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Auftreten von Gruppenfiguren

Im Dokument Statue und Kult (Seite 156-172)

Teil II - Statuentypen des hohen und späten Alten Reiches

8. Männliche Standfiguren mit "Vorbauschurz"

9.2.1. Auftreten von Gruppenfiguren

1. Der früheste Beleg einer Gruppenfigur ist die Sitzfigur des Djedefre mit der zu seiner Linken am Boden hockenden kleinen Frauenfigur aus dem Pyramidentempel dieses Königs (7.1.1:). Fragmente von weiteren Statuen dieses Typs wurden zusammen mit diesem Statuenbruchstück gefunden346. Der genaue Aufstellungsort der Statuen ist nicht bekannt; sie lagen verworfen in der Bootsgrube im Südosten der Tempelanlage.

Auf die Besonderheit der hockenden Figur als ein Statuentyp, der die Teilnahme einer Person an einem kultischen Geschehen dauerhaft affirmieren soll, wurde im Kap. 7 zu den Schreiberfiguren eingegangen.

Folgt man der dort aufgestellten These, so hatte in der Periode III der königliche Kult die Tendenz, auch den Kult der Königsumgebung zu integrieren, was sich u.a. auch in den zentralisierten und einheitlich geplanten Nekropolen der Residenzelite und besonders der Königsverwandten abbildet. Die Teilnahme der Königsumgebung am Kult des Königs wurde über die Darstellung der Personen als ein am Boden Hockender rundplastisch affirmiert. Die Übernahme einer dieser Figuren -die der Gattin - in -die direkte Nachbarschaft einer Königsfigur ist bemerkenswert und kann als Beleg der These gelten, daß Königskult und Kult der Königsumgebung an der "äußeren" Kultstelle in der hohen 4.

Dynastie verknüpft waren.

Die kleine hockende Figur zu Füßen der Königsstatue affirmiert in besonderer Weise die Teilnahme der Frau am Kult. Die (oder eine) königliche Gemahlin wird in diesem Statuentyp dem Pharao in enger Weise zugeordnet, was besonders durch das Umschlingen seines Beines ausgedrückt ist. Als erster Beleg einer Gruppenfigur beschreibt die Statue den Pharao in einer Situation, in der ihm eine Frau zugeordnet ist, die -durch ihre Haltung ausgedrückt - an dieser Situation "teilnimmt". Über die Beschreibung der "Teilnahme" hinaus wird aber auch die Verbindung von Pharao und dieser bestimmten Frau besonders thematisiert. Diese Frau ist nicht nur Teil der sozialen Institution "Königsfamilie" - wie es die Aufstellung der anderen Statuen von am Boden hockenden Personen

346 Baud 1999: 48, es sind auch Fragmente gefunden worden, bei denen die Frau zur Rechten des Königs hockt; Baud loc.cit. nimmt an, daß es symmetrisch aufgestellte Gruzppen von je zwei Stauen gab.

ausdrückt - sondern darüber hinaus Teil einer besonderen sozialen Institution, der "Ehe" mit dem Pharao.

Mit der Kombination von königlicher Statue und kleiner Nebenfigur der

"teilnehmenden" Frau wurde so ein Statuentyp geschaffen, der in neuartiger Weise auch eine besondere soziale Situation beschreibt, und zwar die einer Frau der königlichen Umgebung. Es wurde schon auf die Synchronität der Erfindung neuer rundplastischer Abbildungen und damit Beschreibungen von Individuen des Königsfamilie hingewiesen, die alle aus dem Umfeld des Cheops / Djedefre stammen: die Sphinx als Bild des Pharao, der Schreiber als Bild des "verwaltenden Prinzen", hier nun die Gruppenfigur des Pharao und der hockenden Frau als Bild einer weiblichen Position im Königsumfeld.

2. Auch der zweite Beleg einer Gruppenfigur aus dem königlichen Bereich dient der Präsentation der Beziehung von Pharao und einer weiblichen Angehörigen des Königshauses. Die Statue des Mykerinos und einer Frau (7.2)347 geht in der Beschreibung der Position und auch der Rolle der Frau aber bedeutend weiter, als bei Djedefre, wo nur die Teilnahme der Frau am Kult Inhalt der Rollenbeschreibung war. Die weibliche Figur der Mykerinos-Gruppe steht annähernd gleichgroß in Schrittstellung zur Linken des Pharao, sie umfaßt seine Hüfte und berührt seinen linken Arm.

Leider ist auch bei dieser Statue die ursprüngliche Aufstellung nicht bekannt. Es kann aber als sicher gelten, daß die Statue einem Zusammenhang entstammt, in dem die aktive Rolle beider Personen -Pharao und Frau - und die dadurch erzeugte Einheit Gegenstand kultischer Affirmation war. Die "echte" Gruppenfigur ordnet die Frau dem Pharao nicht mehr nur zu, wie bei der Djedefre-Statue, sondern verbindet Pharao und Frau zu einer Entität, die der eigentliche Gegenstand der Beschreibung ist - und nicht nur (aber auch) die Position der jeweiligen Einzelpersonen.

3. Der erste Beleg für eine Gruppenstandfigur nichtköniglicher Personen stammt ebenfalls aus der direkten Königsumgebung und steht wiederum mit der Darstellung von weiblichen Angehörigen des Königshauses in Beziehung. Die Gruppe aus dem Grab der mr=s-anx III. zeigt die stehende

347 Die Statue trägt keine Inschrift, die Benennung der weiblichen Figur als Königin xa-mrr-nb.tj (II.) geht auf Reisner 1931: 110 zurück, ist aber keineswegs gesichert. Es kann sich auch um eine andere Königin (Seipel 1980: 165) oder um die Mutter des Königs

handeln. Rzepka 1998: 84-86 schlägt vor, aufgrund der Größe der Frau in ihr keine Königin oder Mutter zu sehen, sondern eine Göttin, konkret die Hathor. Diese Ansicht vertritt auch Stadelmann 1999: 176. Dem steht entgegen, daß in allen als Parallelen herangezogenen Gruppenfiguren des Mykerions die Hathor stets den prestigeträchtigeren Platz zur Rechten des Königs einnimmt oder im Zentrum der Gruppe thront (MFA 09.200;

Seidel 1996: Taf. 8). Der prestigemindere Platz zur Linken käme eher einer rangniederen Göttin zu, für die dann aber ein eindeutiges Götterattribut zu erwarten wäre. M. E. bleibt die Deutung als Königin bzw. eher Mutter des Königs wahrscheinlich.

Htp-Hr=s, die ihrer zur Linken stehende Tochter mr=s-anx den Arm über die Schulter auf die linke Brust legt (7.3). In den beiden Felsgruppenfiguren an der Westwand derselben Anlage kann man wahrscheinlich dieselben Personen sehen; die nördliche Gruppe (17.1.18:) hält sich an den Händen -Pose C -, die südliche legt jeweils den Arm um die Hüfte der anderen, was eine doppelnde Variante der Pose A ist (17.1.17:). Nimmt man den Beleg der Mykerinosgruppe mit Pose B hinzu, sind alle grundsätzlichen Armhaltungen von Gruppenfiguren bei diesen Beispielen mit Frauen der Königsfamilie der 4. Dynastie schon belegt.

4. Auch der erste Beleg einer Gruppensitzfigur stammt aus der Anlage einer weiblichen Angehörigen der Königsfamilie. Die nur durch eine kurze Notiz bekannte Statue bildete einen Mann und eine Frau ab und war in einer Art Statuenraum mit anderen Statuen der xa-mrr-nb.tj vermauert worden (7.4). Es handelt sich um die Sitzfigur der Grabherrin mit einer gleichgroßen männlichen Sitzfigur, die sehr wahrscheinlich ihren Sohn xw-n-ra darstellt. Die Pose einer möglichen Berührung zwischen den Statuen ist nicht bekannt. Ob ein ebenfalls erwähntes Dioritfragment tatsächlich von einer weiteren Gruppenfigur stammt und welcher Art, ist nicht überprüfbar.

5. Vergleicht man den Befund aus diesen beiden für die Entwicklung des Kultes an Statuen so wichtigen Gräbern der Frauen mit dem der beiden in dieser Hinsicht ebensowichtigen Anlagen der Männer kA-wab (12.1) und bA-bA=f (12.4), so fällt auf, daß es dort keinen Hinweis für "echte"

Gruppenfiguren gleichgroßer Hauptfiguren gibt. Von kA-wab ist hingegen durch eine kurze Notiz bekannt, daß sein Ensemble eine große - eventuell lebensgroße - Standfigur mit einer kleinen Nebenfigur enthielt (7.5).

Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um eine Statue vom Typ II.a; die Nebenfigur könnte eine kleine Knabenstandfigur sein. Ein Fragment einer solchen Gruppenfigur vom Typ II.a wurde auch auf dem Westfriedhof im Bereich der Anlage des Axj gefunden, die formal noch der funerären Praxis der Periode III.c entspricht (7.6). Das Kopffragment kann einer Knabenfigur zugeordnet werden. Damit ist in den Ensembles von Männern ein anderer Typ der Gruppenfigur als bei den Frauen belegt, der eine kleine Nebenfigur mit der deutlich größeren Hauptfigur kombiniert. Die Beschreibung der Beziehung zwischen den Personen der Gruppe bedient sich einer spezifischen ikonographischen Indizierung, die eine ganz bestimmte Position der Nebenfigur - als "Kind" - fixiert. Während die

"echten" Gruppenfiguren bei kA-wab und bA-bA=f fehlen, sind in den Ensembles andere, typisch "männliche" Statuentypen wie der Schreiber und, nur bei bA-bA=f, die Standfigur mit Vorbauschurz belegt.

9.2.2. "Echte" Gruppenfiguren

1. Die "echte" Gruppenfigur gleichgroßer Hauptfiguren wurde offenbar im Umfeld der königlichen Familie in der 4. Dynastie geschaffen, um die besondere Rolle der weiblichen Familienmitglieder zu beschreiben. Während bei Djedefre noch die Teilnahme am Kult des Gatten die typische Rolle der Frau zu sein scheint, die geschildert wird, so drückt die Verbindung von Mykerinos und einer Frau eine engere Beziehung aus.

Die Parallele der Gruppe des Mykerinos zu den Standbildern des Pharaos und einer Göttin348 und zu den Triaden, die Mykerinos mit der Göttin Hathor verbinden349, ist offensichtlich und insgesamt kann die Entwicklung der Gruppenfigur als Statuentyp in seinem formalen Aspekt wohl nicht von der Entstehung dieser königlichen Bildwerke getrennt werden. Die Gruppenfiguren des Königs sind rundbildliche Affirmation von Konzepten, die den Pharao als Teil übernatürlicher kollektiver Entitäten beschreiben350. Bei der Gruppierung von Pharao und Göttin bzw. Frau liegt wohl eine Beschreibung männlicher und weiblicher Komplementarität im Konzept des Königtums vor. Diese Komplementarität umfaßt die Generationen, d.h. die Frau ist in zwei Rollen Teil des Systems, als Gattin und als Mutter351.

Während die Beschreibung der königlichen Frau in ihrer Rolle als Gattin und / oder Mutter des Königs nur im königlichen Kult auftritt, da hier der Ort der Affirmation des so konstituierten Systems ist, ist die Beschreibung der königlichen Frau als Mutter anderer Kinder auch im funerären Kult von Angehörigen des königlichen Haushaltes möglich. Über die Thematisierung dieser Mutterrolle ist die Verbindung der Htp-Hr=s mit ihrer Tochter mr=s-anx und die der xa-mrr-nb.tj mit ihrem Sohn xw-n-ra in den Statuen aus funerären Anlagen der Frauen zu erklären.

2. Die "echten" Gruppenfiguren der 4. Dynastie, im königlich-göttlichen wie nichtköniglichen Bereich, beschreiben die Dargestellten also als Komponenten eines Systems, in dem jede der Komponenten eine bestimmte Position einnimmt und eine Rolle spielt. Gegenstand der Affirmation im Rundbild ist dabei

a) das so konstituierte System selbst, das ohne die Komponenten inexistent ist,

348 Siehe die Belege bei Seidel 1996: 10-12: König und katzenköpfige Göttin, 4. Dynastie;

op.cit: 17-19: Chefren und Bastet.

349 Seidel 1996: 25-42

350 Eine Deutung königlicher Gruppenfiguren ist nicht Ziel dieser Arbeit, siehe dazu Seidel 1996: 57f.

351 Dazu: Troy 1986: 25-32, 44, 54-68 u. passim; Lohwasser 1997: 286-288.

b) die Identität der das System konstituierenden Personen und

c) durch das ikonographischen Elemente der Berührung durch eine weibliche Person die Beschreibung einer Rolle.

Die Deutung des "ikonographischen Index" der Berührung ist schwierig, da ja nicht einmal in jedem Fall eine Berührung vorliegt und die Kombination der Personen in einer Statue an sich schon eine Beschreibung von "Nähe"

ist352. Die durch Berührung oder einfache Gruppierung hergestellte "Nähe"

beschreibt in jedem Fall eine Gruppe, die sich durch äußerst enge Abhängigkeit auszeichnet und die durch diese spezifische Beziehung überhaupt erst konstituiert wird.

Diese grundsätzliche Indizierung der Gruppenfigur mit dem Index "durch Nähe konstituierte Gruppe (= Entität)" ist aber sorgfältig von der konkreten Ausdeutung und Aktivierung des Index in der Praxis zu trennen;

eine Göttertriade beschreibt eine durch "Nähe" konstituierte Gruppe und so real gewordene Entität, die von einer formal ähnlich gestalteten Familiengruppen inhaltlich äußerst verschieden ist!

3. Der gesicherte Fundort der beiden nichtköniglichen Gruppenfiguren in den Anlagen der xa-mrr-nb.tj und der mr=s-anx III. zeigt, daß in der frühen Periode IV der funerären Praxis der Typ der "echten" Gruppenfigur in den Statuenbestand der Grabanlagen von Frauen der königlichen Familie übernommen wurde. Die Gruppenfiguren waren mit weiteren Rundbildern in Statuenräumen aufgestellt. Die Belege aus den Anlagen des kA-wab und des Axj deuten an, daß etwa zur gleichen Zeit ein anderer Typ der Gruppenfigur in die Statuenensemble funerärer Anlagen nichtköniglicher männlicher Personen aufgenommen wurde. Der "zuordnende" Typ dieser Gruppenfiguren unterscheidet sich deutlich von den "gleichberechtigten"

Gruppen und setzt ein Prinzip fort, das bei der Gruppe des Djedefre belegt ist. Hierbei wird die Hauptfigur mit einer Nebenfigur kombiniert, die eine sichtlich von der Hauptfigur verschiedene Position einnehmen. Dieser Typ ist auch im folgenden praktisch ausschließlich für männliche Hauptfiguren belegt353. Die "echte" Gruppenfigur bleibt hingegen die Form der Darstellung der weiblichen Person par excellence - Einzelfiguren von Frauen sind äußerst selten.

352 So variieren die Triaden des Mykerinos die Posen der Berührung, von Varianten der Posen A, B und C bis hin zu keiner Berührung untereinander, siehe Seidel 1996: Taf. 5-8.

Eine grundsätzliche inhaltliche Differenz zwischen den verschiedenen Berührungsposen und wohl auch der Pose des "sich-nicht-Berührens" liegt offensichtlich nicht vor. Es handelt sich in jedem Fall um eine Variante des ikonographischen Index "Nähe".

353 Einzige Ausnahme ist die Sitzfigur der xn.t (7.10) mit dem Sohn als Nebenfigur.

9.2.3. "Zuordnende" Gruppenfiguren

1. Die Gruppenfiguren des sanx.w-ptH

1.1. Es soll an dieser Stelle das Ensemble des sanx.w-ptH besprochen werden, in dem der Typ der Kombination einer männlichen Hauptfigur mit Nebenfiguren exemplarisch belegt ist (7.7). Der Fundort und die genaue Datierung des Ensembles sind unbekannt; aufgrund stilistischer und ikonographischer Details kann es aber in die Periode des Übergangs von der 4. zur 5. Dynastie datiert werden. Sehr wahrscheinlich ist die Herkunft aus Saqqara, u.a. auch deshalb, weil der Typ der am Boden hockenden weiblichen Figur bei nichtköniglichen Statuen aus gesichertem Zusammenhang nur aus Saqqara belegt ist. sanx.w-ptH trägt in allen drei Fällen einen ungewöhnlichen Schurz354, was dafür spricht, daß die Statuen aus der Periode des Experimentierens mit neuen Ausdrucksformen am Ende der 4. Dynastie stammen. Die stilistische Qualität der Gruppen und die Größe sprechen ebenfalls für einen frühen Ansatz.

1.2. Zwei der Statuen - eine Standfigur und eine Sitzfigur - zeigen sanx.w-ptH mit einer kleinen hockenden Frauenfigur zur Linken; eine weitere Sitzfigur zeigt ihn mit zwei kleinen Knabenstandfiguren. Die weibliche Figur ist als seine Gattin beschriftet, einer der beiden Knaben als sein Sohn (bei dem zur Linken ist die Inschrift zerstört). Die Größenverhältnisse der Abgebildeten macht offensichtlich, daß alle drei Statuen in erster Linie Abbilder des sanx.w-ptH sind, dem zweimal die Gattin und einmal die Söhne nur zugeordnet werden. Die Identität der Nebenfiguren wird in Beziehung zum Statueninhaber beschrieben (Hm.t=f, zA=f), was die Anbindung an die Hauptfigur unterstreicht. Weder die Frau noch die Söhne werden in einer Position abgebildet, die der des Mannes als anderen Teil eines Systems annähernd entsprechen würde.

Während der Mann in den beiden prinzipiellen Erscheinungsformen eines Toten auftritt - sitzend-versorgt und schreitend-aktiv - sind die Nebenfiguren keine vollwertigen Abbilder im Sinne der Beschreibung von Empfängern eines Kultes, sondern Funktionsfiguren. Sie stellen die Personen in einer bestimmten Position bzw. bei einer bestimmten Handlung dar: bei der Frau das "teilnehmende" Hocken am Boden, bei den Söhnen die Position des Kindes, des Nachkommens. Die Kinder-Ikonographie impliziert über die soziale Position zugleich die für Nachkommen typische Rolle, die u.a. in der Pflege des Kultes der Vorfahren, konkret des Vaters, besteht.

Sie werden nicht als "vollwertige" Persönlichkeiten abgebildet, sondern

354 Staehelin 1966: 5f

durch die Ikonographie auf diese bestimmte Rolle festgelegt. Der Unterschied zu den oben besprochenen, gleichwertige Komponenten eines Systems beschreibenden "echten" Gruppenfiguren ist fundamental und man muß sich fragen, welche Art von "durch Nähe konstituierte Gruppe" in diesem Typ der Gruppenfigur beschrieben wird.

1.3. Für die hockende Frauenfigur kann aus der Analogie zu der Statue des Djedefre und den Einzelfiguren von am Boden Hockenden geschlossen werden, daß in dieser Darstellungskonvention die "Teilnahme" der kleiner dargestellten Personen Thema der Beschreibung ist. Die abgebildete Frau ist demnach nicht der Kultempfänger dieser Statue, sondern affirmiert durch das hockende Abbild ihre Teilnahme am Kultgeschehen an der männlichen Statue. Wiederum analog sind auch die Knabenfiguren demnach nicht Kultempfänger, sondern wohnen dem Kult bei. Beschrieben wird hier also weniger die Existenz einer Entität aus mehreren Komponenten ("Familie"), sondern vor allem die Existenz der Entität "Grabherr", ergänzt um Komponenten, die für die Erzeugung und Erhaltung dieser Entität notwendig sind. Die Nebenfiguren haben den Charakter von Akzidenzien, ohne deren Anwesenheit / Teilnahme die Existenz der Hauptfigur in der beschriebenen Weise nicht möglich ist, die Existenz der Nebenfiguren selbst ist aber nicht der eigentliche Gegenstand der rundplastischen Affirmation.

2. Die unterschiedliche Größe drückt also nicht in erster Linie eine soziale Hierarchie aus, sondern vor allem eine kultische Rolle, eine Funktion, die für die verschiedenen Teile der Statue unterschiedlich ist: die Hauptfigur ist Kultempfänger, die Nebenfiguren sind Bilder, die die Teilnahme der Abgebildeten am Kult affirmieren. Daß Größenunterschiede dabei auch immer auf soziale Abstufung deuten, soll nicht bezweifelt werden, ist aber im Fall der Kombination von Haupt- und Nebenfiguren nicht primär der Inhalt der beschriebenen Situation355.

3. Gegen diese These, die kleinen Figuren würden nur die Teilnahme der Dargestellten affirmieren, spricht aber die Ausrichtung der Nebenfiguren:

Nebenfiguren sind stets ebenso ausgerichtet wie die Hauptfigur. Für diese ist davon auszugehen, daß sie "frontal zur Kultrichtung" steht und daß Teilnehmer am Kult an der Statue logisch gesehen in entgegengesetzter Richtung zu agieren haben. Diesem Prinzip folgt zumindest die Dekoration der Kapellen seit den ersten Belegen von Kultaffirmation in der Übergangszeit von Periode II zu Periode III. Es ist aber nicht die einzige Variante, mit der Kultvollzug und soziale Beziehungen zwischen Personen

355 Anders als Größenunterschiede zwischen Hauptfiguren, die sehr wohl einen Statusindex besitzen.

im Flachbild affirmiert werden. Vielmehr ist das Prinzip der "Gruppierung"

von zueinander in Beziehung stehenden Personen ein noch älteres. Im folgenden Exkurs zu den Konventionen der Darstellung im Flachbild soll zuerst die Darstellung der Nachkommen eines Grabherrn betrachtet werden, da die Belege für kleine Knaben- und Mädchenstandfiguren im Flach- und im Rundbild häufiger sind als die für die hockende weibliche Figur.

9.2.4. Exkurs: Nebenfigur und "Kultrichtung" - Konventionen im Flachbild

1. Die ersten Belege für die ausführliche Abbildung sozialer Bindungen im Flachbild befinden sich an den Pfosten von Scheintüren, auf denen die Angehörigen des Grabherrn, zumeist seine Kinder abgebildet sind356. Sie befinden sich gewöhnlich an den Pfosten der Scheintür, nach rechts gewandt am linken Pfosten und nach links gewandt am rechten Pfosten, was jeweils der "Leserichtung" entspricht und damit die Vorstellung umsetzt, die abgebildete Person "steht vor dem Leser"357. Diese Konvention der Abbildung von Nachkommen ist nur bis in die Übergangszeit von Periode III zu Periode IV belegt und wird dann durch andere Formen der Affirmation sozialer Bindungen, die auf die Prinzipien der "Kultrichtung"

Rücksicht nehmen, ersetzt. Dabei stehen oder sitzen sich der Grabherr und die Nachkommen gegenüber, wie im Kult üblich358. Die frühen Belege implizieren also keineswegs, daß auch die Kinder des Grabherrn Empfänger des Kultes an diesen Scheintüren sind, sondern ihre Abbildung ist Teil der sozialen Definition des Toten und der Beschreibung der seine Existenz sichernden Handlungen. Prinzipiell wird die Existenz des Toten ja durch die Existenz von Nachkommen und deren Teilnahme am Kult gesichert.

In Beispielen aus der späten Periode III und frühen Periode IV wird auf den Scheintürpfosten und an angrenzenden Wänden das Bild des

"heraustretenden" Grabherrn mit Bildern seiner Kinder kombiniert, die dabei sehr viel kleiner als der Grabherr dargestellt sind 359. Die stark verkleinerte Abbildung der Nebenfiguren entspricht der im Flachbild gebräuchlichen "Bedeutungsperspektive", die den zentralen Gegenstand der Darstellung sehr viel größer abbildet, als jene Dinge, die nur in

356 z.B. Medum, Anlage des nfr-mAa.t: Petrie 1892: pl. XXVI; Anlage des ra-Htp. op.cit.: pl.

XII-XIV

357 Fischer 1977: 5

358 Z.B. in der in dieser Zeit formalisierten Fest-Ikone; z.B. BGM 1: fig. 8.

359 Harpur 1987: 78: 1.3.8.4. Family groups including tomb owner, his wife, and a child (or children) side by side.

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