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7. Prävention

7.1 Glücksspielprävention

Trotz ansteigender Aufmerksamkeit der Gesellschaft gegenüber dem Thema der Glücksspielsucht existiert in Deutschland kein „qualitätsgesichertes Programm der Verhaltensprävention“, welches sich speziell auf Jugendliche bezieht und diese auch klar

44 als Zielgruppe definiert (vgl. Hayer 2012, S. 239).Die gleiche Situation findet man in Österreich. Die „ARGE Suchtvorbeugung“ gab zwar 2009 die erste Studie zur Glücksspielprävention in Österreich in Auftrag und veröffentlichte diese 2011. Diese Studie bezieht sich aber nicht explizit auf Jugendliche und junge Erwachsene. Trotzdem ist sie von wertvoller Bedeutung, da in Österreich bis zu diesem Zeitpunkt kaum empirische Erkenntnisse darüber vorlagen. Auf Grundlage der empirischen Ergebnisse dieser Studie konnten danach Empfehlungen für präventive Maßnahmen für das Glücksspielwesen in Österreich niedergeschrieben werden. Diese Empfehlungen wurden in dem sogenannten „7-Punkte-Plan der Österreichischen ARGE Suchtvorbeugung:

Glücksspielprävention in Österreich“ zusammengefasst, welcher nun vorgestellt wird:

1) Technischer Spielerschutz:

Der technische Spielerschutz ist zu maximieren, um suchtfördernde Spielmechanismen zu minimieren (inkl. Online-Spiel).

2) Unabhängiger Spielerschutz:

Der Spielerschutz ist unabhängig und als einheitliches, breit gestreutes und gut platziertes Maßnahmenpaket (Hotline, Website, Informationsmaterialien, Sperrmechanismen,...) einzurichten und zu bewerben bzw. primär von der öffentlichen Hand zu finanzieren. Die bestehenden Mitarbeiterschulungen der Glücksspielanbieter sind zu optimieren (Durchführung von Seiten unabhängiger und qualifizierter Einrichtungen mit öffentlichem Auftrag).

3) Jugendschutz:

Die Jugendschutzgesetzgebung der einzelnen Bundesländer muss der Glücksspiel- und Wettproblematik Rechnung tragen.

4) Sportwetten:

ExpertInnen zufolge sind Sportwetten als Glücksspiel (und nicht als Geschicklichkeitsspiel) einzustufen. Dies erfordert entsprechende Änderungen der Gesetze.

5) Information und Sensibilisierung der Bevölkerung:

Informationsmaßnahmen und Kampagnen müssen als gemeinsames Maßnahmenbündel, in Abstimmung mit regionalen Präventions- und Hilfsangeboten unter Einbindung der

45 Akteure vor Ort geplant, entwickelt und umgesetzt werden. Dafür sind entsprechende Ressourcen in den Bundesländern bereitzustellen.

6) Präventionsprojekte/-programme für unterschiedliche Zielgruppen:

Einerseits ist die Glücksspielthematik in bereits bestehende und in Umsetzung befindliche Präventionsmaßnahmen zu integrieren. Andererseits müssen speziell für Kinder und Jugendliche und insbesondere für Zielgruppen mit speziellen Risikofaktoren entsprechende Präventionsprogramme entwickelt bzw. bereits evaluierte Programme für Österreich adaptiert werden.

7) Bereitstellung der dafür notwendigen Ressourcen in den Bundesländern:

Für ein professionelles und flächendeckendes Präventions-, Beratungs- bzw.

Hilfsangebot in den Bundesländern, welches so weit als möglich in bereits bestehende geeignete Strukturen integriert ist, sind ausreichend Mittel zur Verfügung zu stellen.

(Österreichische ARGE Suchtvorbeugung)

Die Glücksspielprävention auf Jugendliche und junge Erwachsene beziehend, ist Tobias Hayer der Meinung, dass die Präventionspraxis der stoffgebundenen Suchtformen mit etwas Vorsicht auf das Glücksspiel übertragen werden kann (vgl. Hayer 2012, S. 245).

Geht es nach ihm, so sieht eine ideale Suchtprävention für Jugendliche und junge Erwachsene wie folgt aus:

• Suchtprävention muss empiriegestützt und theoriegeleitet sein: Als Ausgangspunkt für die Ausarbeitung von Programmen der Verhaltensprävention dienen entwicklungsorientierte Risiko- und Schutzfaktorenmodelle, die den gegenwärtigen Kenntnisstand lege artis zusammenfassen. Entwicklungsmodelle dieser Art ermöglichen eine zielgerichtete Berücksichtigung relevanter Risiko- und Schutzbedingungen sowie die Identifikation von Hochrisikogruppen.

• Suchtprävention muss breit und vernetzt erfolgen: In erster Linie bietet sich das Setting Schule an, um langfristig angelegte Programme zu implementieren und eine Anzahl an Heranwachsenden zu erreichen. Weitere wichtige Handlungsfelder der Suchtprävention verkörpern Sportvereine, Einrichtungen der Jugendhilfe, (Risiko-)Familien und Gemeinden.

Im Allgemeinen erweisen sich punktuelle Informationsveranstaltungen, reine Wissensvermittlung und dramatisierende Furchtappelle als wenig zweckdienlich. Vielmehr stellen Strategien, die im Zeichen der Lebenskompetenzförderung stehen, die Methode der Wahl dar. Eine Optimierung des Vorgehens ist zu erreichen, wenn handelnde Akteure in tragfähige Strukturen integriert und Einzelmaßnahmen in ein kohärentes Gesamtkonzept eingebunden sind. Zudem sollten immer Veränderungen auf der Wissens-, Einstellungs-, Verhaltens- und Kompetenzebene angestrebt werden. Anders ausgedrückt bedeutet das

46 Festhalten an der Konsumreduktion als einziges Effektivitätskriterium eine verkürzte Sichtweise.

• Suchtprävention muss interaktiv gestaltet werden: Wie bereits ausgeführt, bedingt die Vermittlungsform den Erfolg einer suchtpräventiven Aktivität nicht unwesentlich.

Demzufolge sind interaktive oder partizipative Komponenten (z.B. Rollenspiele, Kleingruppenarbeit, das Üben der erworbenen Fertigkeiten in vivo) einzubinden. Während der Phase der Programmentwicklung sollten darüber hinaus die Ideen und Meinungen von repräsentativen ausgewählten Kindern bzw. Jugendlichen Beachtung finden. Derartige Möglichkeiten der Programmmitgestaltung erhöhen die Angemessenheit der Maßnahmen und ihre Zustimmung in der Zielgruppe.

• Suchtprävention muss Alternativen schaffen: Des Weiteren sind attraktive Erlebniswelten abseits der Nachfrage nach Suchtmitteln anzubieten. Eine Klärung der ursprünglichen Konsummotive, der Funktionalität des sich verfestigenden Suchtmittelkonsums sowie der sozialen Umstände exzessiver Konsummuster ebnet den Weg für alternativen, gesundheitsverträglichen Formen der Bedürfnisbefriedigung. Zugleich wird der starren Fixierung auf das Suchtmittel und einer verzerrten Erwartung in Bezug auf die Konsumwirkung entgegengetreten.

• Suchtprävention muss Passgenauigkeit aufweisen: Eine Gleichschaltung von Präventionsmaßnahmen erweist sich in der Regel als wenig zielführend. Vielmehr hat sich Suchtprävention immer an den Besonderheiten der im Fokus stehenden Adressaten zu orientieren. Geschlechts- und Altersunterschiede sind in diesem Zusammenhang ebenso von Relevanz wie das Bildungsniveau oder der Migrationshintergrund der Zielpersonen.

• Suchtprävention muss nachhaltig angelegt sein: Erwartungsgemäß können von Programmen mit einer hohen Kontaktdichte eher positive Wirkungen erwartet werden als von Programmen mit einer vergleichsweise geringen Stundenzahl. Auch die Einführung von sogenannten Booster-Sessions (Auffrischungssitzungen) nach Beendigung der eigentlichen Intervention trägt in der Regel zu einer Effektivitätssteigerung bei.

• Suchtprävention muss effektiv und effizient sein: Aufgabe der (politischen) Entscheidungsträger ist es, in Zukunft verstärkt die empirische Befundlage zur Kenntnis zu nehmen und hinreichend validierte Präventionsprogramme zu implementieren. Neben der Effektivität als Indikator für die Zielerreichung ist die Effizienz, d.h. die Kosten-Nutzen-Relation, als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen. Wissenschaftliche Fremdbewertungen der Programme in Form von unabhängiger Prozess- und Ergebnisevaluation bilden dabei eine wichtige Voraussetzung für die Optimierung der Suchtprävention.

• Suchtprävention muss verhaltens- und verhältnispräventive Elemente beinhalten:

Suchtprävention repräsentiert immer eine multidimensionale Herausforderung, die im Sinne eines Policy-Mix aufeinander abgestimmte Maßnahmen verlangt. Nicht ein „Entweder-oder“, sondern die Frage nach einer umfassenden, koordinierten und widerspruchsfreien Suchtpräventionspolitik ist zielführend. Zum Beispiel spiegelt die Erhöhung der Zugangsbarrieren zu kommerziellen Glücksspielangeboten einen begrüßenswerten Schritt der Verhältnisprävention wider. Größtmögliche Wirkung entfacht diese Maßnahme aber erst dann, wenn Jugendliche zugleich eine verantwortungsbewusste Haltung zum Glücksspiel entwickeln und bestimmte Kernkompetenzen im Umgang mit Suchtmitteln erwerben. Ein weiterer Aspekt bezüglich der Ausschöpfung des Nutzens verhältnispräventiver Maßnahmen bezieht sich auf deren Akzeptanz: Stoßen regulatorische Eingriffe des Staates auf einen breiten gesellschaftlichen Konsens (z.B. bei der Festlegung eines Mindestalters für Besuch einer Spielhalle), ist eher mit ihrer Wirksamkeit zu rechnen.

Abbildung 4: Grundlegende Prämissen einer idealtypischen Suchtprävention (Hayer 2012, S. 245ff.)

47 Ergänzend zu diesen Prämissen sollen dann die schon erwähnten primär-, sekundär- und tertiärpräventiven Maßnahmen Erfolg in der Suchtprävention bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen versprechen. Primärpräventive Maßnahmen beziehen sich auf Spielinteressierte und soziale SpielerInnen. Einerseits muss es hierbei durch Verhaltenstraining zu einer Förderung basaler Lebenskompetenzen kommen und andererseits muss die Gesetzgebung so gestaltet sein, dass es zu einem Rückgang der Verfügbarkeit und einem Verzögern des Erstkontaktalters kommt. Die Sekundärprävention bezieht sich auf jugendliche gefährdete SpielerInnen. Hier sind Maßnahmen gefragt wie etwa der Fortschritt von Prozessen der Früherkennung und Frühintervention oder die Verhinderung der Chronifizierung eines fehlangepassten Spielverhaltens. Bei der Tertiärprävention stehen die pathologischen SpielerInnen im Mittelpunkt. In dieser Phase ist es wichtig, den betroffenen Jugendlichen bedarfsgerechte und passgenaue Versorgungsangebote bereitzustellen und sie bei Änderungsprozessen zu begleiten (vgl. Hayer 2012, S. 248).

Hinzu kommt, dass Beratungsangebote für Glücksspielsüchtige und ihre Angehörigen noch intensiver etabliert werden müssen. Betroffene sind oftmals kaum über solche Institutionen informiert und sehen sich in ihrer Sucht allein gelassen. Zusammenfassend zeigt sich, dass, egal wie die Gesetzeslage aussieht, die jugendlichen SpielteilnehmerInnen von Anfang an von einem umfassenden Versorgungsangebot umkreist sein müssen, damit sich das Glücksspiel nicht im Entwicklungsverlauf durchsetzt und den/die Jugendliche/n zu einem/einer pathologischen GlücksspielerIn macht. Denn dann ist das Problem schon sehr weit fortgeschritten und kann meist nur durch eine Therapie geheilt werden. Dementsprechend werden Beratungs- und Therapieangebote im folgenden Kapitel behandelt.

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