• Keine Ergebnisse gefunden

Grabstatuen der frühen und hohen Dynastie (Periode III) (Tab. 3)

Im Dokument Statue und Kult (Seite 48-64)

Teil I - Grabstatuen im frühen Alten Reich

4. Grabstatuen der frühen und hohen Dynastie (Periode III) (Tab. 3)

4.1. Frühe Periode III

1. Die etwa in der Regierungszeit des Snofru einsetzende Periode III funerärer Praxis in der Residenz ist durch eine ungewöhnliche Menge an Innovationen gekennzeichnet. Planung und Anlage der königlichen und nichtköniglichen Elitegrabanlagen unter Snofru und seinen Nachfolgern Cheops, Djedefre und Mykerinos sind in hohem Maße Ausdruck der Umsetzung neuer sozialer Positionen im Rahmen funererärer Kultur und in einigen Fällen als individuelle Strategien gekennzeichnet, so daß konkrete Interpretation und Verallgemeinerung zusammenfallen müssen. Wie die königlichen Anlagen dieser Periode äußerst individuelle und innerhalb mehrerer Bauperioden wechselnde Konzepte anzeigen, so ist auch das Bild der nichtköniglichen Grabanlagen auf den ersten Blick recht heterogen.

Dennoch liegt der Entwicklung eine gewisse Tendenz zugrunde, die die Zusammenfassung der Phänomene zu einer Periode der funerären Praxis rechtfertigt.

Im Fall der Statuenverwendung stehen zwei außergewöhnliche Erscheinungen nebeneinander. Einerseits erlebt die altägyptische Kunst geradezu eine Klassik des rundplastischen Schaffens, andererseits kommt es praktisch zeitgleich zum stellenweise gänzlichen Verzicht auf rundplastische Darstellungen im funerären Bereich. Ähnliche Phänomene lassen sich auch im Flachbild verfolgen, das zwischen der Entwicklung ausführlicher Dekorationsprogramme und der völligen Reduzierung der Flachbilddarstellungen zu schwanken scheint. Die Art und Weise der Abbildung des Toten im Kult scheint ein zentraler Punkt der funerären Praxis dieser Epoche gewesen zu sein.

2. Die Statuen des ra-Htp und der nfr.t

2.1. Die berühmten Sitzfiguren des ra-Htp und der nfr.t (3.1) wurden in sekundärer Aufstellung im südlichen Scheintürraum der Mastaba gefunden106. Formal zählt das Ensemble nur bedingt zum Typ der aus Periode II bekannten Sitzfiguren. Wie schon bei mTn ist der Sitz nicht mehr als Stuhl oder Thron gekennzeichnet, sondern als Block gearbeitet. Die sehr hohen und breiten Rückenpfeiler oder eher Lehnen nennen Titel und

106 Shoukry 1951: 27-31

Namen der Dargestellten. Bemerkenswert ist, daß keine der Figuren eine geöffnete Hand ausstreckt; nfr.t hält beide Hände unter der Brust gekreuzt, ra-Htp legt die rechte Faust vor die Brust, die linke Hand ruht zur Faust geballt auf dem linken Oberschenkel; eine Pose, die seitenverkehrt einer der Statuen des anx gleicht (2.8.2:). Gänzlich verschieden von den bisher besprochenen Sitzfiguren ist die Dimension der Statuen: sie sind lebensgroß und durch Bemalung und eingelegte Augen ausgesprochen lebensecht107. Außerdem trägt ra-Htp keine Perücke.

2.2. Weder der ursprüngliche Aufstellungsort noch der genaue Zeitpunkt der sekundären Vermauerung sind sicher zu bestimmen. Soweit erkennbar, besaß die Anlage vor ihrem Umbau keinen Serdab oder ähnlichen Raum, in denen die Statuen im Mastabamassiv etwa wie die des mTn untergebracht gewesen sein könnten. Daß die Statuen aber schon zur "Erstausstattung"

der Anlage zu zählen sind und nicht erst für den nun verschlossenen Statuenraum der umgebauten Kapelle angefertigt wurden, legen Abarbeitungen an den Seiten der Sitze nahe, durch die die Statuen ihrem neuen Aufstellungsort angepaßt wurden. Die erst sekundär erfolgte Einbringung der beiden Statuen in den Scheintürraum und die Vermauerung plaziert diese in einem West-Serdab, einem neuen Serdabtyp (s.u.).

Im Umbau der Kapelle manifestiert sich der Übergang vom Scheintürraum der Periode II (Nischen- bzw. Kreuzkapelle) zum Kapellentyp der Periode III (Vorraum oder -hof mit flacher Nische), der dann im Friedhof von Dahschur Mitte üblich ist. Der Umbau wird also erst der Praxis der Periode III zuzuordnen sein, während die ursprüngliche Anlage noch zur späten Periode II tendiert108. Das bedeutet, daß die ursprüngliche Funktion der Statuen nicht die einer Serdab-Statue gewesen sein muß, sondern daß durchaus andere Aufstellungsplätze und Funktionen möglich sind. Gegen die ursprüngliche Funktion als Serdab-Statue spricht auch das Fehlen der zum Speisetisch ausgestreckten Hand. Mögliche Kapellenbauten vor oder neben der Mastaba, in denen die Statuen zuerst aufgestellt gewesen sein könnten, sind durch die Ummantelung der Mastaba beim Umbau

107 Der bisher früheste Beleg einer ca. lebensgroßen Statue in funerärem Zusammenhang ist die "Serdab"-Statue des Djoser; Kairo JE 49158 (Lange / Hirmer 1967/1985: Tf. 16, 17;

Kairo 1986: Nr. 16). Smith 1946: 41 erwähnt außerdem Fragmente von einer überlebensgroßen Statue des Djoser.

108 Beim Umbau wurde eine Kultstelle aus einem Raum / Hof mit flacher Scheintür vor dem nun zu einem West-Serdab umgewandelten früheren Scheintürraum errichtet. Im Hof befanden sich frei aufgestellt zwei Stelen. Die beiden Stelen tragen nach Petrie 1892: pl. XII die Beschriftung eines rx nswt zA nswt (n) X.t=f nb jmAx bw-nfr (BM 1273, 1274; James 1961: 2, pl. II.1 + 2). Ob es sich hierbei um einen Zweitkult, eine Usurpation oder eine spätere Hinzufügung handelt, ist unklar (siehe Martin 1977: 56, Anm. 2).

verschwunden. Es ist aber auch denkbar, daß die Statuen ursprünglich an einem Kultplatz fern der Mastaba untergebracht waren109.

2.3. Die Lebensgröße und die durch Einlage der Augen, Bemalung und plastisch meisterhafte Gestaltung erreichte "Lebensechtheit"

unterscheidet die beiden Statuen von den kleinen magischen Bildern, die bisher besprochen wurden. Für jene älteren Statuen ist anzunehmen, daß sie als wirksames Abbild des Toten angesehen wurden, als magische Figuren, die im Rahmen entsprechender Rituale den Verstorbenen darstellen, vertreten und an seiner statt behandelt werden können. Die Identität von Verstorbenem und Abbild ist dabei nur mittelbar. Bei den Statuen des ra-Htp und der nfr.t fällt das Bemühen auf, die Identität von Dargestelltem und Darstellung, von Verstorbenem und Abbild, so unmittelbar wie möglich zu gestalten. Man kann vermuten, daß dahinter eine Tendenz steht, daß die Statue nicht mehr nur magisch für den Toten wirken soll, sondern viel unmittelbarer als der Tote selbst. Daß in beiden Fällen nicht nach dem Speisetisch gegriffen wird, kann als Indiz gewertet werden, daß die Statuen weniger eine bestimmte Funktion im Kontext des funerären Kultes spielen sollten - Affirmation der Existenz und des Empfangens von Opfern -, keine rundplastisch-allgemeine Hieroglyphen für

"am Fest teilnehmender Toter" sind, sondern vielmehr die Anwesenheit eines ganz bestimmten, individuellen Verstorbenen in jedem denkbaren Zusammenhang manifestieren. Die fehlende Perücke des ra-Htp nimmt der Statue einiges der Formelhaftigkeit der älteren Bildnisse und läßt sie

"persönlicher", unmittelbarer und weniger auf eine bestimmte Funktion festgelegt wirken. Die Statuen waren daher wohl keine Serdabfiguren im Sinne der älteren Sitzfiguren, sondern eher für einen Kultplatz vorgesehen, an dem die Anwesenheit der Toten in persona vorgesehen war. Die schon in der vorangegangenen Periode belegte Haltung der Arme auf der Brust kann als ein mit dem universellen ikonographischen Index

"Kommunikation" belegtes Element interpretiert werden, während der konkrete, auf eine bestimmte Form rituellen Umganges festgelegte Index

"Empfang des (Scheintür-)Opfers" fehlt.

3. Die Statuen des jpj

3.1. Erst kürzlich konnte den wenigen bekannten Statuenfunden aus der frühen 4. Dynastie ein weiteres bedeutendes Ensemble hinzugefügt werden. Es handelt sich um die beiden Standfiguren aus der Anlage des jpj

109 Die königliche Anlage von Medum, die Pyramide und ihr Tempel, wurde durch die Verlegung des Friedhofes nach Dahschur in eine Königskultstätte umgewandelt (Stadelmann 1980). Die baulichen Veränderungen waren also nicht auf die Prinzengräber beschränkt.

im Snofru-Friedhof von Dahschur (3.2)110. Die Anlage besitzt im Süden eine kreuzförmige Kapelle, die vom Typ her noch auf die Periode II verweißt. Am südlichen Flügel der Kapelle befindet sich eine Nische, in der offenbar die zwei männlichen Standfiguren gefunden wurden. Die genaue Position dieser Figuren ist unklar, sehr wahrscheinlich ist die Aufstellung mit Blick nach Osten111.

3.2. Die zur Rechten stehende Statue ist etwa lebensgroß; der Grabherr hält eine Flöte in der herabhängenden linken Hand, während sein rechter Arm über den Bauch zu ebendieser Flöte herübergreift. Die zur Linken stehende Statue ist etwas kleiner. Der Grabherr hält hier in der rechten herabhängenden Hand einen Stab, der an seinem Arm "hochgeklappt"

abgebildet ist, wie auch bei den Standfiguren des spA (2.2.1:+2:). Der linke Arm ist vor die Brust gelegt, die Hand hält ein Szepter. Bekleidet ist er mit einem Pantherfell über dem Schurz. Die Figuren besitzen hohe und breite Rückenpfeiler, die Basen sind beschriftet.

Einige Details wie die "hochgeklappe" Art der Darstellung von Amtsstäben sind stilistische Elemente, die bei Statuen der Periode II auftreten. Aber die ungewöhnliche Größe und die Varianten der Armhaltung schließen diese Statuen eng an die des ra-Htp und der nfr.t an. Die Statuen standen offenbar frei112.

Die beiden Statuen bilden ein Paar, wie es schon in S 3505 und durch das Statuenpaar des spA belegt ist. Anders als spA sind die beiden Statuen verschieden groß und durch Armhaltung und auch das Ornat unterschieden.

Es liegt hier ein Fall vor, in dem die Statuenvervielfältigung nicht allein einen Aspekt des Grabherrn mehrfach abbildet, sondern verschiedene Aspekte des Grabherrn beschreibt.

4. Auch bei jpj trifft, wie für ra-Htp und nfr.t zu, daß wenigstens eine Statue etwa lebensgroß und damit tendenziell naturalistisch ist. Die Verdoppelung der Statuen zeigt zugleich an, daß von dem Konzept der Vervielfältigung nicht abgerückt wird. Auch die naturalistischen Statuen können also als magische Bilder oder Zeichen verschiedene Aspekte

110 Ich danke Nicole Alexanian für die hier wiedergegebenen Informationen zu den Statuen des j p j. Zur Grabanlage des j p j siehe Alexanian in Stadelmann / Alexanian 1998: 301-303, Abb. 4, Taf. 50.b. Die von Nicole Alexanian identifizierten und von Hourig Sourouzian im Magazin der Altertümerverwaltung wiederentdeckten Statuen wurden von Sourouzian 1999 publiziert.

111 Alexanian in Stadelmann / Alexanian 1998: 303; siehe die vergleichbar West-Ost orientierte Seitenkammer, wohl ein offener Statuenraum, bei xa-bA.w-zkr (Reisner 1937:

fig. 158).

112 Auf dem Foto Alexanian in Stadelmann / Alexanian 1998: Taf. 50.b sind vor der Nische einige Brocken zu erkennen, bei denen unklar ist, ob es sich um Versturz oder um Reste einer sekundären Vermauerung handelt. Sollten es Reste einer sekundäre Vermauerung dieser Statuen sein, dann wäre diese der bei ra-Htp und nfr.t vergleichbar.

abbilden. Die funeräre Praxis dieser Periode scheint sich in einem Spannungsverhältnis bewegt zu haben: Einerseits war der Gebrauch verschiedener Abbilder des Grabherrn (Sitzfigur, Standfiguren, Vervielfältigung) als "Zeichen" in verschiedenen rituellen Zusammenhängen seit Periode II üblich. Andererseits liegt als typisches Element der Periode III der funerären Praxis eine Tendenz zu stilistischen Individualisierung und typologischen Konkretisierung der Statue(n) vor, die Abbild und bestimmte, einmalige, nicht-formelhafte Identität eng zusammenführt. Die Bilder des ra-Htp und der nfr.t stellen nicht den allgemein sitzenden Grabherrn vor, sondern zwei sitzende Individuen; die beiden Standfiguren des jpj verdoppeln nicht die überindividuelle Standfigur, sondern beschreiben zwei konkrete, voneinander verschiedene Wesensheiten dieser bestimmten Person, die als ein "Vorsteher der Lustbarkeiten" die Flöte als ein typisches, individuelles Attribut bei sich trägt und in der zweiten Statue das Pantherfell des Ritualisten umgelegt hat.

5. Im folgenden scheint diese Spannung zu zwei Lösungsvarianten geführt zu haben: Auf der einen Seite wurde der symbolische Bildbestand an der Grabstelle zugunsten der einmaligen, individuellen Abbildung reduziert, sogar so weit, daß zeitweise die Leiche (und ein Ersatzkopf) allein den Verstorbenen am Grab repräsentierten. Andererseits wurde die Statuenvervielfältigung vorangetrieben, um die unterschiedlichen Aspekte der Existenz des Verstorbenen besser beschreiben zu können. Während die erste Variante recht kurzlebig war und offensichtlich vor allem eine beinahe individuelle Tendenz einer sozial sehr bestimmten, kleinen Gruppe realisierte, wird die zweite Variante als strategische Möglichkeit von einer breiteren Gruppe der Residenzelite forciert.

4.2. Mittlere und späte Periode III in Dahschur und Giza

1. Dahschur

1. In der zweiten Hälfte der Regierungszeit des Snofru, als die rote Pyramide und der damit in Zusammenhang stehende Friedhof von Dahschur Mitte angelegt wurden, scheint der Gebrauch von Statuen im funerären Kult an der Grabanlage praktisch aufzuhören. Die Kapellen dieses Friedhofes besitzen keine Räume oder Installationen, die auf Statuenaufstellung verweisen; Reste von Statuen wurden nicht

gefunden113. Dieses Phänomen verweist auf ein Charakteristikum der Periode III der funerären Praxis der Residenz: deren Tendenz, Abbild und Person des Toten möglichst eng zu verbinden. Die Tendenz wird über die Angleichung der Statue an das lebendige Bild einer Person vorbereitet - wie bei ra-Htp und nfr.t -, kann aber auch bis zur vollständige Identifizierung der Persönlichkeit des Toten allein mit der Leiche führen, die als seine einzige "rundbildliche" Wesensheit und Erscheinungsform im Grab existiert.

Auch die allgemeine Reduktion der symbolischen Abbilder des Grabherrn, die geradezu charakteristisch für die Grabanlagen dieser Periode ist, scheint in diese Richtung erklärbar zu sein. Die äußerst aufwendigen steinernen Grabanlagen mit ihren sorgfältig gebauten Sargkammern werden als der Aufenthaltsort einer bestimmten Person verstanden. Diese Person ist nicht durch Symbole am Kultort vertreten die nur im Rahmen ritueller Handlungen aktiviert sind, sondern sie ist als voll wirksame, einheitliche und spezifische Person dauerhaft existent: in Form der sorgfältig als "Mensch" gestalteten Leiche. Diese Reduzierung der symbolischen Elemente der funerären Kultur geht parallel mit der Multiplizierung des Aufwandes für die "realen" Elemente der Grabanlage:

dauerhafte Steinmastaba, monumentale Sargkammer und Särge114, wahrscheinlich verbesserte Leichenbehandlung.

2. Giza - Ersatzköpfe

2.1. In Dahschur sind keine Leichen gefunden worden, die für diesen Erklärungsversuch sprechen würden. Aus den frühen Gräbern der Friedhöfe in Giza sind jedoch die sogenannten "Ersatzköpfe" bekannt, die in einem engen Bezug zur Sargkammer und der Leiche stehen. Diese Köpfe sind deutbar als die Konsequenz der hier beschriebenen Entwicklung, die Leiche und die Persönlichkeit des Toten auf das engste zu verbinden. Da den Ersatzköpfen außerdem eine besondere Rolle im Rahmen der Bestattung zuzuschreiben ist, sollen sie im folgenden ausführlich besprochen werden (s. u. Kap. 6.1.). An dieser Stelle sei folgendes angemerkt: Daß ein lebensechter Kopf des Toten hergestellt wurde, spricht dafür, daß ein solches Abbild des Toten im Rahmen ritueller Handlungen notwendig war. Die Leiche reichte demnach nicht aus, im Rahmen des Bestattungsrituals der hohen Periode III alle Rollen zu spielen, in denen der Tote präsent sein sollte. Indem man den Ersatzkopf mit in der

113 Siehe die sorgfältige Untersuchung der Mastaba II/1 von Dahschur Mitte (Alexanian 1995), in der keinerlei Statuenreste oder mögliche Installationen für Statuen gefunden wurden.

114 Auf die besondere Aufmerksamkeit bei der Gestaltung der Sargkammer in dieser Periode verweist u.a. Junker Giza I: 102.

Sargkammer unterbrachte, stellte man die "Einheit" von Verstorbenem, Leiche und Abbild aber zum Abschluß der Bestattung wieder her. Statuen des Toten im Oberbau sind in keiner Anlage mit Ersatzköpfen gefunden worden.

2.2. In Giza gehen die Bestattungen mit Ersatzköpfen mit dem Auftreten eines Kapellentyps parallel, der auf die Installation der Scheintür verzichtet und die südliche Kultstelle nur durch eine Speisetischtafel markiert. Dieser Kapellentyp blieb nur kurze Zeit im Gebrauch (s.u. Kap.

5.3.1.). Ersatzköpfe werden zwar noch bis in die frühe 5. Dynastie gelegentlich benutzt, aber sie sind dann nicht mehr die einzige mögliche Form der rundplastischen Abbildung des Toten. Wahrscheinlich waren sie es sogar nie, denn ebenfalls unter Cheops setzt sich die Tendenz fort, Statuen des Grabherrn zu verwenden. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß in Giza die Einführung größerer oberirdischer Kultanlagen mit Installationen zur Statuenaufstellung erst etwas später als die der Speisetischtafel-Kapellen erfolgte, aber mit einiger Wahrscheinlichkeit doch schon unter Cheops115.

3. Giza – Die Anlage des Hm-jwnw

3.1. Die Sitzfigur des Hm-jwnw wurde in einem Serdab im Westen der nördlichen Scheintür seiner Grabanlage in Giza West gefunden (3.3). Sie zeigt den Grabherrn in frappierend naturalistischer Weise, mit ursprünglich eingelegten Augen, fett und ohne Perücke. Beide Hände sind auf die Oberschenkel gelegt, die rechte ist zur Faust geballt, die linke geöffnet. Diese Handhaltung ist bei der überwiegenden Zahl der Sitzfiguren im AR ab der späten Periode III üblich116. Die Gründe der Aufgabe des Motivs der vor die Brust gelegten rechten Hand117 und des Wechsels der geöffneten, zum Speisetisch ausgestreckten Hand von der rechten zur linken sind mir unbekannt118. Davon abgesehen folgt die Statue dem Typ

115 Reisner 1942: 296 (Einführung des Scheintürraumes NS:L:1s).

116 Smith 1946: 22; Shoukry 1951: 56-58; Vandier 1958: 65

117 Im Flachbild bleibt beim Bild des am Speisetisch sitzenden Grabherrn die vor die Brust gelegte Hand im ganzen AR üblich. Meist hält der Grabherr in dieser Hand einen Wedel, als jüngere Variante ein Salbgefäß, Frauen ab Periode V auch einen Spiegel. Wedel oder Lotos, Salbgefäß und Spiegel sind Elemente, die im Zusammenhang mit Zeremonien der Herstellung liminaler Situationen auftreten und somit in konkreterer Weise als die geöffnete oder zur Faust geballte Hand mit dem Index "rituelle Kommunikation" versehen sind. Beispiele und Varianten siehe Vandier 1954: 430; Junker Giza XII: Abb. 3. Die Speisetischtafel des nfr, wohl aus G 2110 und ca. zeitgleich der Hm-jwnw-Statue setzt die neue Handhaltung auch im Flachbild um: beide Hände liegen auf den Knien, sind aber auch beide geöffnet (Vandier 1952:

763f, fig. 507).

118 Siehe die Überlegungen Shoukry 1951: 119-127, der davon ausgeht, daß der

"Schattenstab" in der geschlossenen Hand die symbolische Abkürzung eines Würdezeichens ist (op. cit. 128f). Einige Statuen zeigen weiterhin die umgekehrte Handhaltung (Vandier

der Sitzfiguren der Periode II. Was aber einen entscheidenden Unterschied macht, sind die Dimension und Ausführung sowie die Aufstellung; diese Elemente hat die Statue mit denen des ra-Htp und der nfr.t gemein.

3.2. Der Serdab hinter der Scheintür besaß einen kleinen Schlitz, über den die Kommunikation mit der Statue möglich war. Die Scheintür selbst war nicht mit einem Bild des Grabherrn versehen, weder dem schreitenden Toten am Scheintürdurchgang, noch dem sitzenden auf einer Speisetischtafel. Sie ist nicht mehr die eigentliche Kultstelle, wie es die dekorierten Scheintüren der Periode II waren, sondern nur noch ein symbolischer Durchgang, der dem im Serdab durch die Statue manifesten Grabherrn symbolisch die Möglichkeit verschafft, aus dem Grab heraus zu agieren. Anders als bei Statuen, die am Kultort den Grabherrn zeitweise vertreten, ist hier durch die Positionierung die große Nähe von (naturalistischer) Statue und Grabherr unterstrichen: Die Statue steht nicht bei bzw. neben der Kultstelle, sondern ist die eigentliche Kultstelle, der alleinige Bezugspunkt des Kultes. Alles deutet darauf hin, daß in dieser Statue das Abbild des Grabherrn kaum als symbolisches Zeichen verstanden wird, sondern als konkrete Manifestation. Die einzelnen Elemente - ruhendes Sitzen, ausgestreckte Hand, Namens- und Titelbeischrift - ergeben für sich den funktionalen Sinn der Statue als Grabfigur, dieser tritt aber hinter dem der Verkörperung des Grabherrn als Individuum zurück.

3.3. Ähnlich ist die Situation an der südlichen Kultstelle. Hier, dem Zugang zur Kapelle direkt gegenüber, befand sich hinter einer ebenfalls undekorierten, also nur mit dem Index "Durchgang" versehenen Scheintür ein Serdab, der den Maßen nach eher für eine lebensgroße Standfigur denn

1958: 66). Beispiele für Sitzfiguren des AR mit geöffneter rechten Hand und zur Faust geballten linker Hand: Statue des Hwtj CG 64 (15.4.1:); Statue des nfr=f-ra-anx CG 87 (15.20); Statue des kAj Louvre A. 106 (15.22.2:); Statue eines Mannes (Abu-Bakre 1953:

pl. XV); Statue des snnw aus G 1608 (Smith 1946: pl. 22.d); Statue des mmj Leipzig 2560 (14.19.2:); Männliche Figur der Gruppensitzfigur des jpzx (13.21; mit auf die Brust gelegter geöffneter linken Hand); Sitzfigur Leipzig 2464 (14.117). CG 650 wurde nicht in der Residenz gefunden, zeigt aber ebenfalls diese Handhaltung. Engelbach 1938: 286 geht davon aus, daß diese Statuen Linkshänder darstellen, was allgemein abgelehnt wird. In einigen Fällen, so besonders CG 64 und Louvre A. 106, kann davon ausgegangen werden, daß die Statuen aus der Übergangszeit von den Konventionen der Periode II und III.a zu denen der Periode IV stammen und noch die "alte" Handhaltung der ausgestreckten rechten Hand zeigen,

pl. XV); Statue des snnw aus G 1608 (Smith 1946: pl. 22.d); Statue des mmj Leipzig 2560 (14.19.2:); Männliche Figur der Gruppensitzfigur des jpzx (13.21; mit auf die Brust gelegter geöffneter linken Hand); Sitzfigur Leipzig 2464 (14.117). CG 650 wurde nicht in der Residenz gefunden, zeigt aber ebenfalls diese Handhaltung. Engelbach 1938: 286 geht davon aus, daß diese Statuen Linkshänder darstellen, was allgemein abgelehnt wird. In einigen Fällen, so besonders CG 64 und Louvre A. 106, kann davon ausgegangen werden, daß die Statuen aus der Übergangszeit von den Konventionen der Periode II und III.a zu denen der Periode IV stammen und noch die "alte" Handhaltung der ausgestreckten rechten Hand zeigen,

Im Dokument Statue und Kult (Seite 48-64)