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Die Funktion der Schreiberfigur als Serdabstatue

Im Dokument Statue und Kult (Seite 116-124)

Teil II - Statuentypen des hohen und späten Alten Reiches

7.4.2. Die Funktion der Schreiberfigur als Serdabstatue

1. Die Schreiberfigur im Serdab gehört zu einer Gruppe von Statuen, die in gesonderten Räumen untergebracht wurden und verschiedene Aspekte des Toten dauerhaft am Ort der Bestattung affirmieren. Solche Statuenensembles in verschlossenen Statuenräumen sind erst ab der Periode IV belegt. Die Schreiberfigur wird diesem Ensemble schon in der frühen Periode IV zugeordnet und bleibt die ganze Periode IV üblich, während das Auftreten von Schreiberfiguren in andere Funktionen - als teilnehmender Angehöriger oder Angestellter - selten wird und wohl auf Periode IV.a (in Giza?) beschränkt ist.

2. Die Schreiberfigur hat im Serdab keine besondere Funktion im Kult (es wäre die der Affirmation von "Teilnahme", die in im abgeschlossenen Statuendepot, oft fern der Kultstellen, sinnlos ist), sondern beschreibt eine Eigenschaft des Grabherrn, und zwar über das "Zeichen" der abgebildeten Aktionen:

a) das Schreiben / Lesen einer Schriftrolle und

b) die Präsentation einer solchen Schriftrolle vor einer höhergestellten Person, die in Schreiberhaltung zu erfolgen hat, wie aus den Belegen im Flachbild bekannt.

Der Schreiber ist in der Regel inschriftlich als hochstehende Persönlichkeit gekennzeichnet. Die Schreiberfigur als Bild des Grabherrn ist daher nicht jeder Abbildung von Schreibern im Flachbild gleichzusetzen, in denen häufig Personen der mittleren Verwaltungsebene in der Position des Schreibers abgebildet werden. Gemeinsamkeiten bestehen vor allem zu solchen Abbildungen, in denen die nächsten männlichen Verwandten - Söhne oder die an deren Stelle agierenden Vorsteher des Haushaltes - Schriftrollen halten oder dem Grabherrn übergeben. Das Führen und Vorweisen der Schriftrolle ist eine Abbildung, durch die sich Personen juristisch als die Inhaber der Verfügungsgewalt über ein bestimmtes Spektrum an Besitz ausweisen. Die Schreiberfigur ist daher in hohem Maße "Status-indiziert",

sie bildet eine Persönlichkeit ab, die in der Hierarchie einer Verwaltung die höchste, "federführende", Position innehat250.

3. Die frühesten Belege von Schreiberfiguren stellen direkte Königsabkömmlinge dar und stammen aus der unmittelbaren Umgebung der Grabbauten des Königs: dem Ostfriedhof von Giza, der die königliche Familie in den Komplex des Königsgrabes einbezieht, wesentlich sinnfälliger noch bei den Statuen aus dem Tempeln des Snofru und des Djedefre. Die Rolle der Königssöhne der hohen 4. Dynastie, oberste Verwalter der Residenzaktivitäten zu sein251, wird durch ihre Positionierung als

"Schreiber vor dem Pharao" ikonographisch umgesetzt. Ort der Visualisierung dieser Rolle ist der Kultplatz des Königs, Medium der Visualisierung ist die Figur des "teilnehmend am Boden Hockenden", diese Figur ist aber um das wesentliche ikonographische Element des Schreibgerätes ergänzt und präzisiert: Die Wahrnehmung der Rolle wird durch eine besondere Spezialisierung möglich.

Ähnlich wird das Verhältnis von Grabherr und Verwalter in den Fällen umgesetzt, in denen Schreiberfiguren von Angestellten in Gräbern nichtköniglicher Personen aufgestellt bzw. in den Felsen geschlagen sind.

Damit ist das ikonographische Element "teilnehmend hockender Schreibkundiger" aber nicht mehr auf die Gruppe der Königsfamilie beschränkt, sondern bildet auch Personen ab, die, z.B. bei mr=s-anx, die Gruppe der dependent specialists von Angehörigen der Königsfamilie bilden.

4. Die Verbindung zwischen den Schreiberfiguren im Serdab und denen, die Anwesenheit am Kult affirmieren, liegt in der im Bild des Schreibers thematisierten Rolle und dem daraus resultierenden Status. Während die frühen Figuren in hockender Pose Männer und Frauen teilnehmend, oft mit auf die Brust gelegten Armen abbilden, verschiebt sich die dargestellte Aktion immer mehr zu einer auf den ältesten Sohn oder obersten Verwalter beschränkten Tätigkeit der Abrechnung und eventuell auch Durchführung eines Rituals. Damit wird der Funktions-Index "Teilnahme", der allen früheren Figuren eigen war, durch den Status-Index "Schreiber / Beamter" ersetzt. Als so indizierte Darstellung wird die Schreiberfigur in den Bestand der Serdab-Ensembles aufgenommen.

5. Schon bei kA-wab haben die Schreiberfiguren vor allem den Charakter einer solchen, mit dem Status des "Beamten" indizierten Grabstatue. Bei bA-bA=f und den folgenden Belegen läßt sich keinerlei Bezug zu einem ego-fremden Kult mehr herstellen. Die Schreiberfigur ist nun eine von mehreren in dieser Periode neu entwickelten Statuentypen, über die

250 Seidel / Wildung in: Vandersleyen et al. 1975: 225; Wildung 1983: 33; Wildung 1985:

26

251 Strudwick 1985: 312

Eigenschaften des Grabherrn dauerhaft affirmiert werden. Der besondere Charakter der am Boden hockenden Figur, nämlich eine Beziehung zu einer anderen Entität bzw. Institution herzustellen, wird dabei in besonderer Weise aktiviert: Als schreibkundiger Beamter setzt sich der Abgebildete in Beziehung zur Institution "Residenz" (Verwaltungs- und Kultzentrum des frühägyptischen Staatswesens) und zugleich zu deren besonderer Elite-Kultur (Schriftlichkeit).

6. Die Aufnahme der Schreiberfigur in den Bestand funerärer Statuen wird auch durch die Tendenz der "Verschriftlichung" des praktischen Kultes befördert. Bereits eine der Schreiberfiguren des kA-wab trägt eine an den Grabherrn gerichtete, von ihm zu lesende Opferformel auf dem Papyrus (5.4.2:). Das Bild ist etwas verwirrend: der Grabherr verliest, dauerhaft affirmiert, den eigenen Opferwunsch. Das entspricht aber dem Prinzip der Verschriftlichung des Kultes: Im Akt des Verlesens (bzw. der Verewigung der entsprechenden Schrift- und Bildzeichen) wird die beschriebene rituelle Handlung real. Indem man die funeräre Anlage mit der schriftlichen und bildlichen Beschreibung des Kultes versieht, affirmiert man den Vollzug des so festgehaltenen Kultes.

Es ist nicht verwunderlich, daß in Periode IV, in der die Leitung des Opferrituals vom "handelnden" wt-Priester an den "verlesenden" Xrj-Hb-Priester übergeht252, auch im Bestand der Statuen ein Darstellungstyp auftritt, der das Lesen und Schreiben als eine Fähigkeit des Grabherrn affirmiert. Nur ein über dieses privilegierende Wissen verfügender Toter kann sich zur Elite zählen und kann nur so auch die kultaffirmierende Dekoration seiner Elite-Grabanlage tatsächlich nutzen, d.h. "lesen", die sich so signifikant von den meisten Grabanlagen in der Provinz unterscheidet.

Die Aufzeichnung der Opferformel auf dem Papyrus ist eher selten belegt.

Damit ist die Schreiberfigur aber überhaupt der einzige Statuentyp, der sich grundsätzlich und in gewisser Weise logisch als Träger einer solchen kultaffirmierenden Inschrift anbot. Erst am Ende des AR werden Basen und Sitze von Statuen häufiger für Beischriften genutzt, die über die Namens- und Titelnennung hinausgehen. Aber auch dann sind es eher die soziale Identität und Integrität des Dargestellten festhaltende Epitheta (idealbiographische Floskeln wie jmAx.w n jt=f Hzjj n mw.t=f etc.253), und nur selten Ritualbeschreibungen wie die Opferformel254.

7. Bei Schreiberpose D - die der Handhaltung von Sitzfiguren entspricht und das Element "Schreiben / Lesen" vernachlässigt - wird deutlich, daß in manchen Fällen der Darstellung des Grabherrn als "Schreiber" die

252 Lapp 1986: 155f, 162; siehe auch Kap. 20.1.2.

253 Z.B. Berlin Inv.-Nr. 1/83 (Berlin 1983: 13)

254 Zum Sonderfall der Statuenstiftung siehe Kap. 9.6.

verwaltende Tätigkeit gar nicht mehr der eigentliche bedeutungstragende ikonographische Index ist, sondern allein die Pose, die die des

"Residenzangehörigen" ist: Teilhaber an einer Institution, Teilhaber an der privilegierten Residenzkultur und ihrer spezifischen funerären Praxis.

8. Die Sonderform der am Boden hockenden Figur mit einem angezogenen Bein und deren Ableitungen (Pose K) wurde oben als Pose einer Tempelstatue kurz erwähnt. M. E. ist der Ursprung der hier vorliegenden Pose, die nicht eine eigentliche "Schreiberfigur" abbildet, sondern wieder eine Form des teilnehmenden am-Boden-Hockens, ebenfalls im Tempelkult zu suchen. Offenbar ist sie die sekundäre Umsetzung der seit der späten 4. Dynastie üblichen Konvention der Flachbilddarstellung des mit angezogenem Bein Hockenden in das Rundbild. Im späten AR tritt diese Figur einmal im Taltempel des Mykerinos auf (5.14), einige andere Belege stammen aus Serdaben von Grabanlagen (5.61 - 5.65). Die Figuren sind nie mit einem Papyrus abgebildet, so daß die Funktion "Schreiber" als Index entfällt und nur die "Teilnahme" verbleibt. Ihr Auftreten in Serdaben hängt wahrscheinlich mit einer Tendenz zusammen, den Statuenbestand um Figuren zu ergänzen, die bestimmte Positionen des Toten durch Abbildung von Handlungen genauer zu definieren, z.B. auch durch die Gruppierung mit Dienerfiguren. Der hockend "teilnehmende" Grabherr affirmiert in dieser Statue einen Status, der die Anbindung an eine Institution in weniger abstrakter Weise beschreibt, als es die mittlerweile zum Gemeingut gewordene Schreiberfigur vermag. Die wenigen Figuren dieses Typs zeichen sich durch ihre Experimentierfreudigkeit aus und sind als Zeugnisse einer strategisch motivierten Bildfindung zu interpretieren. Sie stellen Personen dar, die zur Gruppe der dependent specialists zu rechnen sind. Das Vorbild ist hier, wie oft bei der plastischen Umsetzung neuer bedeutungstragender Elemente, das der Schrift nahestehende Flachbild.

9. Ähnliche Überlegungen werden den Fällen zugrundeliegen, in denen der Typ der Sitzfigur mit dem Element "Papyrus" verbunden wurde (5.66, 5.67). Man hat in solchen Fällen die Funktion der Serdabfiguren bestimmte Eigenschaften des Grabherrn möglichst genau zu beschreiben -in einer Statue verbunden: Affirmation des Status als Residenzangehöriger (Schreiber), Affirmation des Status als Grabherr (thronendes Sitzen), im Fall von sxm-kA (5.66) sogar noch die Affirmation der Familieneinbindung über die Gruppenfigur255.

255 Die Statue des xnw (5.67) trägt den Vorbauschurz, hier kann demnach die Kombination von Schreiberfigur und Figur im Vorbauschurz beabsichtigt sein, siehe auch Kap. 8.6.

7.5. Schreiberfiguren - Zusammenfassung

1. Die Schreiberfigur drückt, unabhängig von ihrer konkreten Aufstellung, eine spezifische soziale Position aus: die des eine Institution (Haushalt, Kulteinrichtung) leitenden bzw. dieser Institution angehörenden Beamten, der aus der Ausübung des Amtes gegenüber einer höheren Autorität seinen Status und seine Einkünfte bezieht. Diese soziale Position ist ein Spezifikum der Residenz des AR: Erst die Etablierung größerer Residenzinstitutionen machte es möglich, daß die Definition als "Schreiber"

ein solches soziales Prestige bekommen konnte. Es ist festzuhalten, daß diese Position nur von Männern eingenommen werden kann.

2. Die Schreiberfigur stellt den Grabherrn ikonographisch zusammengefaßt bei einer spezifischen Handlung, dem "Verwalten" (Anleitung, Kontrolle, Abrechnung) einer wirtschaftlichen oder kultischen Institution dar. Frühe Exemplare der Schreiberfiguren entstammen dem Bereich der "äußeren", offenen Kultanlage und setzten den Statueninhaber in Beziehung zu Kulthandlungen, die primär nicht seiner Person gelten. Spätestens ab der Einführung großer Statuenhäuser findet die Schreiberfigur aber auch dort ihren Platz und ist dann stets ein Abbild des Grabherrn.

3. Die soziale Bedeutung, die die Rolle als "Verwalter" einer Institution hat, wird deutlich in der Aufnahme dieser Darstellungsform in den Korpus der Serdabfiguren. Die Serdabfiguren affirmieren die wesentlichen Seinseigenschaften, die ein Grabherr über den Tod hinaus bewahren möchte: Die Sitzfigur den abstrakten Status des versorgten Toten und die Fähigkeit, das Opfer zu empfangen und damit als Persönlichkeit erhalten und ansprechbar zu bleiben; die Standfigur die Bewegungs- und Handlungsfähigkeit. Dazu tritt in Periode IV die Schreiberfigur, die den Status als Angehöriger der Residenzelite affirmiert. Neben das Sein und die Aktion tritt der konkrete Status in ganz ausgeprägter Form. Nicht nur Dasein und Aktionsfähigkeit "an sich" machen mehr die Identität aus, der Status als Residenzangehöriger tritt als wesentliches Element der Selbstdefinition hinzu. Die Schreiberfigur ist ein "statusindizierte Funktionsfigur", die den Statueninhaber nicht mehr nur in der abstrakten Position des kontakt- und handlungsfähigen Wesens beschreibt, sonder der konkreten Funktion des "Beamten" - und damit des mit previligierendem Wissen und einer spezifischen Position gegenüber dem Pharao bzw. einer der Spitzen der Gesellschaft ausgestatteten Residenzangehörigen.

4. Im Fall der Königssöhne der 4. Dynastie ist die Darstellung als Schreiber um so sinnfälliger, da sie, nach dem König, die oberste Macht überhaupt und die eigentliche Residenzelite darstellen. Annähernd zeitgleich wurden

zwei ikonographische Möglichkeiten gefunden, um die neuen sozialen Organisationsformen zu symbolisieren und damit auch zu realisieren: Das Bild des Pharao als Sphinx faßt die menschlichen und die übernatürlichen Konzepte vom Königtum in prägnanter und dieser Unmittelbarkeit noch nicht dagewesener Weise zusammen; das Bild des "obersten Menschen" als schriftkundiger Verwalter der ökonomischen und kultischen Belange zeigt ebenso unmittelbar das Selbstverständnis der die Hochkultur monopolisierenden Residenzelite - gerade auch gegenüber anderen Eliten auf Landesebene.

5. Das Bild des Schreibers drückt auch eine soziale Situation aus, die sich von den anzunehmenden traditionellen, weitgehend an familiäre Muster angelehnten sozialen Verhältnissen im Lande unterscheidet: Der Bezug von Einkünften definiert sich über die Verwaltung eines Besitzes, der ideell eine Institution darstellt, der man zugeordnet ist. Der Pharao als Institution faßt alle Erscheinungen der Welt in sich zusammen, als Verwalter dieser Erscheinungen treten die Königssöhne der 4. Dynastie auf. Weniger großartig ist das Konzept schon, wenn die Söhne des xa=f-xwfw in den Reliefs seiner Kapelle als Schreiber vor ihren nichtköniglichen Vater treten: Sie weisen sich als getreuliche Verwalter seines Besitzes und Versorger seines Kultes aus und legitimieren damit ihren Anspruch an dem, was sein Besitz war256. Ebenso verbinden die teilnehmenden Schreiber in den Kapellen von Giza und des dwA-ra im Tempel des Snofru die Absicherung ihrer Anwesenheit beim Kultgeschehen mit der Affirmation ihrer Ansprüche an den entsprechenden Einkünften. Das Verhältnis "Schreiber sein" drückt auch ein Versorgungsverhältnis aus, das des "an-eine-Institution-Gebundenen" und "durch-eine-Residenzinstitution-Versorgten". Es besteht eine gewisse Gemeinsamkeit zwischen der Schreiberfigur und der Formel des jmAx.w-xr-Verhältnisses, die sich zuerst auf den König (nTr-aA) als dem Synonym für Residenzinstitution bezieht, im späteren AR aber auch konkrete Personen bzw. Götter als Bezüge nennt257. So gesehen hat die Schreiberfigur den Aspekt "soziale Einbindung", der oben als Weg ihrer Übernahme in funeräre Ensemble postuliert wurde, nie ganz verloren; die soziale Einbindung hat aber eine für die Residenz typische Form gefunden.

6. Die Entwicklung der Schreiberfigur als Statuentyp mit einem residenzspezifischen Status-Index ist ein Beleg für die Dynamik der funerären Kultur und dafür, daß diese Ausdrucksform der sozialen

256 BGM 3: fig. 28, 29

257 Jansen-Winkeln 1996.a: 32f

Prozesse der Residenz ist. An der Schreiberfigur läßt sich ein Prozeß der kulturellen Indizierung nachvollziehen, der über die Etappen

a) habituelle Darstellung der Affirmation von Teilnahme (am Tempelkult), zu

b) Affirmation sozialer Einbindung in die Institution "Königsfamilie", zu

c) Affirmation des Status als Angehöriger der Institution "Residenz"

führt.

Die hockende Figur von Männern und Frauen mit der ganz allgemeinen und für die gesamte pharaonische Zeit belegbaren Funktion "Teilnahme an einem ego-fremden Kult" wird in einem planvollen Prozeß umgeformt zur den konkreten sozialökonomischen Bedingungen angepaßten, ausschließlich männlichen Figur des Schreibers mit der Funktion, den Aspekt des Grabherrn / ego als "Angehörigen der institutionellen Residenz-Elite" zu affirmieren. Es sind folglich nur sehr wenige Schreiberfiguren des AR bekannt, die nicht aus der Residenz stammen (5.56 - 5.59; 5.65). Der Typ der Schreiberfigur verliert zwangsläufig seine Funktion mit dem Ende der für das AR spezifischen Residenzinstitution. Die Schreiberfigur wird erst im MR wiederbelebt, in veränderter Typologie und mit modifizierter Funktion258.

7. Die Bedeutung ikonographischer Elemente als "Indizes" ist an der Schreiberfigur besonders offensichtlich. Die frühen Figuren von Königssöhnen betonen zum Teil die Dickleibigkeit der Personen, ein ikonographisches Element, daß die "Anwesenheit" des Dargestellten beschreibt und damit der Funktion dieser Figuren im Kontext des Kultes an einer "äußeren" Kultstelle entspricht. Bei der Formalisierung der Schreiberfigur zur Serdabfigur wird auf diese Ikonographie verzichtet. Die charakteristische Sitzhaltung ist nun grundsätzlich als "Schreiber / Beamter" zu verstehenden. Recht ambivalent bleiben die Handhaltungen, so daß neben der Tätigkeit des Schreibens / Lesens häufig - besonders in der der Handhaltung von Sitzfiguren entsprechenden Pose D - die Existenzform als Toter affirmiert wird. Diese Figuren sind dadurch in ihrer Funktion nicht mehr nur auf die Statusaffirmation festgelegt, sondern können allgemeine Abbilder des Grabherrn sein, unter Betonung seiner Zugehörigkeit zur Residenz. Schreiberfiguren in dieser Pose D und Pose C, den Papyrus haltend, treten daher mitunter als einzige rundplastische Darstellung des Toten in seinem Grab auf. Gelegentlich wird die Affirmation der Residenzzugehörigkeit - durch das Halten der Schriftrolle

258 Scott 1989: 124, 218

in Pose C - auch mit der normalen Sitzfigur verbunden, die die Existenz des Toten in seinem spezifischen Status als Toter beschreibt.

8. Die bekannte Serdabstatue des snb, die in einmaliger Weise die Gruppenfigur mit der Schreiberhaltung verbindet, ist ein schönes Beispiel für den Prozeß der künstlerischen Bildfindung, in dem verschiedene ikonographische Elemente zu einem Abbild verbunden werden, das stark von konkreten Gegebenheiten und damit einem strategischen Anliegen des Autraggebers geprägt ist (5.60). Der Zwerg snb läßt sich als eine außergewöhnliche Persönlichkeit darstellen, eine Persönlichkeit, die der körperlichen Anomalie des Zwergenwuchses offensichtlich einiges an Status-Wert beimißt (siehe dazu auch Kap. 12.2.1.). Zugleich indiziert der Schreibersitz die Zugehörigkeit zur Residenzelite, die Sitzfigur den Status als versorgter Toter, die Gruppenfigur die Einbindung in ein soziales Umfeld und seine Kontinuität. Diese Statue ist - wie viele andere auch - nicht die schematische Reproduktion geläufiger Strukturen, sondern deren sinn-und planvolle Aktivierung.

Im Dokument Statue und Kult (Seite 116-124)