch beim Abstrahlen von PCB-Lacken von Stahlträgern etc. (Sanierungsmethode) mit Hochdruckreiniger können PCB ins Wasser ge-langen, aber auch bereits bei Teilsanierungen. Jartun et al. (2009) zeigten, dass Regenwasser, das von versiegelten und sekundär belasteten Oberflächen in die Kanalisation und von dort in Meer floss, zur PCB-Belastung der Sedimente und Lebewesen einer norwegischen Bucht führte oder zumindest beitrug. Die PCB-Richtlinie der ARGEBAU (1994) sieht bisher noch vor, dass Wasser, das bei der Reinigung nach einer PCB-Sanierung anfällt, „wie häusliches Abwasser beseitigt“ wird (PCB-Richtlinie ARGEBAU 4.4.5). In den USA darf Wasser mit mehr als 3.000 ng PCB/Liter42 nicht ins Abwassersystem eingeleitet werden (US EPA 2005).

Grenzwerte beim Recycling und deren Überprüfung

Die Einhaltung von Grenzwerten in Recyclingmaterialien (mineralische Abfälle, Holzhack-schnitzel, Kunststoffschredder von Elektrokabeln) sollte durch Kontrollen besser gewährleistet werden. Produkte aus Recycling-Kunststoff finden zunehmend Verwendung im häuslichen Bereich. Auch für das Recyceln von Kunststoff sollte deshalb ein Grenzwert festgelegt werden der niedriger liegt als 50 mg/kg. Der PCB-Grenzwert von 5 mg/kg für Holzhackschnitzel (ChemVerbotsV 1993) ist für die Verwendung als Einstreu bei Nutztieren um den Faktor von mindestens ca. 100 zu hoch, wenn man die problematischen Bodengehalte bei Hühnern zugrunde legt, und sollte überprüft werden. Dies sollte im größeren Rahmen von POPs, PBT-Stoffen und endokrinen Substanzen in Polymeren (z. B. PBDE, HBCDD, Chlorparaffinen, regulierte Phthalate) und Belastung von Recyclingkreisläufen untersucht werden.

3.1.1.3 Entwicklung einer Richtlinie/Verordnung für die Untersuchung von PCB in Gebäuden

In Deutschland wird die Untersuchung von PCB-Einträgen in die Umwelt aus Gebäuden über den Bauschutt durch die PCB/PCT-Abfallverordnung (2000) geregelt. Es fehlt hier jedoch eine

42 Ein angemessener Höchstgehalt sollte festgelegt werden mit der Empfehlung, dass dieser niedriger liegen sollte als der jetzige U.S. Standard.

Richtlinie für eine standardisierte Untersuchung von PCB in und an Gebäuden und Bauten.

Ohne eine solche Vorschrift (einschließlich dem Vorgehen für die Untersuchung) werden PCB-Fugen und Farbanstriche oft nicht erkannt. Der Umgang mit PCB in Gebäuden in Deutschland mit (zum Teil) nicht adäquater Entsorgung wurde für dieses F&E-Projekt am Beispiel eines Stadtteils von Tübingen und Gebäuden der Universität Tübingen dokumentiert, die in den 1960er und Anfang der 1970er Jahre mit PCB-haltigen Fugen und zum Teil mit PCB-haltigen Farbanstrichen erbaut wurden (Anhang 1). Diese Fallstudie zeigt, dass die breite Verwendung von PCB und der sachgerechte Umgang mit PCB-haltigen Materialien selbst Fachleuten der Bauwirtschaft oft nicht bekannt sind und zu unsachgemäßer Behandlung und Entsorgung führen.

Das Schweizer Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) hat 2003 eine Richtlinie für PCB-haltige Fugendichtungsmassen herausgegeben, die eine standardisierte Untersuchung von PCB in Gebäuden beinhaltet (BUWAL 2003).

Handlungsbedarf:

• Eine (am besten bundeseinheitliche) Richtlinie zur Untersuchung von offenen PCB-Anwendungen, ähnlich der Schweizer Richtlinie, wäre für den deutschen Vollzug auch notwendig. Eine deutsche Richtlinie, die die Inventarisierung von und den Umgang mit PCB-haltiger Bausubstanz regelt, sollte jedoch alle PCB-haltigen Materialien berück-sichtigen, z. B. auch Farbanstriche und Bodenbeschichtungen. Bisher gibt es dafür in Deutschland nur vereinzelt Materialien wie zum Beispiel die Arbeitshilfe zum kon-trollierten Rückbau von kontaminierter Bausubstanz in Bayern (Bayerisches Landesamt für Umweltschutz 2003).

• Für ein erstes Screening auf PCB in Baumaterialien sollte ein zuverlässiges und zugleich kostengünstiges Verfahren entwickelt werden. Es sollte geprüft werden, ob Staubproben oder der Einsatz von Passivsammlern geeignet sind. Als sehr schwierig kann es sich gestalten, alle haltigen Materialien zu identifizieren. Es wäre sehr hilfreich PCB-Schnelltests (ähnlich aber spezifischer als die Tests für Transformatorenöle (US EPA 1995)) auch für PCB-haltige Materialien (weiter) zu entwickeln und hier zum Beispiel die Optionen und Limitierungen der Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA) zu evaluieren.

Da PCB ausdünsten, scheint es auch möglich zu sein, PCB am Geruch zu erkennen. In einem Bericht der norwegischen Umweltbehörde wird ein Hund gezeigt, der darauf trainiert wurde, PCB aufzuspüren (Norwegisches Ministerium für Klima und Umwelt 2006). Die Erfahrungen Norwegens mit Spürhunden sollten abgefragt werden.

3.1.1.4 Veröffentlichung von Daten über das Vorkommen von PCB

PCB in offenen Anwendungen werden kontinuierlich emittiert und während Bauarbeiten freigesetzt. Dies kann zur Belastung der Bewohner des Gebäudes, der Nachbarn oder Passanten führen. Eine deutlich größere Zahl von Menschen kann indirekt über die Kontamination der Lebensmittelkette betroffen sein. Das Vorkommen von PCB in Gebäuden/Bauwerken darf deshalb nicht als Privatangelegenheit des Eigentümers behandelt werden. Daten sollten erhoben und veröffentlicht werden. Die EG-POPs-Verordnung (Europäische Kommission 2004) weist in Artikel 10 (3) darauf hin, dass Informationen über Gesundheit und Sicherheit des Menschen und über die Umwelt nicht als vertraulich betrachtet werden. Dies sollte in Bezug auf PCB in Deutschland besser umgesetzt werden.

3.1.1.5 Überprüfung des Anwendungsbereichs und der Risikoabschätzung der PCB-Richtlinie (ARGEBAU) Die Richtlinie für die Bewertung und Sanierung PCB-belasteter Baustoffe und Bauteile in

Gebäuden (PCB-Richtlinie der ARGEBAU, 1994) wird häufig als die allein geltende Vorschrift beim Umgang mit PCB-haltiger Bausubstanz angesehen. Die PCB-Richtlinie der Arbeitsgemein-schaft der für das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Minister der Länder (ARGEBAU) gilt für die Bewertung und Sanierung von Gebäuden, in denen Bauprodukte oder Bauteile enthalten sind, die PCB in offener Anwendung enthalten (Primärquellen) oder damit kontaminiert sind (Sekundärquellen). Sie soll Hinweise geben „für Gebäudeeigentümer und -nutzer sowie Baufachleute, wie Bauprodukte, die polychlorierte Biphenyle (PCB) enthalten, gesundheitlich zu bewerten sind, wie Sanierungen durchgeführt werden können, welche Schutzmaßnahmen dabei beachtet werden müssen, wie die Abfälle und das Abwasser zu entsorgen sind und wie sich der Erfolg der Sanierung kontrollieren lässt“ (PCB-Richtlinie, Einleitung).

Die PCB-Richtlinie der ARGEBAU entstammt dem Baurecht. Das Bauordnungsrecht stellt Anfor-derungen an die Beschaffenheit baulicher Anlagen, um Gefahren, insbesondere für Leben und Gesundheit, zu vermeiden. Die Sanierungsdringlichkeit von Gebäuden, die PCB-haltige Bau-materialien enthalten, wurde unter toxikologischen Gesichtspunkten durch das frühere Bundes-gesundheitsamt (BGA) und die Arbeitsgemeinschaft der Leitenden Medizinalbeamten der Länder (AGLMB) bewertet. Ausgehend von einem TDI für PCB von 1 µg PCB pro kg Körper-gewicht und Tag (festgelegt vom ehem. Bundesgesundheitsamt 1983) wurden 1993 Empfeh-lungen abgeleitet und 1994 als PCB-Richtlinie der ARGEBAU als technische Baubestimmung vorgeschlagen.

Das Baurecht liegt im Zuständigkeitsbereich der Bundesländer. Nicht alle Abschnitte der PCB-Richtlinie der ARGEBAU wurden von allen Bundesländern übernommen. Die PCB-PCB-Richtlinien der Bundesländer unterscheiden sich z. T. in Formulierungen und geforderten Maßnahmen.

2011 wurde die PCB-Richtlinie (ARGEBAU) vom Deutschen Institut für Bautechnik ergänzt.

Viele öffentliche Gebäude wurden auf PCB in der Raumluft untersucht. Doch die PCB-Richtlinie (ARGEBAU) verpflichtet nicht zu Raumluftmessungen in Verdachtsfällen. Die meisten der

Gebäude, in denen der Gefahrenwert der jeweiligen landeseigenen PCB-Richtlinie überschritten war, wurden saniert. Dies führte dazu, dass in Fachkreisen die Meinung vorherrscht, dass ein Großteil der Belastungsfälle bekannt und abgearbeitet wurden (Architektenkammer Nordrhein-Westfalen 2013; Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Nordrhein-Westfalen 2013).

• Wie in Anhang 1 (Abschnitt 4.2.2) gezeigt wurde, gelten viele Gebäude, die PCB-haltige Baumaterialien enthalten, nach PCB-Richtlinie als PCB-frei, weil sie den Vorsorgewert von 300 ng PCB/m3 unterschreiten (Gesundheitsamt Bremen 2003). In einigen der deutschen Bundesländer galt jedoch noch bis 2010 ein Vorsorgewert von 900 ng PCB/m3 (Anhang 1 Kapitel 4.2.2). Aus Messungen in der Schweiz (Kohler et al. 2005) wurde abgeschätzt, dass bei etwa 70% der Gebäude, die PCB enthalten, die Raumluft-konzentration unter 900 ng PCB/m3 liegt. Somit muss damit gerechnet werden, dass in den entsprechenden Bundesländern viele der als PCB-frei eingestuften Gebäude tatsäch-lich PCB enthalten.

• Nur 5% der von Kohler et al. (2005) in der Schweiz untersuchten Gebäude, die PCB-haltige Fugenmassen enthielten, hatten Raumluftkonzentrationen von mehr als 3.000 ng PCB/m3. Geht man davon aus, dass die Art der PCB-Verwendung in Fugenmassen in Deutschland ähnlich war, wie bei den von Kohler et al. (2005) untersuchten Gebäuden in der Schweiz, so muss/musste nur ein geringer Teil der Gebäude in Deutschland (5%

oder weniger, Anhang 1 Kapitel 4.2.2) wegen Überschreitung des Gefahrenwertes von 3.000 ng PCB/m3 nach PCB-Richtlinie saniert werden. Diese Gebäude enthalten meist auch nach der „PCB-Sanierung“ noch PCB, z. B. in Außenfugen und unter Abschot-tungen oder BeschichAbschot-tungen.

• In Gebäuden mit PCB-haltiger Bausubstanz, die den Vorsorgewert (300 ng PCB/m3) überschreiten, aber den Gefahrenwert (3.000 ng PCB/m3) unterschreiten, ist gemäß PCB-Richtlinie „die Quelle der Raumluftverunreinigung aufzuspüren und nach Möglich-keit unter Beachtung der VerhältnismäßigMöglich-keit zu beseitigen43“ oder es ist zumindest regelmäßig zu lüften. Bei diesen Gebäuden gerät die PCB-Belastung leicht in Vergessen-heit. So enthielt die Ausschreibung der Sanierung eines Universitätsgebäudes in Baden-Württemberg keinen Hinweis auf die PCB-Belastung, die einige Jahre zuvor festgestellt worden war (Anhang 1 Kapitel 3.2.4), obwohl solche Belastungen in einer Ausschrei-bung aufgeführt werden müssen. Der Grund hierfür wurde beim Gespräch des Auftrag-nehmers mit dem Amt Vermögen und Bau Baden-Württemberg deutlich: Für die landes-eigenen Gebäude in Baden-Württemberg wird kein Verzeichnis über festgestellte Schad-stoffbelastungen geführt (Schukraft 2014). Falls saniert wird, dann müssen PCB-haltige Materialien nicht vollständig entfernt werden.

Tatsächlich werden also die wenigsten Gebäude, in denen PCB-haltige Materialien vorhanden sind, als PCB-belastet erkannt bzw. eingestuft. Der überwiegende Anteil der Gebäude, die PCB enthalten, wurde nicht saniert. Die Beurteilung der Bausubstanz mittels PCB-Richtlinie (ARGE-BAU) führt zu einem nicht adäquatem Umgang mit dem Gefährdungspotenzial: Es ist der Eindruck entstanden, Gebäude mit Raumluftkonzentrationen unterhalb des Vorsorgewerts (300 ng/m3) seien PCB-frei und von Gebäuden mit Raumluftkonzentrationen unterhalb des Gefah-renwertes (3.000 ng/m3) gehe keine Gefährdung aus. Auch bei Gebäuden, die PCB-saniert wurden, wurde meist nur ein Teil der PCB entfernt oder gar nur durch andere Farben oder Tapeten abgedeckt. Diese Gebäude gelten als auf PCB untersucht und saniert, obwohl in den meisten Fällen noch PCB in der Bausubstanz vorhanden sind.

Die Grenzwerte der PCB-Richtlinie (ARGEBAU) wurden aus inzwischen veralteten toxikologi-schen Studien abgeleitet und hatten das Ziel, die Gebäudenutzer vor krititoxikologi-schen PCB-Konzen-trationen in der Atemluft zu schützen. Die Grenzwerte der PCB-Richtlinie (ARGEBAU) berück-sichtigen jedoch weder den seit 2003 geltenden TDI der WHO noch den kontinuierlichen Eintrag von PCB aus Baumaterialien in die Umwelt durch Evaporation und Verwitterung. Auch wird die PCB-Freisetzung während Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten oder Umbaumaß-nahmen von der PCB-Richtlinie (ARGEBAU) nicht reguliert. Zudem werden PCB-haltige Materia-lien, die sich z. B. an Brücken oder Unterführungen befinden oder in Räumen/Gebäuden in denen sich Menschen nicht regelmäßig aufhalten (z. B. Technikräume, Kraftwerke), von der PCB-Richtlinie nicht erfasst.

Die PCB-Richtlinie (ARGEBAU) verlor durch neue toxikologische Erkenntnisse und der daraus abgeleiteten neuen Bewertungen und Grenzwerte sowie durch neue Gesetze ihre fachliche Grundlage. Dies wird in Anhang 1 Kapitel 4.2.3 näher ausgeführt und wird hier nur teilweise aufgelistet:

• Der TDI (tolerierbare tägliche Aufnahme) für PCB, aus dem 1994 die Raumluft-Grenz-werte der PCB-Richtlinie (ARGEBAU) abgeleitet wurden, wurde 2003 um den Faktor 50 reduziert (WHO 2003, BfR 2010). Wenn die gesamte Ausschöpfung des (neuen) TDI für

43 Nach PCB-Richtlinie NRW sind die Quellen in diesem Fall „mittelfristig“ zu beseitigen. Der Begriff

„mittelfristig“ wird jedoch nicht konkretisiert.

PCB (20 ng/kg KG/Tag) über die Raumluft zugestanden würde, läge die maximal tolerierbare Raumluftkonzentration bei 60 ng PCB/m3 (anstelle der veralteten 3.000 ng PCB/m3). Zu praktisch demselben Grenzwert (70 ng PCB/m3 bei >7 h Aufenthalt) kommt das LANUV bei der toxikologischen Ableitung der Raumluft (Landesumweltamt Nord-rhein-Westfalen 2002). In einem Gebäude mit einer Raumluftkonzentration von 300 ng PCB/m3, das in Deutschland als PCB-frei gilt, liegt die tägliche PCB-Aufnahme über die Atemluft bei einem 24-stündigen Aufenthalt um einen Faktor 5 über dem WHO-TDI. Um die Konzentration von 60 ng PCB/m3 zu unterschreiten, bei der der WHO-TDI bereits über die Atemluft ausgeschöpft ist, ist nicht nur die Entfernung aller Primärquellen

PCB (20 ng/kg KG/Tag) über die Raumluft zugestanden würde, läge die maximal tolerierbare Raumluftkonzentration bei 60 ng PCB/m3 (anstelle der veralteten 3.000 ng PCB/m3). Zu praktisch demselben Grenzwert (70 ng PCB/m3 bei >7 h Aufenthalt) kommt das LANUV bei der toxikologischen Ableitung der Raumluft (Landesumweltamt Nord-rhein-Westfalen 2002). In einem Gebäude mit einer Raumluftkonzentration von 300 ng PCB/m3, das in Deutschland als PCB-frei gilt, liegt die tägliche PCB-Aufnahme über die Atemluft bei einem 24-stündigen Aufenthalt um einen Faktor 5 über dem WHO-TDI. Um die Konzentration von 60 ng PCB/m3 zu unterschreiten, bei der der WHO-TDI bereits über die Atemluft ausgeschöpft ist, ist nicht nur die Entfernung aller Primärquellen

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