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Belastung der Umwelt und Technosphäre mit PBDD/F und PXDD/F

Im Dokument 114/2015 (Seite 51-54)

2 Handlungsbedarf A: Forschungsbedarf

2.19 Bromierte und bromiert-chlorierte Dioxine und polybromierte Biphenyle (PBB)

2.19.6 Belastung der Umwelt und Technosphäre mit PBDD/F und PXDD/F

Es wurde bisher nicht untersucht, wie bromierte PBDD/F und bromiert-chlorierte PXDD/F in die (englischen) Lebensmittel gelangen (Mortimer et al. 2013) und welche Rolle dabei die Kontami-nation der Umwelt und welche Rolle die Belastung der Technosphäre (flammgeschützte Poly-mere und recycelte Plastikprodukte) spielen.

2.19.6.1 Flammgeschützte Polymere und recycelte Plastikprodukte

Bromierte Flammschutzmittel werden seit den 1970er Jahren in großen Mengen und in einer breiten Palette von Anwendungen eingesetzt. Die wichtigsten Vorläuferverbindungen von PBDD/F sind dabei die PBDE und, mit weniger Relevanz, bromierte Biphenyle, bromierte Phenole und andere bromierte aromatische Flammschutzmittel (z. B. Brombenzole und Derivate, Tetrabrombisphenol A, Bis(tribromphenoxy)ethan) (Ebert & Bahadir 2003; Weber &

Kuch 2003).

Der Großteil der bromierten Flammschutzmittel befindet sich in Artikeln und Produkten wie flammgeschütztem Plastikteilen in Elektro- und Elektronikgeräten, in Polymeren in Fahr- und Flugzeugen des Personen- und Güterverkehrs, in Dämmstoffen und anderen Polymeren im Bausektor und in Textilien. Die Reservoire von PBDD/F in Polymeren sind beträchtlich. Die Gesamtmenge an PBDD/F in flammgeschützten Polymeren allein von Fernsehern und Com-putern in Nigeria wird auf 1,5 bis 8 t geschätzt (Sindiku et al. 2013, 2015). Bei einer durch-schnittlichen Belastung von 1000 mg/kg in PBDE-haltigen Polymeren33 von gebrauchten Elektrogeräten wurde die Gesamtmenge an PBDF, die aus den ca. 1,4 Millionen Tonnen eingesetzter PBDE (primär DekaBDE) gebildeten wurde, in der Dimension von 1000 Tonnen abgeschätzt (Sindiku et al. 2015). Diese Abschätzung sollte durch weitere Studien abgesichert

32 Guidance zur Inventarisierung von PBDE im Rahmen der Stockholm Konvention (Stockholm Konvention 2012)

33 PBDE werden bei Produktionsprozessen (z. B. Extrusion von Plastik) und im Gebrauch

(Sonnenlichteinstrahlung) zum Teil zu PBDF abgebaut (Kajiwara et al. 2008, 2013; Sindiku et al. 2015).

werden und die Relevanz von Recycling dieser Polymere bewertet werden. Recycelte Polymere mit PBDE wurden z. B. in Kinderspielzeug und Kaffeebechern gefunden (Chen et al. 2009;

Samsonek & Puype 2013).

2.19.6.2 Bromierte und bromiert-chlorierte Aromaten in anderen Verwendungen

Bromierte und bromiert-chlorierte Aromaten werden in verschiedenen anderen Bereichen verwendet, z. B. als Farbstoff (z. B. Phthalocyaninfarbstoffe) und auch in Pharmazeutika. Diese Verbindungen haben das Potenzial bromierte oder bromiert-chlorierte PXDD/F zu enthalten oder zu bilden. Während für Flammschutzmittel erste Untersuchungen zur Belastung mit PBDD/F erfolgt sind (Hanari et al 2006, Ren et al. 2011), gibt es für diese anderen Verwen-dungen bisher keine publizierten Daten zu PBDD/F- und PXDD/F-Belastungen. Diese Stoffe haben aber sowohl ein Potenzial für eine Humanexposition (Pharmazeutika; Farbstoffe in Konsumartikeln) wie auch für die Kontamination der Umwelt.

Somit besteht sowohl ein Forschungsbedarf für

• Die Zusammenstellung der Verwendung von bromierten und bromiert-chlorierten Aromaten in technischen Anwendungen

• Die Untersuchung der Belastung dieser Chemikalien mit PBDD/F und PXDD/F

• Die Erstellung eines Substanzflusses dieser Chemikalien mit der Fragestellung der potenziellen Humanexposition und Umweltkontamination.

2.19.6.3 Untersuchung von Klärschlamm und Klärschlammauftrag auf PBDD/F

Die PBDD/F-TEQ-Gehalte im Klärschlämmen lagen in den USA im Median über dem

Höchstgehalt der deutschen Klärschlammverordnung für PCDD/F (100 ng TEQ/kg TM) und waren bedeutend höher als der Beitrag der PCDD/F (Venkatesan & Halden 2014).

In einer ersten Untersuchung von PBDD/F in deutschen Klärschlämmen Anfang der 1990er Jahre wurden MonoBDD/F bis PentaBDD/F detektiert jedoch keine bromiert-chlorierten PXDD/F (Hagenmaier et al. 1992). Dabei war kein TEQ bestimmt worden. PBDE und andere Flamm-schutzmittel einschließlich Pentabromphenol und Hexabrombenzol können in Europa auch in einer relevanten Menge (bis in den niederen mg/kg Bereich) in Klärschlamm enthalten sein34 (Kuch et al. 2005, Suominen und Marttinen 2013). Eine aktuelle finnische Studie erachtet die PBDE und Hexabromcyclododecan (HBCDD) als die kritischsten persistenten organischen Schadstoffe in Schlämmen der Biogas-Produktion in Finnland, während PCDD/F und PCB als nicht relevant eingestuft werden (Suominen et al. 2014). PBDE werden durch Sonnen-/UV-Strahlung zum Teil in PBDF umgewandelt (Watanabe & Tatsukawa 1987; Weber & Kuch 2003).

Somit können mit der Ausbringung von PBDE-haltigen Klärschlämmen auf landwirtschaftliche Flächen über die letzten 40 Jahre auch PBDD/F ausgebracht worden sein bzw. über PBDE und andere bromierte Vorläuferverbindungen aus Klärschlämmen dort gebildet worden sein.

Bei der Untersuchung von Klärschlämmen auf PBDD//F sollten auch die PBDE und, bei Auf-fälligkeiten, auch andere bromierte Vorläuferverbindungen wie Bromphenole oder Hexabrom-benzol gemessen werden (siehe Kuch et al. 2005). Die Belastung der Klärschlämme mit den PBDD/F-Vorläuferverbindungen PBDE hat in den letzten 20 Jahren um ein Mehrfaches zuge-nommen (Zennegg et al. 2013), wobei der bei weitem höchste Anteil (> 90%) aus DekaBDE besteht.

34 In 33 Klärschlämmen in Bayern von 2008/09 wurden nur Spuren von HBB detektiert.

Bei der Untersuchung sollte auch geklärt werden, inwieweit aus dem über Klärschlamm aus-gebrachten DekaBDE durch photolytische und biologische Debromierung die toxischeren mittelbromierten PBDE (Weber & Watson 2010) und PBDF (Watanabe & Tatsukawa 1987) gebildet werden. Hierzu könnten in einem ersten Schritt die Böden der Dauerbeobachtungs-fläche bei Bonn (Umlauf et al. 2004) auf PBDE und PBDD/F untersucht werden. Darüber hinaus sollte geprüft werden, inwieweit die Bodenuntersuchungsprogramme der Länder derartige Substanzgruppen untersuchen bzw. Planungen dazu vorliegen.

2.19.6.4 PBDD/F-Emissionen und Umweltbelastungen aus thermischen Prozessen

PBDD/F und bromiert-chlorierte PXDD/F wurden/werden auch in thermischen Prozessen wie Sekundärmetallindustrien, Müllverbrennungsanlagen oder bei der Verbrennung von ver-bleitem Benzin gebildet (Dawidowsky 1993, WHO 1998, Weber & Kuch 2003). Von daher besteht in Deutschland am ehesten um (ehemalige) Anlagen zur Kabelverschwelung oder Sekundärkupferschmelzen und möglicherweise Straßen eine mögliche Kontamination mit thermisch gebildeten PBDD/F oder bromiert-chlorierten PXDD/F. Auch Recyclinganlagen, die Elektronikschrott recyceln, haben ein Potenzial PBDD/F und PXDD/F zu emittieren. In Bayern wurden bei der Untersuchung von PBDD/F im Boden eines direkt an eine Elektronikschrott-Aufbereitungsanlage angrenzenden Areals 26 ng TEQ/kg TM und auf einem Ackergrundstück in der Nähe 2 ng TEQ/kg TM gemessen (Bayerisches Landesamt für Umwelt 2012).

Ein PCDD/F- und PCB-Monitoring um diese Punktquellen (innerhalb der Untersuchung PCDD/F belasteter Areale siehe 2.4.3) einschließlich ausgewählter Straßen sollte auch die PBDD/F und bromiert-chlorierten PXDD/F beinhalten.

2.19.6.5 Untersuchung von Hausstaub auf PBDD/F und dioxinähnliche Toxizität

Eine Studie, die die doxinähnliche Toxizität in Hausstaub in den Vereinigten Staaten, Japan und Vietnam untersuchte, fand heraus, dass die PCDD/F und dl-PCB nur einen geringen Teil (weniger als 25%) des TEQ erklären konnten (Tue et al. 2013). Somit scheinen heute auch andere dioxin-ähnliche Substanzen eine Relevanz zu besitzen. Dabei können die den chlorier-ten PCDD/F analogen bromierchlorier-ten PBDD und PBDF einen Teil dieser dioxinartigen Toxizität verursachen (Tue et al. 2013). Der TEQ-Beitrag der PBDF in Hausstaubproben in den USA und Japan war hierbei größer als der TEQ-Beitrag der PCDD/F und dl-PCB (Tue et al. 2013, Suzuki et al. 2010).

In Deutschland wurde Hausstaub bisher nicht detailliert auf PBDD/F oder PXDD/F untersucht.

Diese Wissenslücke sollte geschlossen werden. Da Tue et al. (2013) in ihren Hausstaubunter-suchungen einen großen Teil der dioxinartigen Toxizität nicht klären konnten, sollten Haus-staub-Untersuchungen von PCDD/F, dl-PCB, PBDD/F und PXDD/F auch die gesamte dioxinartige Toxizität untersuchen und weitere dioxinähnliche Substanzen durch Effect-Directed-Analysis (Brack et al. 2003) aufspüren.

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